Leitsatz (amtlich)
Wird das Verfahren durch Klagerücknahme (SGG § 102) oder durch übereinstimmende Erklärung der Beteiligten, daß die Hauptsache erledigt sei, beendet, so richtet sich die Kostenentscheidung nach SGG § 193. Die ZPO §§ 91a und 271 Abs 3 S 2 sind nach SGG § 202 im Hinblick auf die besondere Kostenregelung des SGG nicht anzuwenden; die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden vielmehr über die Kosten in Fällen dieser Art grundsätzlich nach sachgemäßem Ermessen.
Normenkette
SGG § 102 Fassung: 1953-09-03, § 193 Fassung: 1953-09-03, § 202 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 91a Fassung: 1950-09-12, § 271 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1950-09-12
Tenor
Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt
Der Kläger und die Beklagten tragen die ihnen erwachsenen Kosten des Rechtsstreits selbst. Der Kläger hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
Der Kläger hatte den Beschluß des Zulassungsausschusses für Zahnärzte, Bezirksstelle G, vom 27. Oktober 1954 sowie den seine Berufung zurückweisenden Beschluß des Zulassungsausschusses Niedersachsen für Zahnärzte und Dentisten vom 21. Dezember 1954, der die Zulassung des Beigeladenen für eine Kassenarztstelle in H bestätigte, durch Klage beim Sozialgericht Hannover angefochten. Die Klage hatte im ersten und zweiten Rechtszug keinen Erfolg. Während des Revisionsverfahrens vor dem Bundessozialgericht zeigte der Kläger an, daß er inzwischen in H als Zahnarzt zugelassen sei, und stellte den Antrag,
die Hauptsache für erledigt zu erklären und den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Beklagte zu 1) sieht den Rechtsstreit gleichfalls als in der Hauptsache erledigt an, hat aber im Hinblick darauf, daß die Revision nach ihrer Ansicht von vornherein aussichtslos gewesen ist, beantragt,
die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen.
Der Beigeladene hat sich dem Kostenantrag der Beklagten zu 1) angeschlossen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Erklärung des Klägers, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei, als die Erklärung des klaglos gestellten Klägers, wie sie § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO im Zivilprozeß für die Kostenentscheidung des Gerichts "nach billigem Ermessen" voraussetzt, oder als Klagerücknahme (§ 102 SGG) anzusehen ist. Die Entscheidung dieser Frage wäre zwar im zivilprozessualen Verfahren wegen der unterschiedlichen Kostenfolgen (vgl. §§ 91 a Abs. 1 Satz 1 und 271 Abs. 3 Satz 2 ZPO) von Bedeutung. Im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit kann sie jedoch auf sich beruhen; denn in jedem Fall ist die Voraussetzung für die Kostenentscheidung des Gerichts nach § 193 Abs. 1, 2. Halbs. SGG erfüllt, daß nämlich das Verfahren "anders" - als durch Urteil - beendet wird. Wenn auch § 102 Satz 3 SGG die Kostenentscheidung ausdrücklich erwähnt, so ist doch die Frage, welchen Inhalt dieser Kostenbeschluß hat, ausschließlich nach § 193 SGG zu beantworten (vgl. ähnlich Peters-Sautter-Wolff, Komm. z. SGG, Stand: Oktober 1956, Anm. 1 zu § 193).
Hierbei ist davon auszugehen, daß die Kostenvorschriften der ZPO - abgesehen von der in § 194 Satz 1 SGG ausgesprochenen besonderen Verweisung - im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht anwendbar sind, weil die besondere, den Eigenarten des sozialgerichtlichen Verfahrens angepaßte Kostenregelung des SGG eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO ausschließt (vgl. § 202 SGG). Das Gericht der Sozialgerichtsbarkeit entscheidet grundsätzlich nach sachgemäßem Ermessen über die Kostenerstattung (§ 193 Abs. 1 SGG); es ist in diesem Ermessen nur durch die Vorschrift des § 193 Abs. 4 SGG beschränkt, die die Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts in jedem Fall für nicht erstattungsfähig erklärt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29.5.1956 - Sozialrecht SGG § 193, Da 1 Nr. 2).
Hiernach haben die Beklagten die ihnen erwachsenen Kosten des Rechtsstreits selbst zu tragen; denn sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 368 k Abs. 3 Satz 1 RVO in der Fassung des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 (BGBl. I S. 513) und § 414 Abs. 4 Satz 1 RVO in der Fassung des Gesetzes über die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Ersatzkassen vom 17. August 1955 (BGBl. I S. 524)). Im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen war für die Kostenentscheidung zu berücksichtigen, daß der Kläger aus freien Stücken durch seine Erledigungserklärung auf die Fortführung des Verfahrens verzichtet hat; denn seine Zulassung in H stand der weiteren Verfolgung seines Klagebegehrens rechtlich nicht im Wege. Im übrigen waren auch die Erfolgsaussichten der Revision des Klägers nach dem Ergebnis der vorangegangenen Verfahren und dem Stande des Revisionsverfahrens nur gering. Deshalb war insoweit zu entscheiden, daß der Kläger seine Kosten selbst zu tragen und dem Beigeladenen die diesem erwachsenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat.
Fundstellen
Haufe-Index 2380652 |
NJW 1957, 765 |