Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 29.03.2019; Aktenzeichen S 12 KR 880/17) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 18.02.2020; Aktenzeichen L 11 KR 1881/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Beitragserhebung zur gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) auf Kapitalauszahlungen aus Direktversicherungen.
Der 1951 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse in der Krankenversicherung der Rentner kranken- und bei der beklagten Pflegeversicherung pflegeversichert. Am 4.1.2016, 1.3.2016 und 1.9.2016 zahlte die A. AG dem Kläger Kapitalbeträge aus Versicherungen, die seine ehemalige Arbeitgeberin als Direktversicherungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung für ihn abgeschlossen hatte. Die Beklagte zu 1. berücksichtigte - auch im Namen der Beklagten zu 2. - bei der Beitragsbemessung zur GKV und sPV je 1/120 des auf den Zeitraum entfallenden Betrags der Versicherungen, in denen die Arbeitgeberin Versicherungsnehmerin war, für längstens zehn Jahre. Den Teil der Kapitalzahlungen, der auf den Zeitraum entfiel, in dem der Kläger Versicherungsnehmer war, berücksichtigte die Beklagte zu 1. nicht (Bescheide vom 19.4.2016, 15.11.2016, 27.12.2016, 12.1.2017, Widerspruchsbescheid vom 3.3.2017, Änderungsbescheide vom 5.1.2018, 15.12.2018).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Heilbronn vom 29.3.2019, Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.2.2020). Die Beklagte habe zutreffend die Kapitalauszahlungen der Direktversicherungen insoweit der Beitragspflicht unterworfen als die Auszahlung auf Beiträgen beruhe, die auf Zeiträume der Versicherungsnehmereigenschaft der Arbeitgeberin des Klägers entfielen. Es handele sich um betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) und des SGB V. Die Verbeitragung der Kapitalleistungen verstoße nicht gegen Verfassungsrecht.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält die folgenden Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
"ob es sich um eine Direktversicherung im Sinne des Durchführungsweges des BetrAVG handelt, wenn die vom Arbeitgeber eingezahlten Beiträge von der Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht umfasst sind, wie im vorliegenden Fall."
und
"wie Direktversicherungen im Durchführungswege des BetrAVG von rein privaten Kapitallebensversicherungsverträgen abzugrenzen sind."
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger damit eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert hat.
Selbst wenn eine solche Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung, Einordnung von Direktversicherungen unter § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V sowie Bedeutung der Versorgungszusage des Arbeitgebers (vgl nur Urteile vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 24, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen und B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25; BSG Urteil vom 1.4.2019 - B 12 KR 19/18 R - juris, jeweils mwN) hat sich der Kläger nicht hinreichend auseinandergesetzt. Der Senat hat ua wiederholt entschieden, dass Leistungen, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung erbracht werden, auch dann zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gehören, wenn sie ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitnehmers - auch aus Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze - beruhen (BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 6/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 7; BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 24, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Betreffend die Abgrenzung einer rein privaten von einer Absicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung hätte sich der Kläger neben der genannten Rechtsprechung des BSG auch mit derjenigen des BVerfG zur Abgrenzung der privaten Vorsorge von Betriebsrenten (BVerfG Beschluss vom 9.7.2018 - 1 BvL 2/18 - juris RdNr 19; BVerfG Beschluss vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15 - NJW 2018, 3169, RdNr 17; BVerfG Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 9 ff; BVerfG Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 12 ff), zum institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechts, auseinandersetzen müssen. Inwiefern sich die aufgeworfenen Fragen nicht oder nicht umfassend anhand dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lassen, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hinreichend hervor.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger meint, das LSG habe die Bedeutung der Ausführungen des BVerfG im Beschluss vom 28.9.2010 (1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11) verkannt. Es habe die Typisierung unzulässig ausgedehnt. Damit hat der Kläger weder sich widersprechende Rechtssätze noch aufgezeigt, dass das LSG die Rechtsprechung des BVerfG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch in Frage gestellt hätte. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18). Das gilt auch für die Behauptung - wie hier -, das LSG habe den Sachverhalt nicht zutreffend erfasst.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13976041 |