Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Januar 2017 - L 5 AS 657/13 - wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, denn der Kläger hat keinen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - in der gebotenen Weise schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG entscheiden.
Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde entspricht bereits nicht den formellen Erfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Dies ist der Fall, wenn die Ausführungen zu den Zulassungsgründen unübersichtlich, ungegliedert oder sonst unklar und mit für das Beschwerdegericht unerheblichen Fragen vermengt sind. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich aus einer derartigen Gemengelage das herauszusuchen, was möglicherweise zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (BSG vom 12.5.1999 - B 4 RA 181/98 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 26 im Anschluss an BVerwGE, Beschluss vom 23.11.1995 - 9 B 362/95 = Buchholz 310 § 133 ≪nF≫ VwGO Nr 20).
Dies gilt zunächst für den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG einer genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage - hier des BSG - widersprochen und von der bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG abweichende, dh mit dieser unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap RdNr 196 mwN).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, denn der Kläger selbst macht das Vorliegen einer Divergenz davon abhängig, dass die Ausführungen des BSG in einem Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1 - zum Normsetzungsermessen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) hinsichtlich einer medizinischen Bewertung und des Verbots, das Gerichte ihre eigene Einschätzung an die Stelle des GBA setzen, als Maßstab für das vorliegende Verfahren anwendbar sind. Zugleich stellt er die Übertragbarkeit der dargelegten Grundsätze auf den hiesigen Sachverhalt in Zweifel. Nur wenn man die Übertragbarkeit bejahe, weiche das LSG ab, indem es das Normsetzungsermessen des Verordnungsgebers der Wohnaufwendungenverordnung (WAV) Berlin vollständig durch eigene Amtsermittlungen zum Ausfüllen der Tatbestandsmerkmale des § 22 Abs 1 SGB II ersetzt habe. Soweit damit die behauptete Abweichung von einer bestimmten rechtlichen Interpretation abhängig gemacht wird, erfüllt dies nicht die Voraussetzung eines Abweichens von einer konkret bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG.
Die Darlegung der vom Kläger weiterhin geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit die wahllos in die Beschwerdebegründung eingestreuten Rechtsfragen offenbar in die abschließend zusammenfassende Frage münden sollen,
"Kann im Falle der Unwirksamkeit einer nach § 22a SGB II erlassenen Satzung eine Angemessenheitsprüfung im gerichtlichen Verfahren durchgeführt werden, oder ist auf die Tabellenwerte nach § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags abzustellen?",
ist nicht dargelegt, warum die aufgeworfene Rechtsfrage sich nicht an Hand der bereits bestehenden umfangreichen Rechtsprechung des BSG zum Thema "Bedarfe für Unterkunft und Heizung" beantworten lässt. Der Kläger hat sich weder mit dem Grundsatzurteil des Senats konkret zur WAV Berlin auseinandergesetzt (BSG vom 17.10.2013 - B 14 AS 70/12 R - BSGE 114, 257 = SozR 4-4200 § 22a Nr 1, RdNr 27, 29, 30) in dem dargelegt ist, dass Bezugspunkt der untergesetzlichen Normsetzungsbefugnis inhaltlich unverändert die Regelung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II ist, nach dem Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nur anerkannt werden, soweit diese angemessen sind, wobei der Begriff der Angemessenheit uneingeschränkter richterlicher Kontrolle unterliegt. Weiterhin hat der Kläger sich nicht damit befasst, dass nach der Rechtsprechung des BSG (siehe nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 12, 16 f) angemessene Bedarfe für Unterkunft nach dem SGB II nur dann nach der Wohngeldtabelle unter Berücksichtigung eines Zuschlags in Höhe von 10 % festgesetzt werden können, wenn ein Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten für den konkret bestimmten Vergleichszeitraum festgestellt worden ist. Dass ein solcher Ermittlungsausfall aus Sicht des LSG vorgelegen hat, ist vom Kläger nicht dargetan; er hat einen Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten unter Zugrundelegung seiner Sichtweise lediglich behauptet. Soweit der Kläger im Hinblick auf die Klärungsbedürftigkeit seiner Frage ausführt, dass es dazu weder Rechtsprechung noch Ausführungen in der Literatur gebe, so legt dies nahe, dass dies deshalb der Fall ist, weil die Antwort wegen der klaren Gesetzeslage und bestehender Rechtsprechung überhaupt nicht zweifelhaft ist (Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 66).
Auch ein Verfahrensmangel, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Soweit der Kläger die Bezugnahme des LSG auf den Berliner Mietspiegel 2011 und dessen Einordnung als qualifizierten Mietspiegel rügt, legt er selbst dar, dass dies eine tatrichterliche Frage der Beweiswürdigung sei, die der Rüge eines Verfahrensmangels im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen sei (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Soweit der Kläger aber weitergehend mit Bezug auf Berliner Zivilgerichte ausführt, der Mietspiegel 2009 sei dort weder als einfacher noch als qualifizierter Mietspiegel angesehen worden und das Urteil des LSG, das auf den fortgeschriebenen Mietspiegel von 2009 abstellt, sei daher entgegen der Vorschrift des § 128 Abs 1 Satz 2 SGG nicht mit Gründen versehen, ist der geltend gemachte Verstoß nicht dargetan. Zum einen blendet diese Argumentation aus, dass das BSG die Berliner Mietspiegel, auf denen die fortgeschriebenen Mietspiegel beruhen, bereits als qualifizierte Mietspiegel anerkannt hat (BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 28; BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23). Zum anderen ist ein Fehlen von Entscheidungsgründen nur gegeben, wenn das Urteil in seiner Begründung nicht mindestens diejenigen Erwägungen zusammenfasst, die für die gefundene Lösung und für jeden Streitpunkt maßgeblich waren (grundlegend BSG SozR Nr 9 zu § 136 SGG; BSG SozR 1500 § 136 Nr 10). Dass die über 10 Seiten umfassenden Entscheidungsgründe im Urteil des LSG, das sich in der Prüfungsreihenfolge an den bereits genannten Urteilen des BSG orientiert, in dem dargelegten Sinne keine Gründe für die richterliche Überzeugungsbildung aufweisen, ist den Darlegungen des Klägers nicht zu entnehmen.
Soweit der Kläger rügt, dass das LSG durch seine Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG eine unzutreffende Beweiswürdigung unter Verstoß gegen die Denkgesetze vorgenommen hat, ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, weil ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Soweit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) gerügt wird, weil das LSG den von ihm in Bezug genommenen Marktmonitor 2011 der "bbu" den Verfahrensbeteiligten zuvor nicht bekannt gemacht habe und diese Studie nur für 128 Euro käuflich erworben werden könne, greift diese Rüge nicht durch. Da eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren im Unterschied zu § 138 Nr 3 VwGO kein absoluter Revisionsgrund ist, müssen auch die übrigen Voraussetzungen wie das "Beruhen-Können" des LSG-Urteils auf der Verletzung und deren Entscheidungserheblichkeit dargelegt werden (siehe zu diesem Erfordernis im Rahmen der Verfassungsbeschwerde BVerfGE 60, 313, 318; 86, 133, 147, stRspr). Bei einer Überraschungsentscheidung ist es daher zB in der Regel notwendig vorzutragen, welches entscheidungserhebliche Vorbringen dadurch verhindert wurde und inwieweit die Entscheidung darauf beruhen kann (dazu nur BSG SozR 1500 § 160 Nr 31; BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Derartiges ist hier nicht vorgebracht, vielmehr wiederholt der Kläger, dass der Berliner Mietspiegel nicht als qualifizierter Mietspiegel anzusehen sei. Soweit er ausführt, er hätte zu dem Marktmonitor 2011 der "bbu" einen Hinweis gegeben, lässt er nicht erkennen, inwieweit die Entscheidung des LSG auf dem unterlassenen Hinweis in dem Sinne beruhen kann, dass dieser Hinweis zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (BVerfGE 7, 95, 99; 60, 247, 249; 62, 392, 396; 86, 133, 147; 89, 381, 392 f).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11281619 |