Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 06.09.2001) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 6. September 2001 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die für die Zulassung der Revision auf Verfahrensmängel im angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Auflage, 1997, IX, RdNr 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat die Beschwerdeführerin nicht hinreichend Rechnung getragen.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur dann gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der insoweit von der Beschwerdeführerin gerügte Aufklärungsmangel – Unterlassen der Klärung bestehender Zweifel durch gezielte Befragung des Sachverständigen – sind nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere fehlt es an der Bezugnahme auf einen berücksichtigungsfähigen Beweisantrag. Dazu hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl ua Beschlüsse des Senats vom 3. März 1997 – 2 BU 19/97 – und vom 12. Mai 1999 – B 2 U 78/99 B – sowie Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 1992 = SozR 3-1500 § 160 Nr 6). Sinn der erneuten Antragstellung ist es, zum Schluß der mündlichen Verhandlung darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgebenden mündlichen Verhandlung noch abschließend gestellt werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muß, wenn es ihnen nicht folgt. Die im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Klägerin hätte deshalb in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2001 neue Beweisanträge stellen oder auf in früheren Schriftsätzen enthaltene Beweisanträge Bezug nehmen oder sie zumindest hilfsweise zu dem Sachantrag stellen müssen, was ausweislich der Sitzungsniederschrift indes nicht geschehen ist. Danach hat die Beschwerdeführerin lediglich einen Sachantrag gestellt.
Auch die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§§ 62, 128 Abs 2 SGG, Art 103 Abs 2 des Grundgesetzes) hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan. Die genannten Vorschriften sollen verhindern, daß die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf einer Rechtsauffassung beruht, zu der sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Der sich daraus ergebende Anspruch auf rechtliches Gehör und die dementsprechenden Hinweispflichten des Gerichts beziehen sich jedoch nur auf erhebliche Tatsachen, die den Betroffenen bislang unbekannt waren, und auf neue rechtliche Gesichtspunkte. Ein Hinweis ist lediglich dann geboten, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbevollmächtigter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190). Das Vorliegen solcher Gesichtspunkte hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Ihr Vorbringen, das LSG hätte sie darauf hinweisen müssen, daß es „in der Frage der Verletztenrente von der Entscheidung des Sozialgerichts Hannover abweichen wollte”, ist dazu bereits deshalb nicht geeignet, weil sie in dem Berufungsverfahren im Rahmen der von ihr eingelegten Anschlußberufung selbst die erstinstanzliche Entscheidung in diesem Punkt – wenn auch mit anderer Zielrichtung – angegriffen und damit ein „Abweichen” davon gefordert hatte, ihr mithin bewußt sein mußte, daß auch insoweit anders als in der Vorinstanz entschieden werden könnte. Eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts gegenüber – insbesondere rechtskundig vertretenen – Beteiligten über die Rechtslage und die in Aussicht genommene Beweiswürdigung mit den die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründen gibt es im übrigen nicht (vgl BSG Beschluß vom 29. Juli 1998 – B 4 RA 3/98 B – mwN).
Mit ihrem Vorbringen, das LSG habe sich „in einer nichtjuristischen Spezialfrage augenscheinlich auf die besondere eigene Sachkunde gestützt ohne entsprechenden Beweis über die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erheben” und darauf nicht hingewiesen, hat die Klägerin ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs in zulässiger Form dargetan. Zum einen mangelt es an einer genauen Bezeichnung der Tatsachen, auf die sich die vom LSG vermeintlich in Anspruch genommene Sachkunde beziehen soll. Zum anderen hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, inwiefern sich aus dem angefochtenen Urteil ergeben soll, daß das Berufungsgericht sich überhaupt auf – und ggf welche – eigene Sachkunde gestützt haben soll. Ihr Hinweis, dies sei „augenscheinlich”, reicht dafür nicht aus. Schließlich hat die Klägerin auch nicht dargetan, welches entscheidungserhebliche Vorbringen hierdurch verhindert worden sein soll (vgl BSG SozR 1500, § 160a Nr 36; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1991, RdNr 233 mwN).
Soweit die Klägerin rügt, die Ausführungen des LSG hinsichtlich der Einschätzung der MdE seien nicht nachvollziehbar, rügt sie die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Dies kann indes ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG schließt es ausdrücklich aus, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen