Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Übertragung der Rechtsprechung zum Bestehen einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Systemversagens auf Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Einleitung eines Erprobungsverfahrens zum Lipödem

 

Orientierungssatz

Eine Übertragung der Rechtsprechung zum Bestehen einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Systemversagens auf die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Einleitung eines Erprobungsverfahrens zum Lipödem erfordert, dass die für eine Anerkennung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG vom 7.5.2013 - B 1 KR 44/12 R = BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 17 mwN).

 

Normenkette

SGB V § 135 Abs. 1, § 137e

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 07.02.2018; Aktenzeichen L 11 KR 189/17)

SG Gelsenkirchen (Urteil vom 30.01.2017; Aktenzeichen S 43 KR 806/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist mit ihrem zuletzt auf Kostenerstattung für drei selbstbeschaffte Liposuktionen (insgesamt 15 970,50 Euro, Behandlungen vom 27.4.2016, 25.5.2016 und 22.6.2016) gerichteten Begehren bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils ausgeführt: Bei der Liposuktion handele es sich um eine neuartige Therapie, die zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Behandlungen, aber auch bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlen worden sei (§ 135 Abs 1 SGB V). Ein Systemmangel habe nicht vorgelegen. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin als zutreffend unterstelle, dass der GBA direkt nach Vorlage des abschließenden Berichts der Abteilung Fachberatung Medizin vom 8.7.2015 über die Einleitung von Beratungen über eine Richtlinie zur Erprobung der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems habe beschließen müssen und dass eine Erprobungsphase nur zwei Jahre umfassen dürfe, ergäbe sich ein Systemmangel frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2017 (Urteil vom 7.2.2018).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.

Die Klägerin formuliert als Rechtsfrage, "ob im vorliegenden Fall das Beratungsverfahren und der Beschluss des GBA vom 20.7.2017 zur Heilbehandlung Liposuktion bei Lipödem unter Einhaltung der rechtlichen Verfahrensvoraussetzungen beschlossen wurde oder ob bereits zu einem früheren Zeitpunkt wegen Verfahrensfehler bzw verschleppter Verfahrensbearbeitung ein Systemmangel zugunsten der Versicherten eingetreten ist."

Damit formuliert die Klägerin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Ihre Frage zielt ausschließlich darauf, ob das LSG das geltende Recht in ihrem Fall richtig ausgelegt und angewandt hat. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der zur Revisionszulassung führenden Nichtzulassungsbeschwerde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG Beschluss vom 24.1.2017 - B 1 KR 92/16 B - Juris RdNr 8). Selbst wenn man dem Vortrag der Klägerin die Rechtsfrage entnehmen wollte, ob die Einleitung eines Erprobungsverfahrens zum Lipödem durch den GBA wegen Verzögerung zu einem Systemversagen führt, legt sie die Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend dar.

Die Klägerin will die Rspr des erkennenden Senats zum Bestehen einer Leistungspflicht der KKn wegen Systemversagens auf die Entscheidung des GBA zur Einleitung eines Erprobungsverfahrens zum Lipödem übertragen. Sie setzt sich jedoch nicht damit auseinander, dass dies ua erfordert, dass die für eine Anerkennung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 17 mwN). Die Klägerin legt nicht dar, wieso diese Rspr die Annahme erlaubt, eine Leistungspflicht wegen Systemversagens könne auch dann bestehen, wenn die betreffende Methode - wie hier vom GBA für die Liposuktion bei Lipödem angenommen - lediglich das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber gerade noch nicht hinreichend belegt ist.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13004206

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