Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Fristversäumung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Organisationsverschulden. Sorgfaltspflicht. Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle bei der Telefaxübermittlung fristwahrender Schriftstücke
Orientierungssatz
1. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen; dazu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen (vgl zB BGH vom 24.3.1993 - XII ZB 12/93 = NJW 1993, 165 mwN).
2. Soll ein derartiger Schriftsatz per Telefax übermittelt werden, so setzt eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete sorgfältige Ausgangskontrolle voraus, dass eine Frist erst dann gelöscht werden darf, wenn für den Absender feststeht, dass die beabsichtigte Übermittlung wirklich erfolgt ist. Dies ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Übermittler sich von seinem Telefaxgerät ein Sendeprotokoll hat ausdrucken lassen, das die ordnungsgemäße Übermittlung belegt (vgl zB BGH vom 28.9.1989 - VII ZB 9/89 = VersR 1989, 1316 und vom 7.10.1992 - VIII ZB 25/92 = VersR 1993, 719).
3. Zwar mag im Einzelfall von der Erstellung eines derartigen Protokolls abgesehen werden können, wenn der gesamte Übermittlungsvorgang von einer zuverlässigen Bürokraft anhand von Anzeigen am Faxgerät (Display) überwacht wird (vgl dazu einerseits BSG-Beschluss vom 26.8.1994 - 13 RJ 11/94 = USK 9485; andererseits BGH vom 24.3.1993 - XII ZB 12/93 = aaO). Der generelle Verzicht auf Sendeprotokolle, also auch dann, wenn unmittelbar hintereinander mehrere Schreiben an unterschiedliche Adressaten übermittelt werden sollen, genügt jedenfalls nicht dem zu fordernden Sorgfaltsmaßstab. Die erst einige Zeit später vorliegende Telefonrechnung erlaubt von vornherein keine wirksame Ausgangskontrolle.
Normenkette
SGG § 67 Abs. 1, § 160a Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Gründe
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (LSG) vom 17. Februar 2005, das ihr am 15. März 2005 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14. April 2005, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 18. April 2005, Beschwerde eingelegt. Am 13. Mai 2005 hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu im Wesentlichen vorgetragen: Die Beschwerdeschrift habe am 14. April 2005 vorab per Telefax an das BSG übermittelt werden sollen. Damit sei die in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte C. B. beauftragt gewesen. Diese habe zwischen 12.13 Uhr und 13.04 Uhr insgesamt fünf wichtige Schreiben - darunter die Beschwerdeschrift - per Telefax versandt. Das betreffende Faxgerät sei vom Modell her so konzipiert, dass ein Sendebericht dann ausgedruckt werde, wenn ein Faxschreiben gesendet werde, allerdings auch dann, wenn beim anderen Anschlussinhaber besetzt sei, keine Verbindung zu Stande komme etc. Aus diesem Grunde - und auch deshalb, weil für die Kanzlei eine vollkommen aufgeschlüsselte Telefonrechnung ergehe - werde auf das Ausdrucken eines Sendeberichts verzichtet. Vielmehr bleibe die Angestellte, welche mit der Versendung der Telefaxschreiben beauftragt sei, neben dem Faxgerät stehen, lese die erfolgreiche Übermittlung vom Display ab und versehe das Aktenexemplar des Schriftsatzes mit einem Haken und der Uhrzeit der Sendung. Anhand der Telefonrechnung dränge sich der Schluss auf, dass die Beschwerdeschrift versehentlich an die ADAC-Rechtsschutzversicherung versandt worden sei, da dort für die fragliche Zeit zwei Übermittlungen anstatt einer an diesen Adressaten aber keine an das BSG vermerkt sei.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach Zustellung des Berufungsurteils eingelegt worden (§ 160a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt insoweit nicht in Betracht.
Gemäß § 67 Abs 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Fristversäumnis beruht auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, das letztere sich zurechnen lassen muss (vgl § 73 Abs 4 SGG iVm § 85 Abs 2 Zivilprozessordnung). Zwar hat ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht für Versäumnisse seines Büropersonals einzustehen (vgl Meyer-Ladewig, SGG, § 67 RdNr 3f, 8b ff), hier ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin jedoch ein so genanntes Organisationsverschulden zur Last zu legen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl zB BGH NJW 1993, 1655 mwN) ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen; dazu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Soll ein derartiger Schriftsatz per Telefax übermittelt werden, so setzt eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete sorgfältige Ausgangskontrolle voraus, dass eine Frist erst dann gelöscht werden darf, wenn für den Absender feststeht, dass die beabsichtigte Übermittlung wirklich erfolgt ist. Dies ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Übermittler sich von seinem Telefaxgerät ein Sendeprotokoll hat ausdrucken lassen, das die ordnungsgemäße Übermittlung belegt (vgl zB BGH VersR 1989, 1316; 1993, 719).
Entsprechende Vorkehrungen hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht getroffen. Vielmehr verzichtet sie nach ihrem eigenen Vorbringen allgemein auf den Ausdruck von Sendeprotokollen. Zwar mag im Einzelfall von der Erstellung eines derartigen Protokolls abgesehen werden können, wenn der gesamte Übermittlungsvorgang - wie hier - von einer zuverlässigen Bürokraft anhand von Anzeigen am Faxgerät (Display) überwacht wird (vgl dazu einerseits BSG, Beschluss vom 26. August 1994 - 13 RJ 11/94 - in USK 9485; andererseits BGH NJW 1993, 1655). Der generelle Verzicht auf Sendeprotokolle, also auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar hintereinander mehrere Schreiben an unterschiedliche Adressaten übermittelt werden sollen, genügt jedenfalls nicht dem zu fordernden Sorgfaltsmaßstab. Die erst einige Zeit später vorliegende Telefonrechnung erlaubt von vornherein keine wirksame Ausgangskontrolle.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen