Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensfehler. gerügte Verletzung des § 123 SGG
Orientierungssatz
Wird in einer Nichtzulassungsbeschwerde gerügt, dass das LSG den Streitgegenstand des Verfahrens verkannt und deshalb § 123 SGG verletzt habe, dann muss dargelegt werden, weshalb das LSG über einen anderen Streitgegenstand als den vom Beschwerdeführer geltend gemachten entschieden habe. Hierzu muss zumindest aufgezeigt werden, welchen Antrag der anwaltlich vertretene Kläger zum Schluss des Berufungsverfahrens gestellt und inwiefern das LSG durch seine Entscheidung die von ihm geltend gemachten Ansprüche ganz oder teilweise verfehlt hat.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, §§ 123, 128 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Das Hessische LSG hat im Beschluss vom 30.5.2016 einen Anspruch des Klägers auf höhere Altersrente (aufgrund Berücksichtigung sämtlicher von ihm in Polen zurückgelegter Beschäftigungszeiten als nachgewiesen, dh ohne Kürzung um ein Sechstel gemäß § 22 Abs 3 FRG) verneint.
Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem LSG-Beschluss in erster Linie einen Verfahrensmangel, zudem aber auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Rechtsprechungsabweichung geltend.
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 15.9.2016 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat weder eine grundsätzliche Bedeutung ordnungsgemäß dargelegt noch eine Divergenz oder einen Verfahrensmangel formgerecht bezeichnet.
1. Ein Verfahrensmangel ist nicht ordnungsgemäß dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
Das Vorbringen des Klägers wird den genannten Anforderungen nicht gerecht. Er rügt ausdrücklich "eine Verletzung des § 123 SGG" und trägt dazu vor, dass sein Rechtsschutzbegehren im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage unmittelbar auf die Gewährung einer höheren Rente gerichtet sei, wobei konkret allerdings nur noch streitig sei, ob die von ihm in Polen zurückgelegten Beitragszeiten um ein Sechstel gekürzt werden dürften. Eine Korrektur des Rentenbescheids vom 25.6.2008 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X sei dagegen ebenso entbehrlich wie eine Änderung des Kontenklärungsbescheids vom 26.10.1999. Mit diesem Gegenstand sei die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft. Entgegen der Auffassung des LSG lägen die Voraussetzungen für eine ungekürzte Anrechnung der in Polen zurückgelegten Beitragszeiten vor (vgl Beschwerdebegründung S 6 f). Das begründet der Kläger in weiteren Ausführungen damit, dass die Schlussfolgerungen, die das LSG aus den vorgelegten Bescheinigungen gezogen habe, "nicht nachvollziehbar" seien; man könne vielmehr auch mit einem Umkehrschluss zu dem entgegengesetzten Ergebnis gelangen (Beschwerdebegründung S 10 f).
Mit diesem Vortrag zeigt der Kläger nicht in schlüssiger Weise auf, dass das LSG den Streitgegenstand des Verfahrens verkannt und deshalb § 123 SGG verletzt habe (zu einem solchen Verfahrensmangel vgl BSG Beschluss vom 29.3.2001 - B 7 AL 214/00 B - SozR 3-1500 § 123 Nr 1; BSG Beschluss vom 13.6.2013 - B 13 R 454/12 B - Juris RdNr 13 ff). Denn er legt nicht dar, weshalb das LSG über einen anderen Streitgegenstand als den von ihm geltend gemachten entschieden habe. Hierzu hätte zumindest aufgezeigt werden müssen, welchen Antrag der anwaltlich vertretene Kläger zum Schluss des Berufungsverfahrens gestellt und inwiefern das LSG durch seine Entscheidung die von ihm geltend gemachten Ansprüche ganz oder teilweise verfehlt hat. Entsprechendes lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Diese konzentriert sich vielmehr darauf, dass das LSG aufgrund einer nach Ansicht des Klägers unzutreffenden Würdigung des Inhalts vorgelegter polnischer Arbeitsbescheinigungen inhaltlich falsch entschieden habe. Damit macht er im Kern Fehler des LSG bei der Beweiswürdigung geltend. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde kann jedoch nach ausdrücklicher Anordnung in § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) gestützt werden.
2. Mit der abschließenden - nicht weiter ausgeführten - Behauptung, die Rechtssache habe "aus den vorgenannten Gründen" - dh den Darlegungen zum Verfahrensmangel - grundsätzliche Bedeutung, da sie auf einer Abweichung zu der Entscheidung des BSG vom 21.4.1982 (4 RJ 33/81 - DAngVers 1982, 355) beruhe, werden die Anforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrunds ebenfalls nicht erfüllt. Der Kläger benennt weder eine konkrete Rechtsfrage, die weiterer oberstgerichtlicher Klärung bedarf, noch zeigt er divergierende Rechtssätze auf (s insoweit zu den Darlegungsanforderungen Krasney in Krasney/ Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 180 ff, 196 ff).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen