Verfahrensgang
SG Altenburg (Entscheidung vom 26.04.2018; Aktenzeichen S 10 R 2951/14) |
Thüringer LSG (Urteil vom 23.06.2021; Aktenzeichen L 3 R 929/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. Juni 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig ein Anspruch auf Gewährung einer zeitlich unbefristeten Erwerbsminderungsrente über den 30.9.2017 hinaus.
Die Beklagte lehnte auf den Antrag des Klägers vom Oktober 2013 zunächst die Leistung einer Erwerbsminderungsrente ab. Im Klageverfahren hat das SG die Beklagte verurteilt, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.5.2014 bis zum 30.4.2019 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten auf orthopädischem (N) und auf psychiatrischem Fachgebiet (F) ist das SG von einer außergewöhnlichen Funktions- und Belastungseinschränkung des linken Fußes nach einem Arbeitsunfall im Dezember 2011 und daraus folgend von einer schweren spezifischen Leistungsminderung ausgegangen. Von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeiten seien dem Kläger nicht zumutbar (Urteil vom 26.4.2018). Im Berufungsverfahren hat der Kläger ein Teilanerkenntnis der Beklagten über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund von Wegeunfähigkeit für den Zeitraum vom 1.5.2014 bis zum 30.9.2017 angenommen. Einen darüber hinausgehenden Rentenanspruch hat das LSG abgelehnt. Das reduzierte Leistungsvermögen erlaube noch Verrichtungen, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise anfielen. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungshinderung, die die Beklagte zur Benennung einer Verweisungstätigkeit verpflichten würden, folge daraus nicht. Auch aufgrund der eingeschränkten Wegefähigkeit stehe dem Kläger keine weitere Rente wegen Erwerbsminderung zu. Zur Begründung hat das LSG auf die Bewilligung von Mobilitätshilfen (Übernahme von Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen und bei Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses oder einer selbstständigen Tätigkeit) durch die Beklagte mit Bescheid vom 19.9.2017 verwiesen (Urteil vom 23.6.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht geltend, das LSG weiche von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab, und beruft sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Ein Grund für die Zulassung einer Revision wurde nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nicht hinreichend dargelegt. Diese liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen solchen Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Bezogen auf die Darlegungspflicht muss die Beschwerdebegründung erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 4 mwN). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr, zB BSG Beschluss vom 8.8.2019 - B 5 R 282/18 B - juris RdNr 16 mwN und aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 19.1.2022 - B 5 R 199/21 B - juris RdNr 9). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger trägt vor, das BSG habe mit Urteil vom 19.10.2011 (B 13 R 78/09 R - BSGE 109, 189 = SozR 4-2600 § 43 Nr 16) entschieden, dass zum Ausschluss eines Anspruches auf Rente wegen Erwerbsminderung eine konkrete Verweisungstätigkeit (nur) dann zu benennen sei, wenn ernste Zweifel an der Einsatzfähigkeit des Versicherten für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verblieben. Dem stellt er keinen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil gegenüber, mit dem das LSG ausdrücklich von der Rechtsprechung des BSG abgewichen wäre. Indem der Kläger ausführt, das Berufungsgericht habe sich nicht mit den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auseinandergesetzt, danach seien ihm selbst körperlich leichte Tätigkeiten nicht mehr möglich, wendet er sich vielmehr gegen die Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung im Einzelfall. Er verweist auf neben der Fußverletzung bestehende Einschränkungen bezüglich der Feinmotorik und der Haltefunktion seiner linken Hand und macht geltend, es gebe auch keine Verweisungstätigkeit, die entsprechend seiner weiteren Einschränkungen ständig im Sitzen ausgeübt werden könne. Auf dieses Vorbringen kann eine Divergenzrüge nicht gestützt werden. Wie bereits ausgeführt, begründet nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Dies ist nicht der Fall, wenn das Berufungsgericht höchstrichterliche Rechtsprechung im angefochtenen Urteil nicht in Frage gestellt, sondern nur missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewandt hat (vgl BSG Beschluss vom 19.1.2022 - B 5 R 199/21 B - juris RdNr 12). Dazu, dass das LSG die vom Kläger angeführte Entscheidung des BSG vom 19.10.2011 (B 13 R 78/09 R - BSGE 109, 189 = SozR 4-2600 § 43 Nr 16) zitiert und eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungshinderung ausdrücklich "gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts" verneint hat, verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
Auch macht der Kläger geltend, es sei "nicht nachvollziehbar", wie das LSG zu der Annahme gelangt sei, ihm seien noch Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt, wie sie in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise anfielen. Indem er dazu Ausführungen aus dem orthopädischen Sachverständigengutachten von N vom 19.11.2016 wörtlich wiedergibt und auf zwei weitere Gutachten aus einem Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft (J vom 26.7.2019 und N vom 26.9.2019) verweist, rügt er eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde aber von vornherein nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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Fundstellen
Dokument-Index HI15129252 |