Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.11.1994)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. November 1994 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 22. September 1986 über den 31. August 1987 hinaus Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH zu gewähren (Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13. Mai 1992, Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 1992; Urteil des SG vom 17. März 1994 – S 17 U 104/92 –). Dagegen hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30. November 1994 – L 17 U 84/94 –). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Folgen des Arbeitsunfalls nicht über den 31. August 1987 hinaus eine MdE in rentenberechtigendem Grade bedingten.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Die Beschwerde war deshalb entsprechend § 169 SGG und mit der Kostenfolge entsprechend § 193 SGG zu verwerfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung erfordert § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54, 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX RdNr 177 mwN). Daran fehlt es der Beschwerde.

Eine Abweichung im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend dargelegt, wenn erklärt wird, mit welchem genau bestimmten, entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil von welcher genau bestimmten, die Entscheidung tragenden rechtlichen Aussage des Bundessozialgerichts (BSG), Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29, 54), und warum das angefochtene Urteil auf dieser Abweichung beruht. Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere Begründungen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und formgerecht gerügt wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 38). Daran fehlt es der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer rügt eine Abweichung von dem Urteil des BSG vom 13. März 1985 (9a RVh 1/84). Er entnehme diesem Urteil des BSG, daß der Antrag nach § 109 SGG grundsätzlich in der mündlichen Verhandlung gestellt werden könne, insbesondere, wenn es für das Zuwarten einen besonderen Grund gebe. Dies gelte nur dann nicht, wenn rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung der Kläger darauf hingewiesen werde, daß weitere Beweiserhebung von Amts wegen nicht beabsichtigt sei bzw wenn angefragt werde, ob ein Antrag nach § 109 SGG gestellt werde bzw wenn für die Stellung eines solchen Antrages eine Frist gesetzt werde, die vor der mündlichen Verhandlung ablaufe. Von diesen vom BSG entwickelten Voraussetzungen weiche das LSG in der angegriffenen Entscheidung ab. Das LSG habe nämlich die Zurückweisung wegen grob nachlässiger Verspätung allein darauf gestützt, daß das Gutachten des Prof. B. … dem Kläger bereits unter dem 5. Oktober 1994 übersandt worden sei und er mithin genügend Zeit gehabt habe, den Antrag vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. November 1994 zu stellen. Damit stelle das LSG im Gegensatz zur Rechtsprechung des BSG inzidenter den Rechtssatz auf, daß bereits das Unterlassen der rechtzeitigen Antragstellung vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung als grob nachlässig im Sinne des § 109 Abs 2 SGG anzusehen sei, ohne daß auf besondere Gründe Rücksicht zu nehmen wäre. Auf dieser Divergenz beruhe auch die angegriffene Entscheidung des LSG. Denn bei Beachtung der Rechtsprechung des BSG einschließlich des Urteils in SozR Nr 40 zu § 109 SGG und insbesondere der oben zuerst zitierten Entscheidung hätte das LSG den Hilfsantrag nicht wegen grober Nachlässigkeit zurückweisen dürfen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das zutrifft. Entscheidend ist jedenfalls, daß das LSG den Antrag des Klägers nach § 109 SGG nicht nur aus dem Grunde zurückgewiesen hat, daß er verspätet gestellt worden ist. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat das LSG diesen Antrag im übrigen auch deshalb zurückgewiesen, weil er mangels der Benennung eines bestimmten Arztes nicht formgerecht sei (S 11 des Urteilsabdrucks). Diese Voraussetzung, die zumindest Angaben erfordert, nach denen ein Arzt als Individuum bestimmbar ist (BSG SozR Nr 26 zu § 109 SGG), ergibt sich unmittelbar aus § 109 Abs 1 Satz 1 SGG. Insofern hat der Beschwerdeführer nicht schlüssig vorgetragen, daß das angefochtene Urteil auf der von ihm aufgezeigten Abweichung beruht.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann ua nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) gestützt werden. Dagegen verstößt die Beschwerde, indem sie geltend macht, der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter seien vom LSG in der mündlichen Verhandlung unter Verstoß gegen § 106 Abs 1 SGG nicht vorher darauf hingewiesen worden, daß erwogen werde, den Antrag nach § 109 SGG wegen grob nachlässiger Verspätung und mangels Benennung eines bestimmten Arztes zurückzuweisen. Damit indessen macht der Beschwerdeführer mittelbar die Tatsache, daß das LSG dem Antrag nach § 109 SGG nicht nachgekommen ist, zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde. Das BSG hat jedoch bereits entschieden, die Regelung gelte ausnahmslos, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 109 SGG nicht gestützt werden kann (BSG SozR 1500 § 160 Nr 34). Dazu hat das BVerfG entschieden, es sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß von einer Revisionszulassung grundsätzlich alle Entscheidungen ausgeschlossen sind, die eine fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG aufweisen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG), unabhängig davon, worauf dieser Verfahrensmangel im einzelnen beruht (BVerfG SozR 1500 § 160 Nr 69). Das gilt auch hinsichtlich der Rüge, in dem mangelnden Hinweis auf die beabsichtigte Zurückweisung des Antrags nach § 109 SGG liege eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da er – der Kläger – vom LSG nicht auf die Unvollständigkeit seines gem. § 109 SGG gestellten Antrages nicht rechtzeitig hingewiesen worden sei (BVerfG SozR aaO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173454

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