Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Dezember 2018 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 5.12.2018 hat das LSG Mecklenburg-Vorpommern festgestellt, dass das Berufungsverfahren des Klägers gegen das seine Klage auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abweisende Urteil des SG Schwerin vom 17.10.2016 durch Rücknahme der Berufung beendet worden ist.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs durch die Vorgehensweise des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Mit der von seinem Prozessbevollmächtigten gefertigten Beschwerdebegründung vom 14.3.2019, die er mit zwei von ihm selbst gefertigten und erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 160a Abs 2 Satz 1 SGG beim BSG eingegangenen Schreiben vom 17.12.2019 und 1.2.2020 ergänzt hat, macht der Kläger allein eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, also einen Verfahrensmangel geltend (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist - grundsätzlich - die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht. Zur Begründung der Gehörsrüge trägt der Kläger vor, das LSG habe nach Einlegung der Berufung gegen das Urteil des SG vom 17.10.2016 durch ihn persönlich, durch seine vormalige Prozessbevollmächtigte und durch seinen gegenwärtigen Prozessbevollmächtigten das Verfahren zunächst betrieben. Dennoch habe es (erst) am 18.6.2018 mitgeteilt, dass es die Berufung aufgrund der Rücknahmeerklärung der ehemaligen Prozessbevollmächtigten vom 2.2.2017 als zurückgenommen ansehe. Diese habe jedoch nicht im Rahmen ihrer Vollmacht gehandelt, wozu er "Parteianhörung" beantragt habe. Hierzu sei ein "neuer Termin auf den 05.12.2019 bestimmt" worden. Hierzu habe sein gegenwärtiger Prozessbevollmächtigter mitgeteilt, den Termin nicht wahrnehmen zu können. Ein Schreiben des LSG vom 19.11.2018 habe er nicht erhalten. Ohne Wissen des Prozessbevollmächtigten habe der Termin stattgefunden. Durch sein gesamtes Vorgehen habe das LSG sein Recht verwirkt, am Schluss des Verfahrens von einer Rücknahme auszugehen.
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG) durch die unterbliebene Terminverlegung wird damit nicht formgerecht bezeichnet. Zwar wird einem Verfahrensbeteiligten das Recht auf mündliche Verhandlung versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache abschließend entscheidet, obwohl der Beteiligte zuvor gemäß § 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG einen Terminverlegungsantrag gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat. Das Gericht ist in einem derartigen Fall bei ordnungsgemäßem Vorgehen verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen oder zu vertagen (BSG Urteil vom 10.8.1995 - 11 RAr 51/95 - SozR 3-1750 § 227 Nr 1; BSG Beschluss vom 13.12.2018 - B 5 R 192/18 B - juris RdNr 8 mwN). Der Kläger hat bereits nicht vorgetragen, mit seiner Verhinderungsanzeige vom 15.11.2018 überhaupt einen Antrag auf Terminverlegung gestellt zu haben. Zugleich legt er weder dar, in diesem Schreiben "erhebliche Gründe" iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO genannt zu haben, noch diese so genau angegeben (und auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft gemacht) zu haben, dass ihre Erheblichkeit durch das LSG allein aufgrund der Schilderung hätte beurteilt werden können (vgl BSG Beschluss vom 20.12.2016 - B 5 R 242/16 B - juris RdNr 13 mwN). Schließlich fehlt auch die für eine schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erforderliche (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 784 mwN) Angabe des Vorbringens, an dem der Kläger durch das Vorgehen des LSG gehindert worden ist. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass nach der Beschwerdebegründung völlig offen bleibt, welche Bedeutung dem Schreiben des LSG vom 19.11.2018, das der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht bekommen haben will, in diesem Zusammenhang zukommen soll. Falls mit dem Hinweis auf dieses Schreiben gerügt werden soll, das LSG habe nicht darüber informiert, dem vermeintlichen Verlegungsantrag nicht nachkommen zu wollen, hätte mit der Beschwerdebegründung auch deutlich gemacht werden müssen, dass und warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers ohne Weiteres von einer stillschweigenden Terminsaufhebung hat ausgehen dürfen. Auch hieran fehlt es.
Auch die Darlegung einer Gehörsverletzung durch eine Überraschungsentscheidung erfolgt durch die Beschwerdebegründung nicht formgerecht. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung mehrerer vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl nur BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 44/08 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 18 mwN). Dass es von einer Berufungsrücknahme ausgehe, hatte das LSG - wie in der Beschwerdebegründung ausdrücklich angegeben - bereits mit Schreiben vom 18.6.2018 mitgeteilt und der Kläger hierzu Stellung genommen. Darauf, dass das LSG der Rechtsauffassung des Klägers nicht gefolgt ist, kann die Gehörsrüge nicht zulässig gestützt werden. Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen; ihn also zu "erhören" (BVerfG Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN). Dass der Kläger das Berufungsurteil deswegen (und aus anderen Gründen) inhaltlich für unrichtig hält, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Schließlich wird auch ein - allenfalls angedeuteter - Verfahrensmangel wegen eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht nicht formgerecht bezeichnet. Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Als solcher kommt nach der Beschwerdebegründung allein der Antrag auf "Parteianhörung" aus dem Schriftsatz vom 2.8.2018 in Betracht. Ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag wird damit jedoch nicht bezeichnet. Denn im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Parteivernehmung auf Antrag oder von Amts wegen nicht vorgesehen, weil § 118 Abs 1 Satz 1 SGG nicht auf die §§ 445 ff ZPO verweist (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 27.5.2011 - B 12 KR 79/10 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris RdNr 6). Selbst wenn in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht iS des § 103 SGG bei abgelehnter Parteivernehmung angenommen werden könnte (vgl BSG Beschluss vom 14.10.2008 - B 13 R 407/08 B - juris RdNr 18), so wird in der Beschwerdebegründung jedenfalls nicht - wie erforderlich - ausgeführt, zum Beweis welcher - ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG - entscheidungserheblichen Tatsache die Vernehmung des Klägers erfolgen sollte und wieso die Entscheidung des LSG auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel beruhen könnte.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13880440 |