Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Eingriffsrecht der Gerichte in die Bewertung von einzelnen Leistungen des BMÄ bzw E-GO
Orientierungssatz
1. Die Gerichte sind in der Regel nicht befugt, mit punktuellen Entscheidungen zu einzelnen Leistungen in die Bewertungen des Bewertungsmaßstabes bzw der E-GO einzugreifen und unter Annahme einer Regelungslücke diese durch Analogie zu schließen (vgl zuletzt BSG vom 19.8.1992 - 6 RKa 18/91 = SozR 3 - 2500 § 87 Nr 5).
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Gründe vgl BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 2.11.1994 - 1 BvR 33/93).
Normenkette
SGB 5 § 87 Abs 2 Fassung: 1988-12-20; BMÄ; E-GO
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 19.12.1991; Aktenzeichen L 5 Ka 27/91) |
SG Mainz (Entscheidung vom 12.06.1991; Aktenzeichen S 1a Ka 91/90) |
Gründe
Die Klägerin, Ärztin für Neurologie und Psychiatrie mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie, begehrt die Abrechnung der sog klassischen homöopathischen Erstanamnese, die von der E-GO nicht als vertragsärztliche Leistung erfaßt wird, im Wege der analogen Anwendung der Gebührenziffer 860 E-GO ("Erhebung einer biographischen Anamnese unter neurosenpsychologischen oder verhaltensanalytischen Gesichtspunkten mit schriftlicher Aufzeichnung, einschließlich Beratung des Kranken, ggf in mehreren Sitzungen").
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) ua nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Abs 2 Nr 1 aaO).
Gem § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Erforderlich ist eine Begründung, die dem Beschwerdegericht grundsätzlich die Möglichkeit gibt, allein anhand des Vorbringens des Beschwerdeführers und des angefochtenen Urteils darüber zu entscheiden, ob die Revision zuzulassen ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Genügt die Beschwerdebegründung diesen gesetzlichen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Klägerin sieht folgende Frage als von grundsätzlicher Bedeutung an: "Wenn eine ärztlich selbständige Leistung, auf die der Kassenpatient einen Anspruch hat, nicht in den EBM (BMÄ-EGO) aufgenommen ist oder wird, der Kassenarzt diese Leistung aber als Sachleistung erbringen muß, muß der Kassenarzt dann eine unzutreffende, unzureichende bestehende Gebührenziffer abrechnen oder ist eine Analogabrechnung möglich oder muß die KV die erbrachte Leistung eigenständig bewerten oder muß im konkreten Einzelfall eine Bewertung durch ein Selbstverwaltungsgremium in der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen?"
Sie hat indes die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Dazu hätte sie neben anderem die Klärungsfähigkeit der umstrittenen Rechtsfrage eingehend aufzeigen müssen. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nämlich nur dann, wenn sie im konkreten Fall entscheidungserheblich ist und nach Zulassung der Revision vom Revisionsgericht zu entscheiden wäre (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Dazu wären vorliegend insbesondere Auseinandersetzungen mit der Frage erforderlich gewesen, ob überhaupt Gebührenordnungsziffern für bestimmte ärztliche Leistungen auf andere Leistungen analog angewandt werden können; denn nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist den Gerichten bei der Auslegung von Vorschriften über die Vergütung kassen- bzw vertragsärztlicher Leistungen grundsätzlich Zurückhaltung auferlegt. Sie sind in der Regel nicht befugt, mit punktuellen Entscheidungen zu einzelnen Leistungen in die Bewertungen des Bewertungsmaßstabes bzw der E-GO einzugreifen und unter Annahme einer Regelungslücke diese durch Analogie zu schließen (vgl zB BSGE 46, 140, 143 = SozR 5533 Nr 45 Nr 1; BSGE 58, 35, 37 = SozR 5557 Nr 1 Nr 1; BSG SozR 5535 Nr 12 Nr 1; BSG - Urteil vom 5. Mai 1988 - 6 RKa 13/87 = USK 88162; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 1; SozR 3-aaO Nr 2; s zuletzt Urteil vom 19. August 1992 - 6 RKa 18/91 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ausführungen dazu, daß trotz der aufgezeigten Rechtsprechung die Entscheidung der aufgeworfenen Rechtsfrage einer analogen Anwendung von Gebührenziffern geboten, mithin also die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage gegeben ist, fehlen jedoch. Die Beschwerdebegründung genügt insoweit nicht den dargelegten Anforderungen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gem § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.
Die Beschwerde war zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen