Leitsatz (amtlich)
Hat der Kläger die Revisionsbegründungsfrist versäumt, so kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann gewährt werden, wenn die innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachzuholende Revisionsbegründung (SGG § 67 Abs 2 S 3) den Erfordernissen des SGG § 164 Abs 2 S 2, entspricht.
Normenkette
SGG § 67 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1953-09-03, § 164 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren, wird verworfen.
Gründe
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 25. Juli 1963 ist durch Beschluß des Senats vom 26. Oktober 1963 als unzulässig verworfen worden, weil die Revision nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist, die am 15. Oktober 1963 abgelaufen war, begründet worden ist.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, dem der Beschluß vom 26. Oktober 1963 am 31. Oktober 1963 zugestellt worden ist, hat mit Schriftsatz vom 8. November 1963 - eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 9. November 1963 - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe, da die Revision nur auf einen Verfahrensmangel gestützt werden könne, am 19. September 1963 beantragt, ihm die Akten der Vorinstanz und die Verwaltungsakten der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) über das Amtsgericht Neumünster vorlegen zu lassen; denn aus den Unterlagen des Klägers hätten keine Feststellungen über einen Verfahrensmangel getroffen werden können; diesem Antrag sei bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist weder entsprochen worden noch habe er bis dahin einen Zwischenbescheid erhalten; vorsorglich trage er zur Begründung der Revision vor, daß dem Kläger "das genügende rechtliche Gehör" nicht gewährt worden sei und daß ihm das Berufungsgericht nicht alle Akten und Unterlagen vorgelegt habe, hinsichtlich derer er ein Recht auf Einsicht- oder Stellungnahme gehabt habe.
Durch Verfügung des Senats vom 14. November 1963 ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt worden, daß die Akten des LSG am 27. September 1963, die von ihm ebenfalls angeforderten Verwaltungsakten der beklagten AOK aber erst am 22. Oktober 1963 beim BSG eingegangen seien und daß zu diesem Zeitpunkt die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Zugleich wurde darauf hingewiesen, daß ein Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), der bis zum 15. Oktober 1963 zulässig gewesen wäre, nicht gestellt worden sei. Ferner wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers Gelegenheit gegeben, die Akten der Vorinstanz und die Verwaltungsakten der AOK beim Amtsgericht Neumünster einzusehen. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat die Akten am 19. November 1963 eingesehen, weitere Erklärungen zur Sache aber nicht abgegeben.
Es kann dahinstehen, ob dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht schon der Umstand entgegensteht, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers von der Möglichkeit, einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist zu stellen (§ 164 Abs. 1 Satz 2 SGG), keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. BGHZ 7, 280 und 10, 307). Denn dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann jedenfalls deshalb nicht stattgegeben werden, weil die versäumte Rechtshandlung, nämlich die Begründung der Revision, nicht innerhalb eines Monats nach Wegfall des vom Kläger behaupteten Hindernisses nachgeholt worden ist (§ 67 Abs. 2 SGG). Dieses Hindernis war spätestens am 19. November 1963, dem Tage, an dem die Akten der Vorinstanz und die Verwaltungsakten der Beklagten von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingesehen wurden, weggefallen, so daß die Begründung der Revision allenfalls bis zum 19. Dezember 1963 hätte nachgeholt werden können. Das Nachholen der versäumten Prozeßhandlung muß nach Form und Inhalt den Erfordernissen entsprechen, die das Gesetz für die Prozeßhandlung vorschreibt (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand Dezember 1963 Anm. 5 zu § 67 SGG; Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Aufl. Anm. III 3 a zu § 236 ZPO; Wieczorek, Zivilprozeßordnung, Anm. A II zu § 236). Da die Revisionsbegründung, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, nach der zwingenden Vorschrift des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG die Tatsachen und Beweismittel bezeichnen muß, die den Mangel ergeben, und an die gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG "nachzuholende" Revisionsbegründung keine geringeren Anforderungen gestellt werden können, wäre die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Falle nur dann zulässig, wenn der Kläger bis zum Ablauf der Nachholfrist des § 67 SGG - hier also spätestens bis zum 19. Dezember 1963 - in substantiierter Weise unter Angabe der Beweismittel Tatsachen vorgebracht hätte, die einen Mangel des Verfahrens des Berufungsgerichts ergeben. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat aber nach Einsicht in die Akten der Vorinstanz und in die Verwaltungsakten der beklagten AOK (am 19. November 1963) keine Erklärung abgegeben. Er hatte zwar zur Begründung der Revision bereits in dem Schriftsatz vom 8. November 1963 vorsorglich geltend gemacht, dem Kläger sei das "genügende rechtliche Gehör nicht gewährt worden" und das Berufungsgericht habe ihm nicht alle Akten und Unterlagen vorgelegt, hinsichtlich derer er ein Recht auf Einsicht- und Stellungnahme gehabt hätte. Diese allgemein gehaltene Begründung entspricht jedoch nicht den Erfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist daher zu verwerfen.
Fundstellen