Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 26.01.2022; Aktenzeichen L 8 BA 98/20)

SG Köln (Entscheidung vom 27.05.2020; Aktenzeichen S 37 BA 90/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen in ihrer juristischen Tätigkeit für die klagende Rechtsanwaltskanzlei in der Zeit vom 16.2.2017 bis zum 23.5.2017.

Die Klägerin ist eine als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Rechtsanwaltskanzlei. Die Beigeladene schloss als Rechtsreferendarin in der Zivilstation beim Landgericht unter dem 4.4.2017 mit der Klägerin einen schriftlichen Vertrag über freie Mitarbeit für die Zeit ab 1.3.2017. Tatsächlich war sie bereits ab 16.2.2017 aufgrund einer von der Präsidentin des OLG Köln erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung für die Klägerin tätig.

Auf den Statusfeststellungsantrag der Klägerin und der Beigeladenen stellte die beklagte DRV Bund fest, dass die Beigeladene in ihrer Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) unterliege (Bescheid vom 13.9.2017; Widerspruchsbescheid vom 6.3.2018).

Die dagegen gerichtete Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Köln vom 27.5.2020; Urteil des LSG vom 26.1.2022). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Tätigkeit stelle sich nach einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls als abhängige Beschäftigung dar. Die Beigeladene habe bei der Durchführung der Arbeiten einem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen. Nach jeweils (fern-)mündlicher Auftragsannahme seien die Unterlagen per Mail zugesandt worden. Die Beigeladene habe mit der Kanzlei Rücksprache gehalten und nachbessern müssen, wenn die Ausarbeitung nicht das gewünschte Ergebnis erbracht habe. Wesentliche Gestaltungsspielräume seien weder erkennbar noch vorgetragen. Ein unternehmerisches Risiko habe sie nicht getragen. Weder sei eigenes Kapital eingesetzt noch Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlusts aufgewandt worden. Vielmehr sei eine Stundenvergütung vereinbart gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des BFH vom 22.3.1968 (VI R 228/67 - BFHE 92, 99). Das Urteil des BSG vom 31.5.1978 (12 RK 25/77 - SozR 2200 § 1229 Nr 8) bestätige die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Die Versicherungsfreiheit der Tätigkeit in der GRV folge nicht aus § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI. Die streitige Tätigkeit der Beigeladenen bei der Klägerin sei nicht im Rahmen ihres Ausbildungsverhältnisses zum Land NRW, sondern vollständig davon getrennt erfolgt. Sie lasse sich schon zeitlich nicht der von der Beigeladenen erst ab 1.1.2018 absolvierten Anwaltsstation zuordnen. Dass die Nebentätigkeit die Ausbildung möglicherweise gefördert habe, reiche zur Begründung von Versicherungsfreiheit nicht aus.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

Die Rüge der fehlenden Unterschrift des Vorsitzenden in Bezug auf das vollständig abgefasste Urteil ist danach nicht in zulässiger Weise begründet worden. Ungeachtet dessen, dass die als verletzt bezeichnete Norm des § 134 Abs 1 SGG das erstinstanzliche Verfahren betrifft und für das Berufungsverfahren die Vorschrift des § 153 Abs 3 Satz 1 SGG die Unterzeichnung des Urteils durch die Mitglieder des Senats vorschreibt, besteht das Unterschriftserfordernis lediglich für das Original eines Urteils (vgl BVerwG Beschluss vom 7.8.1998 - 6 B 69/98 - juris RdNr 5 mwN). Die Klägerin hat weder dargelegt, dass es sich bei dem in Bezug genommenen Aktenbestandteil "Bl. 180, 181 d.A." - insofern spricht sie selbst vom "Beratungsprotokoll" - noch bei der in den Akten befindlichen Ausfertigung des mit Gründen abgefassten Urteils um das Originalurteil handele.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Die Klägerin beanstandet, das LSG habe das Urteil des BSG vom 31.5.1978 (12 RK 25/77 - SozR 2200 § 1229 Nr 8) verkannt und die damaligen "abstrakt-generellen Beurteilungsmaßstäbe" nicht herangezogen. Damit wird jedoch kein von einem Rechtssatz des BSG abweichender Rechtssatz des LSG, sondern dessen Subsumtion im Einzelfall angegriffen. Mit der Behauptung, das Urteil des LSG entspreche nicht den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung und sei rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision aber nicht erreichen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN; BSG Beschluss vom 1.9.2021 - B 12 KR 27/21 B - juris RdNr 9).

3. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin wirft auf Seite 5 der Beschwerdebegründung die Frage "nach der Reichweite der Versicherungsfreiheit ausbildungsfördernder Nebentätigkeiten während des juristischen Vorbereitungsdienstes gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI" auf. Die Klägerin trägt hierzu im Wesentlichen vor, das LSG habe das Urteil des BSG vom 31.5.1978 (12 RK 25/77 - SozR 2200 § 1229 Nr 8) nicht heranziehen dürfen, weil sich die Bewertungen im Recht der Nebentätigkeiten geändert hätten. Ausbildungsfördernde Nebentätigkeiten seien wegen ihres engen Sinnzusammenhangs dem Ausbildungsverhältnis zuzuordnen. Damit ist schon keine klare abstraktgenerelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Im Übrigen setzt sich die Klägerin weder mit dem Wortlaut des § 5 Abs 1 SGB VI noch mit der Rechtsprechung des BSG zum Begriff der Beschäftigung (§ 7 Abs 1 SGB IV) und des Arbeitgebers im sozialversicherungsrechtlichen Sinn (vgl zB das vom LSG zitierte Urteil des BSG vom 31.3.2015 - B 12 R 1/13 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 19 RdNr 18 ff) auseinander.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 VwGO.

6. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.

Heinz

Bergner

Padé

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15403568

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