Verfahrensgang

SG Heilbronn (Entscheidung vom 27.11.2019; Aktenzeichen S 10 KR 1643/19)

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 30.06.2021; Aktenzeichen L 5 KR 4321/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juni 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Kostenübernahme für Liposuktionen an Armen und Beinen bei der beklagten Krankenkasse ohne Erfolg geblieben. Das SG hat die Krankenkasse wegen Eintritts der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V zur Kostenerstattung der in der Zwischenzeit durchgeführten Operationen in Höhe von 14 349,04 Euro verurteilt. Das LSG hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Zwar seien die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V dem Grunde nach erfüllt. Der Anspruch auf Kostenerstattung scheitere aber daran, dass die Klägerin bereits bei Antragstellung bei der Krankenkasse auf die später durchgeführte Behandlung vorfestgelegt gewesen sei. Das LSG stützte sich hierbei hauptsächlich auf die Aussagen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 30.6.2021. Dort habe sie ausgeführt, dass sie in dem Moment, in dem sie den Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt habe, sich entschlossen habe, die Liposuktionen durchzuführen. Sie habe sich hinsichtlich der Auswirkungen einer Ablehnung durch die Krankenkasse nicht viele Gedanken gemacht, sondern sei entschlossen gewesen, die Liposuktion auch bei einer Ablehnung durchführen zu lassen (Urteil vom 30.6.2021).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG; hierzu 1.) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG; hierzu 2.).

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG ≪Dreierausschuss≫ vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat; dies hat der Beschwerdeführer schlüssig darzulegen (vgl zB BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 72/18 B - juris RdNr 8). Daran fehlt es hier.

Die Klägerin bezeichnet als Rechtssatz des LSG:

"Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Kostenerstattung aufgrund fingierter Genehmigung nach § 13 Abs. 3 Absatz SGB V sind nicht erfüllt, wenn die Klägerin sich bei Antragstellung und vor Ablauf der Genehmigungsfrist Gedanken dazu gemacht hat, ob sie die Liposuktion auch ohne Kostengenehmigung der Krankenkasse durchführen würde."

Dem stellt sie unter Hinweis auf BSG vom 27.10.2020 - B 1 KR 3/20 R - und vom 25.3.2021 - B 1 KR 22/20 R - als Rechtssatz gegenüber:

"Die Voraussetzungen eines Anspruches auf Kostenerstattung aufgrund fingierter Genehmigung nach § 13 Abs. 3 Absatz im SGB V sind nicht erfüllt, wenn die Klägerin infolge der Unterschrift unter einen Behandlungsvertrag und auf einen begleitenden Vertrag über eine Anästhesieleistung bereits auf die von ihr dann auch in Anspruch genommene Behandlung vorfestgelegt war. Ein Fall des Systemversagens infolge Zeitablauf, wie ihn § 13 Absatz 3A SGB V zur Voraussetzung eines Kostenerstattungsanspruches macht, liegt deshalb nicht vor."

Es kann offenbleiben, ob die Klägerin damit überhaupt abstrakte Rechtssätze aus den genannten Entscheidungen bezeichnet oder ob sie lediglich die in den Entscheidungen jeweils erfolgte Subsumtion unter (nicht näher bezeichnete) abstrakte Rechtssätze im konkreten Einzelfall wiedergibt. Denn selbst wenn man den Vortrag der Klägerin sinngemäß so verstünde, dass das BSG einen Rechtssatz dahingehend aufgestellt habe, dass eine Vorfestlegung anhand objektiver Kriterien zu beurteilen sei, wie bspw eines Vertragsabschlusses, das LSG hingegen subjektive Vorstellungen des Versicherten ("Gedanken hierzu gemacht") habe ausreichen lassen, legt sie jedenfalls nicht schlüssig dar, dass das BSG und das LSG die so verstandenen, divergierenden Rechtssätze aufgestellt haben (vgl zu den Begründungsanforderungen BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 13). Sie gibt vielmehr die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen des LSG selbst ua wie folgt wieder: "Sie habe sich hinsichtlich der Auswirkungen einer Ablehnung durch die Beklagte nicht viele Gedanken gemacht, sondern sei entschlossen gewesen, die Liposuktion auch bei einer Ablehnung durchführen zu lassen". Damit legt die Klägerin gerade nicht schlüssig dar, dass das LSG an den Begriff der Vorfestlegung andere Voraussetzungen geknüpft hat als das BSG.

Letztlich wendet sich die Klägerin gegen die Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall und vor allem gegen die Beweiswürdigung (dazu 2.). Dies vermag die Revisionsinstanz jedoch nicht zu eröffnen. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - juris RdNr 21).

2. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es. Die Klägerin bezieht sich bereits nicht auf einen Beweisantrag. Sie führt lediglich aus, das LSG habe den Sachverhalt hinsichtlich der behaupteten Vorfestlegung nicht hinreichend aufgeklärt.

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Schlegel Estelmann Scholz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15134722

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