Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Orientierungssatz
Zur Klärungsbedürftigkeit von Rechtsfragen zur Anwendbarkeit und Auslegung des § 539 Abs 2 RVO, hier zur Beurteilung des Abernten eines Obstbaums auf einem Gemeindegrundstück als arbeitnehmer- oder unternehmerähnliche Tätigkeit.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3; RVO § 539 Abs 2
Verfahrensgang
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm im sog Zugunstenwege nach § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß eines Unfalls zu gewähren, den er am 15. Juli 1979 beim Kirschenpflücken erlitten hatte, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 19. November 1987 sowie Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1988; Urteile des Sozialgerichts (SG) vom 17. November 1988 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 1. Februar 1990). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger mit der Ausübung des in einer Versteigerung erworbenen Ernterechts an den acht auf gemeindeeigenem Grundstück stehenden Kirschbäumen keine landwirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde wahrgenommen habe, sondern daß er allein in seinem eigenen hauswirtschaftlichen Interesse, damit eigenwirtschaftlich und somit auf eigenes (unversichertes) Risiko tätig geworden sei.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Der Beschwerdeführer weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Er macht geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Außerdem weiche das Urteil von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) ab und beruhe auf Verfahrensfehlern. Damit sind aber die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht so bezeichnet, wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt. Nach der ständigen Rechtsprechung verlangt diese Vorschrift, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54 und 58). Daran fehlt es der Beschwerde.
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (s § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, § 160 Nr 17). Eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, ist im allgemeinen nicht mehr klärungsbedürftig, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 13, 65). Das muß substantiiert vorgetragen werden (BSG SozR aaO). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht. Die vom Kläger in diesem Rahmen bezeichneten Rechtsfragen betreffen die Anwendbarkeit und Auslegung des § 539 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Hierzu besteht eine umfangreiche Rechtsprechung des BSG, ob eine Tätigkeit als arbeitnehmer- oder unternehmerähnlich zu beurteilen ist (s Beschluß des Senats im vorangegangenen Rechtsstreit auf Entschädigung vom 25. November 1981 - 2 BU 169/81 - sowie Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 476ff jeweils mwN). Der Fall des Klägers wirft entgegen seiner Auffassung auch jetzt keine bisher ungeklärten Rechtsfragen auf; auch bietet, wie die Beklagte zu Recht darauf hinweist, diese Sache nicht deshalb rechtliche Besonderheiten, weil sich der Unfall beim Abernten eines Obstbaums auf einem Gemeindegrundstück ereignet hat. Mit der Entscheidung des Senats vom 26. April 1963 (BSGE 19, 117) ist der vorliegende Fall schon deshalb nicht vergleichbar, weil beide Sachverhalte Unterschiede aufweisen. In der vorgenannten Entscheidung hatte der Verletzte eine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Aberntung des ersteigerten Obstes übernommen; hier jedoch war der Kläger nach den Feststellungen des LSG keine Verpflichtung eingegangen, die Kirschen tatsächlich abzuernten. Es war vielmehr seinem Belieben überlassen, ob und wie er sie aberntet und verwertet. Nach den weiteren Feststellungen des LSG nahm der Kläger damit keine landwirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde wahr; er ist vielmehr allein in seinem eigenen hauswirtschaftlichen Interesse tätig geworden, das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zum unversicherten Bereich gehört (s die vom Kläger selbst angeführte Entscheidung BSGE 57, 91, 92 mwN). Insoweit liegt auch entgegen seiner Meinung überhaupt kein "Wechsel der höchstrichterlichen Rechtsprechung" vor.
2. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend begründet, wenn erklärt wird, mit welchem genau bestimmten, entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29 und 54). Daran fehlt es der Beschwerde. Der Kläger meint zwar, das LSG sei mit dem angefochtenen Urteil "im Ergebnis" von der Entscheidung des Senats vom 26. April 1963 (BSGE 19, 117) abgewichen. Einen tragenden, abweichenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils hat er jedoch nicht aufgezeigt. Das LSG ist vielmehr auf dem Wege der im Beschwerdeverfahren nicht nachprüfbaren Beweiswürdigung (s § 128 Abs 1 Satz 1, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) zu der Tatsachenfeststellung gelangt, daß beim Kläger keine Abnahmepflicht bestand. Damit geht es hier offenkundig um verschiedene Sachverhalte, nicht aber um widersprechende Rechtssätze.
3. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Auf eine Verletzung des § 103 SGG kann der Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob der im Termin am 1. Februar 1990 vom Kläger vor dem Berufungsgericht hilfsweise gestellte "Beweisantrag" überhaupt den Erfordernissen des Beweisantritts iS der Zivilprozeßordnung (ZPO) genügt (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, in: Die Angestelltenversicherung 1989, 173, 176 mwN), da der Kläger das Beweismittel nicht bezeichnet hat (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, § 160 RdNr 18). Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Kläger einen ordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat, liegt keine zulässige Verfahrensrüge vor, weil er nicht substantiiert dargelegt hat, weshalb sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, diesem Beweisantrag zu entsprechen. Hierfür wäre zumindest eine kurze Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils erforderlich, aus denen hervorgeht, daß das Berufungsgericht den Anspruch deshalb verneint hat, weil es sich bei dem Abernten der Kirschen durch ihn nicht um eine der Gemeinde dienende Tätigkeit handelte. Das LSG hat sich dabei auf die vom SG durchgeführten Ermittlungen gestützt und ausgeführt, daß sowohl der Bürgermeister S als auch der örtliche Bauernführer Sc deutlich zu erkennen gaben, daß weder ein landwirtschaftliches, landschaftspflegerisches, finanzielles oder flurpolizeiliches kommunales Interesse an der Aberntung der Obstbäume bestanden hat und man diese Möglichkeit daher "nach Brauch und Anstand" dem daran interessierten Bürger einräumen wollte (s S 12 des angefochtenen Urteils). Damit hat sich das LSG eingehend mit dem Verhältnis der Gemeinde zu den Obstersteigerern befaßt und somit im übrigen auch eine hinreichende Begründung dafür gegeben, daß weitere Ermittlungen nach seinem Rechtsstandpunkt nicht mehr erforderlich waren.
Sofern mit der Beschwerde eine Verletzung des § 106 Abs 1 SGG gerügt wird, fehlt es an Ausführungen zu §§ 35 Abs 2 und 36 Abs 1 des Sozialgesetzbuches - Viertes Buch - (SGB IV) iVm § 15 Abs 2 der Satzung der Beklagten (s S 15 des angefochtenen Urteils), wonach der Geschäftsführer den Versicherungsträger hinsichtlich der laufenden Verwaltungsgeschäfte gerichtlich und außergerichtlich vertritt (s Beschluß des Senats vom 2. November 1989 - 2 BU 112/89 -).
Soweit der Kläger schließlich Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention rügt, fehlt eine nähere Begründung. Es ist aus seinem Vortrag nicht ersichtlich, inwiefern sich "die Änderung in der Rechtsprechung des BSG unter Ausschluß des Betroffenen" vollzogen haben und "ein Verstoß gegen die Regeln eines fairen Prozesses" sowie gegen "das Recht auf gerichtliches Gehör" vorliegen soll.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen