Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 21.11.2017; Aktenzeichen S 32 KR 534/15) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 21.04.2021; Aktenzeichen L 4 KR 567/17) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 21. April 2021 Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm seine bevollmächtigte Rechtsanwältin beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die zur beklagten Kranken- und bei ihr eingerichteten Pflegekasse für die Zeit vom 1.4.2007 bis 6.11.2011, 1.1.2012 bis 30.9.2012 und vom 1.5.2014 bis 30.4.2015 zu entrichtenden Beiträge.
Der Kläger war ab 1.4.2007 bei der beklagten Krankenkasse in der Auffangpflichtversicherung versichert, ab 20.2.2008 erhielt er darlehensweise Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Die Beklagte setzte Mindestbeiträge fest (Bescheide vom 4.5.2009 und 11.2.2010). Nach dem Ende einer zwischenzeitlich aufgenommenen versicherungspflichtigen Beschäftigung war der Kläger ab 1.1.2012 wieder ohne Krankenversicherungsschutz. Die Beklagte stellte seine Versicherungspflicht fest und erhob Höchstbeiträge, nachdem eine Antwort auf Einkommensanfragen bei ihr nicht einging (Bescheid vom 4.7.2012). Nach einer erneuten Phase anderweitiger Pflichtversicherung von Oktober 2012 bis April 2014 beantragte der Kläger die freiwillige Versicherung ab 1.5.2014, in deren Rahmen die Beklagte Höchstbeiträge nach der Beitragsbemessungsgrenze festsetzte (Bescheid vom 18.12.2014). Einen Erlass der Beiträge lehnte sie ab (Bescheid vom 16.1.2015). Nachdem der Kläger Unterlagen eingereicht hatte, aus denen die Beklagte auf eine selbstständige Tätigkeit des Klägers schloss und ihr keine Hinweise auf dessen tatsächliche Einkommenssituation vorlagen, setzte sie für die Vergangenheit jeweils Höchstbeiträge nach der Beitragsbemessungsgrenze fest (weitere Bescheide vom 11.2.2015).
Schließlich stellte die Beklagte Forderungen für Beiträge, Säumniszuschläge, Mahngebühren und Kosten von insgesamt 54 151,40 Euro fest und forderte den Kläger zur Zahlung auf (Leistungs- und Feststellungsbescheide vom 26. und 28.5.2015). Die dagegen erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit der Begründung zurück, die Beitragsforderung von insgesamt 54 151,40 Euro sei rechtmäßig (Widerspruchsbescheid vom 23.9.2015).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hildesheim vom 21.11.2017, Urteil des LSG vom 21.4.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, sämtliche die Mitgliedschaft und die Höhe der Beiträge feststellenden Bescheide seien bestandskräftig geworden. Sofern sie materiell rechtswidrig seien, weil der Kläger aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit nicht dem Personenkreis des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V zuzuordnen sei, seien sie jedenfalls nicht nichtig iS von § 40 SGB X. Im Übrigen seien die Beiträge nach § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V iVm den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler zutreffend festgesetzt worden. Die Voraussetzungen für einen Erlass nach § 256a SGB V oder § 76 SGB IV seien nicht gegeben.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seiner bevollmächtigten Rechtsanwältin.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und eine nach § 73 Abs 4 SGG zugelassene prozessbevollmächtigte Person beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hieran fehlt es. Revisionszulassungsgründe sind in der bereits vorliegenden Beschwerdebegründung vom 10.6.2021, auf die sich der PKH-Antrag bezieht und mit der das Urteil des LSG angegriffen werden soll, nicht in der gebotenen Weise dargelegt und bezeichnet worden.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft auf Seite 6 seiner Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob bei der Beitragsbemessung der freiwilligen Mitglieder nach §§ 240, 227 SGB V die Anforderungen an Klarheit und Bestimmtheit der Beitragsbemessung im Hinblick auf die Maßgaben der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen gewahrt sind".
Nach seinen Ausführungen auf Seite 7 seiner Begründung sei die Frage "dringend klärungsbedürftig,
dass bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, soweit sie dem Betreffenden bekannt sind, von Ihnen nicht aufzubringende Beiträge eingefordert werden dürfen, die der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht entsprechen".
a) Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger mit seiner zweiten Fragen eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert hat. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Selbst wenn aber eine solche Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargelegt.
b) Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).
Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Beitragsbemessung für die in der Auffangpflichtversicherung Versicherten (§ 227 SGB V) und zur Beitragsbemessung freiwillig Versicherter (§ 240 SGB V) fehlt. Der Kläger beschränkt sich darauf, das Urteil des Senats vom 19.12.2012 (B 12 KR 20/11 R - BSGE 113, 1 = SozR 4-2500 § 240 Nr 17) zu zitieren. Mit den weiteren Entscheidungen zur Beitragsbemessung bei freiwilliger und Auffangpflichtversicherung und deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (zB BSG vom 18.12.2013 - B 12 KR 15/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 21; BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 18.1.2018 - B 12 KR 22/16 R - BSGE 125, 113 = SozR 4-2500 § 240 Nr 34, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 8/14 R - BSGE 119, 258 = SozR 4-2500 § 240 Nr 27; BSG Urteil vom 7.6.2018 - B 12 KR 1/17 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 35 RdNr 22 f mit weiteren Nachweisen) setzt sich der Kläger ebenfalls nicht auseinander.
Der Kläger beschränkt sich darauf, Zweifel an der Beitragsbemessung zu äußern bzw die Vereinbarkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler mit höherrangigem Recht bzw deren Anwendung auf die Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V in Zweifel zu ziehen. Ob und inwiefern hier noch Klärungsbedarf im Rahmen eines Revisionsverfahrens besteht, legt der Kläger nicht dar. Hierzu hätte aber angesichts der Regelungen zB zur Versicherungspflicht bzw Absicherung im Krankheitsfall im Fall der Einkommenslosigkeit, zu Mitwirkungs- und Auskunftspflichten der Versicherten oder zum Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X Anlass bestanden.
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe deshalb zu Unrecht Versicherungspflicht angenommen, weil er selbstständig gewesen sei, und die Beklagte (gemeint wohl: LSG) habe zu Unrecht das Vorliegen bestandskräftiger Bescheide angenommen, legt er eine Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar. Vielmehr wendet er sich damit gegen die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = juris RdNr 9).
c) Unabhängig hiervon fehlt es in der Beschwerdebegründung an ausreichenden Darlegungen zur Klärungsfähigkeit der formulierten Fragen. Hierzu wäre insbesondere darzustellen gewesen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 9g mwN). Dies ist - wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt (vgl hierzu Leitherer, aaO, RdNr 9f mwN) - auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, weshalb sich auch die Darlegungen zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung auf die im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellten Tatsachen beziehen müssen. Daran fehlt es. Der Kläger hätte darlegen müssen, inwieweit es trotz der vom LSG bejahten Bestandskraft der früheren Bescheide noch auf die Vereinbarkeit der §§ 240, 227 SGB V und der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler mit höherrangigem Recht in dem angestrebten Revisionsverfahren ankommen kann.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung hat der Kläger nicht bezeichnet. Er macht lediglich eine Abweichung der Entscheidung des LSG von der Entscheidung eines anderen LSG geltend. Hierdurch wird aber eine Divergenz nach § 160 Abs 2 SGG nicht dargelegt, da ein LSG nicht zu den divergenzfähigen Gerichten zählt.
Soweit der Kläger eine Abweichung des angefochtenen Urteils vom Urteil des BSG vom 6.2.1992 (12 RK 14/90 - BSGE 70, 93 = SozR 3-2400 § 26 Nr 5) behauptet, fehlt es wiederum an der Darlegung eines abstrakten und nach der aktuellen Rechtslage noch gültigen Rechtssatzes, von dem das LSG abgewichen sein soll. Vielmehr rügt der Kläger auch hier in der Sache die fehlerhafte Anwendung der dort aufgestellten Grundsätze im konkreten Einzelfall.
3. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger rügt ein aus seiner Sicht unrichtiges Vorgehen der Beklagten. Dieser Vortrag ist von vorneherein nicht geeignet, einen Verfahrensfehler des LSG zu begründen. Sofern der Kläger im Übrigen ausführt, das LSG habe sich zu Nachfragen gedrängt fühlen müssen, macht er in der Sache einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht geltend ohne jedoch zu deren Voraussetzungen hinreichend auszuführen und sich mit den Voraussetzungen der Geltendmachung eines solchen Verstoßes nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG auseinanderzusetzen.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14800509 |