Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. April 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 40 wegen eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus.
Das LSG hat diesen Anspruch wie vor ihm der Beklagte und das SG abgelehnt (Urteil vom 21.4.2016). Trotz der von der Klägerin täglich durchgeführten mindestens vier Insulininjektionen mit selbstständiger Dosisanpassung der Insulingabe und anderer therapie- und erkrankungsbedingter Einschränkungen der konkreten Lebensführung lasse sich eine gravierende Einschränkung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht erkennen.
Mit ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil erhobenen Beschwerde macht die Klägerin neben Verfahrensfehlern geltend, das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt. Es sei ungeklärt, wann der Zeitverlust durch die Behandlung und die sonstigen Auswirkungen der Krankheit einen höheren GdB rechtfertigten.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder die behaupteten Verfahrensmängel (1.) noch die von der Klägerin angenommene grundsätzliche Bedeutung (2.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist.
Daran fehlt es hier. Die Beschwerde rügt, das LSG habe ein weiteres Sachverständigengutachten zur Stoffwechsellage der Klägerin einholen müssen, ohne indes einen hierauf gerichteten, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag zu bezeichnen.
Nichts anderes gilt für die nach Ansicht der Klägerin zu Unrecht unterbliebenen Ermittlungen zu den Zeiten ihrer Arbeitsunfähigkeit. Auch insoweit hat die Beschwerde keinen Beweisantrag bezeichnet. Soweit sie schließlich geltend macht, das LSG habe Wertungsfehler bei der Würdigung und Auswertung der ärztlichen Befundberichte und Diabetikertagebücher der Klägerin begangen, wendet sie sich gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Diese entzieht indes § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG vollständig der Beurteilung durch das Revisionsgericht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, § 160 RdNr 58 mwN).
2. Ebenso wenig hat die Beschwerde substantiiert eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).
Diese Darlegungen enthält die Beschwerde nicht. Wenn die Klägerin meint, maßgeblich sei die Klärung der Rechtsfrage, ob die bei ihr tatsächlich vorliegenden Beeinträchtigungen als erheblich angesehen werden könnten, formuliert sie keine fallübergreifende Rechtsfrage, sondern kritisiert die Entscheidung des Einzelfalls durch das LSG. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Soweit die Beschwerde die Frage aufwirft,
ab wann die erforderlichen Einschnitte zum Beispiel in die Berufsausübung und Mobilität im Vergleich zwischen an Diabetes erkrankten Personen und der allgemeinen gesunden Lebensweise dann als gravierend zu betrachten sind, wenn eine halbe Stunde oder eine Stunde täglich mehr Zeitaufwand für die einzelnen Tätigkeiten bei der Arbeit aufgewandt werden muss bzw eine halbe Stunde oder einer Stunde täglich mehr Zeitaufwand für die Wegstrecke,
bezieht sich diese Formulierung ebenfalls vorrangig auf den Einzelfall der Klägerin und lässt keine fallübergreifende allgemeine Rechtsfrage erkennen. Zudem sollte der Beschwerdeführer, der eine Grundsatzrevision erreichen will, in aller Regel eine Entscheidungs-, dh eine "Ja-Nein-Frage", formulieren, die das enthaltene Rechtsproblem in Gänze zur Disposition stellt und entweder ein Ja oder ein Nein herausfordert (vgl Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, § 160a RdNr 48 mwN). Die Beschwerde kombiniert dagegen in unzulässiger Weise - durch die Verwendung von "oder" - mehrere Entscheidungsfragen im Alternativverhältnis (vgl BSG Beschlüsse vom 20.12.2012 - B 5 RS 43/12 B - BeckRS 2013, 66090 RdNr 8, - B 5 RS 46/12 B - BeckRS 2013, 66091 RdNr 8 und - B 5 RS 52/12 B - BeckRS 2013, 66094 RdNr 8).
Vor allem aber hat die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert dargelegt, warum es auf die von ihr für klärungsbedürftig gehaltenen Aspekte im Fall der Klägerin entscheidungserheblich ankommt und die für rechtsgrundsätzlich gehaltenen Fragen deshalb in einem Revisionsverfahren beantwortet werden könnten. Die Beschwerde stellt zum einen den zeitlichen Zusatzaufwand der Klägerin bei der Zubereitung von Mahlzeiten, zum anderen ihren längeren Weg durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in den Mittelpunkt, um eine andere Auslegung des Begriffs "gravierende Beeinträchtigung" iS von Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung zu erreichen. Indes hat das LSG für den Senat nach § 163 SGG bindend festgestellt, dass die Zeit, welche die Klägerin zusätzlich für ihre Mahlzeiten aufwenden muss, Teil der Therapie für ihre Erkrankung ist, wie sie alle an Diabetes Erkrankten mit intensivierter Insulintherapie haben. Wie das LSG zutreffend angenommen hat, kann ein solcher bereits regelhaft mit Diabetes und der durch ihn verursachten Insulintherapie verbundener zeitlicher Mehraufwand nach der Rechtsprechung des Senats von vornherein nicht erneut bei der Auslegung des Merkmals "gravierend" herangezogen werden. Berücksichtigungsfähig ist nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender, besonderer Therapieaufwand (BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 18). Damit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.
Was die längere Wegezeit der Klägerin angeht, hat das LSG, ebenfalls mit Bindungswirkung für den Senat, festgestellt, dass die Klägerin aus medizinischen Gründen nicht zwingend öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen braucht. Auch insoweit erschließt sich deshalb nicht, warum die Länge dieser Wegezeit für die Auslegung des Merkmals der "gravierenden Beeinträchtigung" im Fall der Klägerin entscheidungserheblich sein sollte. Auch dies berücksichtigt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10448756 |