Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. August 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit vorgenanntem Beschluss hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 6.5.2009 verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung macht sie das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend, weil die Vorinstanz diversen Beweisanträgen nicht gefolgt sei.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a) Mit dem Vortrag, das LSG sei Beweisanträgen zur Einvernahme der benannten Zeugin, zur Einholung eines Gutachtens bei einem Sachverständigen auf dem Gebiet der Verkehrsunfallrekonstruktion sowie zur Anhörung der beiden erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen nicht gefolgt, macht die Klägerin eine unzureichende Sachaufklärung geltend. Um den Verfahrensmangel der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ordnungsgemäß zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG), muss die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder in der Entscheidung des LSG wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5.) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gekannt hätte (stRspr; zB BSG Beschluss vom 9.2.2023 - B 2 U 24/22 B - juris RdNr 12 mwN; BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 9 SB 51/20 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Dies gilt auch für die Rüge einer unterbliebenen gerichtlichen Anhörung von Sachverständigen (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO, § 103 SGG).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die vor dem LSG anwaltlich vertretene Klägerin bezeichnet bereits keine formellen Beweisanträge, die den Erfordernissen des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO genügen und die sie im Verfahren vor dem LSG bis zuletzt aufrechterhalten hat oder die im Beschluss wiedergegeben werden. Der förmliche Beweisantrag hat Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält. Diese Warnfunktion verfehlen "Beweisantritte" und Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (zB BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris RdNr 17; BSG Beschluss vom 14.7.2021 - B 6 KA 42/20 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Dass die Klägerin prozessordnungskonforme Beweisanträge gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten habe, legt die Beschwerdebegründung nicht hinreichend dar. Wird die Berufung - wie vorliegend - ohne mündliche Verhandlung durch einen Beschluss nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückgewiesen, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt des Zugangs der Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG(zB BSG Beschluss vom 22.6.2021 - B 13 R 29/21 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 7) . Die Beschwerdebegründung erschöpft sich dagegen in der Benennung von Beweisanträgen in der Berufungsbegründung und in einer Stellungnahme an das LSG im Laufe des Berufungsverfahrens. Bereits deswegen ist ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht hinreichend bezeichnet. Der Verfahrensmangel muss in der Beschwerdeschrift schlüssig bezeichnet werden; dies ist nur dann der Fall, wenn die Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, im Einzelnen genau bezeichnet sind. Es ist dagegen nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich die erforderlichen Tatsachen aus der angefochtenen Entscheidung und erst recht nicht aus den Verfahrensakten herauszusuchen (zB BSG Beschluss vom 17.5.2022 - B 2 U 91/21 B - juris RdNr 17 mwN; BSG Beschluss vom 11.6.2021 - B 9 SB 64/20 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21 = juris RdNr 3).
Darüber hinaus legt die Beschwerdebegründung weder in nachvollziehbarer Weise den festgestellten Sachverhalt (§ 163 SGG) noch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts dar, sodass auch nicht aufgezeigt ist, dass das LSG sich zu weiterer Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen (zB BSG Beschluss vom 1.12.2022 - B 2 U 67/22 B - juris RdNr 12 mwN; BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 15 mwN) und dass die angefochtene Entscheidung ausgehend von der materiellen Rechtsansicht des LSG auf dem angeblichen Verfahrensmangel beruhen kann. Soweit die Klägerin die unterbliebene Anhörung der beiden erstinstanzlichen Sachverständigen rügt, zeigt sie schließlich nicht auf, dass es sich bei dem geltend gemachten Beweisantrag nicht ausschließlich um einen Antrag nach § 109 SGG gehandelt hat. Auf eine Verletzung von § 109 SGG kann indes eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Der Ausschluss einer Rüge der fehlerhaften Anwendung des § 109 SGG gilt umfassend und unabhängig davon, worauf der geltend gemachte Verfahrensmangel im Einzelnen beruht. Deshalb ist es unerheblich, wenn ein Kläger darin zugleich eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs sehen sollte (stRspr; zB BSG Beschluss vom 12.4.2023 - B 2 U 86/22 B - juris RdNr 3 mwN; BSG Beschluss vom 5.12.2022 - B 9 V 30/22 B - juris RdNr 14 mwN; BSG Beschluss vom 5.7.2017 - B 13 R 145/17 B - juris RdNr 6 mwN).
b) Die Klägerin zeigt mit der Rüge einer unterbliebenen Anhörung der erstinstanzlichen Sachverständigen auch eine Verletzung des Fragerechts nicht auf (§ 116 Satz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402 und 411 Abs 4 ZPO). Um die Verletzung des Fragerechts ordnungsgemäß zu rügen, muss ein Beteiligter darlegen, dass er die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte des Sachverständigengutachtens dem Gericht rechtzeitig (§ 411 Abs 4 ZPO) schriftlich mitgeteilt hat, dass die aufgeworfenen Fragen objektiv sachdienlich sind und dass er das Begehren bis zuletzt aufrechterhalten hat. Die erläuterungsbedürftigen Punkte, zB Lücken oder Widersprüche, müssen hinreichend konkret bezeichnet werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 17 mwN; BSG Beschluss vom 11.12.2019 - B 13 R 164/18 B - juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7 mwN). Daran fehlt es hier. Die Beschwerdebegründung thematisiert schon nicht die eingeschränkten Voraussetzungen einer Befragung erstinstanzlicher Sachverständiger (vgl BSG Beschluss vom 29.1.2018 - B 9 V 39/17 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 3.3.1999 - B 9 VJ 1/98 - juris RdNr 6 f). Auch sonst enthält sie über die bloße Rüge der unterbliebenen Anhörung der erstinstanzlichen Sachverständigen hinaus keinen Vortrag zu den dargelegten Voraussetzungen. Soweit sie anführt, die Sachverständigen hätten zu der Kritik an ihren Gutachten angehört werden müssen, bezweckt sie, deren Kompetenz zu erkunden bzw nachzuweisen. Dies zielt indes auf die Beeinflussung der nicht rügefähigen Beweiswürdigung durch das LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG) ab, nicht jedoch auf die vom Fragerecht erfasste Klärung des geltend gemachten Anspruchs (zB BSG Beschluss vom 14.12.2022 - B 2 U 1/22 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 18.11.2008 - B 2 U 75/07 B - juris RdNr 13).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15825306 |