Tenor
Der Antrag des Sozialgerichts Speyer auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
Die Klägerinnen und ihr – am Prozeß nicht beteiligter – Bruder Werner K.… sind die Kinder und Erben der am 2. März 1996 verstorbenen Versicherten Antonie K.…;… sie befinden sich in ungeteilter Erbengemeinschaft. Die beklagte Ersatzkasse, deren freiwilliges Mitglied die Versicherte war, nimmt die Erben als Gesamtschuldner wegen rückständiger Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 12.813,80 DM und zur Pflegeversicherung in Höhe von 354,32 DM in Anspruch. Die Forderungen hat sie gegenüber jedem der Erben gesondert durch Verwaltungsakt geltend gemacht. Die Klägerinnen, die in verschiedenen Bundesländern wohnen, haben gegen die ihnen erteilten Bescheide nach erfolglosem Widerspruch gemeinschaftlich Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer erhoben.
Dem Ersuchen des SG, das für die gemeinsame Klage zuständige Gericht zu bestimmen, kann nicht entsprochen werden, weil die sachlichen Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht erfüllt sind.
Die bei der vorliegenden Konstellation allein in Betracht kommende Regelung des § 58 Abs 1 Nr 5 SGG sieht die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht für den Fall vor, daß eine örtliche Zuständigkeit nach § 57 SGG nicht gegeben ist. Eine solche prozessuale Situation liegt hier nicht vor. Werden selbständige Klagen mehrerer Personen aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder des Sachzusammenhangs in einem Verfahren zusammengefaßt, sei es daß die Betreffenden von vornherein gemeinschaftlich klagen oder daß das Gericht die zunächst gesondert erhobenen Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbindet, so läßt dies die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich unberührt. Stellt sich heraus, daß einer der Kläger nicht im Bezirk des angerufenen Sozialgerichts wohnhaft oder beschäftigt und für seine Klage deshalb nach § 57 Abs 1 SGG ein anderes Sozialgericht örtlich zuständig ist, so ist sein Rechtsstreit gemäß § 98 SGG iVm § 17a Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz an dieses Gericht zu verweisen. Eine einfache, vom Willen der Beteiligten oder des Gerichts abhängige Streitgenossenschaft begründet danach grundsätzlich keinen Mangel der örtlichen Zuständigkeit im Sinne des § 58 Abs 1 Nr 5 SGG. Allein der Gesichtspunkt der Prozeßökonomie aber kann die Bestimmung eines besonderen Gerichtsstandes der Streitgenossenschaft nicht rechtfertigen (BVerwG Buchholz 310 § 53 Nr 23; Bley in SGB-GesamtKomm, 72. Lfg 1994, § 58 SGG Anm 9b; Danckwerts in Hennig, SGG, 4. Aufl 1997, § 58 RdNr 8). Soweit der Senat bisher (Beschluß vom 11. Juli 1978 – SozR 1500 § 58 Nr 2 S 5; Beschlüsse vom 11. Juni 1997 – 1 S (S) 5/97 und vom 27. Januar 1998 – B 1 SF 10/97 S ua) eine andere Auffassung vertreten hatte, wird daran nicht festgehalten.
Etwas anderes gilt allerdings, wenn zwischen den mehreren Klägern eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 74 SGG iVm § 62 Zivilprozeßordnung (ZPO) besteht, die Klage also aus Rechtsgründen nur gemeinschaftlich erhoben werden kann. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar handelt es sich bei den umstrittenen Beitragsschulden um Nachlaßverbindlichkeiten, für welche die Klägerinnen zusammen mit ihrem Bruder als Miterben gemäß §§ 1967, 2058 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gemeinschaftlich haften. Die Beklagte macht ihre Forderung aber nicht gegen die Erben gemeinsam als Gesamthänder (§ 2059 Abs 2 BGB) geltend, sondern nimmt die Klägerinnen, wie es der üblichen Vorgehensweise in derartigen Fällen entspricht, nach § 2058 BGB einzeln als Gesamtschuldnerinnen in Anspruch; sollte ausnahmsweise gegen die Erbengemeinschaft als solche vorgegangen werden, hätte dies in den angefochtenen Bescheiden zum Ausdruck gebracht werden müssen. Ohne entsprechende Klarstellung zielen die erteilten Bescheide auf die gesamtschuldnerische Haftung, die jeden der Erben gesondert trifft und gerade nicht bewirkt, daß das streitige Rechtsverhältnis ihnen gegenüber im Sinne des § 62 ZPO nur einheitlich festgestellt werden könnte oder ihre Streitgenossenschaft aus einem sonstigen Grund eine notwendige wäre (BVerwG aaO). Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichspflicht der Miterben untereinander nach § 426 Abs 1 Satz 1 BGB, denn insoweit wird im Verfahren gegen einen oder mehrere Miterben lediglich über eine Vorfrage entschieden. Zu dem Prozeß gegen einen als Gesamtschuldner in Anspruch genommenen Miterben sind deshalb nach Ansicht des Senats die übrigen Miterben auch nicht notwendig beizuladen. Über diese Frage ist jedoch vorliegend nicht zu entscheiden, so daß auf die möglicherweise abweichende Rechtsauffassung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (vgl zuletzt: Urteil vom 13. Dezember 1984 – 2 RU 35/84 in EzS 50/107 = HV-INFO 1985 Nr 4 S 36 mwN) nicht eingegangen zu werden braucht.
Die Rechtslage bei der Geltendmachung von Nachlaßverbindlichkeiten gegen einzelne oder alle Miterben ist damit eine andere als in einem Aktivprozeß, in dem zum Nachlaß gehörende Ansprüche von mehreren Miterben gemeinschaftlich geltend gemacht werden. Da für diese Konstellation im Zivilprozeß teilweise eine notwendige Streitgenossenschaft angenommen wird (zu den kontroversen Auffassungen vgl BGH NJW 1989, 2133), hält der Senat insoweit an seiner Rechtsprechung fest, daß ein Anwendungsfall des § 58 Abs 1 Nr 5 SGG gegeben ist (vgl auch BVerwG Buchholz 310 § 53 Nr 18).
Fundstellen
NZS 1999, 157 |
SozSi 1999, 155 |
www.judicialis.de 1998 |