Leitsatz (amtlich)
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dann iS von SGG § 160a Abs 2 S 3 dargelegt, wenn der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt darstellt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3 Fassung: 1974-07-30
Verfahrensgang
LSG Bremen (Entscheidung vom 17.05.1977; Aktenzeichen L 1 Kr 1/76) |
SG Bremen (Entscheidung vom 08.01.1976; Aktenzeichen S Kr 19/75) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 17. Mai 1977 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Es bedarf keiner Entscheidung des Senats, ob der Klägerin wegen Ablaufs der Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Denn selbst wenn die Voraussetzungen hierzu unter Beachtung des von der Klägerin vorgelegten Zeugnisses zur Erlangung des Armenrechts erfüllt wären, verfehlt die nunmehr durch einen zur Vertretung vor dem Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Prozeßbevollmächtigten (§ 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) erhobene Beschwerde dennoch die Anforderungen des § 160a Abs 2 SGG.
Soweit die Klägerin geltend macht, ein Mangel im Verfahren des Landessozialgerichts (LSG) liege darin, daß unter Verletzung des § 17 Abs 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes, des § 52 Abs 2 SGG und des § 106 Abs 1 SGG nicht über den erhobenen Amtshaftungsanspruch (§ 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) entschieden worden sei, fehlt es an der hinreichenden Bezeichnung der Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben. Da der Rechtsweg für Streitigkeiten über Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit verschlossen ist (vgl hierzu BSGE 18, 293 und das Urteil des erkennenden Senats vom 23. Juni 1977 - 8 RU 36/77 - BSGE 44, 114, 122 = SozR 2200 § 886 Nr 1 = Soz Sich 1977, 242) hätte die Klägerin die Tatsachen bezeichnen müssen, aus denen das LSG entnehmen mußte, daß es sich in der vom Amtsgericht (AG) an das Sozialgericht (SG) im Rechtsweg zuständigkeitshalber verwiesenen Klage schon um eine Amtshaftungsklage handelte. Denn nur unter dieser Voraussetzung hätte- gemäß §§ 17 Abs 3 GVG und 52 Abs 2 SGG - eine wegen des unzulässigen Rechtswegs an sich nicht bestehende Entscheidungszuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit begründet werden können. Daß die Klägerin vor dem AG bereits eine Amtshaftungsklage erhoben habe, hat sie aber nicht dargetan. Es ist auch nicht ersichtlich, daß und welcher Anhaltspunkt hierfür aus der Klageschrift und den nachfolgenden Schriftsätzen an das AG gewonnen werden könnten.
Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel den absoluten Revisionsgrund einer Verletzung des § 41 Nr 6 der Zivilprozeßordnung (ZPO) iVm § 60 SGG geltend macht (vgl § 551 Nr 2 ZPO), übersieht sie die hierfür erforderliche Voraussetzung des § 41 Nr 6 ZPO, wonach ein Richter von der Ausübung des Richteramtes nur dann ausgeschlossen ist, wenn er "bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung in einem früheren Rechtszuge" mitgewirkt hat. Das Urteil des SG Bremen vom 15. Oktober 1963 - SKr 8/63 -, an dem nach dem Vorbringen der Klägerin einer der Richter mitgewirkt hat, die das hier angegriffene Urteil des LSG Bremen vom 17. Mai 1977 erlassen haben, gehört aber nicht dem Rechtszug an, der zu dem hier angegriffenen Urteil geführt hat. Die Klägerin hat im Hinblick auf § 41 Nr 6 ZPO nichts dafür vorgetragen, daß der am Urteil des SG Bremen vom 1. Juli 1974 mitwirkende Berufsrichter auch am Urteil des LSG Bremen vom 17. Mai 1977 mitgewirkt habe. Nach dem Akteninhalt ist dies auch ausgeschlossen.
Auch unter dem Gesichtspunkt grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache genügt das Beschwerdevorbringen den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. In der Beschwerdebegründung sind zwar mehrere Rechtsfragen aufgeführt, deren Entscheidung auch für andere Fälle von rechtlicher Bedeutung sein könnte, die also einer Rechtssache grundsätzlicher Bedeutung zu verleihen geeignet wären. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache genügt es jedoch nicht, darin enthaltene Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Es muß vielmehr darüber hinaus dargetan werden, daß zumindest eine grundsätzliche Rechtsfrage bei Zulassung der Revision notwendigerweise vom Revisionsgericht zu entscheiden ist. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist die angestrebte Entscheidung geeignet, in künftigen Revisionsverfahren die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Diese Darlegungslast folgt, wie der erkennende Senat zur Bezeichnung des Verfahrensmangels iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bereits entschieden hat (SozR 1500 § 160a Nr 14) aus dem Sinn der Nichtzulassungsbeschwerde. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus einer Vielzahl vom Beschwerdeführer aufgeworfener und als grundsätzlich bezeichneter Rechtsfragen diejenige herauszufinden, über die im Revisionsverfahren notwendigerweise zu entscheiden wäre. Diese Aufgabe ist vielmehr der Beschwerdebegründung übertragen worden, in der nach dem Willen des Gesetzgebers nicht etwa nur eine grundsätzliche Rechtsfrage zu bezeichnen ist, sondern die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden muß. Dazu gehört, daß der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt darstellt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht. Wenn hier das LSG die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen hat, weil es die vom SG ausgesprochene Abweisung der Klage als unzulässig für zutreffend erachtete, hätte in der Beschwerdebegründung zunächst dargelegt werden müssen, aus welchen Gründen die Auffassung des LSG zur Bindung an zuvor ergangene rechtskräftige Urteile und zur fehlenden sachlichen Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für die Entscheidung über Schadensersatzansprüche unzutreffend waren. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann im Revisionsverfahren eine der in der Beschwerdebegründung aufgezeigten und für grundsätzlich erachteten Rechtsfragen entscheidungserheblich werden. Die hiernach erforderlichen Darlegungen enthält jedoch die Beschwerdebegründung nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen