Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts. Befangenheitsantrag. Rechtliches Gehör. Aufhebung. Wesentliche Änderung. Objektiver Beurteilungsmaßstab
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rüge fehlerhafter Besetzung bei Erlass des angefochtenen Urteils kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs beruhe auf willkürlichen Erwägungen oder habe Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs. 1 S. 2 GG grundlegend verkannt.
2. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung über die Richterablehnung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar, also offensichtlich unhaltbar ist.
3. Für die Prüfung einer wesentlichen Änderung i.S.v. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X kommt es grundsätzlich weder auf die im ursprünglichen Bescheid genannten noch auf die von der Behörde bei der Bewilligung angenommenen Verhältnisse, sondern auf die in Wirklichkeit vorliegenden Verhältnisse an.
Normenkette
SGG § 60 Abs. 1, §§ 62, 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 202; ZPO §§ 42, 47, 547 Nr. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. Dezember 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Landessozialgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I. Der 1971 geborene Kläger beansprucht von dem beklagten Land, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 17.8.1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.1989 ab dem 1.1.1999 eine Pflegezulage nach Stufe I gemäß § 35 Abs 1 S 5 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu zahlen.
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Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 11.6.1975 bei dem Kläger auf der Grundlage eines fachpsychologischen Berichtes des Klinikums S. der FU B. vom 5.12.1974 und eines HNO-ärztlichen Gutachtens aus derselben Klinik vom 11.3.1975 als Schädigungsfolge einer Pockenschutzimpfung vom 29.10.1973 an: |
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"An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beiderseits mit fehlender Sprachentwicklung, und zwar hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 51 Bundesseuchengesetz." Ferner enthält der Bescheid die Mitteilung: "Durch diese Schädigungsfolgen ist Ihr Sohn erwerbsunfähig im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes." |
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Nach weiteren Stellungnahmen seines ärztlichen Dienstes vom 26.3. und 3.6.1976 gewährte der Beklagte dem Kläger antragsgemäß mit Bescheid vom 6.9.1976 eine Pflegezulage der Stufe I. Im Rahmen der Begründung (Ziff IV) teilte der Beklagte darin mit: |
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"Ferner wird gemäß § 35 Abs. 1 vorletzter Satz BVG eine Pflegezulage der Stufe I gewährt, weil eine durch eine postvaccinale Enzephalitis bedingte zentrale Schädigung mit Auswirkungen auf das Hörvermögen vorliegt." |
In der Folgezeit blieb ein Verschlimmerungsantrag des Klägers erfolglos, während eine versorgungsärztliche Begutachtung durch den HNO-Arzt Dr. N. am 1.12.1988 ergab, dass beim Kläger ab August 1989 (Abschluss des Berufsfindungsjahres am Berufsbildungswerk für Hörgeschädigte) die Voraussetzungen für das Merkzeichen H und eine Pflegezulage nicht mehr gegeben seien, weil es an einer Hilflosigkeit fehle. Daraufhin hob der Beklagte nach Anhörung des Klägers gemäß § 48 SGB X ua den Bescheid vom 6.9.1976 ab dem 1.8.1989 teilweise auf, weil eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen insoweit eingetreten sei, als nach Abschluss der Gehörlosenschule im Juli 1989 die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pflegezulage der Stufe I nicht mehr vorlägen (Bescheid vom 17.8.1989). Auf den Widerspruch des Klägers wurde die Pflegezulage erst zum 1.10.1989 entzogen (Widerspruchsbescheid vom 18.10.1989).
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In einem Klageverfahren betreffend einen Verschlimmerungsantrag des Klägers schlossen die Beteiligten vor dem Sozialgericht München - SG - (S 29 VJ 2/97) am 23.3.1999 einen Vergleich und bezeichneten darin die impfbedingten Gesundheitsstörungen wie folgt: |
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"praktische Taubheit beiderseits mit Sprachstörungen, Gleichgewichtsstörungen." |
Diese Schädigungsfolgen stellte der Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 19.5.1999 ab dem 1.4.1995 fest.
Nach Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1.3.1999 machte der Kläger bei dem Beklagten eine Pflegezulage ab Beginn seiner Erwerbsunfähigkeit geltend, weil er hirngeschädigt sei. Dies lehnte der Beklagte unter Bezugnahme auf § 48 SGB X ab, weil eine Hirnschädigung nicht vorliege (Gutachten Prof. Dr. S. vom 25.10.2004 nach Aktenlage). Mit Bescheid vom 6.9.1976 sei eine Pflegezulage der Stufe I zu Recht gewährt worden wegen taubheitsbegründeter Hilflosigkeit bis zum 16. Lebensjahr. Allerdings sei die tatsächliche Begründung seinerzeit unzutreffend gewesen.
Das von dem Kläger angerufene SG München hat ein Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. K. vom 18.2.2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12.8.2008 eingeholt und mit Gerichtsbescheid vom 20.10.2008 entsprechend dem Antrag des Klägers nach § 44 SGB X den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 31.8.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.2.2005 sowie des Bescheides vom 27.4.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2005 verurteilt, den Bescheid vom 17.8.1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.1989 zurückzunehmen und dem Kläger ab dem 1.1.1999 eine Pflegezulage nach Stufe I gemäß § 35 Abs 1 S 5 BVG zu gewähren. Der Beklagte habe § 52 Abs 2 S 4 Bundesseuchengesetz als lex spezialis nicht beachtet; daneben sei für § 48 SGB X kein Raum. Es stehe nicht unzweifelhaft fest, dass die angenommene postvaccinale Enzephalitis beim Kläger nicht vorliege.
Dagegen hat der Beklagte beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Dieses hat eine erste mündliche Verhandlung vom 20.9.2011 vertagt, um weitere Akten der Hauptfürsorgestelle beizuziehen. Nach einem Schriftwechsel zwischen dem Senatsvorsitzenden des LSG und der den Kläger vertretenden Mutter hat letztere den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Durch Beschluss vom 24.11.2011 hat das LSG diese Ablehnung für unbegründet erklärt. Dabei hat es sich im Wesentlichen auf die Erwägung gestützt, dass unterschiedliche Auffassungen zwischen dem Richter und den Beteiligten zu materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Fragen für die Frage einer Besorgnis der Befangenheit unbeachtlich seien, solange nicht konkrete Anhaltspunkte für eine unsachliche, auf Willkür beruhende oder parteiliche Einstellung des Richters gegenüber einem Beteiligten beständen. Solche Anhaltspunkte lägen hier nicht vor.
Als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers komme allein § 44 Abs 1 S 1 SGB X in Betracht, dessen Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien. Der Bescheid vom 17.8.1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.1989 sei gemessen an § 48 Abs 1 S 1 SGB X rechtmäßig gewesen, weil in den tatsächlichen Verhältnissen, die noch bei Erlass des Bescheides vom 6.9.1976 vorgelegen hätten, objektiv eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten sei, dass der Kläger im Juli 1989 das Berufsfindungsjahr am Berufsbildungswerk für Hörgeschädigte beendet habe. Diese Änderung sei für die Gewährung einer Pflegezulage auch wesentlich gewesen, weil nach den überzeugenden Feststellungen des Prof. Dr. K. beim Kläger nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis eine Hirnschädigung als Impfschaden (postvaccinale Enzephalitis) festgestellt werden könne. Damit sei der Wegfall der Hilflosigkeit iS von § 35 BVG durch die Beendigung des Berufsfindungsjahres leistungsrechtlich relevant geworden. Im Rahmen der Prüfung, ob eine wesentliche Änderung iS des § 48 SGB X eingetreten sei, komme es auf die objektiven rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse an, die beim Erlass des fraglichen Verwaltungsakts vorgelegen hätten. Damit sei § 48 SGB X auch dann einschlägige Korrekturnorm, wenn diese Verhältnisse von der Behörde anfangs falsch bewertet und subjektiv dem Erlass des Verwaltungsakts gar nicht zugrunde gelegt worden seien.
Entgegen der Auffassung des SG sei eine Hirnschädigung auch nicht als Schädigungsfolge anerkannt worden. Mit Bescheid vom 11.6.1975 sei als Schädigungsfolge lediglich eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beiderseits mit fehlender Sprachentwicklung festgestellt worden. Mit weiterem Bescheid vom 6.9.1976 habe der Beklagte dann in dem speziellen Teil des Bescheids, der den eigentlichen Verfügungssätzen vorbehalten gewesen sei, lediglich die Gewährung der Pflegezulage der Stufe I ausgesprochen, während er anschließend in einem räumlich und gliederungstechnisch klar abgegrenzten und mit "Gründe:" überschriebenen Teil des Bescheids erläutert habe, die Pflegezulage werde aufgrund einer zentralen Störung gewährt. Dem sei nach dem objektiven Empfängerhorizont zu entnehmen gewesen, dass ausschließlich die Zuerkennung der Pflegezulage als solche Regelungsgegenstand gewesen sei, nicht aber der Grund dafür. Der Bescheid vom 6.9.1976 weise eine bewusst gewählte und klar erkennbare Trennung in Verfügungssätze und Begründung auf, sodass die Bindungswirkung nur von dem Verfügungssatz ausgehe. Das ergebe sich auch aus der Regelung in § 35 SGB X, wonach Erläuterungen zu den getroffenen Regelungen gerade nicht zum verfügenden Teil des Verwaltungsakts gehörten und damit nicht an dessen Bindungswirkung teilnähmen.
Ferner stehe dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auch nicht auf der Grundlage des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes zu, denn mit Erlass des Bescheids vom 17.8.1989 sei nicht objektiv eine ursprünglich gegebene Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 6.9.1976 korrigiert worden. Dieser Bescheid sei vielmehr rechtmäßig gewesen, weil die darin enthaltene Regelung - die Gewährung einer Pflegezulage - objektiv mit dem geltenden Recht in Einklang gestanden habe. Der Kläger sei wegen seines kindlichen Alters als hilflos einzustufen gewesen. Dass sich der Beklagte der eigentlichen Gründe, die objektiv zur Gewährung der Pflegezulage berechtigten, seinerzeit nicht bewusst gewesen sei und dementsprechend eine "eklatant falsche" Begründung geliefert habe, spiele keine Rolle, weil es insoweit nur auf die objektive Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts ankomme. Darüber hinaus könnten § 45 SGB X keine Wertungen entnommen werden, die sich im vorliegenden Fall zugunsten des Klägers auswirkten und mittelbar in einen Vertrauensschutz mündeten. Zwar solle jegliches Verhalten eines Sozialleistungsträgers selbst dann richtig sein, wenn es nicht der Bestandskraft fähig ist, wie zB die Begründung eines Verwaltungsakts. Eine Restitution einer Entscheidung sei jedoch nur insoweit zu befürworten, als dies mit dem geltenden Recht in Einklang zu bringen sei. Vor diesem Hintergrund gelte der Vorbehalt der veränderten Verhältnisse auch dann im Rahmen der Bestimmung des § 48 SGB X ohne Einschränkung, wenn die Verhältnisse, welche die objektive Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts begründen (hier das kindliche Alter des Klägers), verkannt würden. Auch aus den sonst - zB von der Hauptfürsorgestelle - gemachten behördlichen Äußerungen, der Kläger sei hirngeschädigt, könnten keinesfalls weitergehende Rechte als aus der falschen Begründung des Bescheids vom 6.9.1976 abgeleitet werden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG) begründet.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Das angegriffene Urteil des LSG vom 20.12.2011 beruht auf einem vom Kläger hinreichend bezeichneten (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Bei Erlass dieser Entscheidung war das LSG nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 SGG), weil ein vom Kläger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnter Richter mitgewirkt hat (§ 60 Abs 1 SGG iVm §§ 42, 47 ZPO). Dem steht ausnahmsweise nicht entgegen, dass das Ablehnungsgesuch des Klägers durch Beschluss des LSG vom 24.11.2011 für unbegründet erklärt worden ist.
Eine rechtswidrige Zurückweisung eines Befangenheitsantrags kann grundsätzlich nicht als Mangel eines danach unter Mitwirkung des erfolglos abgelehnten Richters durch Urteil abgeschlossenen Verfahrens iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht werden, weil es sich hierbei um eine dem Urteil vorausgehende Entscheidung des Berufungsgerichts handelt, die ihrerseits unanfechtbar ist (vgl BSG vom 5.8.2003 - B 3 P 8/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 1; BSG vom 9.1.2008 - B 12 KR 24/07 B - RdNr 11). Die Rüge fehlerhafter Besetzung des Berufungsgerichts bei Erlass des angefochtenen Urteils kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde allerdings darauf gestützt werden, die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs beruhe auf willkürlichen Erwägungen oder habe Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt (BSG vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3). Wenn ein zuvor erfolglos abgelehnter Richter an der angegriffenen Entscheidung mitgewirkt hat und die Entscheidung der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen, manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, liegt ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters iS des Art 101 Abs 1 S 2 GG vor (vgl BVerfGE 37, 67, 75; BSG vom 10.9.1998 - B 7 AL 36/98 R - RdNr 19 nach Juris). Die Entscheidung über die Richterablehnung darf unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar, muss also offensichtlich unhaltbar sein (vgl BVerfGE 29, 45, 48 f; BVerwG vom 15.5.2008 - 2 B 77/07 - NVwZ 2008, 1025), sei es den Inhalt, sei es das Verfahren betreffend (vgl BSG, aaO). Demzufolge rechtfertigt es die Rüge einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts auch, wenn die Ablehnungsentscheidung auf einem der Willkür vergleichbaren schweren Verfahrensmangel beruht (vgl BVerwG, aaO), wie zB auf einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl BFH vom 19.2.2009 - VIII B 52/08; vom 29.8.2008 - VIII B 62/08; vom 16.1.2007 - X B 38/06 - BFH/NV 2007, 757).
Gemessen an diesen Kriterien liegt der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel vor. Dabei kann offenbleiben, ob sich der vom Kläger abgelehnte Vorsitzende Richter am LSG Dr. V. diesem gegenüber so verhalten hat, dass die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs im Ergebnis als objektiv willkürlich anzusehen ist. Allerdings können richterliche Unmutsäußerungen durchaus Anlass für ein begründetes Ablehnungsgesuch sein, wenn sie gänzlich unangemessen sind und den Eindruck der Voreingenommenheit erwecken (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 60 RdNr 8i). Jedenfalls leidet der Beschluss des LSG vom 24.11.2011 an einem schweren Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG).
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Das LSG hat die zur Begründung des Ablehnungsgesuchs eingereichten Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 22.10.2011 und 17.11.2011 zwar erwähnt, sich in seinen Beschlussgründen jedoch nur mit Vorbringen des Klägers befasst, das nicht geeignet erscheint, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (Rechtsauffassung des abgelehnten Richters). Hingegen ist es gerade auf die Punkte nicht eingegangen, die als Ablehnungsgrund in Betracht kommen (Äußerungen des Richters, durch die sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers persönlich angegriffen gefühlt hat). Insbesondere die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters vom 28.10.2011 enthält Ausführungen, die bei der Behandlung des Ablehnungsgesuches einer genauen Prüfung hätten unterzogen werden müssen. So hat dieser Richter dargelegt, er finde es bedenklich, wenn Kläger versuchten, durch Befangenheitsanträge das Gericht "auf Kurs zu bringen". Auch ist im Zusammenhang mit Rechtsansichten der Prozessbevollmächtigten des Klägers von "verfehlten Meinungen" und einer "abwegigen Ansicht" die Rede. Weiter heißt es dort: |
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"Das Schreiben vom 22.10.2011 zeigt wie schon das vom 14.10., dass sich die Sache mittlerweile nur noch im Kreis dreht, Frau P. aber immer mehr Verdrossenheit aufbaut. Da von ihr immer nur das Gleiche kommt, andererseits meine Äußerungen, die sie nicht hören will, sie zu provozieren scheinen, sehe ich keinen Grund mehr, weiter schriftlich über die schon reichlich erörterten Punkte zu diskutieren - wobei natürlich weiterhin alles was Frau P. schreibt, zur Kenntnis und in Erwägung gezogen wird, wie es das rechtliche Gehör vorsieht." |
Der das Ablehnungsgesuch zurückweisende Beschluss hat danach keinen Bestand, sodass der abgelehnte Richter Dr. V. an der Entscheidung des LSG vom 20.12.2011 nicht hätte mitwirken dürfen. Folglich war das LSG insoweit nicht vorschriftsmäßig besetzt (vgl § 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 SGG).
Da es nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreicht, dass die vorinstanzliche Entscheidung auf einem der gerügten Verfahrensmängel beruht, braucht sich der Senat mit den weiteren vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehlern nicht zu befassen. Er macht im Rahmen des ihm nach § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch, auf die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
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Eine Zulassung der Revision ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil sich der Kläger auch auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft. Einen solchen Zulassungsgrund hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Er hat zwar folgende Rechtsfrage aufgeworfen: |
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Liegt eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X vor, wenn die Behörde - ausweislich der ausdrücklich verlautbarten Angaben im Bescheid - bei Erlass des Verwaltungsakts subjektiv von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, der Verwaltungsakt sich aber objektiv aufgrund eines alternativ vorliegenden Anspruchsgrundes als im Ergebnis richtig erweist und sich nur eine Änderung in den dem Verwaltungsakt subjektiv nicht zugrunde gelegten Verhältnissen, die aus dem Bescheid nicht als maßgeblich erkennbar waren, ergeben hat, nicht aber in den subjektiv von der Behörde angenommenen, verlautbarten tatsächlichen Verhältnissen? |
Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage hat der Kläger jedoch nicht genügend begründet. Hierzu fehlt bereits eine ausreichende Auseinandersetzung des Klägers mit der umfangreichen Rechtsprechung zur wesentlichen Änderung iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X (vgl Auflistung bei Steinwedel in Kasseler Komm, Stand Mai 2006, § 48 SGB X RdNr 13 ff). Danach kommt es für die Prüfung einer wesentlichen Änderung iS von § 48 SGB X grundsätzlich weder auf die im ursprünglichen Bescheid genannten noch auf die von der Behörde bei der Bewilligung angenommenen Verhältnisse, sondern auf die in Wirklichkeit vorliegenden Verhältnisse und deren objektive Änderung an (vgl Steinwedel, aaO, RdNr 14 mit Hinweisen aus der Rspr; sowie Schütze, in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 48 RdNr 6). Entsprechendes hat der Senat bereits mit Urteil vom 11.10.1994 (- 9 RVs 2/93 - SozR 3-3870 § 4 Nr 10) entschieden.
Um dem Kläger bei der erneuten Bearbeitung der Sache durch das LSG ein unbelastetes Verfahren zu gewährleisten, hält der Senat die Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des LSG für geboten, weil das Vertrauen des Klägers in eine unbefangene Rechtsfindung durch den 15. Senat des LSG nachhaltig erschüttert erscheint (vgl BSG vom 22.9.2009 - B 2 U 182/09 B - Juris RdNr 10; BSG SozR 4-1500 § 170 Nr 2 RdNr 79 f). Der andere Senat bestimmt sich nach dem für das laufende Jahr gültigen Geschäftsverteilungsplan des LSG (BSG vom 22.9.2009, aaO).
Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen