Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache. Darlegung einer behaupteten Verfassungswidrigkeit. Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerfG. Neuregelung des § 248 S. 1 SGB V
Orientierungssatz
Für die Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat (hier: Neuregelung der § 248 S 1 SGB 5 ab 1.1.2004), genügt die undifferenzierte Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG - im Einzelnen aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Verfassungsmäßigkeit umstritten ist (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 = SozR 1500 § 160a Nr 11).
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, 3; SGB 5 § 248 S. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge, die die als Rentnerin pflichtversicherte Klägerin ab 1. Januar 2004 aus ihren Versorgungsbezügen zu tragen hat.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) vom 29. September 2005 ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Dagegen ist die behauptete inhaltliche Unrichtigkeit einer Entscheidung kein Revisionszulassungsgrund.
Die Klägerin beruft sich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Beschwerdebegründung muss hierzu ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr, vgl auch Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, ist nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung haben, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden; das muss substantiiert vorgetragen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65). Für die Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, genügt die undifferenzierte Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG - im Einzelnen aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Verfassungsmäßigkeit umstritten ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11 und Beschluss vom 5. August 2003, B 12 RA 5/03 B, juris Nr KSRE 075041517 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat bereits keine hinreichend konkrete Rechtsfrage formuliert. Den bloßen Hinweisen auf die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 248 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) sowie darauf, dass Fragen der Verletzung von Art 3 des Grundgesetzes (GG) und Fragen der Überschreitung der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers im Zusammenhang mit dem Solidarprinzip und dem Sozialstaatsgedanken in der bisherigen Rechtsprechung nicht in der gebotenen Weise entschieden worden seien, kann weder entnommen werden, welche Normen des Bundesrechts damit jeweils inwiefern angesprochen sein sollen, noch ob eine überhaupt fehlende Stellungnahme der obergerichtlichen Rechtsprechung hierzu oder nur eine im Ergebnis subjektiv nicht geteilte Antwort behauptet werden soll. Auch der Verweis auf eine mit der Klageschrift eingereichte Begründung einer Verfassungsbeschwerde erfüllt nicht das Erfordernis, in der Beschwerdebegründung selbst konkrete Rechtsfragen zu benennen. Darüber hinaus fehlt es an Darlegungen dazu, inwiefern im Einzelnen nach dem jeweils zu erörternden Stand von Lehre und Rechtsprechung, insbesondere nach der vom Berufungsgericht ausdrücklich in Bezug genommenen Entscheidung des Senats vom 24. August 2005 (B 12 KR 29/04 R, BetrAV 2006, 91 ff = juris Nr KSRE 020891514, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), noch Klärungsbedarf besteht und an welcher Stelle einer sachlichen Prüfung im Rahmen eines künftigen Revisionsverfahrens gerade im Zusammenhang des vorliegenden Sachverhaltes hierauf notwendig eine Antwort zu geben ist. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision im Blick auf "eine Reihe von verfassungsrechtlich aufzuwerfenden Fragen" begehrt, gilt nichts anderes. Auch insofern hätte die Begründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG insbesondere darlegen müssen, woraus genau sich im konkreten Fall jeweils die Verfassungswidrigkeit bestimmter Normen ergeben soll.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen