Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenübernahme eines Therapie-Tandems zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung und zum Ausgleich einer Behinderung. Übernahme von Mobilitätshilfen bei Erforderlichkeit zum Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten. Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Vergleich mit Krankentransporten
Orientierungssatz
1. Ein Therapie-Tandem ist nicht deshalb erforderlich, "um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern", weil eine fachgerechte Krankengymnastik in der Regel nicht nur ausreicht, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebten Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung eines Behinderten erreichen kann, einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Herz-Kreislauf-System, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl (vgl ua BSG vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R = USK 2002 - 88). Ein derartiges Hilfsmittel ist auch nicht erforderlich eine Behinderung auszugleichen (vgl BSG aaO).
2. Die Versorgung mit Mobilitätshilfen kann möglich sein, wenn sie erforderlich sind, dem Bedürfnis eines Versicherten gerecht zu werden, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen (vgl BSG vom 26.3.2003 - B 3 KR 23/02 R = BSGE 91, 60 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 und BSG vom 16.9.2004 - B 3 KR 19/03 R = BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7). Dann muss aber gerade dieser Zweck im Vordergrund stehen und das Hilfsmittel im Übrigen kostengünstiger sein als der Transport mit Krankenfahrzeugen.
Normenkette
SGB 5 § 12 Abs. 1, § 33 Abs. 1 S. 1, § 60 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die 1991 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin leidet an einem Down-Syndrom sowie an einer Insuffizienz der Haltungsmuskulatur, einer Wirbelsäulenfehlhaltung und einer leichten Hüftdysplasie. Ihren Antrag auf Versorgung mit einem Therapie-Tandem lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, es handele sich nicht um ein zugelassenes Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung und zudem sei seine Benutzung nicht zur Verbesserung der Mobilität oder aus anderen therapeutischen Gründen indiziert. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos. Mit Urteil vom 16. März 2006 begründete das Landessozialgericht (LSG) seine Entscheidung unter Bezugnahme auf Rechtsprechung dieses Senats im Wesentlichen damit, dass die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel nicht notwendig sei, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, denn die angestrebte Verbesserung der körperlichen und seelischen Verfassung der Klägerin könne durch regelmäßige Krankengymnastik gezielter und vielseitiger erreicht werden. Das Therapie-Tandem sei aber auch nicht erforderlich, um eine Behinderung auszugleichen, denn zum einen gehöre das Radfahren nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens und zum anderen könne sich die Klägerin aufgrund der ihr noch verbliebenen Eigenmobilität im Nahbereich der Wohnung bewegen. Eine von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) akzeptierte Ausnahme von diesen Grundsätzen - etwa zur Integration in den Kreis gleichaltriger Jugendlicher oder bei Vorliegen einer ganz außergewöhnlichen Gehbehinderung - sei im Falle der Klägerin nicht feststellbar. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 2, 169 Satz 1 bis 3 SGG).
Die Klägerin macht zunächst geltend, der angegriffene Beschluss betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und SozR 1500 § 160a Nr 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). In der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48). Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Die Klägerin sieht es nach dem Gesamtzusammenhang ihrer Ausführungen als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung an, ob sie die Ausstattung mit einem Therapie-Tandem verlangen kann, weil dadurch die Verbesserung ihrer seelischen und körperlichen Verfassung gezielter und vielseitiger erreicht werden könne als durch regelmäßige Krankengymnastik. Abgesehen davon, dass diese Fragestellung wohl eher die Bewertung von Tatsachen durch das LSG betrifft und sich zudem der Beschwerde nichts Substantielles dazu entnehmen lässt, warum sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben sollte, ist auch die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht ausreichend dargelegt worden. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein Therapie-Tandem deshalb nicht erforderlich, "um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern", weil eine fachgerechte Krankengymnastik in der Regel nicht nur ausreicht, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebten Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung eines Behinderten erreichen kann, einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Herz-Kreislauf-System, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl (BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 8/02 R, USK 2002 - 88; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32). Der Senat hat ein solches Hilfsmittel auch nicht als erforderlich angesehen, eine Behinderung auszugleichen, denn dies wäre von der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft - dies ist bei einem Therapie-Tandem nicht der Fall (BSG aaO mwN). Mit diesen - vom LSG zitierten - Urteilen des BSG setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Es wird insbesondere nicht verdeutlicht, dass die aufgeworfene Rechtsfrage trotz dieser höchstrichterlichen Entscheidungen nicht sicher zu beantworten oder in jüngerer Zeit wieder strittig geworden ist. Der Senat hat jüngst darüber hinaus entschieden, dass die Versorgung mit Mobilitätshilfen über den vorgenannten Rahmen hinausgehen kann, wenn sie erforderlich sind, um dem Bedürfnis eines Versicherten gerecht zu werden, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen (BSGE 91, 60 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 und BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7). Dann muss aber gerade dieser Zweck im Vordergrund stehen und das Hilfsmittel im Übrigen kostengünstiger sein als der Transport mit Krankenfahrzeugen. Auch mit diesen Urteilen setzt sich die Klägerin nicht auseinander, so dass der fortbestehende Klärungsbedarf ihrer Fragestellung nicht dargelegt ist.
Soweit die Klägerin vorträgt, das LSG habe mit der Feststellung, sie könne sich auch auf einem Fahrrad mit Stützrädern in sicheren Bereichen außerhalb des eigentlichen Straßenverkehrs bewegen, Denk- und Erfahrungssätze verletzt, rügt sie das Vorliegen eines Verfahrensmangels iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, der nach der ausdrücklichen Ausnahme von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen