Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 24.07.1990) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Juli 1990 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, wegen der Folgen des am 14. November 1981 erlittenen Unfalls Entschädigungsleistungen zu erhalten, ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 1984; Urteile des Sozialgerichts – SG – vom 17. März 1986 und vom 14. März 1989 sowie des Landessozialgerichts – LSG – vom 13. November 1987 und vom 24. Juli 1990). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe am 14. November 1981 keinen Arbeitsunfall erlitten, weil sich dieser Unfall nicht im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit ereignet habe. Insbesondere sei die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht nach § 539 Abs 2 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geschützt gewesen; denn unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles sei ihre Tätigkeit nicht arbeitnehmerähnlich gewesen. Sowohl ihre Marketing-Aufgaben für die Firma B … als auch ihre Mitarbeit an der Dokumentation für die Re-gensburger Firma vermittelten das Bild einer selbständigen Tätigkeit. Darüber hinaus seien ihre Tätigkeiten durch die dem unversicherten Bereich zuzurechnenden Bemühungen um einen Arbeitsplatz geprägt gewesen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Revision sei zuzulassen, weil das LSG Verfahrensgesetze verletzt habe. Gerügt werde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), eine unvollständige Begründung der Entscheidung (§§ 123, 128 Abs 1 Satz 2 SGG) sowie eine unzureichende Überprüfung des Streitfalles (§§ 157, 118 SGG). Das SG habe seine für die Klägerin günstige Entscheidung auf mehrere selbständige Gründe gestützt, indem es den Versicherungsschutz der Klägerin sowohl aus ihren Repräsentationsaufgaben während der Messe in München, als auch aus ihrer Tätigkeit im Marketing-Bereich und schließlich aus ihrer Mitarbeit bei der Dokumentation in Regensburg hergeleitet habe. Das LSG habe dagegen offen gelassen, ob die zeitweise Betreuung von Messekunden durch die Ehefrau eines Mitgesellschafters als arbeitnehmerähnlich angesehen werden könne. Dadurch habe es nicht über den „Gesamtanspruch” der Klägerin entschieden. Insoweit fehlten dem Urteil auch die Gründe. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei darin zu erblicken, daß die Klägerin mit den einzelnen Entscheidungen des LSG nicht habe rechnen müssen. Ohne weitere Ermittlungen anzustellen, sei das LSG aufgrund derselben Unterlagen und derselben Zeugenaussagen überraschend zu einem dem SG-Urteil entgegengesetzten Ergebnis gekommen. Hätte das LSG seine Bewertung der einzelnen Tätigkeitsbereiche dargelegt, so hätte die Klägerin zum Beweis des Gegenteils ergänzende Beweisanträge gestellt und entsprechende Stellungnahmen abgegeben. Dies gelte insbesondere für die Bewertung der Steuerunterlagen, die das LSG – anders als das SG – als Hinweis für die Selbständigkeit der Klägerin herangezogen habe.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht den in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Formerfordernissen. Die Klägerin weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG aufgeführt sind. Sie macht geltend, das LSG habe gegen Normen des Verfahrensrechts verstoßen. Sie hat die Zulassungsgründe jedoch nicht schlüssig dargelegt (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54, 58).
Für eine schlüssige Darlegung des Vorwurfs, das LSG habe nicht vollständig über den Anspruch der Klägerin entschieden (§§ 123, 157 SGG), hätte es zumindest einer Auseinandersetzung mit dem Klagebegehren und dem Urteilstenor bedurft. Gegenstand der zitierten Verfahrensvorschriften ist das prozessuale Begehren im Rahmen der gestellten Anträge, hier also die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls. Daß das LSG insoweit nur teilweise entschieden haben soll, behauptet die Klägerin selbst nicht. Ihre Rüge, daß das LSG nicht über ihren „Gesamtanspruch” entschieden habe, bezieht sich vielmehr auf die einzelnen Elemente ihrer Anspruchsbegründung, die das LSG nicht richtig gewürdigt habe. Damit rügt die Klägerin aber eine unzutreffende Anwendung materiellen Rechts, wofür im Rahmen des Beschwerdeverfahrens keine Grundlage vorhanden ist. Auch der Vorwurf, das angefochtene Urteil sei teilweise nicht mit Gründen versehen, beruht auf dieser Verkennung des „Gesamtanspruchs”.
Die Rüge, das LSG habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§§ 62, 128 Abs 2 SGG) verletzt, ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Die genannten Vorschriften sollen verhindern, daß die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf einer Rechtsauffassung beruht, zu der sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Der sich daraus ergebende Anspruch auf rechtliches Gehör und die dementsprechenden Hinweispflichten des Gerichts beziehen sich jedoch nur auf erhebliche Tatsachen, die den Betroffenen bislang unbekannt waren, und auf neue rechtliche Gesichtspunkte. Solche hat die Beschwerde nicht dargelegt. Schon aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin ergibt sich, daß die Frage, ob die Klägerin bei der zum Unfall führenden Tätigkeit nach § 539 Abs 2 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO versicherungsrechtlich geschützt war, während des gesamten Verfahrens im Mittelpunkt des Rechtsstreits gestanden hat, insbesondere, ob es sich bei den fraglichen Tätigkeiten um arbeitnehmerähnliche oder um solche gehandelt hat, die als selbständige zu beurteilen sind. Dabei hat sich das LSG auf dieselben Beweisergebnisse gestützt, die bereits dem SG vorgelegen haben und den Beteiligten bekannt waren. Auch in rechtlicher Hinsicht hat das LSG keine neuen Gesichtspunkte aufgegriffen. In beiden Instanzen ging es um die wertende Abwägung aller Um-stände des Einzelfalles, wobei das LSG einzelne Umstände lediglich anders als das SG gewürdigt hat. Die unterschiedliche Wertung bezieht sich insbesondere auf den Inhalt der Steuerunterlagen und die – auch vom SG festgestellte – Tatsache, daß die Tätigkeiten der Klägerin durch ihre Bemühungen um die Erlangung eines Arbeitsplatzes geprägt waren. Die Beschwerde der Klägerin enthält in ihrem Kern deshalb lediglich den Vorwurf, sie sei von der tatsächlichen und rechtlichen Wertung durch das LSG überrascht worden. Es gibt aber keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl Beschluß des erkennenden Senats vom 12. Juni 1990 – 2 BU 227/89 –).
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen