Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Oktober 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Prof. Dr. S. aus H. beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Die Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige und begehrt in der Hauptsache Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) auch für die Zeit vom 19.11.2007 bis 2.4.2008 für ihren im September 2006 geborenen Sohn, nachdem ihr von der Beklagten diese Leistung für die Zeiten vom 19.9.2006 bis 18.9.2007 (Bescheid vom 18.10.2006) sowie vom 19.9. bis 18.11.2007 und vom 3.4. bis 18.9.2008 bereits gewährt wurde (Bescheide vom 27.8.2009 und 23.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.4.2010).
Wie zuvor bereits das SG (Urteil vom 20.8.2013) hat auch das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld für den Zeitraum vom 19.11.2007 bis 2.4.2008 verneint. Dieser ergebe sich nicht aus § 1 Abs 1 Satz 1 BErzGG, weil die Klägerin weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, sondern in Bulgarien gehabt habe. Sie erfülle auch nicht die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erziehungsgeld nach § 1 Abs 7 Satz 1 Nr 1 BErzGG. Denn sie habe in Deutschland weder in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis noch in einem Arbeitsverhältnis mit einer mehr als geringfügigen Beschäftigung gestanden. Da sie nach eigenen Angaben auch in Bulgarien keine Arbeit aufgenommen habe, sei der sonst möglichen Frage nach einer Gleichstellung mit deutschen Zeiten nach EU-Recht nicht weiter nachzugehen. Auch die Voraussetzungen für eine Ehegattenberechtigung nach § 1 Abs 7 Satz 3 BErzGG erfülle die Klägerin nicht. Denn ihr damaliger deutscher Ehegatte und Kindesvater sei als Student bei der Firma G GmbH (G) vom 15.10.2007 bis 14.4.2008 keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Inhalt seiner dortigen Tätigkeit als Diplomand sei ausschließlich die Anfertigung der Diplomarbeit zur Vorlage bei seiner H. Hochschule gewesen. Die Versagung des Erziehungsgelds für den hier streitbefangenen Zeitraum stehe auch nicht im Widerspruch zu EU-Recht und der hierzu ergangenen EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 24.10.2019).
Mit beim BSG per Telefax am 30.4.2020 eingegangenem Schreiben vom 6.4.2020 hat die in Bulgarien lebende Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das ihr nach eigenen Angaben am 13.3.2020 zugestellte Urteil des LSG beantragt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängel geltend. Wegen der Einzelheiten ihrer Begründung wird auf dieses Schreiben Bezug genommen.
II
Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung der Klägerin bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung allein in Betracht kommende zulässige Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Das ist hier nach Durchsicht der Akten unter Berücksichtigung und Würdigung des Vorbringens der Klägerin in ihrem Schreiben vom 6.4.2020 nicht der Fall.
Es ist nicht ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 2 und 4 SGG) geltend machen könnte, dass der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zukommt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der vorgenannten Bestimmung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Solche Rechtsfragen stellen sich im Fall der Klägerin aber nicht. Dem steht schon entgegen, dass Gegenstand des Rechtsstreits die Gewährung von Erziehungsgeld ist und es damit um die Anwendung und Auslegung von Rechtsvorschriften des BErzGG geht, die zum 31.12.2008 außer Kraft getreten sind (Art 3 Abs 2 des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I S 2748). Außer Kraft getretene Vorschriften haben aber nach ständiger Rechtsprechung des BSG (zB Senatsbeschluss vom 27.12.2018 - B 10 EG 2/18 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 26.3.2010 - B 11 AL 192/09 B - juris RdNr 10) in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung. Im Falle solchen ausgelaufenen Rechts ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache allenfalls dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnormen bzw ihre Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat, namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht (Senatsbeschluss vom 27.12.2018, aaO; Senatsbeschluss vom 17.6.2013 - B 10 EG 6/13 B - juris RdNr 5). Dies ist im Fall der Klägerin unter Zugrundelegung des vom LSG festgestellten Sachverhalts nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht dargetan. Im Übrigen rügt die Klägerin mit ihrem ausführlichen Vortrag zu vermeintlichen inhaltlichen Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten im angefochtenen Berufungsurteil und dem Vorwurf, das LSG habe die (zitierte) Rechtsprechung des EuGH sowie das diesen Entscheidungen und ihrem Fall zugrunde liegende, auch für das deutsche Erziehungsgeld bedeutsame EU-Recht falsch verstanden bzw im Hinblick auf die bei ihr vorliegende besondere Fallkonstellation fehlerhaft ausgelegt, im Kern die Rechtsanwendung des LSG in ihrem Einzelfall. Hierauf kann jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (stRspr, zB BSG Beschluss vom 8.7.2019 - B 9 SB 3/19 B - juris RdNr 10 mwN).
Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz vorliegt. Die Klägerin rügt eine Abweichung des LSG von Entscheidungen des EuGH. Eine Zulassung der Revision kommt nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG aber nur dann in Betracht, wenn das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht. Andere Entscheidungen, auch solche des EuGH, ermöglichen keine Zulassung wegen Divergenz (BSG Beschluss vom 12.2.2020 - B 12 KR 84/19 B - juris RdNr 9; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 11). Dass das LSG von Entscheidungen der abschließend in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte abgewichen ist, ist nicht ersichtlich.
Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensfehler feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.
Soweit die Klägerin sinngemäß rügt, das LSG hätte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen müssen, da sie Fragestellungen mit EU-Auslandsbezug beinhalte, hat sie keinen Verfahrensmangel aufgezeigt. Denn das LSG wird selbst dann nicht zum letztinstanzlichen Gericht, für das die Vorlagepflicht nach Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU gilt, wenn es die Revision nicht zulässt, weil zu den Rechtsmitteln im Sinne dieser Vorschrift auch die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG zählt (BSG Beschluss vom 25.1.2012 - B 13 R 380/11 B - juris RdNr 10 mwN).
Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) mit der Begründung rügt, das LSG habe einen wesentlichen Teil der Argumentation ihrer 86 Seiten umfassenden Berufungsbegründung nicht berücksichtigt, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht erkennbar. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, vermittelt aber keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl BSG Beschluss vom 6.8.2019 - B 9 V 14/19 B - juris RdNr 12; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - juris RdNr 43). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen aber nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, weshalb sich eine Gehörsverletzung insoweit nur aus den besonderen Umständen des Falls ergeben kann (vgl stRspr, zB BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - juris RdNr 44 f; BSG Beschluss vom 10.2.2020 - B 14 AS 16/19 B - juris RdNr 7). Solche Umstände liegen hier aber nicht vor. Vielmehr erschließt sich aus dem angegriffenen Urteil, dass sich das LSG in seinen tragenden Erwägungen mit der Argumentationslinie der Klägerin auseinandergesetzt hat, ihr jedoch nicht gefolgt ist. Dies begründet aber noch keine Gehörsverletzung. Dass das Urteil des LSG aus Sicht der Klägerin inhaltlich unrichtig ist, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ohne Belang (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN). Schließlich war das LSG berechtigt, ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu entscheiden, nachdem sowohl die Klägerin als auch die Beklagte dieser Verfahrensweise zugestimmt haben (§ 124 Abs 2 iVm § 153 Abs 1 SGG).
Aufgrund der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO). Aus den genannten Gründen kann die Klägerin auch keine grenzüberschreitende PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 2, § 1078 ZPO) beanspruchen.
Fundstellen
Dokument-Index HI14366231 |