Orientierungssatz
1. Die Formulierung "Seit Anfang des Streitfalles ist immer wieder im Zweifelsfall die Untersuchung durch einen Rheumatologen gefordert worden" erfüllt nicht die an einen Beweisantrag zu stellenden Mindestanforderungen.
2. Die Vorschrift des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG betrifft nur entscheidungserhebliche Verfahrensmängel der Vorinstanz.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 103
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 27.10.1989; Aktenzeichen L 2b J 22/89) |
Gründe
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde der Klägerin ist unzulässig.
Die Klägerin meint, die Auffassung des Landessozialgerichts (LSG), nach der sie nicht arbeitsunfähig gewesen sei, basiere auf einer falschen Interpretation von § 182 Abs 1 Nr 2 der Reichsversicherungsordnung alter Fassung (RVO aF) iVm § 182 Abs 3 RVO aF. Soweit die Klägerin sich damit nur gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Streitstoffes durch das LSG wendet - ohne etwa die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend zu machen -, kann darauf die Beschwerde nicht gestützt werden. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht sein, ob das LSG die Sache richtig entschieden hat (vgl BSG in SozR 1500 § 160a Nrn 7 und 9). Das Gleiche gilt hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, die Voraussetzungen des § 1246 Abs 2a Satz 2 Nr 2 RVO iVm mit der Vorschrift des § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO seien entgegen den Feststellungen des LSG erfüllt.
Die Klägerin ist der Ansicht, das LSG sei von mehreren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen. Um den Zulassungsgrund aus § 160 Abs 2 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) formgerecht zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) ist es nicht nur erforderlich, die Entscheidung des BSG, von der das LSG abgewichen sein soll, genau anzugeben. In der Beschwerdebegründung muß vielmehr auch dargetan werden, zu welcher spezifischen Rechtsfrage eine Abweichung erfolgt ist, dh in welchem abstrakt formulierten Rechtssatz sich das angefochtene Urteil von welchem ebenfalls abstrakt formulierten Rechtssatz in der bezeichneten Entscheidung des BSG unterscheidet (vgl BSG in SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21 und 29). Eine Abweichung liegt nicht schon in einer materiell-rechtlich unzutreffenden Subsumierung, sondern allein darin, daß das LSG von einer Rechtsmeinung ausgeht, die mit der des Revisionsgerichts unvereinbar ist. Eine diesen Anforderungen entsprechende Abweichung ist in der Beschwerdebegründung nicht dargetan worden.
Aus dem angefochtenen Urteil des LSG führt die Klägerin eine Passage an , wonach "die abweichende Einschätzung des Dr. B. in seinem Attest vom 29. August 1989 offenbar auf einer Verkennung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit beruht, wenn dieser Arbeitsunfähigkeit annimmt, da die Klägerin nur als ungelernte Arbeiterin einsetzbar sei. Damit geht Dr. B. bei seiner Beurteilung ersichtlich von der - falschen - Voraussetzung aus, daß es für ungelernte Arbeiterinnen nur Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, die mit schweren oder jedenfalls mittelschweren körperlichen Anforderungen verbunden sind." Mit diesen Ausführungen hat das LSG keinen Rechtssatz aufgestellt, sondern eine Beweiswürdigung vorgenommen. Zwar hat der erkennende Senat in dem vom Kläger angeführten Urteil vom 24. Februar 1976 (BSGE 41, 201) Ausführungen zu den Anforderungen an die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gemacht, eine Abweichung des LSG von dieser Entscheidung ist aber von der Klägerin nicht dargelegt worden; denn der erkennende Senat hat nicht entschieden, das Gericht sei an möglicherweise irrige Vorstellungen des Arztes vom Begriff der Arbeitsunfähigkeit gebunden.
Auch bezüglich der von der Klägerin gerügten Abweichung des LSG von den Entscheidungen des BSG vom 16. Dezember 1981 und 15. November 1984 (BSGE 53, 22 und 57, 227) sind keine divergierenden Rechtssätze einander gegenübergestellt worden. Die Behauptung in der Beschwerdebegründung, das LSG habe den Begriff der Arbeitsunfähigkeit mit demjenigen der Berufsunfähigkeit gleichgesetzt, ist unzutreffend. Das Berufungsgericht hat "Arbeitsunfähigkeit" ebenso definiert wie das BSG im Urteil vom 15. November 1984 (aaO 57, 227, 229). Einen davon abweichenden - abstrakten - Rechtssatz hat das LSG nicht aufgestellt und ein solcher ist von der Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt worden.
Schließlich rügt die Klägerin als Verfahrensmangel, daß das LSG kein weiteres ärztliches Gutachten eingeholt habe. Soweit sie dabei auf einen vor dem Sozialgericht (SG) gestellten Beweisantrag zurückgreift, kann darauf die Beschwerde nicht gestützt werden; denn § 160 Abs 2 Nr 3 SGG betrifft nur Verfahrensmängel, auf denen die "angefochtene Entscheidung", also die des Berufungsgerichts beruhen kann. Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können hingegen nicht - jedenfalls wenn sie nicht im zweitinstanzlichen Rechtszug fortwirken - zur Zulassung der Revision führen.
Auf die von der Klägerin gerügte Verletzung des § 103 SGG kann die Beschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur gestützt werden, wenn sich der Verfahrensverstoß mangelnder Sachaufklärung auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zur Zulässigkeit einer solchen Nichtzulassungsbeschwerde muß der Beschwerdeführer den Beweisantrag so genau bezeichnen, daß er für das BSG ohne weiteres auffindbar ist (so BSG in SozR 1500 § 160 Nr 5). Nach den Angaben der Klägerin enthalten die Schriftsätze vom 28. Mai und 3. September 1989 einen solchen Beweisantrag. Das trifft nicht zu. Deshalb kann es hier dahingestellt bleiben, ob ein Antrag, Beweis gemäß § 109 SGG zu erheben, trotz der diese Vorschrift betreffenden Regelung in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG einen die Verletzung des § 103 SGG begründenden Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG umfaßt.
Im Schriftsatz der Klägerin vom 28. Mai 1989 ist ausgeführt worden: "Seit 1983 ist immer wieder von den Anwälten im Zweifelsfall eine Untersuchung durch einen Rheumatologen gefordert worden." Die entsprechende Passage im Schriftsatz vom 4. September 1989 lautet: "Seit Anfang des Streitfalles ist immer wieder im Zweifelsfall die Untersuchung durch einen Rheumatologen gefordert worden." Nach der Entscheidung des BSG vom 26. November 1981 (SozR 1500 § 160 Nr 45) kommt eine Verletzung des § 103 SGG durch ein unbegründetes Übergehen eines Beweisantrags nur dann in Betracht, wenn ein Beweisantritt iS der einschlägigen Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) erfolgt ist, beim Sachverständigenbeweis also die zu begutachtenden Punkte bezeichnet worden sind (§ 403 ZPO iVm § 118 Abs 1 SGG). Ob diese Anforderungen auch dann zu stellen sind, wenn die klagende Partei nicht rechtskundig vertreten ist, kann hier unentschieden bleiben. Erforderlich ist aber in jedem Fall, daß das Begehren, Beweisthema und Beweismittel klar erkennbar waren. Die oben wiedergegebenen Ausführungen in den Schriftsätzen der Klägerin erfüllen nicht die an einen Beweisantrag zu stellenden Mindestanforderungen.
Die somit nicht formgerecht begründete Beschwerde mußte als unzulässig verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen