Verfahrensgang
SG Osnabrück (Entscheidung vom 24.06.2021; Aktenzeichen S 3 KR 362/19) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 23.03.2023; Aktenzeichen L 16 KR 375/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. März 2023 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf außerlandwirtschaftliches und außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen.
Der Kläger ist als landwirtschaftlicher Unternehmer bei der Beklagten gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Seit August 2018 bezieht er eine Altersrente aus der Landwirtschaftlichen Alterskasse. Daneben ist er als Landwirt tätig und betreibt eine gewerbliche Photovoltaikanlage.
Die Beklagte setzte Beiträge auf das Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft für die Zeit ab 1.1.2018(Bescheid vom 3.1.2018) und ab 1.1.2019(Bescheid vom 3.1.2019) jeweils nach der Beitragsklasse 10 fest. Beiträge auf die Altersrente behielt die Landwirtschaftliche Alterskasse unmittelbar ein(Bescheid vom 18.12.2018) . Auf Nachfrage der Beklagten von Januar 2019 zu weiterem Arbeitseinkommen übersandte der Kläger seinen aktuellen Einkommensteuerbescheid 2016 vom 30.7.2018 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb. Darauf erhob die Beklagte rückwirkend ab 1.8.2018 Beiträge in Höhe von 309,91 Euro und ab 1.1.2019 in Höhe von 278,45 Euro(Bescheid vom 5.2.2019; Widerspruchsbescheid vom 18.9.2019; Beitragsanpassungsbescheide vom 21.10.2019, 9.1.2020, 24.6.2020, 19.11.2020, 8.1.2021) .
Das SG hat die Klage abgewiesen(Urteil vom 24.6.2021) . Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und die Klage gegen die während des Berufungsverfahrens ergangenen weiteren Beitragsanpassungen(Bescheide vom 30.11.2021, 19.1.2022) abgewiesen. Nach§ 39 Abs 1 Nr 4 KVLG (1989) würde bei versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmern neben einer Rente auch Arbeitseinkommen aus außerland- und außerforstwirtschaftlicher Tätigkeit der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Der Umstand, dass der Kläger als Bezieher eines Versorgungsbezugs anders als ein versicherungspflichtiger Landwirt ohne Rente bzw Versorgungsbezug dieses Arbeitseinkommen zu verbeitragen habe, widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz nicht. Eine vergleichbare Regelung finde sich für die allgemeine Krankenversicherung in§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V . Hintergrund sei gerade die Gleichbehandlung mit kraft Rentenbezugs versicherungspflichtigen Rentnern, bei denen auch das Arbeitseinkommen der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werde(§ 237 Satz 1 Nr 3 SGB V ) . Auch die grundsätzliche Heranziehung von Rentnern/Versorgungsempfängern zu Beiträgen auf ihr Arbeitseinkommen, während Nicht-Rentner hiervon frei seien, stelle weder einen Verstoß gegenArt 3 GG noch eine Altersdiskriminierung dar, es lägen insoweit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wesentliche Unterschiede vor. Eine Altersdiskriminierung liege ferner deshalb nicht vor, weil auch Hinterbliebenenversorgungen oder aufgrund von Erwerbsminderung gezahlte Bezüge in die Regelung einbezogen seien(Urteil vom 23.3.2023) .
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen(§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm§ 169 Satz 2 und 3 SGG ) . Der Beklagte hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt(vglBSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN) . Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger wirft folgende Fragen auf:
"a) Verstößt die Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 gegen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG ), soweit durch diese Vorschrift außerlandwirtschaftliches und außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bei landwirtschaftlichen Unternehmern, die eine Altersrente beziehen, verbeitragt wird, während außerlandwirtschaftliches und außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen bei landwirtschaftlichen Unternehmern, die keine Altersrente beziehen, nicht verbeitragt wird?
b) Liegt in der Regelung des § 39 Abs. 1 Ziffer 4 KVLG 1989 eine gegen Art. 21 der Grundrechtscharta der Europäischen Union und gegen dieRichtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verstoßende Diskriminierung wegen Alters, soweit durch diese Vorschrift außerlandwirtschaftliches und außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bei landwirtschaftlichen Unternehmern, die eine Altersrente beziehen, verbeitragt wird, während außerlandwirtschaftliches und außerforstwirtschaftliches Arbeitseinkommen bei landwirtschaftlichen Unternehmern, die keine Altersrente beziehen, nicht verbeitragt wird?"
Unbeschadet dessen, ob der Kläger damit abstrakte Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer revisiblen Norm des Bundesrechts(§ 162 SGG ) mit - hinreichend bestimmtem - höherrangigen Recht formuliert hat(vgl allgemeinBSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) , hat er jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht genügend dargelegt.
An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es ua dann, wenn sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und daher praktisch außer Zweifel steht(vglBSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 11 undBSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17) . Ob das der Fall ist, bestimmt sich nach dem Gesetzeswortlaut, der Rechtssystematik sowie den Gesetzesmaterialien(vglBSG Beschluss vom 20.6.2013 - B 5 R 462/12 B - juris RdNr 10 ) . Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben(BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN) . Hierauf ist in der Beschwerdebegründung substantiiert einzugehen.
Die Darlegungen des Klägers, die Rechtsfragen seien klärungsbedürftig, weil sie bisher in der Rechtsprechung des BSG so nicht entschieden worden seien, reichen nicht aus. Auch wenn es - wie der Kläger ausführt - kein Urteil mit Aussagen zur Verfassungswidrigkeit der konkret angegriffenen Regelung gibt, hätte er sich näher mit der Gesetzeslage und der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzen müssen, aus der sich Anhaltspunkte zu der geltend gemachten Problematik ergeben. Schon aufgrund der Bezugnahme des LSG auf die vergleichbaren Regelungen für die allgemeine Krankenversicherung in§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 4 und§ 237 Satz 1 Nr 3 SGB V hätte Anlass zu einer Auseinandersetzung mit diesen Normen und der dazu sowie den Vorgängervorschriften ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bestanden(vgl zBBSG Urteil vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151 = SozR 4-5420 § 40 Nr 1 RdNr 22 f zur bewussten Anlehnung und parallelen Ausgestaltung von § 39 Abs 1 KVLG 1989 und§ 226 Abs 1 SGB V ;BSG Urteil vom 17.12.1985 - 12 RK 43/84 - juris RdNr 34 ff zur Einbeziehung von Arbeitseinkommen in die Beitragsberechnung zur KVdR;BSG Beschluss vom 10.5.1990 - 12 BK 72/89 - juris RdNr 3 ;BVerfG Beschluss vom 6.12.1988 - 2 BvL 18/84 - BVerfGE 79, 223 - juris RdNr 35) .
Dies gilt auch hinsichtlich der zweiten Frage zur Diskriminierung wegen Alters; denn auch deren Klärungsbedürftigkeit ist ohne Befassung mit der Ausgestaltung der Norm und den in der Rechtsprechung anerkannten Sachgründen für die Regelung nicht hinreichend dargelegt. Die Beklagte weist in ihrer Beschwerdeerwiderung außerdem zutreffend darauf hin, dass Darlegungen zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage hier auch Ausführungen zur (unmittelbaren) Anwendbarkeit des vom Kläger genannten Unionsrechts hätten umfassen müssen.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des§ 193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16574348 |