Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenentziehung bei Virushepatitis. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung. Nichtzulassungsbeschwerde

 

Orientierungssatz

Die grundsätzliche Bedeutung erfordert, daß die Entscheidung von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, die revisionsgerichtlich noch nicht geklärt ist. Durch die Entscheidung des BSG vom 22.5.1962 9 RV 590/59 = BSGE 17, 63 ist bereits grundsätzlich geklärt, daß eine wesentliche Änderung der Verhältnisse" in dem jahrelangen Inaktivbleiben einer ihrer Natur zu Rückfällen neigenden Krankheit liegen kann.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3; SGB 10 § 48 Abs 1 S 1

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 24.04.1985; Aktenzeichen L 6 U 328/83)

SG Hildesheim (Entscheidung vom 13.07.1983; Aktenzeichen S 6 U 66/83)

 

Gründe

Der Beklagte hat der Klägerin die seit 1974 wegen einer Serumhepatitis (Berufskrankheit nach Nr 37 der Anlage 1 zur 7. Berufskrankheitenverordnung -7. BKVO-) in unterschiedlicher Höhe gewährte Rente mit Ablauf des Monats Mai 1983 durch Bescheid vom 27. April 1983 entzogen. Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat diesen Bescheid auf die Klage der Klägerin aufgehoben (Urteil vom 13. Juli 1983). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. April 1985).

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie macht geltend, daß das Urteil des LSG Verfahrensmängel aufweise. Das LSG habe daraus, daß sie bei einer Untersuchung im Jahr 1980 keine Oberbauchbeschwerden angegeben habe, nicht folgern dürfen, daß die von ihr im Jahre 1983 geklagten Oberbauchbeschwerden keine Folgen der Hepatitis mehr, sondern altersbedingte Beschwerden seien, obwohl die Oberbauchbeschwerden 1978 als Folge der Hepatitis angesehen worden seien. Denn das LSG habe zu entscheiden gehabt, ob sich Veränderungen in ihrem Zustand von 1978 zu 1983 ergeben hätten. Das sei objektiv nicht der Fall. Da das LSG objektiv keine wesentlichen Veränderungen habe feststellen können, lägen die Voraussetzungen des § 581 Abs 1 Nr 2 RVO und des § 48 Abs 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) nicht vor und die Entscheidung des LSG habe nicht darauf gestützt werden dürfen.

Die Sache habe auch grundsätzliche Bedeutung. Es sei zu klären, ob das Kriterium "Zeitablauf", wie es in der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22. Mai 1962 - 9 RV 590/59 - (BSGE 17, 63) für den Fall der Tuberkulose zugrunde gelegt worden sei, auch für die häufig vorkommenden Fälle der Berufskrankheit Hepatitis zugrunde gelegt werden könne und dürfe.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Revision ua nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (Nr 3). In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Die Feststellung, daß die im Jahre 1983 wieder von der Klägerin geklagten Oberbauchbeschwerden nicht mehr - wie noch Im Jahre 1978 - Folgen der Hepatitis sind, hat das LSG gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung getroffen. Auf eine Verletzung dieser Vorschrift kann im Beschwerdeverfahren ein Verfahrensmangel nicht gestützt werden, wie eindeutig aus § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hervorgeht. Ob die Feststellung des LSG über die Oberbauchbeschwerden zu einer nach Meinung der Klägerin falschen Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Entziehung der Rente geführt hat, ist nicht erheblich. Denn Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht die Frage, ob das LSG die Sache richtig entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Die grundsätzliche Bedeutung ist nicht dargelegt. Die grundsätzliche Bedeutung erfordert, daß die Entscheidung von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, die revisionsgerichtlich noch nicht geklärt ist (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, RdNr 62 und 65). Durch die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts -BSG- (aaO) ist bereits grundsätzlich geklärt, daß eine "wesentliche Änderung der Verhältnisse" in dem jahrelangen Inaktivbleiben einer ihrer Natur zu Rückfällen neigenden Krankheit liegen kann. In jener Entscheidung hat es sich um eine Lungentuberkulose gehandelt. Ob auch bei anderen Krankheiten ein längeres Inaktivbleiben auf eine wesentliche Änderung (Besserung) der Verhältnisse schließen läßt, ist keine Rechtsfrage, die einer Sache grundsätzliche Bedeutung geben könnte, sondern eine Frage der tatsächlichen Beurteilung. Der Senat hat daher auch bei allergischen Bronchialasthma einer wesentlichen Änderung (Besserung) der Verhältnisse zugestimmt, nachdem innerhalb eines mehrjährigen Zeitraums eine Konsolidierung des Zustandes des Versicherten eingetreten war, ohne daß es zu Rückfällen gekommen war (BSG Beschluß vom 11. Dezember 1980 - 2 BU 227/79 -). Auch im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Darlegungen des LSG, daß nach den jetzigen medizinischen Erkenntnissen eine Abheilung der Hepatitis angenommen werden kann, nachdem bei einer über fünf Jahre reichenden Verlaufskontrolle eine gleichbleibende Normalisierung der Laborwerte habe festgestellt werden können. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das LSG nicht davon ausgegangen, daß - wie bei der Tuberkulose - eine Fünfjahresfrist zur Sicherstellung der Heilung einzuhalten ist. Das LSG bezieht sich insoweit auf das Gutachten des Prof Dr K vom 19. März 1983, der dort in bezug auf die Klägerin eine ausreichend lange Verlaufsbeobachtung erwähnt, die, wie das LSG darlegt, über fünf Jahre liegt. Bei den Ausführungen von Prof Dr K die das LSG zu würdigen hatte, handelt es sich nicht lediglich um Wahrscheinlichkeitsannahmen, sondern um medizinische Erkenntnisse, die das LSG für seine Entscheidung als ausreichend angesehen hat.

Die von der Klägerin angeführten sozialen Gründe sind für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht erheblich.

Die Beschwerde mußte daher verworfen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664913

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