Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz beim Zerkleinern von Brennholz
Orientierungssatz
1. Das Zerkleinern von Brennholz dient - sofern nicht die Voraussetzungen des § 777 Nr 1 RVO erfüllt sind - dem sog eigenwirtschaftlichen Bereich des Versicherten. Lediglich wenn die Arbeiten noch einen Teil der Rodungsarbeiten bilden, kann der innere Zusammenhang auch zwischen dem landwirtschaftlichen Unternehmen und dem Zerkleinern des Holzes bestehen. Dieser Zusammenhang wird aber verneint, wenn erst längere Zeit nach der Rodung das Zerkleinern wesentlich allein dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen ist.
2. Die Frage, ob es sich bei der Rodung von Obstbäumen auf einem landwirtschaftlichen Grundstück immer um landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung handele und ob die nachfolgende Zerkleinerung des Gehölzes hinsichtlich des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes dem Rodungsvorgang gleichzubehandeln sei, ist nicht klärungsbedürftig.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3; RVO § 776 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1988-07-21
Verfahrensgang
Gründe
Der Kläger ist als Besitzer eines 16 ar großen landwirtschaftlichen Grundstücks mit ca 25 Obstbäumen bei der Beklagten als landwirtschaftlicher Unternehmer versichert. Im Februar/März des Jahres 1984 hatte die Gemeinde S. an der Stirnseite dieses Grundstückes einen Abwasserkanal verlegt. Dabei wurden zwei Apfelbäume beschädigt, wofür dem Kläger eine Entschädigung gezahlt wurde. Einer der Bäume wurde mit dem Bauschutt abgefahren; den anderen zerkleinerte der Kläger selbst im Anschluß an das Roden. Nach eigenen Angaben beabsichtigte er, die Äste an Ort und Stelle zu verbrennen. Da ihm dies polizeilich untersagt wurde, zerhackte er die kleineren Äste an Ort und Stelle mit dem Beil; die dickeren Äste fuhr er nach Hause, um sie zu zersägen. Beim Zerkleinern dieser Äste auf der Kreissäge geriet er am 10. April 1984 mit der rechten Hand in das Sägeblatt. Der Kläger gab gegenüber der Beklagten an, daß das Holz nicht als Brennvorrat vorgesehen gewesen sei; er habe sein Grundstück reinigen wollen.
Die Beklagte lehnte Entschädigungsansprüche ab (Bescheid vom 28. Januar 1985; Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1985). Nach der Rechtsprechung sei das Zerkleinern von Bäumen, wenn es in einem Zuge und im unmittelbaren Anschluß an das Roden erfolge, eine versicherte landwirtschaftliche Tätigkeit. Würden dagegen die gerodeten Bäume nicht im nahen Anschluß an die Fällarbeiten, sondern erheblich später zu Brennholz zerkleinert, so könne die Tätigkeit nicht mehr als ein Teil der Grundstückspflegearbeiten, sondern nur als eine davon unabhängige selbständige Arbeit des Herrichtens des Holzes zu Brennholz angesehen werden und sei überwiegend hauswirtschaftlich.
Die Klage ist vor dem Sozialgericht ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 21. April 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte verurteilt, den Unfall als Arbeitsunfall zu entschädigen (Urteil vom 28. Juni 1988).
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Beklagte geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Es sei zu klären, ob die Beseitigung von Obstgehölz für Abfallzwecke unfallversicherungsrechtlich anders zu beurteilen sei als für Heizzwecke. Im letzteren Fall habe die Rechtsprechung es entscheidend auf den zeitlichen Abstand abgestellt. Klärungsbedürftig sei auch die Rechtsfrage, ob es sich bei der Rodung von Obstbäumen auf einem landwirtschaftlichen Grundstück immer um landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung handele und ob die nachfolgende Zerkleinerung des Gehölzes hinsichtlich des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes dem Rodungsvorgang gleichzubehandeln sei. Daraus resultiere sodann die Frage, ob unfallversicherungsrechtlich das Zerkleinern des Holzes die Rechtsnatur des Rodungsvorganges teile, und zwar dann, wenn der Grundstückseigentümer im unmittelbaren Anschluß an die durch Dritte erfolgte Rodung den Baum zerlege. Dabei dürfe für die rechtliche Beurteilung die ab 1. Juli 1988 geltende geänderte Fassung des § 776 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht ohne Auswirkung bleiben, da man daraus entnehmen könne, daß für die Vergangenheit der Begriff der landwirtschaftlichen Unfallversicherung enger zu interpretieren gewesen sei als heute.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung verlangt, daß die zu treffende Entscheidung auch über den Einzelfall hinaus wirkt. Die Bedeutung über den Einzelfall hinaus genügt aber noch nicht. Erforderlich ist ferner, daß die Rechtsfrage auch klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kommt es jedoch für die Zuordnung einer Verrichtung zur versicherten Tätigkeit grundsätzlich nicht auf den zeitlichen, sondern auf den inneren Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit an. Entscheidend ist, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Wann diese der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmte Verrichtung erfolgt, ist grundsätzlich ohne rechtliche Bedeutung. Die vom LSG und der Beklagten zitierten Entscheidungen des Reichsversicherungsamts (AN 1888, 245) und des Bayerischen Landesversicherungsamtes (Breithaupt 1951, 1024) besagen in ihrem Kern nichts anderes: Das Zerkleinern von Brennholz dient - sofern nicht die Voraussetzungen des § 777 Nr 1 RVO erfüllt sind - dem sog eigenwirtschaftlichen Bereich des Versicherten. Lediglich wenn die Arbeiten noch einen Teil der Rodungsarbeiten bilden, kann der innere Zusammenhang auch zwischen dem landwirtschaftlichen Unternehmen und dem Zerkleinern des Holzes bestehen. Dieser Zusammenhang wird aber verneint, wenn erst längere Zeit nach der Rodung das Zerkleinern wesentlich allein dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen ist. Die Rechtsprechung geht insoweit davon aus, daß das Zerkleinern des Holzes dazu bestimmt ist, Brennholz herzurichten. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht der Fall gewesen. Der Kläger hat das Holz nicht zu Brennholz herrichten wollen (s S 9 der Begründung des Berufungsurteils).
Die Frage, ob es sich bei der Rodung von Obstbäumen auf einem landwirtschaftlichen Grundstück immer um landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung handele und ob die nachfolgende Zerkleinerung des Gehölzes hinsichtlich des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes dem Rodungsvorgang gleichzubehandeln sei, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig.
Ob es sich bei der Rodung von Obstbäumen auf einem landwirtschaftlichen Grundstück "immer" um landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung handelt, wäre in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden. Vielmehr stände auch dort nur zur Entscheidung an, ob Rodungsarbeiten in einem Fall, wie er der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde gelegen hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Dies ist aber nach der ständigen Rechtsprechung der Fall, die aus Anlaß des vorliegenden Rechtsstreites keiner Ergänzung bedarf. Insoweit ist die grundsätzliche Bedeutung auch deshalb zu verneinen, weil die Antwort auf die aufgeworfene Rechtsfrage praktisch außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4). Die Rodung eines Baumes, die nach dem Verlegen eines Abwasserkanals erforderlich wird, steht ebenso im inneren Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen wie zB die Beseitigung von nicht mehr verwertbaren Rübenresten von einem Rübenfeld, durch das ein Panzer während eines Manövers gefahren ist. Dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienen nicht nur ordnungsgemäße Erntearbeiten, sondern auch Arbeiten zur Instandhaltung von Feldern, die durch Dritte beschädigt worden sind. Ebenso steht die Antwort auf die Frage außer Zweifel, ob "unfallversicherungsrechtlich das Zerkleinern des Holzes die Rechtsnatur des Rodungsvorganges teilt". Wird das gerodete Holz - wie hier - nicht zu Brennholz verarbeitet, bildet die Zerkleinerung auch unfallversicherungsrechtlich einen Teil des Rodungsvorganges, und zwar unabhängig davon, wann das Holz zerkleinert wird.
Ob nach dem bis zum 30. Juni 1988 geltenden Recht der Begriff der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, wie die Beschwerdeführerin meint, enger auszulegen ist als nach dem danach geltenden Recht, kann deshalb dahinstehen; offen bleiben kann auch, ob die Auslegung früheren Rechts überhaupt noch von grundsätzlicher Bedeutung wäre.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen