Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 2. Juni 2022 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Die Beklagte stellte ihre Zuständigkeit gegenüber dem Kläger als Unternehmer für dessen Jagdunternehmen ab dem 1.4.2015 bis zum 31.3.2024 fest (Bescheid vom 30.6.2015; Widerspruchsbescheid vom 20.12.2016). Die Anfechtungsklage gegen diese Bescheide ist vor dem SG und LSG erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom 30.8.2019, Urteil vom 2.6.2022). Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (dazu A.) und eine Rechtsprechungsabweichung (dazu B.) geltend gemacht. Die vom Kläger als Rechtsanwalt einfach signierte Beschwerdebegründungsschrift vom 22.12.2022 ist - anders als seine Replik vom 17.5.2023 - aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach eines anderen Rechtsanwalts seiner Sozietät übersandt und durch diesen qualifiziert elektronisch signiert worden (dazu C.).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht formgerecht begründet ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG). Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt bzw bezeichnet.
A. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (BSG Beschlüsse vom 21.2.2023 - B 2 U 100/22 B - juris RdNr 3, vom 12.7.2022 - B 2 U 11/22 B - juris RdNr 6, vom 30.7.2019 - B 2 U 239/18 B - juris RdNr 2, vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5 und vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 5; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Kriterien vgl zB BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beschwerdebegründung stellt folgende Fragen:
1. "Ob eine ohne Gewinnerzielungsabsicht betriebene Jagdpacht nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung ist …" (Bl 21 Beschwerdebegründung)
2. "Wird die sozialrechtliche Pflichtunfallversicherung allein durch die formale Stellung des Versicherten als Jagdpächter begründet, ohne dabei die tatsächlichen - insbesondere die unfallrisikobegründenden - Verhältnisse zu berücksichtigen?" (Bl 22 Beschwerdebegründung)
3. "Ist bei der typisierenden Betrachtung zur Feststellung der Unfallversicherungspflicht auch das jeweilige - konkrete bzw. tatsächliche - Unfallrisiko des Versicherten zu berücksichtigen?" (Bl 22 Beschwerdebegründung).
Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht schlüssig dargetan. Denn die Fragen lassen schon völlig offen, welche(s) gesetzliche(n) Tatbestandsmerkmal(e) welcher bundesrechtlichen Normen (§ 162 SGG) mit Blick auf welche Bestimmung(en) ausgelegt und/oder an welchem höherrangigen Recht gemessen werden soll(en), um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden.
Im Hinblick auf die Klärungsbedürftigkeit der ersten Frage legt die Beschwerdebegründung schon nicht dar, warum sich die Antwort "Nein" nicht bereits unmittelbar aus § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII ergibt. Danach ist Unternehmer die natürliche Person, der das Ergebnis des Unternehmens (der Jagd) unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Dass Jagdpächter Unternehmer des Unternehmens "Jagd" sind, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 20.12.1961 (2 RU 136/60 - BSGE 16, 79 = SozR Nr 24 zu § 537 RVO) entschieden und daran unter Geltung des SGB VII ausdrücklich festgehalten (zB BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 2 U 25/12 R - BSGE 115, 256 = SozR 4-2700 § 136 Nr 6, RdNr 13). Auch geht der Kläger mit keinem Wort auf die Senatsurteile vom 7.12.2004 (B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1, RdNr 21), vom 23.1.2018 (B 2 U 7/16 R - juris RdNr 12) und vom 10.8.2021 (B 2 U 15/20 R - BSGE 132, 295 = SozR 4-1300 § 44 Nr 42, RdNr 15 f) ein, wonach für das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Unternehmens bzw eines zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung beitragspflichtigen Unternehmens eine Gewinnerzielungsabsicht nicht vorausgesetzt wird, weil der unfallversicherungsrechtliche Unternehmensbegriff "denkbar weit" bzw "weit umfassend" ist, nicht an eine bestimmte Rechtsform oder das Vorliegen einer organisatorischen Einheit anknüpft und weder einen Geschäftsbetrieb noch eine auf Erwerb oder Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit voraussetzt (so ausdrücklich BSG Urteil vom 10.8.2021 - B 2 U 15/20 R - BSGE 132, 295 = SozR 4-1300 § 44 Nr 42, RdNr 15 mwN).
Ebenso lässt die Beschwerdebegründung offen, warum die zweite Frage nicht eindeutig zu bejahen und die in dieselbe Richtung zielende dritte Frage nicht eindeutig zu verneinen ist. Denn das individuelle Unfallrisiko ist für die Frage der Versicherungspflicht bedeutungslos und wird erst im Rahmen der Beitragsberechnung insofern relevant, als sich die Beitragshöhe nach der bejagbaren Fläche richtet (§ 40 Abs 4, § 44 Abs 1 der Satzung der Beklagten) und die Unfallrisiken in den Unternehmen gemäß § 182 Abs 2 Satz 2 SGB VII insbesondere durch die Bildung von Risikogruppen zu berücksichtigen sind, wobei Jagdunternehmen nach § 47 Abs 3 Nr 13 der Satzung der Beklagten eine eigene Risikogruppe bilden.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 10.2.2022 (Bl 3 bis 8; Gliederungspunkte 1 Buchst c bis g) Bezug genommen.
B. Auch die Divergenzrüge hat keinen Erfolg. Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG Beschlüsse vom 12.4.2023 - B 2 U 155/22 B - juris RdNr 8, vom 12.4.2022 - B 2 U 10/21 BH - juris RdNr 10 und vom 8.12.2020 - B 2 U 198/20 B - juris RdNr 4). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (BSG Beschlüsse vom 27.9.2022 - B 2 U 42/22 B - juris RdNr 5, vom 12.5.2022 - B 5 R 3/22 B - juris RdNr 6, vom 23.2.2022 - B 9 V 35/21 B - juris RdNr 8 und vom 8.12.2016 - B 2 U 123/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 17 RdNr 5). Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (BSG Beschlüsse vom 21.2.2023 - B 2 U 47/22 B - juris RdNr 10, vom 15.8.2022 - B 2 U 159/21 B - juris RdNr 6 und vom 8.12.2016 - B 2 U 123/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 17 RdNr 5). Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG Beschlüsse vom 9.8.2022 - B 2 U 23/22 B - juris RdNr 10, vom 27.3.2019 - B 5 RE 11/18 B - juris RdNr 6, vom 2.9.2016 - B 13 R 229/16 B - juris RdNr 4 und grundlegend vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN).
Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger behauptet (Bl 29 der Beschwerdebegründung), das angefochtene Urteil weiche von dem Leitsatz des Senatsurteils vom 20.8.2019 (B 2 U 35/17 R - SozR 4-2700 § 121 Nr 2) ab. Dieser laute:
"Unabhängig von jagdrechtlichen Regelungen liegt im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ein einheitliches 'Unternehmen' vor, wenn materielle und immaterielle Mittel in einer organisatorischen, äußerlich abgrenzbaren Einheit planvoll für eine gewisse Dauer zusammengefasst werden, die unter einheitlicher Führung stehen und ihrerseits einen bestimmten Zweck verfolgen."
Damit ist eine Rechtsprechungsabweichung nicht hinreichend bezeichnet. Denn die Beschwerdebegründung stellt diesem Leitsatz schon keinen abweichenden Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil des LSG gegenüber, sodass der im Rahmen einer Divergenzrüge erforderliche Rechtssatzvergleich von vornherein unmöglich ist. Zudem verkennt der Kläger, dass der "amtliche" Leitsatz nicht Teil der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung und deshalb nicht automatisch ein divergenzfähiger "Rechtssatz" ist. Auch zeigt der Kläger nicht auf, dass die Entscheidung des LSG auf der behaupteten Divergenz beruht. Die Beschwerdebegründung legt schon nicht dar, dass das BSG in dem herangezogenen Urteil auf der Grundlage des darin angeblich aufgestellten Rechtssatzes eine Fallkonstellation, die mit derjenigen des Klägers vergleichbar ist, tragend anders entschieden hat als das LSG im angefochtenen Urteil. Dafür genügt es nicht, isoliert einzelne Sätze der bundesgerichtlichen Entscheidung zu zitieren und - losgelöst von ihrem Bezugsrahmen - zu behaupten, es handele sich dabei um einen tragenden höchstrichterlichen Rechtssatz (BSG Beschlüsse vom 5.6.2020 - B 9 V 4/20 B - juris RdNr 10 und vom 13.2.2013 - B 5 R 398/12 B - BeckRS 2013, 66978 RdNr 8). Stattdessen ist (auch) der tatsächliche und rechtliche Kontext darzustellen, in dem die herangezogenen bundesgerichtlichen Rechtssätze stehen (vgl hierzu zB BSG Beschlüsse vom 28.6.2022 - B 2 U 181/21 B - juris RdNr 15, vom 25.10.2019 - B 9 SB 40/19 B - juris RdNr 7 f mwN, vom 9.8.2018 - B 5 RE 3/18 B - juris RdNr 14 und grundlegend vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - juris RdNr 10 mwN). Zum Kontext der (herangezogenen) BSG-Entscheidung ist der Beschwerdebegründung aber schon deshalb nichts zu entnehmen, weil sie verschweigt, welchen Sachverhalt das BSG zu beurteilen hatte, sodass auch nicht deutlich wird, welche rechtlichen Aussagen es wirklich getroffen hat und welche Aussagen ggf auf einer Interpretation des Klägers beruhen. Eine konkrete Darstellung des Kernlebenssachverhalts auch der (herangezogenen) BSG-Entscheidung gehört aber zu den Mindestvoraussetzungen, um die Entscheidungserheblichkeit der Divergenzrüge prüfen zu können. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben Rechtsnormen anzuwenden sind (BSG Beschlüsse vom 21.2.2023 - B 2 U 47/22 B - juris RdNr 11, vom 28.6.2022 - B 2 U 181/21 B - juris RdNr 15, vom 9.8.2018 - B 5 RE 3/18 B - juris RdNr 14 und vom 2.9.2016 - B 13 R 229/16 B - juris RdNr 6). In diesem Zusammenhang lässt der Kläger zudem offen, inwiefern der zitierte Leitsatz im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich werden könnte, obwohl er nur ein und nicht mehrere Jagdunternehmen betreibt. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in der Beschwerdeerwiderung vom 10.2.2022 (Bl 8 bis 9; Gliederungspunkt 2) verwiesen.
C. Da kein Revisionszulassungsgrund ordnungsgemäß dargelegt bzw bezeichnet ist, braucht die Streitfrage nicht entschieden zu werden, wie es sich auswirkt, dass die einfache Signatur am Ende des Beschwerdebegründungsschriftsatzes vom Kläger stammt, die qualifizierte Signatur jedoch von einem anderen Rechtsanwalt angebracht worden ist. Nach Ansicht des BAG (Beschluss vom 24.10.2019 - 8 AZN 589/19 - AP Nr 105 zu § 72a ArbGG 1979) und des OVG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 7.6.2021 - 3 M 110/21 - juris RdNr 3) ist dies zulässig, weil dieser Rechtsanwalt mit seiner qualifizierten Signatur die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen habe und er deshalb "verantwortende Person" iS des § 65a Abs 3 Satz 1 SGG sei. Dagegen meinen der BGH (Beschluss vom 18.10.2022 - 3 StR 262/22 - juris RdNr 2) und das BayObLG (Beschluss vom 19.1.2023 - 207 StRR 2/23 - BeckRS 2023, 232 RdNr 2), die Unterzeichnung des Schriftsatzes mit einfacher Signatur stelle die Verantwortungsübernahme dar. Da die qualifizierte elektronische Signatur aber von der verantwortenden Person stammen müsse, sei eine elektronische Einreichung formwidrig, wenn - wie hier - einfache Signatur und qualifizierte Signatur auseinanderfielen und insoweit kein sicherer Übermittlungsweg genutzt werde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren entspricht dem Regelstreitwert und richtet sich nach § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15796746 |