Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine multilaterale Zusammenrechnung von Versicherungszeiten. Ausschluß verfassungsrechtlich unbedenklich
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer Klausel in einem internationalen Vertrag, durch die die gleichzeitige Anwendung anderer Abkommen und damit auch der in diesen anderen Abkommen enthaltenen Gleichstellungsklauseln ausgeschlossen wird.
Orientierungssatz
Eine verfassungsrechtlich aus dem Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG) abzuleitende Verpflichtung der Bundesrepublik, alle Auslandstatbestände miteinander zu verknüpfen, besteht nicht, weil dieses kein bis in jede Einzelheit lückenloses System sozialer Absicherung fordert (vgl BVerfG von 3.6.1969 - 1 BvL 1/63 = BVerfGE 26, 44).
Normenkette
SozSichAbk CHE Art 11 Abs. 1 Fassung: 1975-09-09; SozSichAbk CHE Art 3 Fassung: 1975-09-09; SozSichAbk CHE Art 1 Nr. 1 Fassung: 1975-09-09; SozSichAbkZAbk CHE; SozSichAbk ESP 2 Art 4 Abs. 1 Fassung: 1975-12-17; RVO § 1247 Abs. 3; GG Art 20 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 18.03.1985; Aktenzeichen S 16 J 830/83) |
Hessisches LSG (Entscheidung vom 17.03.1989; Aktenzeichen L 11/2 J 661/85) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Wartezeit für eine von der Klägerin beanspruchte Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung von Versicherungszeiten in der Schweiz erfüllt ist.
Die Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Sie ist in ihrer Heimat nicht versicherungspflichtig tätig gewesen. Von Dezember 1970 bis Juni 1975 arbeitete sie versicherungspflichtig in der Schweiz. Im November 1976 reiste sie in die Bundesrepublik ein; von Februar 1979 bis Oktober 1982 war sie hier insgesamt 44 Monate versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war sie fortlaufend arbeitsunfähig.
Nachdem ärztlicherseits festgestellt worden war, daß sie an einer Encephalomyelitis disseminata mit vorwiegend cerebraler Lokalisation leidet und ihr keine Arbeiten mehr zumutbar seien, stellte sie am 10. August 1983 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 11. November 1983 abgelehnt; zwar liege seit 25. August 1983 Erwerbsunfähigkeit vor, doch sei die Wartezeit nicht erfüllt.
Die hiergegen vor dem Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil vom 18. März 1985). Die Berufung der Klägerin an das Hessische Landessozialgericht (LSG) wurde zurückgewiesen (Urteil vom 17. März 1989). Die Klägerin habe in Deutschland nur eine Versicherungszeit von 44 Monaten zurückgelegt und damit die Wartezeit gemäß § 1247 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht erfüllt. Eine Zusammenrechnung der deutschen mit schweizerischen Versicherungszeiten sei nicht möglich, weil das als Grundlage hierfür in Betracht kommende Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (BGBl 1965 II, 1294), geändert durch das Zusatzabkommen vom 9. September 1975 (BGBl 1976 II, 1372) und das zweite Zusatzabkommen vom 2. März 1989 (BGBl II, 892), nur für die Staatsangehörigen der Vertragsparteien gelte und die Berücksichtigung fremder Versicherungszeiten nicht vorsehe.
Auch eine nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zulässige multilaterale Zusammenrechnung von Versicherungszeiten sei nicht möglich, weil die Klägerin keine Versicherungszeiten in Spanien zurückgelegt habe. Eine Berücksichtigung des Art 9 des Sozialabkommens zwischen der Schweiz und Spanien vom 13. Oktober 1969 komme ebenfalls nicht in Betracht, weil dies nur unter entsprechender Anwendung des EG-Gemeinschaftsrechts möglich wäre. Gemäß Art 45 der Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Nr 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, vom 14. Juni 1971, zuletzt geändert durch Verordnung Nr 2195/91 (ABl EG L 91/206/2 - ≪EWG-VO 1408/71≫), zählten für die Wartezeit aber nur in den Mitgliedstaaten zurückgelegte Versicherungszeiten. Einer Anwendung des Art 3 EWG-VO 1408/71 mit der Folge, daß die Klägerin auch hier wie eine deutsche Staatsangehörige zu behandeln wäre, stehe entgegen, daß dies den Vertragspartner Schweiz belaste und das deutsch-schweizerische Abkommen ausdrücklich eine anderslautende Regelung vorsehe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision vom 7. Juni 1989 rügt die Klägerin die Nichtbeachtung des spanisch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommens und der EWG-VO 1408/71. Die Schweiz müsse aufgrund des Art 9 des erstgenannten Sozialabkommens spanische und Schweizer Bürger hinsichtlich der Berechnung von Anwartschaftszeiten gleich behandeln, so daß sie gehalten sei, die Versicherungszeiten der Klägerin anzuerkennen; dies müsse auch im Rahmen des Art 45 der EWG-VO 1408/71 Anerkennung finden. Der Zufall, daß die Klägerin die Versicherungszeiten nicht in Spanien, sondern in der Bundesrepublik absolviert habe, könne demgegenüber für die rentenrechtliche Beurteilung keine Rolle spielen, weil über die EWG-VO 1408/71 eine Vernetzung der versicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (EG) stattfinde. Die Schweiz werde hierdurch nicht belastet, weil sie mit Spanien ein entsprechendes Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen habe.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 1985 und des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. März 1989 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. November 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr antragsgemäß Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie pflichtet in ihrer Begründung der Entscheidung des LSG bei.
Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert.
Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet, soweit sie den Anspruch auf Rente für die Zeit bis 31. Dezember 1985 betrifft. Die Wartezeit der Klägerin kann allenfalls erfüllt sein, wenn sich aus dem Recht der EG eine Verpflichtung ableiten läßt, bei der Klägerin ebenso wie bei Deutschen die in der Schweiz und in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten zusammenzurechnen. EG-Recht gilt für Spanier jedoch erst seit 1. Januar 1986, weil Spanien erst mit diesem Tage der EG beigetreten ist (BGBl 1985 II, 1258, 1261).
Anspruchsgrundlage für die begehrte Erwerbsunfähigkeitsrente ist § 1247 RVO. Da die Klägerin - wie im Bescheid vom 11. November 1983 festgestellt - seit dem 25. August 1983 erwerbsunfähig ist, ist § 1247 RVO in der vor dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 geltenden Fassung vom 1. Januar 1957 (zuletzt geändert mit Wirkung vom 1. Juli 1975 durch Art 2 § 1 Nr 16 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975) anzuwenden.
Unstreitig ist, daß die Klägerin mit deutschen Versicherungszeiten (§ 1250 Abs 1 RVO) die Wartezeit nach § 1247 Abs 3 RVO (60 Kalendermonate vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit) nicht erfüllt hat. Die Klägerin war hier lediglich 44 Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt.
Die Wartezeit könnte nur erfüllt sein, wenn auch die versicherungspflichtige Tätigkeit der Klägerin in der Schweiz von Dezember 1970 bis Juni 1975 zu berücksichtigen wäre. Das ist jedoch bis 31. Dezember 1985 nicht möglich. Grundlage hierfür könnte nur das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (BGBl 1965 II, 1294) idF des Zusatzabkommens vom 9. September 1975 (BGBl 1976 II, 1372) sein. Dieses bestimmt in Art 11 Abs 1 für die Rentenversicherung, daß für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den deutschen Rechtsvorschriften auch die nach den schweizerischen Rechtsvorschriften anrechnungsfähigen Versicherungszeiten berücksichtigt werden, vorausgesetzt, daß nach deutschem Recht Versicherungszeiten von mindestens 12 Kalendermonaten vorhanden sind. Gemäß Art 3 gilt das Abkommen aber nur für die Staatsangehörigen der beiden Vertragsparteien (bzw für deren Angehörige und Hinterbliebene), das sind gemäß Art 1 Nr 1 Deutsche iS des Grundgesetzes (GG) und Schweizer Bürger. Wie bereits der 4. Senat des BSG mit Urteil vom 12. Februar 1981 (SozR 6855 Art 3 Nr 1) zu diesem Abkommen entschieden hat, ist eine derartige Einschränkung zulässig, weil es den vertragschließenden Parteien vorbehalten bleibt, den Anwendungsbereich ihrer Vereinbarung abzugrenzen. Eine ausdehnende Anwendung auch auf andere Staatsangehörige aus Gründen, die im Abkommen selbst liegen, kommt daher nicht in Betracht.
Die Gleichstellung von spanischen und deutschen Staatsangehörigen in Art 4 Abs 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über soziale Sicherheit vom 4. Dezember 1973 idF des Ergänzungsabkommens vom 17. Dezember 1975 (BGBl 1977 II, 687, 722) führt auch nicht zu einer Verpflichtung der Beklagten, die von der Klägerin in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen.
Die "Zusammenschaltung" von zwei (oder mehr) bilateralen Sozialversicherungsabkommen durch den nationalen Rentenversicherungsträger ist in Nr 2 des Schlußprotokolls zum deutsch-schweizerischen Abkommen, das gemäß Art 45 Bestandteil des Abkommens ist, ausgeschlossen worden. Es heißt dort in der hier noch anzuwendenden Fassung des ersten Zusatzabkommens:
"Sind außer den Voraussetzungen für die Anwendung des Abkommens auch die Voraussetzungen für die Anwendung eines anderen Abkommens oder einer überstaatlichen Regelung erfüllt, so läßt der deutsche Träger bei Anwendung des Abkommens das andere Abkommen oder die überstaatliche Regelung unberücksichtigt, soweit diese nichts anderes bestimmen".
Im deutsch-spanischen Abkommen ist insoweit "nichts anderes bestimmt", insbesondere nicht in Art 6 Abs 1 des dortigen Schlußprotokolls, weil dort nur eine Versicherungslastregelung normiert ist (Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im Sozialgesetzbuch - Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Spanien/Abkommen vom 4. Dezember 1973, Art 2 Anm 5).
Nr 2 des Schlußprotokolls zum deutsch-schweizerischen Abkommen schließt nicht nur eine - hier nicht in Betracht kommende- gleichzeitige Anrechnung spanischer Versicherungszeiten aus, sondern steht auch einer Gleichstellung spanischer Staatsangehöriger mit Deutschen bei Anwendung des deutsch-schweizerischen Abkommens entgegen. Hierfür sprechen neben dem Wortlaut der Abwehrklausel ihr Zweck und die Entwicklungsgeschichte.
Vertragsklauseln in internationalen Verträgen über Sozialversicherung, die sich auf die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten beziehen, dienen grundsätzlich dazu, einerseits Ansprüche der eigenen Staatsbürger gegen den Träger des anderen Staates zu sichern, andererseits aber den Umfang der Belastung durch Ansprüche der Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates zu begrenzen. Bezogen auf das deutsch-schweizerische Abkommen ist aus deutscher Sicht Zweck dieses Abkommens, den deutschen Staatsangehörigen ua zusätzliche Beitragszeiten in der Rentenversicherung zu sichern, wenn sie in der Schweiz gearbeitet haben. Dafür werden für Schweizer Bürger entsprechende Zugeständnisse gemacht. Die Wechselseitigkeit dieser Zugeständnisse zwingt dazu, schon bei der Überlegung, in welchem Umfang den deutschen Staatsbürgern Rechte aus der Schweizer Sozialversicherung gesichert werden sollen, abzuwägen, inwieweit die Übernahme entsprechender Verpflichtungen gegenüber den Schweizer Bürgern für die deutsche Rentenversicherung tragbar ist. Insoweit enthalten die Verträge notwendig auch Beschränkungen der Ansprüche der eigenen Staatsangehörigen.
In Anwendung des Grundsatzes, daß der Inhalt des Vertrages nach diesen Vertragszielen auszulegen ist, hat das BSG die früher generell verwendete und immer noch in einigen Verträgen enthaltene Klausel:
"Rechtsvorschriften, die sich aus zwischenstaatlichen Verträgen mit dritten Staaten ergeben, sind, soweit sie nicht Versicherungslastregelungen enthalten, im Verhältnis zwischen den Vertragspartnern nicht zu berücksichtigen"
dahin ausgelegt, daß sie nur die Belastung des einen Vertragsstaates durch Verträge des jeweils anderen Vertragsstaates mit Dritten ausschließen soll (BSGE 57, 23, 30). Es wird lediglich die Wirkung der Gleichstellungsklausel dahingehend eingeschränkt, daß in bezug auf Verträge mit Drittstaaten eine Gleichstellung nicht stattfindet. Die allein nach innerstaatlichem Recht erforderliche und durch innerstaatliche Gesetzgebung regelbare multilaterale Zusammenrechnung von Versicherungszeiten aufgrund der von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Vereinbarungen hat es nicht als betroffen angesehen, weil dies keine Frage ist, an der der Vertragspartner beteiligt werden muß. Nicht betroffen sind dementsprechend durch eine solche Klausel auch die Gleichstellungsklauseln in Verträgen mit Drittstaaten. Ihr Wirkungsumfang ergibt sich allein aus diesen Verträgen und ihrer Transformierung in nationales Recht.
In dieser Weise ist zunächst auch die Abwehrklausel in Nr 2 des Schlußprotokolls zum deutsch-schweizerischen Abkommen auszulegen. Sie dient aus deutscher Sicht einerseits dazu, Belastungen durch Vertragsabschlüsse der Schweiz auszuschließen; andererseits schränkt sie aber auch die Rechte der Schweizer Bürger insoweit ein, daß diese aus Verträgen der Bundesrepublik mit Drittstaaten keine Rechte herleiten können, die Gleichstellung der Schweizer Bürger mit Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland nach Art 4 des deutsch-schweizerischen Abkommens sich also nicht auf die Rechte erstreckt, die Deutschen nur aufgrund von Abkommen mit anderen Staaten zustehen.
Diese Überlegungen - Ausschluß der Schweizer Bürger von Vergünstigungen aus Verträgen der Bundesrepublik Deutschland mit Drittstaaten und als Wechselwirkung Ausschluß der deutschen Staatsangehörigen von Vorteilen aus Verträgen der Schweiz mit Drittstaaten - führen allerdings noch nicht ohne weiteres zu der Folgerung, daß die Begünstigung der deutschen Versicherten im deutsch-schweizerischen Abkommen nicht auch den Angehörigen von Drittstaaten zugute kommt, für die von deutscher Seite in Verträgen mit diesen Drittstaaten Gleichstellungsklauseln vereinbart sind (s dazu, daß grundsätzlich auch solche Gleichstellungsklauseln multilateral anzuwenden sind: BSG SozR Nr 2 zu Abk USA Art IV). Denn eine Einengung der Gleichstellungsklausel müßte - wie oben dargelegt - grundsätzlich in dem Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit dem Drittstaat (hier: Spanien) verankert werden.
Insoweit ist aber zu berücksichtigen, daß neben den oben genannten Interessen bei Abschluß internationaler Vereinbarungen für die Vertragschließenden ein besonderes Bedürfnis besteht, den Umfang der durch das Abkommen bewirkten finanziellen Belastungen abzuschätzen und einzugrenzen. Diesem Ziel dient die Beschränkung der Vergünstigung auf deutsche Staatsangehörige. Ein solcher Überblick wäre aber nicht möglich, wenn über die Wirkung des Vertrages auf Angehörige von Drittstaaten, mit denen Verträge bestehen, erst noch mit all diesen Drittstaaten verhandelt werden müßte. Eine Verpflichtung, stets die Angehörigen aller Vertragsstaaten, mit denen Gleichstellungsklauseln vereinbart wurden, in andere Abkommen einzubeziehen, würde Abschluß und Umfang neuer Verträge zur Verbesserung der Rechtsstellung der eigenen Staatsbürger erheblich behindern und beschränken. Deshalb besteht ein Interesse, neben der Beschränkung des unmittelbar begünstigten Personenkreises (hier die Beschränkung auf Deutsche und Schweizer Bürger in Art 3 des deutsch-schweizerischen Abkommens), die allein die Anwendung von Gleichbehandlungsklauseln nicht ausschließt (BSG aa0), den Personenkreis weiter dahingehend einzugrenzen, daß Angehörige von Drittstaaten, mit denen Gleichstellungsklauseln vereinbart sind, nicht in die Vergünstigungen des Vertrages einbezogen werden.
Das Vorliegen beachtlicher, im Rahmen des Vertragsabschlusses mit der Schweiz auftretender Interessen besagt allerdings allein noch nicht, daß die Abwehrklausel auch auf die Gleichstellungsklauseln anderer Verträge Auswirkungen haben soll. Dies kann nur angenommen werden, wenn sich ein entsprechender Wille eindeutig erkennen läßt. Dies ist aber hier der Fall. Ein solcher Einfluß war mit der Einfügung der Abwehrklausel erkennbar beabsichtigt.
Die geschichtliche Entwicklung zeigt, daß die Klausel auf Betreiben der Bundesrepublik mit dem ausschließlichen Ziel in die Abkommen eingefügt worden ist, den für unerwünscht gehaltenen multilateralen Effekt bei der Anwendung mehrerer zweiseitiger Abkommen abzuwenden (vgl im einzelnen: Baumeister, Multilaterale Vertragsanwendung - Ein Weg in die falsche Richtung?, in: rv 1985, 64, 65 f; Frank, Anm zum Beschluß des Großen Senats des BSG vom 29. Mai 1984 in: DAngVers 1985, 50 ff; ders in SGb 1981, 291; Wißmeyer, Änderung des Sozialversicherungsabkommens mit der Türkei, Mitt LVA Oberfr 1987, 129, 160; Ebenhöch, Zusatzabkommen zum deutsch-türkischen Abkommen über soziale Sicherheit in Kraft, in: Kompaß 1987, 117, 118). Dies gilt auch für das Abkommen mit der Schweiz; nachdem der multilaterale Effekt vom BSG zum ersten Mal in einer gerade dieses Abkommen betreffenden Entscheidung vom 8. März 1972 (BSGE 34, 90 ff) für die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten aus mehreren Abkommen entwickelt und 1973 (SozR Nr 2 zum Abkommen USA Art IV) auch auf Gleichstellungsklauseln ausgedehnt worden war, wurde die Regelung Nr 2 im Schlußprotokoll durch das Zusatzabkommen vom 9. September 1975 zwischen der Bundesrepublik und der Schweiz eingefügt. Der hierin zum Ausdruck kommende Regelungszweck prägt auch die Auslegung des transformierten innerstaatlichen Rechts, weil sich der rechtliche Gehalt der Norm durch den Transformationsakt nicht ändert (vgl von Maydell, Verfassungs- und völkerrechtliche Probleme des Ausländerrechts, DRV 1983, 186, 198; Wanders, Anm aaO, 486). Sie schränkt als speziellere Regelung die ebenfalls durch Transformation als innerstaatliches Recht geltenden Gleichstellungsklauseln anderer Abkommen ein. Ob im Verhältnis zu den Vertragsstaaten, mit denen diese Gleichstellungsklauseln vereinbart wurden, eine Vertragsverletzung vorliegen könnte, ist hier nicht zu prüfen, da der beschriebene Inhalt der Klausel jedenfalls so gewollt war und dies auch nicht an höherrangigem Recht scheitert. Art 25 GG, der den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen Vorrang vor dem Gesetz einräumt, schließt eine Einschränkung der durch einfaches Gesetz transformierten Rechte aus Abkommen durch andere Gesetze nicht aus (vgl zB Zuleeg, Alternativkommentar zum Grundgesetz, 2. Aufl 1989, Art 25 RdNr 25 mwN; BVerfGE 41, 88, 120 f).
Auf das aus dem Abkommen mit der Schweiz stammende Recht bezogen, liegt damit innerstaatlich eine gesetzliche Verknüpfungssperre vor. Soweit der 4. Senat in einem obiter dictum verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber einem die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten betreffenden "Rechtsanwendungsverbot" (SozR 6675 Art 26 Nr 2 S 5) durchblicken läßt, können diese - jedenfalls in bezug auf Gleichstellungsklauseln für Angehörige von Drittstaaten, die nicht unmittelbar durch das Abkommen begünstigt werden - nicht geteilt werden. Die Abwehrklausel gestaltet insoweit inhaltlich das durch den Vertrag zugebilligte materielle Recht, indem sie regelt, welcher Personenkreis durch den Vertrag begünstigt ist; darin liegt ebensowenig ein verfassungswidriges Anwendungsverbot wie in sonstigen Vorschriften, in denen die Geltung anderer Normen für bestimmte Fälle ausgeschlossen ist (vgl etwa Regelungen wie § 1241 Abs 3 Satz 2 RVO, § 198 Abs 2 SGG). Eine verfassungsrechtlich aus dem Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG) abzuleitende Verpflichtung der Bundesrepublik, alle Auslandstatbestände miteinander zu verknüpfen, besteht ebenfalls nicht, weil dieses kein bis in jede Einzelheit lückenloses System sozialer Absicherung fordert (BVerfGE 26, 44, 61 f; Wanders, Multilateraler Effekt, aaO, S 79 ff).
Inwieweit sich aus dem Recht der EG eine multilaterale Zusammenrechnung ableiten läßt, kann für den Zeitraum, auf den sich dieses Teilurteil erstreckt, dahinstehen, weil Spanien in dieser Zeit nicht Mitglied der EG war.
Im Ergebnis ist damit im vorliegenden Fall für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1985 eine Gleichbehandlung von Spaniern und Deutschen bei der Anrechnung in der Schweiz absolvierter Versicherungszeiten nicht möglich. Ein Rentenanspruch der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt scheidet deshalb aus.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
Dokument-Index HI13855606 |