Gründe
I
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1947 geborene Kläger absolvierte von April 1962 bis März 1965 eine Berglehre und war anschließend bis Juni 1965 als Knappe beschäftigt. Nach einer Wehrdienstzeit arbeitete er ab Januar 1966 bei der Deutschen Bundespost (DBP), und zwar zunächst in der Telegramm- und Eilzustellung und ab 1976 in der Briefzustellung. Diese Tätigkeit wurde von ihm nach einer Einweisungs- und Einarbeitungszeit von etwa 14 Tagen vollwertig ausgeübt. 1986 legte er die postbetriebliche Prüfung für Arbeiter ab. Als sog Beamtendiensttuer wurde er zuletzt nach Lohngruppe 6 a des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TVArb) entlohnt. Ab April 1993 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Er bezieht eine Versorgungsrente der Post.
Den im Juni 1993 gestellten Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. März 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1994 ab, weil der Kläger zwar nicht mehr als Briefträger arbeiten, jedoch noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (zB als Registrator) vollschichtig verrichten könne. Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat die Beklagte durch Urteil vom 19. August 1996 verpflichtet, ab Antragstellung Rente wegen BU zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Gleichzeitig ist die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen worden. Das LSG hat sein Urteil vom 6. November 1998 im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung könne der Kläger zumindest noch leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen, Sitzen, ohne andauerndes Sitzen, längeres Stehen, Steigen, Klettern, Kriechen, Bücken, einseitige Körperhaltung, Zwangshaltungen, häufiges Heben, Tragen, Bewegen von Lasten, besondere Haltebelastungen, zu ebener Erde, in geschlossenen Räumen, ohne Nässe, Kälte, Zugluft, ohne besonderen Zeitdruck, Wechsel-/Nachtschicht und starke Temperaturschwankungen vollschichtig verrichten. Einer vom Kläger beantragten erneuten orthopädischen Begutachtung oder einer weiteren Befundmitteilung durch die behandelnde Ärztin Dr. v. H. habe es nicht bedurft. Die sich seit November 1995 aufgrund des Postdiskotomie-Syndroms, der rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen und der darauf beruhenden Schmerzzustände beim Kläger ergebenden funktionellen Beeinträchtigungen würden in dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 28. April 1998 unter Berücksichtigung der Befundberichte der Orthopädin Dr. v. H. vom 21. April 1997 und 23. Juli 1997 sowie des Allgemeinmediziners Dr. B. vom 27. April 1997 umfassend bewertet. Auch wenn der Kläger infolge seines eingeschränkten beruflichen Leistungsvermögens seine zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Briefzusteller nicht mehr verrichten könne, sei er nicht berufsunfähig und damit erst recht nicht erwerbsunfähig.
Gemessen an dem Wert seines bisherigen Berufes sei der Kläger kein Facharbeiter iS des von der Rechtsprechung entwickelten Berufsgruppenschemas. Er habe keinen Beruf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren ausgeübt. Eine Ausbildung zur Dienstleistungsfachkraft im einfachen nichttechnischen Postdienst mit einer Dauer von mehr als zwei Jahren habe er nicht durchlaufen, sondern lediglich nach 20jähriger Tätigkeit bei der DBP im Februar 1986 die postbetriebliche Prüfung für Arbeiter abgelegt, um die Voraussetzungen zur Entlohnung nach der Lohngruppe 6 a für Arbeiter mit bestandener postbetrieblicher Prüfung zu schaffen. Auch sei der Kläger im Verhältnis zu einer voll ausgebildeten Dienstleistungsfachkraft nicht wettbewerbsfähig gewesen und von seinem Arbeitgeber auch nicht als Facharbeiter in diesem Sinne eingesetzt worden. Daß er sich durch jahrelange praktische Arbeit die wesentlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Bereiche Briefeingang, Briefabgang, Paketzustellung, Bahnhofspostdienst und Innendienst angeeignet habe, werde vom Kläger selbst nicht behauptet.
Die Kenntnisse des Klägers ihm Bereich der Telegramm-, Eil- und Briefzustellung rechtfertigten nur die Einstufung als Angelernter, und zwar im unteren Bereich dieser Gruppe. Als Briefzusteller habe der Kläger keinen Beruf mit einer Regelausbildung von über einem bis zu zwei Jahren und auch keine Tätigkeit ausgeübt, die eine über die bloße Einweisung und Einarbeitung hinausgehende echte betriebliche Ausbildung voraussetze. Er habe die Tätigkeit als Briefzusteller vielmehr nach einer Einweisungs- und Einarbeitungszeit von etwa 14 Tagen vollwertig verrichten können.
Eine weitere Sachaufklärung durch Einholung einer ergänzenden Arbeitgeberauskunft oder Beiziehung weiterer tarifvertraglicher Unterlagen sei nicht erforderlich. Zum einen hätten sich für den Senat keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Bekundungen der von der Arbeitgeberin des Klägers als Zeugin benannten Postoberinspektorin H. ergeben, und der Kläger habe solche auch nicht ins einzelne gehend benannt. Zum anderen sei eine originäre Einstufung in eine Facharbeiterlohngruppe, die arbeitsrechtlich nach qualitätsfremden Merkmalen erfolgt sei, rentenrechtlich nicht bindend. In diesem Zusammenhang werde auf das Urteil des LSG vom 17. November 1997 - L 4 J 18/94 - Bezug genommen. Danach entlohne die Post Briefzusteller als Beamtendiensttuer aus im wesentlichen arbeitsmarktpolitischen Gründen entsprechend Beamten nach der Besoldungsgruppe A 4, obwohl sie qualitativ nicht in diese Gruppe gehörten. Diese Entlohnung von allenfalls im unteren Bereich angelernten Beamtendiensttuern beruhe nach den Feststellungen des genannten Urteils darauf, daß in der Vergangenheit aus einem Arbeitskräftemangel heraus Personen hätten als Arbeiter eingestellt und nach zwei- bis vierwöchiger Einarbeitungszeit auch auf Beamtendienstposten beschäftigt werden müssen. Da dies dazu geführt habe, daß Beamte und Arbeiter nebeneinander die gleichen Arbeiten als Briefzusteller verrichteten, seien aus Vereinfachungs- und Gleichbehandlungsgründen tarifvertragliche Beamtendiensttuer bei gleichem Arbeitsinhalt beamteten Kräften finanziell annähernd gleichgestellt worden, ohne diese zugleich in rentenrechtlichem Sinne gleichzustellen.
Die festgestellten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Klägers bewegten sich in dem Rahmen, in dem eine pauschale Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für zulässig gehalten werde. Sie seien nicht so erheblich, daß von vornherein Zweifel daran aufkämen, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen auch in einem Betrieb einsetzbar sei. Der Ausnahmefall einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liege nicht vor, zumal der Kläger auch hinsichtlich erforderlicher Pausen noch unter betriebsüblichen Bedingungen arbeiten könne.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verfahrensverstöße sowie eine Verletzung der §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Dazu macht er insbesondere geltend: Zunächst hätte das LSG den Sachverhalt im Hinblick auf das Postdiskotomie-Syndrom durch Einholung eines zeitnahen Befundberichtes der behandelnden Orthopädin sowie eines orthopädischen Sachverständigengutachtens weiter aufklären müssen. Das von dem Neurologen Prof. Dr. H. erstattete Gutachten sei insofern nicht sachnah genug. Darüber hinaus reichten die Tatsachenfeststellungen des LSG nicht aus, um ihm den Berufsschutz eines Facharbeiters zu versagen. Insbesondere hätte sich die Vorinstanz zur Frage einer tarifvertraglichen Gleichstellung näher mit den einschlägigen Bestimmungen des maßgebenden Tarifvertrages auseinandersetzen müssen. Vor einer Annahme von qualitätsfremden Gründen für die Einstufung von Briefzustellern hätten Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien eingeholt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 6. November 1998 aufzuheben sowie das Urteil des SG vom 19. August 1996 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14. März 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1994 zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 1993 Versichertenrente wegen EU in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
hilfsweise,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen,
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie ua vor: Das LSG habe den medizinischen Sachverhalt umfassend aufgeklärt und sei nicht gehalten gewesen, ein weiteres orthopädisches Gutachten einzuholen. Hinsichtlich der beruflichen Qualifikation des Klägers sei das LSG zu Recht davon ausgegangen, daß dieser als angelernter Arbeiter zu beurteilen sei. Insbesondere rechtfertige es die tarifliche Eingruppierung des Klägers nicht, ihn als Facharbeiter anzusehen. Sie beruhe jedenfalls auf qualitätsfremden Merkmalen. Dazu habe das LSG ausdrücklich auf sein Urteil vom 17. November 1997 - L 4 J 18/94 - Bezug genommen und damit auch auf die in anderen Verfahren gewonnenen Ermittlungsergebnisse.
II
Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Es bedarf noch weiterer Tatsachenfeststellungen zum Eintritt eines Versicherungsfalles.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen BU oder EU richtet sich nach den §§ 43, 44 SGB VI. Beide Vorschriften setzen zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl § 50 Abs 1, § 51 Abs 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls voraus (vgl § 43 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 und 3, § 44 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muß entweder BU oder EU vorliegen (vgl § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI).
Berufsunfähig sind nach § 43 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsunfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und den besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Hingegen besteht EU bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (vgl § 44 Abs 2 SGB VI). Da der Versicherungsfall der EU an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als derjenige der BU, folgt aus der Verneinung von BU ohne weiteres das Fehlen von EU. Insofern ist es nicht zu beanstanden, daß das LSG zunächst geprüft hat, ob die Klägerin berufsunfähig ist.
Ausgangspunkt der Prüfung von BU ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 169). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164). Nach diesen Grundsätzen hat das LSG zutreffend als bisherigen Beruf des Klägers den eines Briefzustellers angenommen. Diesen Beruf kann der Kläger nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) nicht mehr ausüben. Damit ist der Kläger aber noch nicht berufsunfähig. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn es auch keine andere Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 132, 138, 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 27, 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 143; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 5).
Gemessen an diesen Kriterien reichen die tatrichterlichen Feststellungen des LSG nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob die Vorinstanz den Kläger zutreffend in den unteren Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters eingeordnet hat. Insbesondere läßt sich noch nicht sicher beurteilen, ob das LSG dem Kläger zu Recht den Berufsschutz eines Facharbeiters versagt hat.
Der Kläger kann in das dargestellte Berufsgruppenschema nicht unmittelbar eingeordnet werden, zumal er in seinem bisherigen Beruf keinen Ausbildungsabschluß als Facharbeiter besitzt (vgl dazu allgemein BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 138, 140). Nach den Feststellungen des LSG ist er keine gelernte Dienstleistungsfachkraft (Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren). Zwar ist ein Versicherter auch dann in die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzustufen, wenn er, ohne die erforderliche Ausbildung durchlaufen zu haben, einen anerkannten Ausbildungsberuf wettbewerbsfähig ausgeübt hat und entsprechend entlohnt worden ist (vgl dazu allgemein BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 53, 68, 129, 150, 168). Der Kläger hat jedoch auf diese Weise nicht die Qualifikation einer Dienstleistungsfachkraft im einfachen nichttechnischen Postdienst erlangt. Wie den Ausführungen im Berufungsurteil zu entnehmen ist, verfügte er nämlich nicht in voller Breite, sondern nur in einzelnen Teilbereichen über die insoweit zu erwartenden praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 21. Februar 1985 - 4 RJ 33/84 -; Urteil vom 3. April 1986 - 4a RJ 19/84 -; Urteil vom 22. Juli 1992 - 13 RJ 13/91 -). Die bloße Ausübung von Facharbeitertätigkeiten in einem Teilbereich reicht grundsätzlich nur für eine Einstufung als Angelernter aus, auch wenn die Entlohnung im Einzelfall derjenigen eines Facharbeiters entsprochen haben sollte (vgl BSGE 53, 69, 74 = SozR 2600 § 45 Nr 32; BSGE 57, 35, 37 = SozR 2600 § 45 Nr 37; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 129; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 27).
Allerdings kann sich im Zuge zunehmender Konzentration und Spezialisierung ein Teilbereich eines anerkannten Ausbildungsberufes zu einem eigenständigen Berufsbild entwickelt haben, dem von den am Wirtschaftsleben beteiligten Kreisen eine Facharbeiterqualität beigemessen wird (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 27). Die insoweit relevanten Tatsachen hat das LSG nicht vollständig ermittelt und in seine Beurteilung einbezogen.
Abgesehen von der Berücksichtigung allgemeiner Merkmale, wie des Bestehens einer Vorqualifikation (hier Ausbildungsabschluß als Knappe), einer Ablegung der postbetrieblichen Prüfung für Arbeiter und des Einsatzes auf einem Dienstposten für Beamte (vgl dazu allgemein BSG SozR 3-2960 § 46 Nr 4), ist bei der Frage einer Gleichstellung von Briefzustellern mit Facharbeitern deren tarifvertragliche Einstufung von besonderer Bedeutung (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 22; Urteil vom 22. Juli 1992 - 13 RJ 13/91 -). Denn gerade der einschlägige Tarifvertrag kann den Stand der Anschauungen der maßgebenden Kreise über die Wertigkeit eines Berufes vermitteln (vgl zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 13, 14). Bezüglich der aus der tarifvertraglichen Einordnung von Briefzustellern zu ziehenden Schlüsse sind in der Vergangenheit - auf der Grundlage entsprechender tatrichterlicher Feststellungen - von den einzelnen Rentensenaten des BSG allerdings zum Teil unterschiedliche Auffassungen vertreten worden (vgl einerseits BSG, Urteil vom 3. April 1986 - 4a RJ 19/84 -; andererseits BSG, Urteil vom 27. Februar 1990 - 5 RJ 12/88 -, Urteil vom 11. September 1991 - 5 RJ 33/90 -; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 22). Um so höhere Anforderungen sind in diesem Zusammenhang an die berufungsgerichtliche Sachverhaltsaufklärung zu stellen.
Zunächst muß der beim Ausscheiden des Versicherten aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zeitlich und örtlich maßgebende Tarifvertrag ermittelt werden (vgl dazu BSG, Urteil vom 19. Juni 1997 - 13 RJ 73/96 -, Umdr S 6 f). Dieser ist dann daraufhin zu untersuchen, ob die Lohngruppen allgemein nach Qualitätsstufen geordnet sind (vgl zB BSG, Urteil vom 26. August 1994 - 13 RJ 3/94 -, Umdr S 9 f). Ferner stellt sich die Frage, ob darin der zu prüfende Beruf als solcher eingestuft ist oder ob der Tarifvertrag insoweit lediglich allgemeine Merkmale enthält, anhand deren der jeweilige Arbeitgeber eine Eingruppierung der betreffenden Tätigkeit vorzunehmen hat (zu diesem Unterschied vgl insbesondere BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 21). Auf der Suche nach der für die Wertigkeit des bisherigen Berufes relevanten Lohngruppe sind alle Merkmale auszuscheiden, die im wesentlichen auf qualitätsfremden Gesichtspunkten beruhen (vgl zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 14). So sind zB Höhergruppierungen, die allein auf einer bestimmten Dienstzeit, einem Lebensalter oder einem sog Bewährungsaufstieg beruhen, grundsätzlich außer Betracht zu lassen; es kommt mithin auf die "Einstiegslohngruppe" an (vgl zB BSG, Urteil vom 25. August 1993 - 13 RJ 25/92 -, Umdr S 10). Soweit das Ablegen einer Prüfung oder der Einsatz auf einem Beamtendienstposten für die tarifvertragliche Einstufung von Bedeutung ist, kann Anlaß bestehen, den Qualitätsbezug dieser Umstände näher zu prüfen (vgl zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 22).
Diesen Kriterien werden die Tatsachenfeststellungen des LSG nicht ohne weiteres gerecht. Es wird bereits nicht hinreichend deutlich, welche Fassung des TVArb die Vorinstanz ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Zwar weist die Beklagte darauf hin, daß der erstinstanzlich eingeholten Arbeitgeberauskunft der Deutschen Post AG, Niederlassung E. , vom 20. Februar 1996 ein Auszug des durch den Tarifvertrag Nr 421 geänderten Lohngruppenverzeichnisses beigelegen habe. Abgesehen davon, daß im Berufungsurteil auf diese Unterlagen nicht besonders Bezug genommen worden ist, fehlt es an Feststellungen dazu, daß es sich dabei um die beim Ausscheiden des Klägers aus der versicherten Beschäftigung maßgebenden tarifvertraglichen Regelungen gehandelt habe. Auch wenn im Hinblick auf die vorliegende Rechtsprechung des BSG (vgl zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 22) davon ausgegangen werden kann, daß sich die Lohngruppeneinteilung des TVArb nach Qualitätsstufen richtet, wäre es darüber hinaus geboten gewesen, im einzelnen festzustellen, wie darin die Einstufung von Briefzustellern vorgenommen worden ist. Soweit das LSG die Auffassung vertritt, die Eingruppierung des Klägers habe auf qualitätsfremden Erwägungen beruht, reicht zur Begründung dafür die pauschale Bezugnahme auf das Urteil des LSG vom 17. November 1997 - L 4 J 18/94 - nicht aus, zumal unklar bleibt, ob in jenem Fall dieselbe Fassung des TVArb einschlägig war wie beim Kläger.
Selbst wenn der erkennende Senat seiner Entscheidung die Beurteilung des LSG, der Kläger gehöre nicht zur Berufsgruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters, zugrunde legen könnte, wäre er durch eine (weitere) Lücke in den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen gehindert, die Sache abschließend zu entscheiden. Zur Begründung seiner Annahme, der Kläger sei dem unteren Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen, hat das LSG nämlich lediglich darauf abgestellt, daß der Kläger die Tätigkeit als Briefzusteller nach einer Einweisungs- und Einarbeitungszeit von etwa 14 Tagen habe vollwertig verrichten können. Dabei sind andere für die Wertigkeit eines Berufes bedeutsame Gesichtspunkte unberücksichtigt geblieben. Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen einer Tätigkeit als sog Beamtendiensttuer (zB Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewußtsein, Gewissenhaftigkeit) sowie deren hohe tarifvertragliche Einstufung hat das BSG jedenfalls auch eine Eingruppierung in den oberen Bereich der angelernten Arbeiter erwogen (vgl zB BSGE 59, 201, 205 f = SozR 2200 § 1246 Nr 132; BSG, Urteil vom 20. Februar 1986 - 4a RJ 73/83 -, Umdr S 13; Urteil vom 3. April 1986 - 4a RJ 19/84 -, Umdr S 17; Urteil vom 25. August 1993 - 13 RJ 25/92 -, Umdr S 13).
Kommt damit eine Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers in Betracht, welche die konkrete Benennung zumindest einer sozial zumutbaren Verweisungstätigkeit erfordert (vgl dazu allgemein BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 45 S 187 f), mangelt es insoweit an Tatsachenfeststellungen, als das LSG den Kläger pauschal auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen hat. Auf ergänzende Feststellungen zur sozialen Zumutbarkeit einer Verweisung auf andere Tätigkeiten könnte nur dann verzichtet werden, wenn dem Kläger bereits unabhängig davon EU-Rente zugesprochen werden könnte. Dies ist nach dem gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung jedoch nicht der Fall. Was das Restleistungsvermögen des Klägers anbelangt, ist das LSG davon ausgegangen, daß dieser noch leichte Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen verrichten könne. Zwar kann ein Versicherter auch bei einer an sich noch vollschichtigen Leistungsfähigkeit berufs- oder erwerbsunfähig sein. Das LSG hat jedoch eine in diesem Fall erforderliche Verschlossenheit des Arbeitsmarktes verneint. Ob diese berufungsgerichtlichen Feststellungen - wie der Kläger rügt - teilweise verfahrensfehlerhaft zustande gekommen oder unvollständig sind, kann hier offenbleiben, weil ohnehin eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu erfolgen hat.
Da der erkennende Senat die mithin erforderlichen Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst durchführen kann (vgl § 163 SGG), ist das Berufungsurteil gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Dieses Gericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen