Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtskraft. Entscheidungsgründe. Feststellungswiderklage im Berufungsverfahren. rechtliches Interesse. Feststellung der Rechtswidrigkeit eines früheren Verwaltungsakts

 

Orientierungssatz

1. Die Entscheidungsgründe eines Urteils nehmen grundsätzlich an der Rechtskraft eines Urteils nicht teil. Dies ist ausnahmsweise der Fall, wenn und soweit sie zur Auslegung des Urteilstenors heranzuziehen sind.

2. Steht nach dem Inhalt des Urteils dem Kläger ein Anspruch auf eine Unfallrente nicht zu, weil die Unfallfolgen keine MdE in rentenberechtigender Höhe bedingten, so ist die weitere Begründung im erstinstanzlichen Urteil, das die Unfallfolgen "allenfalls" eine MdE von 10 vH bedingten, zur Auslegung des die Klage auf Gewährung von Verletztenrente voll abweisenden Urteilstenors nicht erforderlich. Sie nimmt deshalb an der Rechtskraft des Urteils nicht teil. Somit kann ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß entgegen den Ausführungen im Urteil des SG die unfallbedingte MdE allenfalls 10 vH betrage, nicht bestehen.

3. Zu hoch berechnete Sozialleistungen können erst dann von der Erhöhung durch ein Anpassungsgesetz ausgespart werden, wenn durch Verwaltungsakt wirksam festgestellt ist, daß der ursprüngliche Leistungsbescheid rechtswidrig ist (vgl BSG vom 13.7.1988 9/9a RV 34/86 = SozR 1300 § 45 Nr 37). Dies gilt nicht nur für die Fälle, in denen bindend eine MdE festgestellt und eine Rentenzahlung bewilligt wurde, sondern erst recht für die Bescheide, in denen in der Unfallversicherung die haftungsausfüllende Kausalität - zunächst - ohne Feststellung eine MdE bejaht wurde. Solange diese Feststellung der Rechtswidrigkeit des früheren Verwaltungsaktes durch einen neuen Bescheid nicht erfolgt ist, bleibt der Ursprungsbescheid rechtmäßig.

 

Normenkette

SGG §§ 100, 141 Abs 1; SGB 10 § 48 Abs 3

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 06.05.1987; Aktenzeichen L 3 U 15/86)

SG Trier (Entscheidung vom 08.01.1986; Aktenzeichen S 3 U 164/84)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte dem Kläger wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren hat.

Der im Jahre 1935 geborene Kläger erlitt am 26. August 1982 auf seinem Weg zur Dienststelle einen Unfall, als an einer auf rot geschalteten Verkehrsampel ein Pkw auf sein stehendes Fahrzeug auffuhr. Nach dem Bericht des Durchgangsarztes erlitt der Kläger ein Halswirbelsäulen-Schleudertrauma. Anfang Dezember 1982 wies der Kläger diesen Arzt auf Beschwerden im rechten Fuß als weitere Folge des Unfalls hin. Der Beklagte holte daraufhin von Prof. Dr. R. orthopädische Gutachten ein, in denen es heißt, der Kläger habe bei dem Unfall allenfalls eine inzwischen abgeklungene Distorsion der Halswirbelsäule erlitten. Auch eine Distorsion im Bereich der Fußwurzel rechts sei denkbar, wenn man von den Angaben des Klägers ausgehe, daß er bei dem Unfall mit voller Kraft auf die Bremse getreten sei. Die festgestellten Symptome enthielten recht eindeutige Hinweise auf eine etwas atypisch verlaufende Sudeck'sche Heilentgleisung. Die hierdurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage für die Dauer von 3 bis 6 Monaten nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit 20 vH. Gestützt hierauf teilte der Beklagte mit Schreiben vom 20. September 1983 dem Kläger mit, er erkenne "die heute noch behandlungsbedürftige Sudeck'sche Heilentgleisung als Folge des Arbeitsunfalls vom 26. August 1982 an".

Auf Antrag des Klägers, wegen der Unfallfolgen auch eine MdE festzustellen, holte der Beklagte weitere Gutachten von Prof. Dr. R.      ein. In dem auf dessen Veranlassung ferner eingeholten gefäßchirurgischen Gutachten von Prof. Dr. T.    wird die Auffassung vertreten, beim Kläger habe unfallunabhängig eine entzündliche Gelenkaffektion vorgelegen, die bewußt oder unbewußt zu einer Schonung und hierdurch bedingt zu einer Inaktivitätsatrophie des rechten Fußes geführt habe, die klinisch das Bild einer Sudeck'schen Dystrophie vorgetäuscht habe.

Der Beklagte erkannte daraufhin mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 20. September 1984 "Verstauchung der Wirbelsäule" als Folge des Arbeitsunfalls an; im übrigen lehnte er ua die Anerkennung eines Dystrophieschadens des rechten Fußes als Unfallfolge ab und verneinte die Voraussetzungen für die Gewährung einer Unfallrente.

Das Sozialgericht (SG) Trier hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Januar 1986), weil die Beweisaufnahme ergeben habe, daß die unfallbedingten Veränderungen im rechten Fuß iS eines sogenannten atypischen Morbus Sudeck keine MdE in rentenberechtigender Höhe bedingten, sondern allenfalls eine solche von 10 vH.

Im anschließenden Berufungsverfahren des Klägers hat der Beklagte im Wege der Anschlußberufung die Feststellung begehrt, daß bei dem Kläger als Folgen des Unfalls vom 26. August 1982 kein Morbus Sudeck vorliege, der eine MdE von 10 vH verursache. Zur Begründung hat der Beklagte dazu vorgetragen, in den Entscheidungsgründen sei ausgeführt, daß beim Kläger unfallbedingt ein Morbus Sudeck bestehe, der allerdings keine MdE in rentenberechtigender Höhe ("allenfalls 10 vH") verursache. Infolgedessen müsse er bei einer Rechtskraft dieses Urteils im Falle einer Verschlimmerung des Leidens unter Umständen eine Unfallrente zahlen.

Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen; auf die Anschlußberufung des Beklagten hat es festgestellt, daß beim Kläger keine unfallbedingte MdE von 10 vH vorliege, und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, daß ein unfallbedingter Morbus Sudeck nicht vorliege, hat es im übrigen die Anschlußberufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Die in Form eines Feststellungsbegehrens erhobene Widerklage sei zulässig. Ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung sei gegeben, denn aus dem erstinstanzlichen Urteil ergebe sich, daß beim Kläger ein Morbus Sudeck vorliege, der eine MdE von "allenfalls" 10 vH verursache; hieran wäre der Beklagte gebunden. Die Widerklage sei nur teilweise begründet. Zwar habe der Beklagte durch sein Schreiben vom 20. September 1983 einen Morbus Sudeck als Unfallfolge anerkannt; insoweit sei die Widerklage unbegründet. Ein darüber hinausgehendes umfassendes Anerkenntnis habe der Beklagte jedoch nicht abgegeben, auch habe er sich zur Höhe der MdE nicht bindend geäußert. In einem solchen Fall sei es gerechtfertigt, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) zwar an dem Bestandsschutz eines ggfs rechtswidrigen Verwaltungsaktes festzuhalten, darüber hinausgehende Leistungen, die sich auf diesem rechtswidrigen Verwaltungsakt aufbauten, jedoch zu versagen. Hier liege beim Kläger überhaupt kein Morbus Sudeck vor, so daß diese Erkrankung keine MdE verursachen könne (insoweit sei die Widerklage begründet). Denn die Sachverständigen Prof. Dr. R.      und Dr. B.     hätten im einzelnen überzeugend dargelegt, daß der Aufprall von hinten aufgrund des Unfallmechanismus (aufprallbedingter Schub nach hinten oben) eine Stauchung oder Distorsion des rechten Fußes nicht verursacht habe. Da somit feststehe, daß bei ihm unfallbedingt keine MdE von 10 vH oder mehr bestehe, sei schließlich die Berufung des Klägers unbegründet.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger ein Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das LSG sei verpflichtet gewesen, die Beteiligten darauf hinzuweisen, daß es von der im Urteil vertretenen Rechtsauffassung ausgehen wolle; in diesem Fall hätte er durch Einholung eines verkehrssachverständigen Gutachtens unter Beweis gestellt, daß seine Verletzung am Fuß durch den Auffahrunfall habe entstehen können. Durch seine Verfahrensweise habe das LSG unter Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch das rechtliche Gehör nicht gewährt. Im übrigen rüge er die Verletzung des § 48 SGB X. Das Schreiben des Beklagten vom 20. September 1983 enthalte keine Einschränkung; vielmehr sei dadurch alles "was behandlungsbedürftig ist", als Unfallfolge anerkannt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben, das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 20. September 1984 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 26. August 1982 eine Dauerrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren, sowie die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil sowohl verfahrensrechtlich als auch sachlich rechtlich für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

1. Entgegen der Auffassung des LSG ist die vom Beklagten im Wege der Anschlußberufung erhobene Feststellungswiderklage (§ 100 SGG) unzulässig. Insofern war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Widerklage als unzulässig zu verwerfen.

Da die Revision durch bindende Zulassung des LSG insgesamt statthaft ist, hat der Senat das angefochtene Urteil nicht nur in vollem Umfang materiell rechtlich nachzuprüfen (BSGE 3, 180, 185; 7, 126, 128), sondern auch die Zulässigkeit der vom Beklagten im Berufungsverfahren erhobenen Widerklage, allerdings nur soweit sie im Revisionsverfahren überhaupt noch anhängig ist.

Zwar sind in entsprechender Anwendung des § 202 SGG iVm § 559 der Zivilprozeßordnung (ZPO) im Revisionsverfahren Verfahrensmängel des Vorderrichters nur zu berücksichtigen, wenn sie ordnungsgemäß gerügt worden sind (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 254c; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 3. Aufl, § 164 RdNr 13; § 170 RdNr 3). Dies gilt jedoch nicht für Verfahrensmängel, die von Amts wegen zu beachten sind (Brackmann aaO; Meyer-Ladewig aaO § 170 RdNr 4; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 164 Anm 4m; Thomas-Putzo, Zivilprozeßordnung, 13. Aufl, § 559 Anm 2 Buchst c). Verletzungen dieser Art sind ebenso wie Verletzungen des materiellen Rechts in vollem Umfang und unabhängig von etwaigen Rügen der Beteiligten zu prüfen. Hierunter fallen die Verfahrensverstöße in der Revisionsinstanz selbst, ferner die der Vorinstanz, soweit sie das Revisionsverfahren berühren, wie Verstöße gegen unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen und sonstige unverrückbare Grundlagen des Verfahrens (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 45. Aufl § 559 Anm 2C mwN; Brackmann aaO S 254c, 250w; vgl auch Meyer-Ladewig aaO § 164 RdNr 13). Dazu gehört das Fehlen des rechtlichen Interesses bei der Feststellungsklage, weil es das in die Gesetzesmerkmale aufgenommene Rechtsschutzbedürfnis ist (Baumbach/Lauterbach aaO; Brackmann aaO S 240h III). Hiervon ausgehend kann der Auffassung des LSG, es bestehe für die vom Beklagten erhobene Widerklage ein Rechtsschutzbedürfnis, nicht gefolgt werden. Dies kann allerdings nur für den im angefochtenen Urteil der Widerklage stattgebenden Teil gelten, weil mangels einer Revision seitens des Beklagten der ihn belastende - klageabweisende - Teil bezüglich des Ausspruchs über die Unfallfolge "Morbus Sudeck" nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.

Nach § 157 SGG prüft das LSG den Streitfall in gleichem Umfang wie das SG. Ebenso wie dem SG obliegt es ihm, die angefochtenen Bescheide zu überprüfen (BSGE 55, 32, 33). Es entscheidet also nicht nur darüber, ob das Urteil des SG zutreffend ist, sondern es obliegt ihm, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu überprüfen (BSGE aaO). Dieses vom LSG erlassene Urteil erwächst sodann in Rechtskraft (§ 141 SGG). Dabei war die in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils vom 8. Januar 1986 enthaltene Formulierung, die Veränderungen im rechten Fuß iS eines sog atypischen Morbus Sudeck stünden zwar mit dem Unfall in einem ursächlichen Zusammenhang, bedingten jedoch keine MdE in rentenberechtigender Höhe, sondern "allenfalls eine solche von 10 vH" entgegen der Ansicht des angefochtenen Urteils nicht der Rechtskraft nach § 141 SGG zugänglich. Die Entscheidungsgründe eines Urteils nehmen grundsätzlich an der Rechtskraft eines Urteils nicht teil. Dem steht nicht entgegen, daß die Gründe einer Entscheidung ausnahmsweise mit in Rechtskraft erwachsen können, wenn und soweit sie zur Auslegung des Urteilstenors heranzuziehen sind (BSGE 41, 99, 100; Brackmann aaO S 256c bis f mwN; Peters/Sautter/Wolff aaO § 141 Anm 3b bb). Ein Fall, in dem die Gründe des erstinstanzlichen Urteils insoweit an der Rechtskraftwirkung teilnehmen können, ist hier nicht gegeben. Nach dem Inhalt dieses Urteils stand dem Kläger ein Anspruch auf eine Unfallrente nicht zu, weil die Unfallfolgen keine MdE in rentenberechtigender Höhe bedingten. Die weitere Begründung im erstinstanzlichen Urteil, daß die Unfallfolgen "allenfalls" eine MdE von 10 vH bedingten, ist zur Auslegung des die Klage auf Gewährung von Verletztenrente voll abweisenden Urteilstenors nicht erforderlich. Sie nimmt deshalb an der Rechtskraft des Urteils nicht teil. Somit kann auch der Beklagte an der Feststellung, daß entgegen den Ausführungen im Urteil des SG die unfallbedingte MdE allenfalls 10 vH betrage, kein rechtliches Interesse haben, und zwar insbesondere nicht unter dem von ihm angeführten Gesichtspunkt einer späteren Verschlimmerung oder - ggf - späteren Gewährung einer Stützrente (§ 581 Abs 3 RVO; s auch BSG SozR Nr 5 zu § 581 RVO; Brackmann aaO S 571).

2. Im übrigen führt die Revision des Klägers ebenfalls zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG. Es fehlt an erforderlichen Tatsachenfeststellungen für die Entscheidung, ob beim Kläger eine unfallbedingte MdE in rentenberechtigender Höhe von 20 vH vorliegt. Diese Feststellungen hat das LSG nachzuholen.

Das erstinstanzliche Gericht hat ausgeführt, daß der Beklagte am 20. September 1983 eine behandlungsbedürftige Sudeck'sche Heilentgleisung als Folge des Arbeitsunfalls vom 26. August 1982 zwar anerkannt habe (S 3 des Urteils), daß diese Veränderungen im rechten Fuß aber keine MdE von mindestens 20 vH bedingten. Dieser Begründung ist das LSG nicht gefolgt; es hat vielmehr die Ansicht vertreten, daß trotz eines solchen Anerkenntnisses diese Unfallfolge keine MdE verursachen könne: Beim Kläger liege überhaupt kein Morbus Sudeck vor. Zwar sei an dem Bestandsschutz eines ggf auch rechtswidrigen Verwaltungsaktes festzuhalten; jedoch seien dem Betroffenen darüber hinausgehende Leistungen, die sich auf diesem rechtswidrigen Verwaltungsakt aufbauten, zu versagen. Dieser Auffassung kann der Senat nicht beitreten.

Mit den Vorinstanzen ist der Senat der Ansicht, daß der Beklagte in dem Verwaltungsakt vom 20. September 1983 die dort angeführte Gesundheitsstörung als Unfallfolge festgestellt hat (s BSGE 24, 162). Das LSG ist aber zu Unrecht davon ausgegangen, § 48 Abs 3 SGB X rechtfertige es, von einer Prüfung der durch die als Unfallfolge festgestellte Gesundheitsstörung bedingten MdE abzusehen.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat im Urteil vom 22. Juni 1988 - 9/9a RV 46/86 - (zur Veröffentlichung vorgesehen) entschieden, daß zu hoch berechnete Sozialleistungen erst dann von der Erhöhung durch ein Anpassungsgesetz ausgespart werden können, wenn durch Verwaltungsakt wirksam festgestellt ist, daß der ursprüngliche Leistungsbescheid rechtswidrig ist (vgl auch das weitere Urteil des 9. Senats vom 13. Juli 1988 - 9/9a RV 34/86 - ebenfalls zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies gilt nicht nur für die Fälle, in denen bindend eine MdE festgestellt und eine Rentenzahlung bewilligt wurde, sondern erst recht für die Bescheide, in denen in der Unfallversicherung die haftungsausfüllende Kausalität - zunächst - ohne Feststellung eine MdE bejaht wurde. Solange diese Feststellung der Rechtswidrigkeit des früheren Verwaltungsaktes durch einen neuen Bescheid nicht erfolgt ist, bleibt der Ursprungsbescheid rechtmäßig. Ein solcher die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 20. September 1983 feststellender Verwaltungsakt ist entsprechend den Feststellungen des LSG nicht ergangen. Der hier angefochtene Bescheid vom 20.September 1984 lehnt ohne jede Bezugnahme auf den früheren Bescheid ua einen "Dystrophieschaden des rechten Fußes" als Folge des Unfalls ab. Er enthält demnach nicht die Feststellung, daß der frühere Leistungsbescheid rechtswidrig sei. Vielmehr geht der Bescheid vom 20. September 1984 davon aus, über die Feststellung des "Dystrophieschadens am rechten Fuß" könne ohne Bindung an frühere Bescheide entschieden werden. Für eine Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X ist somit nach der Rechtsprechung des 9. Senats (aaO) kein Raum, so daß dahinstehen kann, ob diese Vorschrift in einem Fall wie dem vorliegenden überhaupt anwendbar ist (vgl Brackmann aaO S 584b ff und Mehrtens BG 1983, 557, 558). Streitgegenstand ist damit - wie das SG im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat - nur die Höhe der MdE. Diese zu entscheidende Frage hat das LSG nicht geprüft und hierfür keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen. Da der Senat diese Feststellung selbst nicht nachholen kann, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das LSG wird dabei unter Berücksichtigung des Bescheides vom 20. September 1983 zu prüfen haben, ob beim Kläger eine unfallbedingte MdE von 20 vH vorliegt.

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659690

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