Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 27.06.1989; Aktenzeichen L 3 U 207/88)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. Juni 1989 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Kindergeld unter Berücksichtigung der im Jahre 1940 geborenen T. J. (nachfolgend T. genannt), ihrer Tante, als Pflegekind zusteht.

T. ist seit ihrer Geburt körperlich und geistig behindert (Down-Syndrom = Mongolismus) und steht in ihrer Entwicklung einem 10-jährigen Kinde gleich. Sie ist die Tochter des im Jahre 1895 geborenen und bis zu seinem Tode am 15. Januar 1990 beigeladenen Großvaters der Klägerin.

Die Klägerin – mit Bestallungsurkunde vom 10. November 1987 zur Pflegerin von T. bestellt – zog im August 1984 in das Haus des Großvaters ein, weil auch der damals 89-jährige der Hilfe der Klägerin bedurfte. Dort wohnt sie mit ihrem Ehemann und den 1987 und 1989 geborenen gemeinsamen Kindern.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld unter Berücksichtigung von T. vom August 1987 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. November 1987 ab. Das Kindergeld wurde weiterhin an den verstorbenen früheren Beigeladenen gezahlt. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Bescheid vom 7. Dezember 1987) hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. November 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides verurteilt, der Klägerin Kindergeld für T. in gesetzlicher Dauer und Höhe zu gewähren und T. als Kind bei der Kindergeldzahlung für die Klägerin zu berücksichtigen (Urteil vom 7. Juli 1988).

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: T. habe als Tochter des (verstorbenen) Beigeladenen dessen Kindergeldanspruch begründet. Die Klägerin könnte als Nichte von T. nur anspruchsberechtigt sein, wenn T. als Pflegekind iS von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) anzusehen wäre. Ein Pflegekindschaftsverhältnis könne aber schon begrifflich nicht mehr angenommen werden, wenn Personen, die aufgrund ihres Alters als Erwachsene anzusehen seien, in ein Pflegeverhältnis übernommen würden.

Die Klägerin rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BKGG. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Pflegekindeigenschaft von T. im Verhältnis zur Klägerin verneint.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. Juni 1989 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 7. Juli 1988 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Beigeladene ist während des Revisionsverfahrens verstorben.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG.

In die materielle Rechtsstellung des während des Revisionsverfahrens verstorbenen Beigeladenen ist nach seinem Tode sein Rechtsnachfolger eingetreten, mag es sich dabei um einen Fall der Sonderrechtsnachfolge iS des § 56 des Sozialgesetzbuches, Erstes Buch (SGB 1), oder – falls ein Sonderrechtsnachfolger nicht vorhanden ist – um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge iS des § 58 SGB 1, § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) handeln. Ebenso wie für den verstorbenen Beigeladenen wirkt die hier zu treffende Entscheidung auch für und gegen seinen Rechtsnachfolger. Denn steht der Klägerin das Kindergeld zu, so kommt eine Rückforderung der dem verstorbenen Beigeladenen gewährten Leistung in Betracht (§§ 48, 50 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch). Infolgedessen ist auch der Rechtsnachfolger des verstorbenen Beigeladenen nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen. Der Rechtsnachfolger rückt nämlich nicht kraft Gesetzes in die prozessuale Stellung, die der Verstorbene bisher innegehabt hat (BSG SozR 1500 § 75 Nr. 73). Da die Beiladung nach § 168 SGG im Revisionsverfahren ausgeschlossen ist, mußte das Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur Nachholung der Beiladung des noch zu ermittelnden Rechtsnachfolgers an das LSG zurückverwiesen werden (vgl BSGE 61, 100, 102; SozR 1200 § 54 Nr. 11 mwN sowie BSG SozR 1500 § 75 Nr. 73; Urteil des Senats vom 14. November 1989 – 8 RKnU 5/88).

Das LSG wird auch über die Kosten für das Revisionsverfahren zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1062265

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