Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragszuschuß. Wechselkurs. Umrechnung

 

Orientierungssatz

Die in ausländischer Währung zu einer privaten Krankenversicherung entrichteten Beiträge sind nach dem jeweiligen Durchschnittskurs der Monate, für die die Aufwendungen getätigt werden, in die deutsche Währung umzurechnen.

 

Normenkette

AVG § 83e Abs 1 S 1 Fassung: 1977-06-27; RVO § 1304e Abs 1 S 1 Fassung: 1977-06-27

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 24.11.1983; Aktenzeichen L 8 Anz 8/82)

SG Berlin (Entscheidung vom 14.12.1981; Aktenzeichen S 14 Anz 2073/81)

 

Tatbestand

Streitig ist die Umrechnung von in fremder Währung gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen.

Die 1908 geborene und in den USA lebende Klägerin erhält von der Beklagten zu ihrer Rente einen Beitragszuschuß zu ihrer privaten Krankenversicherung. Diesen Zuschuß berechnete die Beklagte wegen einer Änderung der Prämienhöhen ab Juli 1980 neu. Sie legte nunmehr Krankenversicherungsbeiträge für die Monate Juli 1980 bis Dezember 1980 in Höhe von monatlich 41,90 US-Dollar, für die Monate Januar bis Juni 1981 in Höhe von monatlich 48,- US-Dollar und im Juli 1981 in Höhe von 49,40 US-Dollar zugrunde; die Aufwendungen für 1980 rechnete sie nach dem durchschnittlichen monatlichen Wechselkurs vom Juli 1979 und die für 1981 nach dem vom Juli 1980 in Deutsche Mark (DM) um; da die errechneten Beträge hinter 11% des Rentenzahlbetrages zurückblieben, stellte sie den Beitragszuschuß in Höhe der errechneten DM-Beträge fest und zahlte ihn der Klägerin in US-Dollar nach dem Wechselkurs des Zahltages aus. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Umrechnung der mitgeteilten Dollar-Beträge entspreche nicht dem inzwischen gestiegenen Dollarkurs. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, in Ermangelung einschlägiger gesetzlicher Vorschriften würden die Umrechnungskurse für die Dollaraufwendungen von den Versicherungsträgern für jedes Kalenderjahr nur einmal im voraus festgestellt und auch bei größeren Kursschwankungen nicht verändert.

Die auf Umrechnung zum Tageskurs der jeweiligen Aufwendung, hilfsweise zum jeweiligen monatlichen Durchschnittskurs gerichtete Klage hatte vor dem Sozialgericht (SG) insofern Erfolg, als dieses die Beklagte verurteilte, bei der Festsetzung des Beitragszuschusses den monatlichen Durchschnittskurs US-Dollar zu DM zugrunde zu legen. Die Berufung der Beklagten wurde mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Krankenversicherungsbeiträge nach dem durchschnittlichen monatlichen Wechselkurs im Zeitpunkt der Zahlung umzurechnen seien. Zur Begründung führte das Landessozialgericht (LSG) aus, nach dem Sinn und Zweck des Beitragszuschusses sei auf die valutarischen Verhältnisse in der Bezugszeit abzustellen, so daß bei monatlicher Prämienzahlung der durchschnittliche Monatskurs maßgebend sei. Werde die Prämie für größere Zeiträume gezahlt, komme es auf den Monatsdurchschnitt im Zeitpunkt der Zahlung an.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, eine Feststellung, wie der Gesetzgeber die auch vom LSG angenommene Lücke ausgefüllt hätte, könne nicht getroffen werden. Es sei daher Sache der Versicherungsträger gewesen, die Lücke durch eine dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Praktikabilität entsprechende Regelung zu schließen. Dies habe die Beklagte gemeinsam mit den übrigen Rentenversicherungsträgern und dem VDR nach Beratung durch die Deutsche Bundesbank und im Einvernehmen mit dem BMA getan.

Die Beklagte beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision war das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Nach § 83e Abs 1 Satz 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) in der für die streitige Zeit (1. Juli 1980 bis 31. Juli 1981) maßgebenden Fassung (§ 83e AVG aF) des 20. Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) erhält der Rentner, der nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist, zu seinen Krankenversicherungsbeiträgen bis zu ihrer tatsächlichen Höhe einen monatlichen Zuschuß in Höhe von 11% der monatlichen Rente, wenn er freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist. Damit wird die Höhe des monatlichen Beitragszuschusses durch zwei Grenzbeträge bestimmt, von denen der jeweils niedrigere maßgebend ist; nach den Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, daß das während des streitigen Zeitraums stets der Betrag der Beiträge zur Krankenversicherung gewesen ist. Die Höhe dieser Aufwendungen ist daher für die Höhe des monatlichen Zuschusses bestimmend. Sind sie - wie das hier der Fall ist - in ausländischer Währung getätigt worden, so bedarf es zur Ermittlung des in deutscher Währung auszudrückenden Zuschußbetrages einer Umrechnung in DM.

Darüber, nach welchem Kurs diese Umrechnung zu geschehen hat, ist dem Wortlaut des § 83e AVG aF nichts zu entnehmen. Auch in anderen Vorschriften des AVG und des Sozialgesetzbuches (SGB) fehlt eine allgemeine Regelung, wie Geldleistungen in ausländischer Währung, von deren Höhe in inländischer Währung zu erbringende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach abhängen, in DM zu bewerten sind (vgl SozR 2200 § 1248 Nr 38); eine solche Regelung findet sich auch nicht im deutsch-amerikanischen Abkommensrecht. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, scheidet ebenso eine analoge Anwendung anderer Vorschriften, insbesondere des § 8 Abs 2 Satz 3 des Bundeskindergeldgesetzes, des Art 107 Abs 1, 2 EWG-VO Nr 574/72 oder des § 244 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), aus.

Die sonach gegebene Gesetzeslücke kann nur im Wege der von Einzelanalogien absehenden ergänzenden Rechtsfindung geschlossen werden. Richtlinien hierfür hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 9. November 1982 (SozR 2200 § 1248 Nr 38) bei einer vergleichbaren Lage aufgezeigt. Das Ziel muß es jedenfalls sein, auch dabei einem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers möglichst nahezukommen, selbst wenn es letztlich zweifelhaft bleiben muß, wie der Gesetzgeber konkret die Lücke ausgefüllt hätte. Gerade bei solchen Zweifeln hat sich die ergänzende Rechtsfindung an allgemein anerkannten Prinzipien zu orientieren; wenn es sich um eine Lücke innerhalb einer schon vorhandenen Regelung, hier innerhalb des § 83e AVG aF handelt, hat sie aber vor allem außerdem den Gesamtzusammenhang der auszufüllenden Regelung und den dieser zukommenden Sinn und Zweck zu beachten (SozR aaO).

Zu den allgemeinen Prinzipien gehören die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Praktikabilität, auf welche sich die Beklagte beruft. Es ist ihr zuzugeben, daß bei der hier vorzunehmenden Rechtsfindung dem Gedanken der Praktikabilität in der Tat eine Bedeutung zukommen muß, während der Senat aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz keine Argumente für die Lösung der Beklagten abzuleiten vermag. Das darf jedoch nicht dazu führen, daß, wie es die Beklagte im Ergebnis tut, ausschließlich auf die Praktikabilität abgehoben wird und damit andere wesentliche Erwägungen ausgeschaltet werden. Die Zugrundelegung eines Umrechnungskurses aus einem vergangenen Jahr läßt sich jedenfalls nicht ohne weiteres damit begründen, daß der Beitragszuschuß wie andere Rentenleistungen monatlich im voraus zu zahlen ist. Diese Regel wird fraglich, wenn für die monatliche Leistung auch Verhältnisse von Bedeutung sind, die erst nach Monatsbeginn eintreten oder eintreten können (vgl SozR aa0). Hierzu gehört die Zahlung des oder der Krankenversicherungsbeiträge für einen während des Monats bestehenden privaten Krankenversicherungsschutz. Bei Vorschriften, deren Struktur die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale noch nach dem Monatsbeginn der Leistung erlaubt, muß aber der Versicherungsträger ggf dazu übergehen, zunächst nur eine vorläufige Leistung in vorausschauender Beurteilung zu zahlen und die Leistung endgültig erst später festzusetzen, wie der Senat unter Hinweis auf entsprechende Regelungen in der Kriegsopferversorgung im Urteil vom 15. Dezember 1977 SozR 2200 § 1248 Nr 18, vgl auch Nr 38) bereits dargelegt hat. Das einseitige Abstellen auf die verwaltungsmäßig einfachste Lösung kann schließlich nicht damit gerechtfertigt werden, daß dieses sich früher als für die Leistungsempfänger günstig erwiesen hat und daß nur eine von der Beklagten nicht erwartete Kursentwicklung nun zu anderen Ergebnissen führe.

Damit kommt es im weiteren auf die Gesamtregelung und den Sinn und Zweck des Beitragszuschusses in § 83e AVG aF an. Insoweit läßt sich jedoch nicht verkennen, daß der Beitragszuschuß einem Aufwendungsersatz insbesondere dann gleichkommt, wenn - wie das hier der Fall ist - der Betrag des Beitragszuschusses dem der Aufwendungen für die Krankenversicherung entspricht. Der Empfänger soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers den Betrag erhalten, den er für seine Krankenversicherung bis zu höchstens der vom Gesetzgeber bestimmten Prozentgrenze seiner Rente aufwendet. Von diesem Gedanken des Aufwendungsersatzes läge es nahe, bei den in ausländischer Währung getätigten Aufwendungen als Umrechnungsmaßstab das Verhältnis der beiden Währungen am Tage der jeweiligen Aufwendung heranzuziehen, wie das die Rechtsprechung in anderen Fällen des Aufwendungsersatzes schon getan hat (vgl RGZ 96, 121ff; ferner BGHZ 28, 159, 165). Wollte man jedoch sich allein nach diesem Tageskurs richten, so würden andere bedeutsame Gesichtspunkte, und zwar hier auch solche der Praktikabilität zu sehr zurückgedrängt. Es müßte zu erheblichen Aufklärungsschwierigkeiten führen, wenn in allen Fällen immer der Tag der Prämienzahlung ermittelt werden müßte. Auch beim Blick auf die Gesamtregelung des § 83e AVG aF erscheint das nicht geboten. Diese Vorschrift stellt nämlich nicht darauf ab, zu welchem Zeitpunkt der oder die Krankenversicherungsprämien gezahlt worden sind; entscheidend ist danach vielmehr, für welchen Monat die betreffenden Aufwendungen gemacht worden sind. Das legt es nahe, bei jedem Monat für die sich auf diesen Monat beziehenden Aufwendungen den durchschnittlichen Wechselkurs in diesem Monat zugrunde zu legen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob eine oder mehrere Prämien zu einem oder mehreren Krankenversicherungsunternehmen monatlich, vierteljährlich oder jährlich im voraus oder im nachhinein gezahlt worden sind. Deshalb kann der Senat dem LSG nicht darin zustimmen, daß bei Zahlung der Versicherungsprämien für längere Zeiträume der Durchschnittskurs im Monat der Prämienzahlung maßgebend sei; denn auch in diesen Fällen müßte bei Zahlungen, die zu Zeiten einer Monatswende stattgefunden haben, genau geklärt werden, ob die Zahlung noch im vergangenen oder erst im neuen Monat erfolgt ist.

Obgleich der Senat damit die Rechtsfrage - aufgrund allgemeiner Prinzipien wie aber auch aufgrund von aus § 83e AVG entwickelten Erwägungen - in dem Sinne entschieden hat, daß der monatliche Durchschnittskurs des Bezugsmonats für die Umrechnung der in fremder Währung für diesen Monat getätigten Aufwendungen für eine private Krankenversicherung maßgebend ist, kann der Senat nicht in der Sache abschließend durch ein Grundurteil mit einem dahingehenden Tenor entscheiden. Hierfür fehlen nämlich Feststellungen, die von den Tatsacheninstanzen zu treffen sind. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist es unklar, ob die vom Senat für richtig befundene Umrechnungsmethode für die gesamte streitige Zeit zu höheren Beitragszuschüssen an die Klägerin führt. Die Beklagte nimmt das, wie sie auf entsprechende Frage mitgeteilt hat, nur für die Zeit von Oktober 1980 bis Juli 1981 an; die Klägerin hat sich zu dieser Frage nicht näher geäußert. Voraussetzung für ein Grundurteil nach § 130 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist aber, daß der Klageanspruch, hier auf Erhöhung des Beitragszuschusses, wenigstens in einem Mindestbetrag gegeben ist (SozR Nr 3 zu § 130 SGG).

Aus diesen Gründen mußte der Senat die Sache an das LSG zurückverweisen, das bei der abschließenden Entscheidung auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens mitzubefinden hat. Dabei wird das LSG ferner zu berücksichtigen haben, daß die Klägerin mit einem am 4. Mai 1984 eingegangenen Schriftsatz - also erst nach der am 3. Mai 1984 beschlossenen Entscheidung des Senats - die Klage für die Zeit vor dem 1. Oktober 1980 zurückgenommen hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662600

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