Leitsatz (amtlich)
Ein fiktiver Krankenversicherungsbeitrag kann keinen Beitragszuschuß auslösen; maßgebend ist nur der vom Rentner zu seiner Krankenversicherung tatsächlich gezahlte Beitrag.
Leitsatz (redaktionell)
Höhe des Beitragszuschusses nach § 83e AVG für einen Rentner, zu einem Beitrag zur Krankenversorgung der Bundesbeamten:
1. Die Höhe des Krankenversicherungsbeitrages ist nicht nur in § 83e Abs 1 AVG, sondern auch in Art 2 § 27a Abs 1 S 2 AnVNG (eine in keinem Falle überschreitbare Obergrenze) festgelegt. Art 2 § 27a Abs 2 AnVNG hat für die Ansprüche auf Beitragszuschuß, die schon am 30.6.1977 bestanden haben, diese Obergrenze lediglich für die Zeit vom 1.7.1977 bis zum 30.6.1978 nicht gelten lassen.
2. Die Mitversicherung eines Rentners als Familienangehöriger bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (hier: Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten) begründet keinen Anspruch auf den Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers nach § 1304e Abs 1 RVO (§ 83e Abs 1 AVG).
Normenkette
AVG § 83e Abs. 1 Fassung: 1977-06-27; RVO § 1304e Abs. 1 Fassung: 1977-06-27; AnVNG Art. 2 § 27a Fassung: 1977-06-27; ArVNG Art. 2 § 28a Fassung: 1977-06-27
Verfahrensgang
Tatbestand
Die 1898 geborene Klägerin bezieht seit 1963 von der Beklagten Altersruhegeld. Sie ist durch ihren Ehemann bei der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) mitversichert. Im Juli 1963 bewilligte die Beklagte deshalb der Klägerin einen Beitragszuschuß. Durch Bescheid vom 16. August 1978 setzte die Beklagte den ab 1. Juli 1977 auf 100,-- DM begrenzten Zuschuß auf 26,-- DM für den Monat Juli 1978 und 25,-- DM für die Zeit ab 1. August 1978 neu fest; die letztgenannten Beträge entsprechen der Differenz zwischen dem Beitrag, den der Ehemann an die KVB für sich allein zu leisten hätte, und dem Gesamtbetrag, den er wegen der Mitversicherung der Klägerin zahlen muß.
Der auf Fortzahlung von monatlich 100,-- DM gerichteten Klage gab das Sozialgericht (SG) statt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) auf einen Hilfsantrag der Klägerin die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils verurteilt, den Beitragszuschuß für die Zeit ab 1. Juli 1978 neu festzusetzen nach einem noch von der KVB ohne Berücksichtigung des - der KVB - von der Deutschen Bundesbahn (DB) geleisteten Zuschusses zu berechnenden fiktiven Krankenversicherungsbeitrag - bis zu einem Höchstsatz von 11 vH des monatlichen Rentenbetrages -. In der Begründung ist ausgeführt, nach dem klaren Wortlaut des Art 2 § 27a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) sei vom 1. Juli 1978 an die Höhe des Zuschusses in jedem Falle auf den Betrag des Krankenversicherungsbeitrages begrenzt. Bei diesem müsse jedoch der Zuschuß, den die DB zur Krankenversorgung ihrer Beamten leiste, berücksichtigt werden. Mit ihm erfülle die DB, in deren Bereich es keine Beihilfen gebe, ihre Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten in Krankheitsfällen. Wollte man diesen Zuschuß unberücksichtigt lassen, so würden frühere Bedienstete der DB gegenüber beihilfeberechtigten früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes und gegenüber allen anderen als Arbeitnehmer tätig gewesenen Rentnern benachteiligt. Es könne nicht Sinn der Beihilferegelung sein, den Rentenversicherungsträger von Verpflichtungen gegenüber dem Rentenempfänger auf dessen Kosten zu befreien.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 83e Abs 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und von Art 2 § 27a Abs 2 AnVNG. Da die Mitversicherung bei der KVB einen Anspruch auf den Beitragszuschuß nicht begründe, habe ein solcher nicht bewilligt werden dürfen; an die gleichwohl ausgesprochene Bewilligung sei sie, die Beklagte, jedoch nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Weise gebunden, daß der auf die Mitversicherung entfallende Anteil am Krankenversicherungsbeitrag des Ehemannes der Klägerin als Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin zu behandeln sei. Dem LSG könne nicht gefolgt werden, wenn es dem Beitragszuschuß den Beitrag zugrunde legen wolle, der sich ohne den nach § 27 der Satzung der KVB geleisteten Zuschuß der DB ergäbe. Es widerspreche Sinn und Zweck der durch das 20. Rentenanpassungsgesetz (RAG) getroffenen Neuregelung, ab 1. Juli 1978 einen Beitragszuschuß zu gewähren, der die tatsächliche Höhe des Krankenversicherungsbeitrages übersteige. Wenn Rentner ohne Beihilfeanspruch und ohne KVB-Versicherung in der Regel einen höheren Beitragszuschuß erhielten, so liege das nur daran, daß sie einen höheren Krankenversicherungsbeitrag zahlten.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Aufgrund der angefochtenen Bescheide vom 16. August 1978 und 7. Januar 1980 erhält die Klägerin ab 1. Juli 1978 einen Beitragszuschuß in Höhe von 26,-- DM, ab 1. August 1978 von 25,-- DM und ab 1. März 1979 von 27,-- DM. Einen höheren Zuschuß kann sie für Zeiten ab dem 1. Juli 1978 nicht verlangen.
Daß sie überhaupt für diese Zeiten noch einen Beitragszuschuß erhält, entspricht jedenfalls nicht § 83e Abs 1 Satz 1 AVG, der nach Art 2 § 27a Abs 1 Satz 1 AnVNG auch für Versicherungsfälle vor dem 1. Juli 1977 gilt. Danach erhält, wer - wie die Klägerin - eine Rente aus der Rentenversicherung der Angestellten bezieht und nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist, zu seinen Krankenversicherungsbeiträgen bis zu ihrer tatsächlichen Höhe einen monatlichen Zuschuß in Höhe von 11 % der monatlichen Rente, wenn er entweder - was bei der Klägerin nicht zutrifft - freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder wenn er bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist. Die letzte Voraussetzung ist nicht erfüllt. Wie der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 29. April 1971 (SozR Nr 27 zu § 381 RVO) im Anschluß an sein Urteil vom 13. Februar 1964 (BSGE 20, 159) näher ausgeführt hat (vgl auch SozR 2200 § 173a Nr 1), genügt dazu nicht die Mitversicherung über einen anderen Versicherungsnehmer, hier über den Ehemann. Dem ist für das geltende Recht beizutreten, das in § 83e Abs 1 AVG ebenfalls eine Versicherung des Rentners (vgl im letzten Halbsatz: "er") fordert und ausdrücklich von "seinen Krankenversicherungsbeiträgen" spricht. An beidem fehlt es hier, so daß § 83e Abs 1 AVG für einen höheren Zuschuß keine Grundlage bilden kann.
Ein Anspruch auf einen höheren Zuschuß als 26,-- bzw 25,-- oder 27,-- DM läßt sich auch nicht aus § 77 SGG herleiten. Hierzu erscheint schon zweifelhaft, ob Art 2 § 27a Abs 1 Satz 2 AnVNG nicht für Zeiten nach dem 30. Juni 1977 die Bindungswirkung früherer Bescheide beseitigt hat (§ 77 SGG, letzter Halbsatz), weil nach dem Wortlaut der Vorschrift die Weiterzahlung des Beitragszuschusses - in der dort bestimmten Höhe - nur "bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 83e AVG" zulässig ist. Die Frage kann jedoch offen bleiben. Eine Bindungswirkung könnte keinesfalls über den Sachverhalt hinausgehen, der für die Beklagte der Grund für die Gewährung des Beitragszuschusses im Jahre 1963 war. Das war der Differenzbetrag beim Ehemann der Klägerin zwischen einer Versicherung ohne und mit der Mitversicherung der Klägerin. Ihm entspricht der von der Beklagten zugebilligte Beitragszuschuß.
Diesen zu überschreiten, würde Art 2 § 27a Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 AnVNG selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 83e Abs 1 AVG nicht erlauben. Denn die Höhe des Krankenversicherungsbeitrages ist nicht nur in § 83e Abs 1 AVG, sondern auch in dem mißverständlich formulierten Art 2 § 27a Abs 1 Satz 2 AnVNG ("mindestens in Höhe von 100,-- DM, höchstens bis zur Höhe des Krankenversicherungsbeitrages") eine in keinem Falle überschreitbare Obergrenze; Art 2 § 27a Abs 2 AnVNG hat für die Ansprüche auf Beitragszuschuß, die schon am 30. Juni 1977 bestanden haben, diese Obergrenze lediglich für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis zum 30. Juni 1978 nicht gelten lassen.
Keine Rechtsgrundlage schließlich ist ersichtlich für die Erhöhung des von der Beklagten ab 1. Juli 1978 gewährten Zuschusses um einen "fiktiven Krankenversicherungsbeitrag" im Sinne des angefochtenen Berufungsurteils. Insoweit bestehen schon Bedenken gegen die im Tenor dieses Urteils ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, den Beitragszuschuß auf der Grundlage einer von der KVB vorzunehmenden Berechnung neu festzusetzen. Darin liegt eine Zurückverweisung der Sache an den Versicherungsträger; diese ist nicht nur bei der mit der Anfechtungsklage verbundenen Leistungsklage iS des § 54 Abs 4 SGG unzulässig (vgl ua BSGE 2, 94; 36, 181, 184), sondern auch bei einer reinen Anfechtungsklage iS des § 54 Abs 1 SGG, wie sie hier erhoben war (Klage gegen die Herabsetzung des Beitragszuschusses unter 100,-- DM). Das LSG durfte zudem nicht die am Rechtsstreit nicht beteiligte KVB zur Vornahme einer Berechnung verpflichten und die Beklagte an das von ihr nicht beeinflußbare Ergebnis dieser Berechnung binden.
Diese Bedenken gegen den Urteilstenor können indessen auf sich beruhen. Denn ein fiktiver Krankenversicherungsbeitrag kann in keinem Falle einen Anspruch auf Beitragszuschuß nach § 83e AVG auslösen oder auf dessen Höhe einwirken. Maßgebend nach dieser Vorschrift ist immer nur der tatsächlich gezahlte Krankenversicherungsbeitrag. Insoweit werden alle Rentner gleichbehandelt (Art 3 Abs 1 Grundgesetz). Die Gründe, warum Rentner im Einzelfall einen Beitrag bestimmter Höhe oder keinen Krankenversicherungsbeitrag zahlen, spielen im Rahmen des § 83e AVG keine Rolle. Niemand kann deshalb einen Beitragszuschuß mit der Begründung verlangen, daß für ihn unter gleichen oder anderen Gegebenheiten eine Krankenversicherung bzw höhere Prämien erforderlich gewesen wären. Hiernach sind die Vergleiche des LSG mit beihilfeberechtigten und sonstigen Rentnern von vornherein verfehlt. Wenn die Mitversicherung bei der KVB die Klägerin von Krankheitskosten nicht voll freistellt, so steht nichts im Wege, daß sie - wie etwa Beihilfeberechtigte - eine zusätzliche Krankenversicherung abschließt und zu diesen Krankenversicherungsbeiträgen ebenfalls den Beitragszuschuß - bis zur Höhe von 11 % der Rente - verlangt.
Nach alledem war daher unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Klage abzuweisen; die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen