Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Erfordernissen des Nachweises, daß der durch ein offensichtliches Mißverhältnis begründete Anschein der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise in einem bestimmten Leistungsbereich durch kompensationsfähige Ersparnisse in anderen Leistungsbereichen widerlegt ist.
Leitsatz (redaktionell)
Die Überschreitung des Durchschnittssatzes um ein Vielfaches läßt den Schluß auf unwirtschaftliches Verhalten in einer Vielzahl von Einzelfällen zu; dieser Schluß ist erst dann unzulässig und unbrauchbar, wenn er widerlegt ist und nicht schon dann, wenn lediglich daran gezweifelt wird, ob im Einzelfall die typischen Verhältnisse vorliegen, die Grundlage dieser Schlußfolgerungen sind.
Normenkette
RVO § 368n Abs. 4 Fassung: 1955-08-20
Tenor
Auf die Revision des Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 1973 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Honorarforderungen des Klägers zu Recht wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise gekürzt hat.
In den umstrittenen Abrechnungszeiträumen (fünf Quartale in den Jahren 1964 bis 1968) fiel der Kläger in seiner RVO-Kassenarztpraxis vor allem dadurch auf, daß er für die Sonderleistungen insgesamt oder Gruppen von Sonderleistungen je Behandlungsfall ein Vielfaches (das Drei- bis Zehnfache) des Durchschnittssatzes seiner Arztgruppe - praktische Ärzte - verlangte. Auch hinsichtlich der Gesamthonorarforderungen je Behandlungsfall lag der Kläger um 40 bis 60 v.H. über dem Durchschnitt.
Die - damals satzungsgemäß ohne beschließende Mitwirkung der Krankenkassen entscheidenden - Prüfungseinrichtungen der Beklagten kürzten nach einer Reihe von stichprobenhaften Überprüfungen von Einzelfällen die Honorarforderungen pauschal, und zwar im Ergebnis um 10 bis 25 v.H. der Honorarforderungen aus dem Bereich der beanstandeten Sonderleistungen: Das Mißverhältnis zwischen den Honorarforderungen des Klägers und den durchschnittlichen Honorarforderungen sei auch angesichts der von dem Kläger geltend gemachten Besonderheiten der Praxisführung offensichtlich. Die aufwendige diagnostische Tätigkeit des Klägers in seiner internistisch ausgerichteten Praxis sei vor allem deshalb als unwirtschaftlich zu kennzeichnen, weil diese Tätigkeit vielfach routinemäßig und oft ohne therapeutische Konsequenzen durchgeführt worden sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und gemeint, die Besonderheiten, auf die sich der Kläger berufe, seien dadurch genügend berücksichtigt worden, daß ihm immerhin eine 40 bis 50 %ige Überschreitung der Gesamthonorarkosten je Behandlungsfall belassen worden sei (Urteil des SG Frankfurt vom 29. April 1970).
Das Landessozialgericht (LSG) hat der Klage stattgegeben. Es hat unter Zusammenrechnung von Gesamthonorarforderung, Honorarforderung für Sonderleistungen, Arzneikosten für Nichtrentner-Mitglieder und Arzneikosten für Rentner "Gesamtkosten" für den Einzelfall errechnet und bei einem Vergleich dieser dergestalt ermittelten "Gesamtkosten" mit denen der vergleichbaren Arztgruppe festgestellt, daß der Kläger mit diesen Werten nicht erheblich über dem Gruppendurchschnitt läge. Da die beteiligten Krankenkassen die Verordnungsblätter der maßgebenden Quartale vernichtet hätten, der Kläger aber anhand eines neueren Quartals (II/1971) nachgewiesen habe, daß er vorrangig der Behandlung dienende Arzneimittel und weniger schmerzlindernde und dämpfende Mittel verordnet habe als andere Ärzte, sei zu seinen Gunsten davon auszugehen, daß die Arzneimittelersparnis auf die kostspieligere Diagnose zurückzuführen sei. Außerdem sei bei der internistisch ausgerichteten Praxis des Klägers nicht von dem Durchschnittssatz für praktische Ärzte, sondern von einem Satz zwischen dieser Arztgruppe und der Arztgruppe der Internisten auszugehen. Da eine pauschale Honorarkürzung somit mangels offensichtlichen Mißverhältnisses zwischen den Honorarforderungen des Klägers und den durchschnittlichen Honorarforderungen seiner Arztgruppe nicht zulässig sei, seien die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Es stehe im Ermessen der Beklagten, anhand einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung kompensationsfähiger Ersparnisse in anderen Leistungsbereichen die Frage der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Sonderleistungen zu klären und sodann Abstriche im einzelnen vorzunehmen und zu begründen.
Der beigeladene Landesverband der Ortskrankenkassen hat die zugelassene Revision eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. Da hinsichtlich der Sonderleistungen unbestritten ein offensichtliches Mißverhältnis zwischen den Honorarforderungen des Klägers und denen der vergleichbaren Ärzte vorliege, könnte die Berechtigung der recht geringfügigen Honorarabstriche nur dann in Zweifel gezogen werden, wenn ein Rechtfertigungsgrund für diese Behandlungsweise festgestellt werden könne. Das SG habe das Gewicht der Kostenersparnis bei Medikamenten im Verhältnis zu den Gesamtkosten fehlerhaft berechnet. Eine richtige Berechnung hätte ergeben, daß die Arzneimittelersparnis den Mehraufwand des Klägers nur zu einem geringen Teil ausgeglichen habe. Außerdem habe das LSG die Kausalität zwischen den Mehrkosten bei den Sonderleistungen und der Kostenersparnis bei den Medikamenten ohne Prüfung unterstellt. Das LSG hätte nicht ohne weitere Beweiserhebung - etwa anhand der eigenen Unterlagen des Klägers - aus der Verordnungsweise des Klägers in einem nicht in Streit stehenden Quartal auf seine Verordnungsweise in den umstrittenen Quartalen schließen dürfen. Schließlich sei das LSG nicht auf das wiederholte Argument der Revisionsklägerin und der Beklagten eingegangen, daß die von dem Kläger behauptete gezielte Diagnostik eher eine aufwendigere Therapeutik - auch mit Medikamenten - hätte erwarten lassen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er meint, der dem LSG unterlaufene Rechenirrtum sei sachlich unerheblich, weil auch bei der von der Revision für richtig gehaltenen Berechnungsmethode keine erhebliche Durchschnittsüberschreitung festzustellen sei. Im übrigen seien bei ihm weniger Krankschreibungen, Krankenhauseinweisungen und Facharztüberweisungen zu verzeichnen als bei praktischen Ärzten sonst. Den Krankenkassen wären viele Millionen erspart worden, wenn alle praktischen Ärzte seine Methode der aufwendigeren, aber doch im Ergebnis wirtschaftlicheren Diagnose angewendet hätten.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 2) nehmen im Sinne der Revision Stellung. Der Beigeladene zu 3) hat keine Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Die Auffassung des LSG, die auffallenden Mehrforderungen des Klägers bei den Sonderleistungen seien zu einem derart großen Teil durch Arzneimitteleinsparungen ausgeglichen, daß eine pauschale Kürzung nicht gerechtfertigt sei, beruht auf Feststellungen, die die Revision mit Erfolg angegriffen hat. Das gilt sowohl für die von dem LSG errechneten Vergleichswerte wie auch für den Zusammenhang von Mehr- und Minderkosten.
Das LSG ist aufgrund fehlerhaften Ansatzes von statistischen Werten - somit unter Verstoß gegen § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - zu dem Ergebnis gekommen, die Aufwendungen der Krankenkassen für Honorar und Arznei insgesamt lägen bei den Patienten des Klägers nur geringfügig über den entsprechenden durchschnittlichen Aufwendungen seiner Arztgruppe. Es hat zur Beurteilung der Frage, ob die Honorarforderungen des Klägers in offensichtlichem Mißverhältnis zu den Durchschnittswerten der mit ihm vergleichbaren Arztgruppe stehen, "Gesamtkosten" gebildet, indem es - immer als Durchschnittswerte des Einzelfalls - die Gesamthonorarforderung mit der Honorarforderung für Sonderleistungen, dem Arzneimittelaufwand für Rentner-Mitglieder und dem für Nichtrentner-Mitglieder zusammengerechnet hat. Diesen Fallwert hat es dann dem entsprechend ermittelten Durchschnittswert der Vergleichsgruppe (praktische Ärzte in W) gegenübergestellt. Ein solches Verfahren ist - auch nach der Zielsetzung des LSG - zur Gewinnung eines für eine Vergleichsbetrachtung brauchbaren Durchschnittswerts vom Ansatz her ungeeignet; denn es verwendet zum Teil Leistungsansätze doppelt (so, indem es die Honorarforderung für Sonderleistungen, die in der Gesamthonorarforderung enthalten ist, zu dieser hinzugerechnet hat), zum Teil verwendet es Einzelfall-Durchschnittswerte, die zur Gewinnung eines aussagefähigen Gesamtkosten-Fallwerts erst unter Berücksichtigung der jeweiligen Mitgliederzahlen hätten umgerechnet werden müssen (so beim Arzneimittelaufwand für Rentner-Mitglieder und Nichtrentner-Mitglieder).
Abgesehen hiervon kann aber auch der rechtliche Gesichtspunkt, von dem sich das LSG bei der Beurteilung des "offensichtlichen Mißverhältnisses" hat leiten lassen, nicht gebilligt werden. Ist ein offensichtliches Mißverhältnis zwischen der Honorarforderung des Kassenarztes und dem Durchschnittswert der vergleichbaren Arztgruppe, das den Prüfungsinstanzen erlaubt, vom Nachweis der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise anhand einzelner Behandlungsfälle abzusehen, für einzelne Leistungsarten festgestellt worden (BSG 17, 79, 85 f), so ergibt sich erst dann die weitere - zu einer Gesamtwürdigung des Praxisverhaltens des Kassenarztes führende - Fragestellung, ob die Besonderheiten seiner Praxis den Mehraufwand rechtfertigen (BSG 11, 102, 115; 17, 79, 85) oder ob der Mehraufwand ursächlich für den Minderaufwand in eigenen oder fremden Leistungsbereichen gewesen ist (BSG 17, 79, 86 ff).
Im vorliegenden Fall ist angesichts der Tatsache, daß der Kläger bei den in Frage stehenden Sonderleistungen die entsprechenden Durchschnittswerte der praktischen Ärzte W um ein Vielfaches überschreitet, das "offensichtliche Mißverhältnis" gegeben. Nach Auffassung des LSG haben die Prüfungsinstanzen jedoch unberücksichtigt gelassen, daß der Kläger mit dem namentlich auf seine Laborleistungen entfallenden Mehraufwand Ersparnisse in anderen Behandlungsbereichen erzielt hat, die bei der Gesamtabwägung der Wirtschaftlichkeit mit zu berücksichtigen sind. Indessen lassen die bisherigen Ermittlungen nicht den Schluß zu, daß die Minderaufwendungen in anderen Leistungsbereichen, insbesondere im Arzneimittelbereich, auf die Mehrleistungen im Bereich der Sonderleistungen zurückzuführen sind. Daß auch beim Kläger nicht jeder Minderaufwand in bestimmten Teilbereichen eine kompensationsfähige Ersparnis darstellt, wird zum Beispiel daran deutlich, daß der Kläger äußerst wenige Hausbesuche durchführte, was sicher nicht ohne weiteres als wirtschaftliches Verhalten gekennzeichnet werden kann.
Das LSG hat zwar nicht - wie die Revision meint - die Kausalität von Mehr- und Minderaufwendungen einfach unterstellt. Es ist aber - was die Revision zutreffend rügt - ohne ausreichende Rechtsgrundlage davon ausgegangen, daß dem Kläger hinsichtlich der Kausalität von Mehr- und Minderaufwendungen in den strittigen Quartalen eine Beweiserleichterung zustatten komme. Der Schluß von der Verordnungsweise des Klägers in einer Zeit, als das Verfahren vor dem LSG schon anhängig war, auf die Verordnungsweise in den mehrere Jahre zurückliegenden umstrittenen Abrechnungsquartalen wäre aber allenfalls dann in Erwägung zu ziehen, wenn der Kläger infolge des Verhaltens der Gegenseite in eine Beweisnot gebracht worden wäre. Die routinemäßige Vernichtung der Verordnungsblätter durch die Krankenkassen brauchte indessen diese Folge nicht zu haben, weil die eigenen Unterlagen des Klägers als möglicherweise hinreichend sichere Beweismittel zur Verfügung standen. Zwar mögen sich aus diesen Unterlagen - wie der Kläger in der Berufungsinstanz vorgetragen hat - nicht die Preise der Medikamente ergeben; nach der Rechtsauffassung des LSG war aber die Frage der Kausalität nicht vom Preis, sondern von der Häufigkeit der Verordnung bestimmter Medikamente abhängig. Das LSG war demnach gemäß § 103 SGG verpflichtet, auch für die umstrittenen Quartale die vorliegenden Beweismöglichkeiten auszuschöpfen, und es war nach § 128 SGG nicht berechtigt, ohne diese Beweiserhebungen Feststellungen zu treffen. Eine fachkundige Überprüfung der Verordnungsweise in den umstrittenen Quartalen - etwa auch unter Mitwirkung des Klägers selbst - hätte möglicherweise auch Aufschluß darüber geben können, ob der Kläger wesentlich mehr Ärztemuster ausgegeben hat als andere Ärzte. Die entsprechende Behauptung der Beklagten durfte ohne weitere Ermittlungen nicht zugunsten des Klägers als unbeweisbar behandelt werden.
Aber auch wenn - aufgrund einer erneuten Beweiserhebung - festgestellt werden könnte, daß der Kläger in den umstrittenen Quartalen in ähnlicher Weise hinsichtlich der Medikamentenverordnung vorgegangen ist, wie vom LSG für das 2. Quartal 1971 festgestellt, wäre nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit dargetan, daß zwischen der Ersparnis in diesem Bereich und den Mehrleistungen im Behandlungsbereich das geschilderte kausale Verhältnis besteht. Wenn - wie hier - die statistischen Ergebnisse hinsichtlich eines größeren Bereiches kassenärztlicher Tätigkeiten zu der Erkenntnis führen, daß eine Überschreitung des Durchschnittssatzes um ein Vielfaches vorliegt, sind an die Gründe, die gegen den sich zunächst aufdrängenden Anschein der Unwirtschaftlichkeit richten, höhere Anforderungen zu stellen, als das LSG offenbar annimmt. Etwaige Unsicherheiten der statistischer Methode - aussagekräftiger als der arithmetische Durchschnitt wäre möglicherweise ein anderer Mittelwert - fallen bei einer derartigen Überschreitung nicht ins Gewicht. Eine auffällige Überschreitung eines - wie immer berechneten - Mittelwertes stellt allerdings für sich keine unwirtschaftliche Verhaltensweise dar, die nur unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein könnte. Die Überschreitung um ein Vielfaches läßt vielmehr nur den Schluß auf die Tatsachen zu, die dem Arzt im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgehalten werden: unwirtschaftliches Verhalten in einer Vielzahl von Einzelfällen. Dieser Schluß ist aber im Unterschied zu dem Beweis des ersten Anscheins, wie er im Zivilrecht zu verstehen ist, nicht schon dann ausgeschlossen, wenn lediglich Zweifel daran begründet sind, ob im Einzelfall die typischen Verhältnisse vorliegen, die Grundlage dieser Schlußfolgerung sind. Der "Anscheinsbeweis" im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist nicht schon dann unbrauchbar, wenn er "erschüttert" ist; er muß vielmehr, wie der Senat bereits in BSG 17, 79, 87 formuliert hat, "widerlegt" werden. Dieses Erfordernis ist nicht nur aus praktischen Gründen - Funktionsfähigkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung überhaupt - zu rechtfertigen. Es ergibt sich daraus, daß den Mittelwerten, wenn sie nach den Methoden der statistischen Wissenschaft richtig ermittelt sind, eine richtungweisende Wirkung zukommt. Dies hat zwar zur Voraussetzung, daß die überwiegende Mehrheit der in Betracht kommenden Kassenärzte wirtschaftlich handelt. Von dieser Voraussetzung kann aber ausgegangen werden, weil - wie der Senat schon im anderen Zusammenhang ausgeführt hat (vgl. Urteil vom 18. September 1973 in SozR Nr. 7 zu § 368g RVO) - im Bereich der Selbstverwaltung die erforderliche Konkretisierung schwer bestimmbarer Rechtsbegriffe in weitem Umfang denjenigen überlassen werden kann, die es in erster Linie angeht und die auch die besten fachlichen Qualifikationen für diese Konkretisierung haben. Hat somit der Mittelwert - gegliedert nach Fachbereichen und sonstigen Merkmalen - eine gewisse normative Wirkung, dann gilt er gerade für Zweifelsfälle.
In welcher Weise der Anschein der Unwirtschaftlichkeit zu widerlegen ist, kann nicht allgemein gesagt werden. Es ist zu unterscheiden zwischen den Einwendungen, die sich gegen die Anwendbarkeit der statistischen Methode auf den besonderen Fall richten, und den Einwendungen, die sich auf die Behauptung stützen, die besondere Kosten verursachende Behandlungs- und Verordnungsweise sei auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit besser als die der Mehrheit der anderen Ärzte. Hinsichtlich der erstgenannten Art von Einwendungen lassen sich im allgemeinen hinreichend sichere Feststellungen treffen, wenn der betreffende Arzt aktiv am Beweisverfahren mitwirkt und im einzelnen darlegt, daß Besonderheiten der Praxis vorliegen, die vor allem in einem besonderen Patientenkreis zu suchen sind, der typsicherweise höhere Kosten verursacht. In diesem Zusammenhang steht die Behauptung des Klägers, er habe vielfach Patienten versorgt, die von anderen praktischen Ärzten an Fachärzte überwiesen worden wären. Dieser Behauptung ist das LSG noch nicht weiter nachgegangen. Aber auch die vom LSG jedenfalls teilweise für richtig gehaltene Ansicht des Klägers, seine jeglichen Mittelwert überschreitenden Diagnoseleistungen seien im Ergebnis wirtschaftlicher, ist nicht hinreichend belegt. Ungeklärt geblieben ist, was die Revision besonders hervorhebt, ob die relativ eingeschränkte Verwendung von Arzneimitteln tatsächlich wirtschaftlicher ist. Die Tatsache, daß auch wesentliche Durchschnittsunterschreitungen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung angezeigt erscheinen lassen können (vgl. § 8 Abs. 1e der Prüfungsvereinbarungen der Beklagten mit den Landesverbänden der Krankenkassen vom 1. Januar 1971) zeigt, daß Minderkosten nicht ohne weiteres ein Indiz für Wirtschaftlichkeit sind. Ob die Minderkosten im Arzneimittelbereich mit Mehraufwendungen im Diagnosebereich im inneren Zusammenhang stehen, ist auch angesichts der Behauptung der Beklagten und der Revisionsklägerin noch klärungsbedürftig, daß wirksame Diagnosemaßnahmen zwar eine gezielte, aber doch eine umfangreiche, auch medikamentöse, Behandlung regelmäßig zur Folge haben müßten. Diesem Gegeneinwand kommt besonders deshalb beachtliches Gewicht zu, weil die Arzneimittelersparnis möglicherweise im Widerspruch mit der Behauptung des Klägers steht, daß er nicht nur eine internistisch ausgerichtete Diagnostik, sondern auch eine solche Therapeutik betreibe.
Die besonders zurückhaltende Verordnung von schmerzstillenden und dämpfenden Mitteln deutet zwar auf Wirtschaftlichkeit hin, weil man davon ausgehen kann, daß solche Medikamente regelmäßig nicht der Behandlung dienen und damit keine "gezielte" Verordnungsweise darstellen. Ob umgekehrt von einer gezielten Verordnungsweise üblicherweise allerdings schon dann gesprochen werden kann, wenn die Verschreibung von solchen Medikamenten besonders eingeschränkt wird, bleibt ohne weitere wissenschaftlich begründete Hinweise zweifelhaft.
Da somit nicht hinreichend wahrscheinlich ist, daß in der streitigen Zeit gerade die auffallenden Mehrleistungen zu Einsparungen geführt haben, ist der Anschein unwirtschaftlichen Verhaltens nicht widerlegt. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, etwaige Beweismöglichkeiten in dieser Richtung zu nutzen, vor allem aber auch die Besonderheiten seiner Praxis - besonderer Patientenkreis, weniger Facharztüberweisungen - darzutun, ist die Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (auch über die Kosten des Revisionsverfahrens) geboten (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Hierbei wird zu berücksichtigen sein, daß die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (BSG 11, 102, 117; 17, 79, 84; 19, 123, 127) mit der Folge, daß die gerichtliche Tatsacheninstanz eine ungenügende Sachaufklärung der Prüfungsinstanzen in eigener Verantwortung nachzuholen hat. Führt das Ergebnis der neuen Verhandlung zur Feststellung, daß der Kläger nicht unwirtschaftlich behandelt hat, so muß auf jeden Fall in dem Sinne abschließend entschieden werden, daß für eine erneute Entscheidung der Verwaltung kein Raum bleibt. Andernfalls kann allerdings der Ermessensbereich der Verwaltung berührt werden, soweit es sich nämlich um die Festsetzung der Höhe des Kürzungsbetrages handelt (BSG 17, 79, 88). Ergibt die gerichtliche Nachprüfung, daß zwar Unwirtschaftlichkeit vorliegt, der Beklagten aber bei der von ihr gleichermaßen getroffenen Feststellung der Unwirtschaftlichkeit in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht wesentliche Fehler unterlaufen sind, die die Höhe der Honorarkürzung hätten beeinflussen können, so muß der letzten Prüfungsinstanz Gelegenheit gegeben werden, zur Frage der Aufrechterhaltung oder Änderung ihres Kürzungsbescheides Stellung zu nehmen. Dabei kann sich - wie möglicherweise im vorliegenden Fall - ergeben, daß angesichts der Vielzahl der überprüften Einzelfälle der geringere Kürzungsbetrag, auf den sich die Beklagte beschränkt hat, aufgrund einer Schätzung ("Hochrechnung", vgl. § 11 Abs. 4 der Geschäftsordnung für die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse der Beklagten in der vom 1. Juli 1968 an gültigen Fassung) gerechtfertigt ist und daß die Beklagte nach der Begründung der Beschwerdebescheide ihr Ermessen auch in diesem Sinne bereits ausgeübt hat.
Fundstellen