Leitsatz (redaktionell)
Überschreitet das nach AFG § 40 Abs 1 aF auf die Berufsausbildungsbeihilfe anzurechnende Einkommen der Unterhaltsverpflichteten die Freigrenzen, so wird die Unterhaltsverpflichtung durch die Berechnungsvorschriften der AusbFöAnO als bestehend vermutet. Es ist dann nicht Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeit, die Unterhaltsverpflichtung im einzelnen nachzuprüfen.
Orientierungssatz
Tilgungsleistungen der Unterhaltsverpflichteten des Auszubildenden für Gelder, die zum Erwerb eines Hauses aufgenommen wurden, stehen Mietzahlungen nicht gleich und sind daher im Rahmen des A Ausb § 16 Abs 4 den übrigen Freibeträgen nicht hinzuzufügen.
Normenkette
AFG § 40 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; AusbFöAnO § 16 Abs. 4 Fassung: 1971-07-28
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 1974 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. Dezember 1973 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 1. September 1971 bis 2. August 1973 zu gewähren hat.
Der 1952 geborene Kläger begann am 1. September 1970 eine Ausbildung als Zahntechniker, die er Anfang März 1974 abschloß. Für die Zeit vom 1. September 1970 bis 31. August 1971 gewährte die Beklagte dem Kläger BAB. Für die daran anschließende Zeit lehnte sie die Gewährung von BAB ab, weil das anzurechnende Einkommen der Eltern den Gesamtbedarf für die Ausbildung des Klägers übersteige (Bescheid vom 21. September 1971; Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1972). Die Beklagte berücksichtigte dabei, daß der Vater des Klägers ein monatliches Einkommen (Pension und Unfallausgleich) in Höhe von 1.436,44 DM hatte, wovon die Beklagte 202,- DM nicht anrechnete, weil es sich um Unfallausgleich nach Art. 152 des Bayerischen Beamtengesetzes handelte.
Danach setzte die Beklagte als Belastung für Hausbesitz (insgesamt 258,14 DM) ab, und zwar für:
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Grund- und Gebäudesteuer, |
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Beiträge für Feuerversicherung und sonstige Versicherungen des Grundstücks, |
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Kosten für Straßen- und Schornsteinreinigung, |
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Kosten für Müllabfuhr und Kanalbenutzung, |
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Hypothekengewinnabgabe, |
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50,- DM monatlich für den Erhaltungsaufwand. |
Diese Beträge verminderte die Beklagte um den Miet- und Lastenzuschuß nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) (85,- DM); sie lehnte es dagegen ab, auch die Tilgungsleistungen zu berücksichtigen, die der Vater des Klägers zu erbringen hatte und die zusammen mit den übrigen Grundstückskosten nach Darstellung des Klägers 390,26 DM ausmachten. Für den Vater des Klägers setzte die Beklagte 500,- DM, für die nichtberufstätige Mutter 200,- DM und für die Schwester des Klägers 150,- DM an Freibeträgen ab, berücksichtigte die Belastung aus Hausbesitz mit 173,14 DM (= 258,14 DM - 85,- DM) und gelangte zu einem anzurechnenden Einkommen der Eltern des Klägers von 211,30 DM. Den Bedarf des Klägers für den Lebensunterhalt nahm sie bis zum 31. März 1972 mit 240,- DM und den für die Ausbildung mit 38,- DM monatlich an. Dem Gesamtbedarf von 278,- DM stellte sie das Einkommen des Klägers aus seinem Ausbildungsverhältnis (Ausbildungsvergütung netto: 140,- DM) und das nach ihrer Auffassung anzurechnende Einkommen der Eltern in Höhe von 211,30 DM, zusammen also 351,30 DM gegenüber. Für die Zeit ab 1. April 1972 (Inkrafttreten der 3. Änderungsanordnung zur A Ausbildung vom 16. Dezember 1971 (ANBA 1972, 255) berechnete die Beklagte den Bedarf für den Lebensunterhalt des Klägers mit 270,- DM. Auch dann überstieg das anzurechnende Einkommen des Klägers und seiner Eltern seinen Bedarf.
Das Sozialgericht (SG) hat unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, die bereits von ihr zugebilligten Abzüge von dem Einkommen der Eltern des Klägers wegen der Belastung für den Hausbau nicht insoweit um den gewährten Miet- oder Lastenzuschuß nach dem WoGG und vergleichbaren Leistungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (WoBauG) zu mindern, als dadurch ein Mehrbedarf des Vaters des Klägers als Schwerbeschädigter am Wohnraum ausgeglichen werde und ihm ein Freibetrag von jährlich 1.200,- DM zugebilligt werde (Urteil vom 11. Dezember 1973). Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 18. Januar 1974 dem Kläger mitgeteilt, daß sich auch bei dieser Berechnung keine BAB ergebe. Nach dem Urteil des SG seien nur noch 65,- DM Wohngeld anzurechnen.
Mit Urteil vom 24. Oktober 1974 hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide dahin geändert, daß die Beklagte bei der Berechnung der BAB vom 1. September 1971 an das anrechenbare Einkommen der Eltern des Klägers auch um die Beiträge zu kürzen habe, mit denen das zum Erwerb ihres Eigenheimes in Anspruch genommene Fremdkapital getilgt werde.
Es hat dazu ausgeführt:
Wann den Unterhaltspflichtigen des Auszubildenden "üblicherweise nicht zugemutet" werde, die Mittel für die Ausbildung aufzubringen, so daß die Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach § 40 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu leisten habe, sei durch die Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (A Ausbildung) vom 31. Oktober 1969 geregelt. Nach dieser Anordnung sei das Einkommen der Eltern auf den Bedarf des Auszubildenden nur anzurechnen, soweit es bestimmte nach der Anzahl der Familienmitglieder bemessene Freibeträge übersteige. Diesen Freibeträgen seien nach § 16 Absatz 4 A Ausbildung die von den Eltern aufzubringenden Mieten und damit verbundenen Nebenkosten oder die vergleichbare Belastung durch ein eigenes Haus oder durch eine Eigentumswohnung hinzuzurechnen. § 16 Abs. 4 A Ausbildung entspreche dem Grundgedanken, daß bei der Prüfung der Zumutbarkeit von Unterhaltsleistungen der Eltern deren feste laufende Auslagen, die dem Erwerb und der Erhaltung des Wohneigentums dienten, nicht als Einkommen anzusetzen seien. Dadurch solle sichergestellt werden, daß die für die Wohnung erforderlichen und bestimmten Einkommensteile der Eltern unangetastet blieben und so der bisherige Lebensstandard in Bezug auf die Wohnverhältnisse auch während der Ausbildung eines unterhaltsberechtigten Familienmitgliedes erhalten werde. Die Vorschrift sei vergleichbar mit § 18 Abs. 5 A Ausbildung, wonach bestimmte zweckgebundene Sonderleistungen nicht als Einkommen anzusehen seien und auf diesem Wege ebenfalls von vornherein von der Berücksichtigung ausgeschlossen würden. Unter Würdigung des vom Anordnungsgeber verwendeten Systems der Einkommensanrechnung seien daher ebenso wie Mieten und Nebenkosten alle Auslagen, die Eigentümern der von ihnen selbst bewohnten Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen laufend erwüchsen und ihnen aus diesem Grunde nicht mehr für den übrigen laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung stünden, vom Einkommen - über die Anrechnung als zusätzlicher Freibetrag - abzusetzen. Dies treffe aber auf die laufend zu leistenden vertraglich festgelegten Tilgungsraten für Fremdkapital in gleicher Weise zu, wie auf einen gewissen Erhaltungsaufwand, feste, den Eigentümer treffende Kosten, Abgaben und Steuern sowie auf Zinsleistungen für dinglich gesicherte Darlehen. Auch der laufenden Tilgung von Darlehen könne sich der Eigentümer nicht entziehen, ohne dadurch den Besitz der Familienwohnung zu gefährden. Gerade dies solle aber den Eltern von Auszubildenden nach dem Willen des Anordnungsgebers - und wohl auch des Gesetzgebers nach § 40 Abs. 1 AFG - nicht zugemutet werden.
Dem lasse sich nicht entgegenhalten, daß die Tilgungsraten anders als die Miete zu einem Wertzuwachs führten. Darauf komme es bei der Regelung des § 16 Abs. 4 A Ausbildung nicht an. Sie behandele Mieter und Eigentümer von Wohnungen gleich und berücksichtige allein deren Wohnverhältnisse, die bis zum Beginn der Ausbildung bestanden hätten. Die Rechtsform, in der Wohnraum für die Familie bereitgestellt werde, sei für die tatsächliche laufende wirtschaftliche Belastung ohne Bedeutung. Für die Zumutbarkeit von Unterhaltsleistungen zur Zeit der Ausbildung könne es daher nicht erheblich sein, ob die Aufwendungen für die Wohnung dem Vermieter zuflössen oder durch Tilgung von Fremdkapital - wenigstens teilweise - dem Vermögen der Eltern erhalten blieben; denn diesen Teil des Vermögens könnten die Eltern vom Auszubildenden nicht verwerten, ohne damit gleichzeitig ihre Wohnung zu verlieren. Dies solle aber durch § 16 Abs. 4 A Ausbildung vermieden werden.
Im übrigen treffe es nicht allgemein zu, daß die Tilgung von Fremdkapital, das zur Finanzierung eines Eigenheimes verwendet werde, zu einem Wertzuwachs für den Eigentümer führe; denn dem Vermögenszuwachs durch Tilgung des Fremdkapitals stehe die Wertminderung des Gebäudes durch Zeitablauf und Abnützung gegenüber.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 40 AFG und 16 A Ausbildung durch das LSG. Sie bringt hierzu insbesondere vor:
Das LSG stütze seine Auffassung auf eine Anwendung der im Wohngeldrecht geltenden Grundsätze. Es gehe bei der Auslegung des Begriffs "vergleichbare Belastung" in § 16 Abs. 4 A Ausbildung von der Definition aus, die der in § 6 des 2. WoGG enthaltene Begriff "Belastung aus dem Kapitaldienst" durch § 13 Abs. 1 Nr. 2 der Wohngeldverordnung vom 21. Dezember 1971 gefunden habe. Nach dieser Vorschrift gehörten die Tilgungen der ausgewiesenen Fremdmittel zur Belastung. Wenn das LSG dem Belastungsbegriff des Wohngeldrechts eine über dieses Rechtsgebiet hinausgehende Bedeutung beilegen wolle, so könne dies jedenfalls für den Bereich der BAB nach dem AFG wegen der unterschiedlichen Zweckbestimmung beider Sozialleistungen nicht gelten. Während das Wohngeld zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens gewährt werde (§ 1 WoGG), habe die BAB den Zweck, wirtschaftliche Schwierigkeiten, die einer angemessenen beruflichen Ausbildung entgegenstünden, zu überwinden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 A Ausbildung). Während der Begriff "Belastung aus dem Kapitaldienst" (§ 6 WoGG) schon dem Wortsinn nach alle aus der Inanspruchnahme von Fremdkapital herrührenden Belastungen umfasse, spreche der Begriff "den Mieten vergleichbare Belastung" (§ 16 Abs. 4 A Ausbildung) für den Ausschluß von Tilgungen, da Miete im Normalfall zwar eine Verzinsung des aufgewendeten Kapitals, nicht aber Tilgungsleistungen enthalte. Tilgungsleistungen stellten eine Überführung von Einkommen in Vermögen dar. Als Nebeneffekt sei die Bezuschussung der Vermögensbildung durch Eigenheimbau mit dem Zweck der Wohngeldgewährung durchaus vereinbar, nicht jedoch mit dem Zweck der aus dem Beitragseinkommen der BA finanzierten BAB. Auch bei der Ausbildungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) werde das anzurechnende Einkommen (§ 79 BSHG) zwar um "Kosten der Unterkunft" verringert; nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) (9. Dezember 1970, V C 73.70 - Buchholz 436.0 Nr. 2 zu § 79 BSHG) zählte für ein Eigenheim aufzubringende Tilgungsleistung unter anderem nicht zu den Kosten der Unterkunft, weil durch diese Beträge Einkommen in Vermögen überführt werde und dieser Vorgang außerhalb der Zielsetzung des BSHG liege. BAB nach dem AFG und Ausbildungshilfe nach dem BSHG hätten aber die gleiche Zweckbestimmung.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. Dezember 1973 die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Das LSG geht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß die Voraussetzungen eines Anspruchs auf BAB in der Person des Klägers vorliegen und daß nur noch darüber zu befinden ist, ob von dem anzurechnenden Einkommen der Eltern des Klägers auch die Tilgungsleistungen für ihr Haus abzusetzen sind (§ 163 SGG). Nur diese Frage ist im Revisionsverfahren streitig.
Anzuwenden ist § 40 AFG in der Fassung vor der Änderung durch das Haushaltsstrukturgesetz-AFG v. 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113). Danach hat der Ausbildungswillige einen Anspruch auf Förderung, soweit er "die hierfür erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen kann" und seinen "Unterhaltsverpflichteten die Aufbringung üblicherweise nicht zugemutet wird". Nach der hierzu ergangenen Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (A Ausbildung) vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970, 213) in der Fassung der Zweiten Änderungsanordnung v. 28. Juli 1971 (ANBA 1971, 479) sind nach § 16 Abs. 4 den Freibeträgen, die nach dem (insoweit jeweils den veränderten Wirtschaftsverhältnissen angepaßten Abs. 1 des § 16) als Einkommen nicht anzurechnen sind, "die Mieten und damit verbundenen Nebenkosten oder die vergleichbare Belastung durch eigenes Haus oder Eigentumswohnung u. ä. hinzuzurechnen". Die Auslegung dieser Bestimmungen ergibt, daß grundsätzlich Tilgungsleistungen, die der Unterhaltsverpflichtete zum Erwerb eines eigenen Hauses zu leisten hat, nicht abzuziehen sind, wenn das Einkommen errechnet wird, das bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Anspruchstellers nach § 40 AFG in Betracht kommt.
Die Materialien zu § 40 AFG lassen allerdings insoweit zur Auslegung nicht mehr erkennen als der Wortlaut der Vorschrift selbst (vgl. BR-Drucks. 484/67 S. 66 zu § 38 AFG).
Mit § 40 Abs. 1 AFG gibt der Gesetzgeber seinem Willen Ausdruck, daß derjenige, der eine berufliche Ausbildung begehrt, zunächst eigene Mittel einsetzen und auch seine Unterhaltsansprüche ausschöpfen soll, bevor er die Leistungen der Versichertengemeinschaft in Anspruch nimmt. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn man allgemein zulassen würde, daß die Eltern des Anspruchstellers von ihrem Einkommen vorweg Tilgungsleistungen für eine Anschaffung abziehen dürften, die - wie es bei einem Haus der Fall ist - nicht nur die Nutzung zu einem lebensnotwendigen Bedarf (dem Wohnen) zuläßt, sondern auch eine echte Kapitalanlage darstellt. Soweit die Unterhaltsverpflichteten des Auszubildenden Gelder tilgen, die sie zum Erwerb eines Hauses aufgenommen haben, verwandeln sie Einkommen in Vermögen. Anders als bei der Zahlung von Mieten und Nebenkosten wird ihre Leistungsfähigkeit (soweit man den Vorgang seiner langfristigen Bedeutung nach betrachtet) damit nicht gemindert, sondern gerade auf Dauer erhalten. Wegen dieser Unterschiede zwischen Tilgungsleistungen auf Darlehen, die das durch die Unterhaltsverpflichteten bewohnte Haus belasten, und Mieten läßt sich nicht sagen, daß Tilgungszahlungen eine Belastung durch das eigene Haus darstellen, die den Mieten "vergleichbar" sind (§ 16 Abs. 4 A Ausbildung).
Den §§ 40 Abs. 1 AFG, 16 Abs. 4 A Ausbildung ähnliche Vorschriften finden sich im Sozialhilferecht. Nach § 12 Abs. 1 BSHG umfaßt der notwendige Lebensunterhalt, der nach den §§ 1 Abs. 1 und 11 Abs. 1 BSHG dem Hilfesuchenden zu gewähren ist, auch die Unterkunft. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) vom 20. Juli 1962 - BGBl I 515 - in der Fassung der Verordnung vom 10. Mai 1971 - BGBl I 451) werden laufende Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Zu diesen Bestimmungen hat das BVerwG entschieden (Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte - FEVS - 19, 447), daß Tilgungslasten für ein Eigenheim dann nicht zu den laufenden Kosten für die Unterkunft zählen, die durch laufende Leistungen zu decken sind, wenn deren Übernahme im Wege eines Darlehens angeboten werde.
Das BVerwG geht damit auch davon aus, daß Tilgungsleistungen auf Hausdarlehen nicht den Mieten gleich zu behandeln sind, die ein Hilfesuchender zahlen muß, der kein eigenes Haus besitzt. Es weist darauf hin, daß eine andere Auslegung zu praktisch kaum zu bewältigenden Schwierigkeiten führen müsse. Es liege nämlich auf der Hand, daß - auch bei Anerkennung der Tilgungsleistungen als einkommensmindernde Zahlungen - der Tilgungsaufwand nicht beliebig vom Sozialhilfeempfänger bestimmt werden dürfe. Dann aber müßten Regeln über die Höhe des Tilgungsaufwandes festgelegt werden. Ob das im Verwaltungswege möglich und tunlich wäre, müßte zweifelhaft sein. Darüber hinaus müßten wegen der vermögensbildenden Wirkung der Tilgungsbeiträge sowohl diejenigen benachteiligt werden, die kein Eigenheim besitzen, als auch die, die zwar ein Eigenheim besitzen, jedoch keine Schulden haben. Nicht weiterführen könne in diesem Zusammenhang auch die Überlegung, zur Vermögensbildung werde auch durch Mietzahlungen beigetragen. Die Vermögensbildung, oder besser gesagt, die Gewinnerzielung, trete hier nämlich nicht bei dem Hilfeempfänger ein, sondern beim Vermieter, für den es gleichgültig sei, von wem er seine Miete erhalte.
Dieselben Gründe sprechen auch im vorliegenden Fall dafür, die Tilgungsleistungen nicht den Mietzahlungen gleichzusetzen. Während nämlich die Mietzahlungen für den Unterhaltsverpflichteten des Anspruchstellers nach § 40 Abs. 1 AFG in aller Regel zwangsläufig und nicht zu vermeiden sind und es, was die Zahlung einer Miete angeht, kaum anzunehmen ist, daß der Betreffende sich völlig außerhalb dessen hält, was seinem Einkommen entspricht, ist es bei Tilgungsleistungen durchaus vorstellbar, daß jemand zum Zwecke der raschen Vermögensbildung oder zum Zwecke der Vermögensbildung überhaupt sich auf Tilgungen einläßt, die zu seinem Einkommen in keinem angemessenen Verhältnis stehen, sei es, daß die aufgenommenen Gelder für seine Verhältnisse zu hoch sind, sei es, daß eine zu rasche Tilgung vereinbart ist. Die BA wäre also, wollte man generell Tilgungsleistungen den Mieten gleichstellen, gezwungen, Grundsätze über die Höhe der tilgbaren Schulden und die Höhe der einzelnen Tilgungsleistungen aufzustellen. Zu berücksichtigen wäre auch, daß derjenige, der sich nicht in Schulden gestürzt hätte, um dann abzuzahlen, gegenüber demjenigen ungerechtfertigt im Vorteil wäre, der zunächst Beträge gespart hat, um dann ein Eigenheim erwerben zu können.
Ähnlichkeit mit der Regelung der §§ 40 Abs. 1 AFG, 16 Abs. 4 A Ausbildung haben auch die Bestimmungen des BSHG über die Hilfe in besonderen Lebenslagen (§§ 27-75 BSHG) in Verbindung mit den Vorschriften, die regeln, welches Einkommen und welches Vermögen einzusetzen ist (§§ 76 - 89 BSHG). Nach § 79 Abs. 1 BSHG ist bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen dem Hilfesuchenden und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs ihr monatliches Einkommen zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich aus festen Beträgen für den Haushaltsvorstand und die Familie zusammensetzt und "den Kosten der Unterkunft". Übereinstimmend mit § 16 Abs. 4 A Ausbildung behandelt also auch das BSHG die Kosten der Unterkunft als variabel. Es trägt damit der Lebenserfahrung Rechnung, daß die Mietkosten wesentlich weniger als die anderen Kosten des Unterhalts durch persönliche Entscheidungen hinsichtlich der Art der Lebensgestaltung (Sparsamkeit, wirtschaftliches Verhalten usw.) beeinflußbar sind und stärker vom Zufall, insbesondere den Verhältnissen des Wohnungsmarktes abhängen. Wie das BVerwG zu dieser Bestimmung entschieden hat (FEVS 18, 81, E. v. 19. Dezember 1970 - V C 73.70), sind als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 2 BSHG nur die Kosten anzusehen, die unmittelbar der Erhaltung der Unterkunft dienen. Tilgungsbeiträge sind nicht anzurechnen (so auch Schellhorn/Jorasek/Seipp; Komm. z. BSHG, 8. Aufl. § 79 Anm. 23; Gottschick/Giese, Komm. z. BSHG, 5. Aufl. § 3 RegelsatzVO Anm. 2; a. A.: Knopp/Fichtner, Komm. z. BSHG, 3. Aufl. § 79 Anm. 8). Das BVerwG hat sich wesentlich auf die Überlegung gestützt, daß Tilgungsbeträge nicht in gleicher Weise wie Mietzahlungen die wirtschaftliche Fähigkeit des Betreffenden schwächen, sondern daß sie Einkommen in Vermögen überführen.
An der Tatsache, daß Tilgungsraten Vermögen schaffen, ändert sich auch nichts dadurch, daß, worauf das LSG hinweist, gleichzeitig eine Abnutzung des Hauses und eine Wertminderung eintritt, die auch steuerlich berücksichtigt wird. Das ist zwar richtig. Kaum ein Gläubiger wird sich aber auf eine Tilgung einlassen, die auch nur in etwa gleich dem Wertverlust ist, den das Haus nach und nach erleidet. Das würde nämlich bedeuten, daß sehr rasch ein Zustand eintreten könnte, in dem die Sicherheit der Forderung gefährdet wäre. Es ist daher üblich - und von diesem völlig im Vordergrund stehenden Fall ist allein auszugehen -, daß die Tilgungsleistungen weit über dem liegen, was das Haus gewöhnlich an Wert verliert.
Aus dem Umstand, daß nach dem WoGG (Zweites Wohngeldgesetz v. 14. Dezember 1970 BGBl I, 1637 idF vom 14. Dezember 1973 BGBl I, 1855, 1863) auch Zuschüsse zu den Tilgungsleistungen gewährt werden (§ 6 WoGG), läßt sich nicht herleiten, daß entsprechend bei § 40 AFG zu verfahren ist. Während das WoGG mehrere Funktionen hat (vgl. dazu Bley, Sozialrecht, 1975, H I 1, S. 288), z. B. neben der Sicherung angemessenen Wohnens auch dem Familienlastenausgleich dient, der u. a. eine vermögensfördernde Zweckrichtung beinhaltet, steht bei § 40 AFG die Förderung des ausbildungswilligen Einzelnen und des Arbeitsmarktes im Vordergrund, ein Ziel, dem die Verbesserung des Familienvermögens fremd ist.
Sind nach allem die vom Vater des Klägers für aufgenommenes Fremdkapital zu leistenden Tilgungsbeträge nicht im Rahmen des § 16 Abs. 4 A Ausbildung den übrigen Freibeträgen hinzuzufügen, so steht dem Kläger für den streitigen Zeitraum ein Anspruch auf BAB grundsätzlich nicht zu.
Die Frage, ob dennoch dem Kläger ein Anspruch zustünde, weil bei Berücksichtigung der Gesamtbelastungen des Einkommens der Eltern des Klägers - also auch unter Berücksichtigung der Tilgungsleistungen - eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kläger nicht besteht, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Einmal ist diese Unterhaltsverpflichtung vom Kläger nicht bestritten worden, andererseits wird sie durch die Berechnungsvorschriften der A Ausbildung grundsätzlich dann als bestehend vermutet, wenn das auf die BAB anzurechnende Einkommen der Unterhaltspflichtigen die näher bezeichneten Freigrenzen überschreitet. In einem solchen Fall ist es nicht Aufgabe der BA, die Unterhaltsverpflichtung im einzelnen nachzuprüfen.
Der BA kann es nämlich nicht aufgebürdet werden, in jedem einzelnen Fall zu prüfen, inwieweit ein Unterhaltsanspruch des Auszubildenden gegeben ist. Das Unterhaltsverhältnis ist im bürgerlichen Recht sehr ins einzelne gehend geregelt und erfordert bei seiner Beurteilung die Berücksichtigung aller Lebensumstände auf seiten des Berechtigten und des Verpflichteten. In dieses Verhältnis - etwa zwischen Eltern und Kindern - kann die BA auch nicht durch Verwaltungsakt eingreifen. Ob und inwieweit eine Unterhaltspflicht besteht, muß in Zweifelsfällen daher von den Zivilgerichten entschieden werden. Die Prüfung der BA beschränkt sich deshalb darauf, festzustellen, ob überhaupt ein Unterhaltsrechtsverhältnis zugunsten des Auszubildenden besteht und ob nach ihren Bestimmungen der A Ausbildung (insbesondere § 16 A Ausbildung) von einem Anspruch des Auszubildenden gegen seine Unterhaltsverpflichteten auszugehen ist. Bejaht die BA das und macht der Auszubildende geltend, daß ihm aufgrund der bei ihm bestehenden besonderen Umstände der Unterhalt hinsichtlich der Ausbildung nicht zur Verfügung stehe, so sieht § 40 Abs. 3 AFG die Möglichkeit vor, daß die BA den Auszubildenden fördert und den Anspruch gegen die Unterhaltsverpflichteten auf sich überleitet (§§ 40 Abs. 3 Satz 2, 38 Abs. 2 AFG; vgl. dazu für die §§ 25, 27 BAföG und die Entscheidung des BVerwG in FamRZ 1976, 386). Diese Frage ist jedoch hier nicht streitig.
Demzufolge ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen