Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeit. bisheriger Beruf. Kraftfahrzeugmeister. Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion. Eingliederungsprinzip. Verweisungstätigkeit. berufliche Rehabilitation
Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherter kann nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, für deren Ausübung er tatsachlich die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hat.
Dies gilt auch dann, wenn sein qualifizierter Berufsschutz auf einer außerhalb des Geltungsbereichs der RVO ausgeübten Tätigkeit beruht und er seine Kenntnisse und Fähigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland nur so eingeschränkt verwerten kann, daß zumutbare Verweisungstätigkeiten nicht zu finden sind.
Normenkette
RVO § 1246 Abs. 2; FRG § 15
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.10.1993; Aktenzeichen L 9 J 2208/90) |
SG Heilbronn (Urteil vom 23.08.1990; Aktenzeichen S 2 J 1555/88) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 1993 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU). Streitig ist insbesondere, ob er mit seinem in Rumänien ausgeübten Beruf als Kraftfahrzeugmeister Berufsschutz als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion genießt und ob seine fehlenden Kenntnisse der westlichen Automobiltechnik bei der Beurteilung von Verweisungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind.
Der 1938 in Rumänien als deutscher Volkszugehöriger geborene Kläger absolvierte dort nach dem Volksschulabschluß von Januar 1954 bis Januar 1955 eine Lehre als Automechaniker und arbeitete anschließend bis 1976 in diesem Beruf. Von Frühjahr bis Herbst 1960 bildete er sich an einer Abendschule zum Autoschlosser weiter und bestand 1976 nach Besuch eines sechsmonatigen Spezialkurses die Prüfung zum Kraftfahrzeugmeister. Bei seiner anschließenden Tätigkeit in diesem Beruf hatte er zuletzt zehn Automechaniker zu beaufsichtigen und anzuweisen.
Aufgrund einer schweren Herzerkrankung wurde dem Kläger in Rumänien “Krankenrente” ab 1. Oktober 1987 gewährt. Im März 1988 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über, wo er nicht mehr beruflich tätig war. Er ist inzwischen deutscher Staatsangehöriger und Inhaber des Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge “A”. Die Handwerkskammer H.… hat ihm bescheinigt, daß die von ihm in Rumänien abgelegte Meisterprüfung als Kraftfahrzeugmechaniker der vor einer deutschen Handwerkskammer abgelegten Meisterprüfung im Kraftfahrzeugmechanikerhandwerk als gleichwertig gilt und daß er demnach berechtigt ist, den Meistertitel in diesem Handwerk zu führen, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen und Lehrlinge auszubilden.
Den im März 1988 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. August 1988 ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien zwar erfüllt, die Erwerbsfähigkeit sei jedoch nicht derart herabgemindert, daß die Ausübung der bisherigen oder einer anderen zumutbaren Tätigkeit nicht möglich wäre. Das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger BU-Rente auf Zeit nach einem am 20. Januar 1988 eingetretenen Versicherungsfall zu gewähren und die darüber hinausgehende Klage abgewiesen (Urteil vom 23. August 1990).
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil auf die Anschlußberufung des Klägers mit der Maßgabe abgeändert, daß dem Kläger BU-Rente über den 30. Juni 1992 hinaus zu gewähren ist (Urteil vom 19. Oktober 1993). Es hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Der Kläger könne nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme noch körperlich leichte Arbeiten mit verschiedenen qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Seinen zuletzt ausgeübten – “bisherigen” – Beruf als Kraftfahrzeugmeister könne er damit nicht mehr ausüben. Mit dieser Tätigkeit, bei der er zehn gelernte Kraftfahrzeugmechaniker anzuleiten und zu überwachen gehabt habe, sei er der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (BSG) zuzuordnen. Aus dem Umstand, daß er diese als Pflichtbeitragszeit nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannte Tätigkeit in Rumänien verrichtet habe, ergäben sich keine rechtlichen Bedenken gegen eine solche Einstufung, denn nach dem in § 15 FRG zum Ausdruck kommenden Eingliederungsgrundsatz sei der “bisherige Beruf” beim Berufsschutz auch in fachlicher Hinsicht zu berücksichtigen (Hinweis auf BSG SozR 2600 § 46 Nr 15, SozR 2200 § 1246 Nr 158, SozR 3-2200 § 1246 Nr 9).
Dem Kläger könne keine Verweisungstätigkeit auf Facharbeiterebene benannt werden, die er nach einer zumutbaren Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten ausüben könne. Zwar sei ein in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildeter und langjährig tätig gewesener Kraftfahrzeugmeister in der Lage, Tätigkeiten in der Garantieabteilung und in der Kundendienstabteilung von Automobilhäusern bzw – werkstätten nach einer Einarbeitungszeit von drei Monaten zumutbar zu verrichten; beide Tätigkeiten erforderten die Kenntnisse eines gelernten Kraftfahrzeugmechanikers und würden entsprechend entlohnt. Der Kläger benötige jedoch eine längere Einarbeitungszeit, weil er mit der Technik westlicher Automobile, der Arbeit mit modernen Bürokommunikationsmitteln sowie der hiesigen kaufmännischbetriebswirtschaftlichen Denkweise nicht vertraut sei. In der Berücksichtigung der gegenüber vergleichbaren deutschen Arbeitnehmern geringeren Verweisungsmöglichkeiten liege keine Ungleichbehandlung. Die Beklagte habe im übrigen selbst die Möglichkeit, dem ihr durch § 15 FRG auferlegten Risiko der Nichtverweisbarkeit im Bundesgebiet durch Gewährung von Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation zu begegnen. Da keine Aussicht auf Behebung der BU bestehe, habe der Kläger Anspruch auf Dauerrente.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte eine Verletzung des § 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltend. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers sei nicht der Gruppe des Mehrstufenschemas mit dem Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion zuzuordnen. Die Gleichstellung über § 15 FRG erfordere nach der Rechtsprechung des BSG eine qualitative Prüfung und Einordnung in das innerstaatliche Mehrstufenschema, um einer Überbewertung der ausländischen Beschäftigung entgegenzuwirken. Der Kläger müsse daher dieselben theoretischen und praktischen Kenntnisse wie ein langjährig im Bundesgebiet ausgebildeter und tätig gewesener Kraftfahrzeugmeister mit Vorgesetztenfunktion besitzen. Um dies festzustellen, hätte ein Sachverständiger gehört werden müssen.
Auch bei Einstufung des Klägers als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion liege keine BU vor, weil er entgegen der Ansicht des LSG auf Tätigkeiten in der Garantieabteilung und in der Kundendienstabrechnung von Automobilhäusern und – werkstätten verwiesen werden könne. Diese Tätigkeiten seien ihm zumutbar, auch wenn er aufgrund seiner mangelnden Kenntnisse eine längere Einarbeitungszeit als drei Monate benötige. Komme dem Kläger aufgrund seiner in Rumänien erworbenen Fachkenntnisse ein qualifizierter Berufsschutz zu, so sei er auch auf der Verweisungsebene so zu behandeln, als habe er diese Kenntnisse. Die Ansicht des LSG führe hingegen zu einer systemwidrigen Privilegierung des Personenkreises, dem der Kläger angehöre. Sie habe nicht die Möglichkeit, durch berufliche Rehabilitationsmaßnahmen die fehlenden Kenntnisse des Klägers aufzufrischen; mangelnde technische Kenntnisse seien nicht von dem Risiko umfaßt, das die Rentenversicherung zu tragen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. August 1990 sowie das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger Versichertenrente wegen BU zu gewähren, denn er kann weder seinen bisherigen Beruf ausüben noch eine zumutbare Verweisungstätigkeit verrichten.
Der geltend gemachte Anspruch des Klägers richtet sich noch nach § 1246 RVO, denn der Rentenantrag ist bereits im März 1988 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden und bezieht sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫; vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 29).
Berufsunfähig ist nach § 1246 Abs 2 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Ausgangspunkt für die Prüfung der BU ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der “bisherige Beruf”, den der Versicherte ausgeübt hat (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164). Dies kann auch ein Beruf sein, den der Versicherte (ausschließlich) außerhalb des Geltungsbereichs der RVO ausgeübt hat, wenn die ausländischen Versicherungszeiten im Inland nicht nur hinsichtlich der Erfüllung der Wartezeit, sondern auch für die Frage von Bedeutung sind, von welcher Berufstätigkeit bei der Beurteilung des inländischen Versicherungsfalles auszugehen ist (vgl zum EWG-Recht BSG SozR 2200 § 1246 Nr 159 mwN). Dies muß auch für eine Beschäftigung gelten, die nach dem FRG als Beitragszeit anzurechnen ist. Der in § 15 FRG zum Ausdruck gekommene Eingliederungsgrundsatz erfordert es, neben der außerhalb des Geltungsbereichs der RVO zurückgelegten Versicherungszeit auch die dort ausgeübte Tätigkeit so zu berücksichtigen, als wäre sie im Geltungsbereich der RVO zurückgelegt. Die in den Geltungsbereich des FRG zuziehenden Berechtigten sollen rentenrechtlich so gestellt werden, als wären sie im Inland beschäftigt gewesen und hätten hier ihr Arbeits- und Versicherungsleben zurückgelegt (vgl BSG – Großer Senat ≪GS≫ – SozR 5050 § 15 Nrn 13, 32, 35). Dieser Grundgedanke wäre nur unvollständig verwirklicht, wenn § 15 FRG ausschließlich als Regelung zur Gleichstellung von Beitragszeiten für die Erfüllung der Wartezeit und die Rentenberechnung, nicht aber beim Berufsschutz in fachlicher Hinsicht verstanden würde (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 9 mwN; Senatsurteil vom 12. Oktober 1993 – 13 RJ 71/92 – = SozR 3-2200 § 1246 Nr 38).
Die letzte versicherungspflichtig ausgeübte und zugleich qualitativ höchste Tätigkeit des Klägers als Kraftfahrzeugmeister wurde bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in Rumänien zurückgelegt und ist als Beitragszeit gem § 15 Abs 1 Satz 1 FRG bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen, wovon auch die Beklagte zutreffend ausgegangen ist. Sie ist damit als der “bisherige Beruf” des Klägers anzusehen. Nach den von der Beklagten nicht angegriffenen und daher für den erkennenden Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Kläger diesen Beruf nicht mehr ausüben.
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 138, 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 33, 38, 44).
Das LSG hat den Kläger zutreffend der obersten Gruppe des Mehrstufenschemas mit dem Leitbild des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters zugeordnet. In diese Gruppe gehören Versicherte, die ihre zur Gruppe der Facharbeiter zählenden Arbeitskollegen wegen der qualitativen, insbesondere geistigen und persönlichen Anforderungen ihrer bisherigen, tatsächlich verrichteten Arbeit deutlich überragt haben. Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion müssen Weisungsbefugnis gegenüber mehreren anderen Facharbeitern gehabt haben und dürfen selbst nicht Weisungen eines anderen Beschäftigten im Arbeiterverhältnis unterlegen haben (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 44, 145 mwN; SozR 3-2200 § 1246 Nr 39).
Zwar reicht eine im Herkunftsstaat und in der Bundesrepublik Deutschland gleichartige Berufsbezeichnung für die rentenrechtliche Gleichstellung der Tätigkeit nach § 15 FRG nicht aus; erforderlich ist vielmehr eine qualitative Prüfung und Einordnung in das innerstaatliche Mehrstufenschema, um einer Über- (oder Unter-) bewertung der Beschäftigung im Ausland entgegenzuwirken (vgl BSG SozR 2600 § 46 Nr 15; SozR 3-2200 § 1246 Nr 9). Im Rahmen dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht aufgrund der nach § 92 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge vom 19. Mai 1953 idF vom 3. September 1971 (BVFG) ausgestellten Bescheinigung der Handwerkskammer H.… vom 16. Dezember 1988 und der von ihm beigezogenen Ausführungen eines berufskundigen Sachverständigen festgestellt, daß die maßgebende von dem Kläger in Rumänien ausgeübte Tätigkeit in Deutschland der eines Meisters im Kraftfahrzeughandwerk, dem zehn Kraftfahrzeugmechaniker (Handwerker) unterstellt sind, entsprach. Eine solche Tätigkeit erfüllt alle Voraussetzungen für die Zuordnung in die oberste Gruppe des Mehrstufenschemas.
Die dieser Beurteilung zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen sind von der Beklagten nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden und daher für das Revisionsgericht nach § 163 SGG bindend. Mit ihrem Vortrag, der Kläger müsse dieselben theoretischen und praktischen Kenntnisse wie ein langjährig im Bundesgebiet ausgebildeter und tätig gewesener Kraftfahrzeugmeister mit Vorgesetztenfunktion besitzen, und um dies festzustellen, habe ein Sachverständiger gehört werden müssen, macht die Beklagte zum einen die Verletzung materiellen Rechts, zum anderen eine Verfahrensrüge geltend.
Soweit die Beklagte verlangt, ein Versicherter mit nach dem FRG anzurechnenden Beitragszeiten müsse zu seiner Gleichstellung mit einem inländischen Versicherten im Hinblick auf den Berufsschutz dieselben beruflichen Kenntnisse aufweisen wie dieser, verkennt sie, daß die Anwendung der Gleichstellungsregelung des § 15 FRG nicht eine Gleichartigkeit der beruflichen Tätigkeit in allen Einzelheiten erfordert. Auszugehen ist von der ausländischen Tätigkeit; es reicht aus, wenn sie der vergleichbaren inländischen substantiell entspricht (vgl BSG SozR 2600 § 46 Nr 15). Dies hat das LSG jedoch beachtet und entsprechend gewürdigt. Die Rüge, das LSG hätte einen Sachverständigen hören müssen, soll offenbar eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) bezeichnen. Für die Zulässigkeit einer solchen Verfahrensrüge ist es erforderlich, daß dargelegt wird, warum sich das Gericht bei seiner materiellen Rechtsauffassung zu den für erforderlich gehaltenen Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen und zu welchem Ergebnis die Ermittlungen geführt hätten (vgl BSG SozR Nr 28 zu § 164 SGG). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der Beklagten jedoch nicht.
Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts ist der Kläger auch nicht auf zumutbare Tätigkeiten verweisbar. Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächstniedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. BU liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn der Versicherte seinen “bisherigen Beruf” aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Vielmehr verlangt § 1246 RVO, daß der Versicherte, ausgehend von diesem Beruf, einen “zumutbaren” beruflichen Abstieg in Kauf nimmt; berufsunfähig ist er erst dann, wenn er auch nicht auf eine andere zumutbare Tätigkeit verwiesen werden kann (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 143 mwN). Zumutbar sind für den Kläger danach nur Tätigkeiten der obersten und der nächstniedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas, also der mit dem Leitberuf des Facharbeiters (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 31, 37, 49, 70), deren Anforderungen er nach seinem gesundheitlichen und geistigen Leistungsvermögen sowie seinem beruflichen Können und Wissen gewachsen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 36, 68, 72, 98; SozR 3-2200 § 1246 Nr 29). Voraussetzung für die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit ist weiter, daß der Versicherte zu ihrer fachlich vollwertigen Ausübung allenfalls eine Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten benötigt (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 23, 38, 84, 86, 101). Dies Erfordernis gilt auch für Verweisungstätigkeiten, die für einen Angehörigen der obersten Gruppe des Mehrstufenschemas in Betracht gezogen werden (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 49). Die Notwendigkeit einer längeren Einweisungs- bzw Einarbeitungszeit würde die Ferne zum bisherigen Beruf bzw die Überforderung durch den in Aussicht genommenen Verweisungsberuf anzeigen (s GK SGB VI – Meyer, § 43 RdNr 256).
Zwar mögen die vom LSG genannten Tätigkeiten in der Garantieabteilung und in der Kundendienstabteilung von Automobilhäusern bzw -werkstätten einem Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion grundsätzlich sozial zumutbar sein, weil sie nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen die Kenntnisse eines gelernten Kraftfahrzeugmechanikers erfordern und entsprechend entlohnt werden, also der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen sind. Gleichwohl kann der Kläger nicht auf diese Tätigkeiten verwiesen werden, weil er nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ua wegen seiner fehlenden Vertrautheit mit der Technik westlicher Automobile eine längere Einarbeitungszeit als drei Monate benötigt, um eine dieser Tätigkeiten vollwertig ausüben zu können.
Der Beklagten war (und ist) es hier aber rechtlich möglich, die Gewährung von BU-Rente durch Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation abzuwenden. Entgegen ihrer Meinung war sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, dem Kläger eine Maßnahme zur Rehabilitation anzubieten, die geeignet war (ist), ihm die zur Ausübung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit erforderlichen technischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, wenn es eine solche Maßnahme gab (gibt) und der Kläger befähigt war (ist), daran erfolgversprechend teilzunehmen.
Bei Rehabilitationsmaßnahmen bestimmt sich das anzuwendende Recht nach dem Zeitpunkt, zu dem die Maßnahmen notwendig geworden sind (vgl BSGE 52, 123, 124 = SozR 2200 § 1237a Nr 19 mwN), also hier die bei Übersiedelung des Klägers in das Bundesgebiet im März 1988 geltenden §§ 1236 ff RVO. Nach § 1236 Abs 1 RVO kann, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet oder gemindert ist und sie voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann, der Träger der Rentenversicherung Leistungen zur Rehabilitation in dem in §§ 1237 bis 1237b RVO bestimmten Umfang gewähren. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine solche Leistung gem § 1236 Abs 1a Satz 1 Nr 2 Buchst a RVO – Zurücklegung einer Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten – liegen offensichtlich vor. Auch die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation sind gegeben. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers im bisherigen Beruf (vgl dazu BSGE 48, 74, 75 = SozR 2200 § 1237a Nr 6) ist nach den bindenden berufungsgerichtlichen Feststellungen aufgrund von Gesundheitsstörungen nicht nur gemindert, sondern sogar aufgehoben. Durch die erfolgreiche Vermittlung von Kenntnissen der westlichen Automobil- und Kommunikationstechnik würde der Eintritt von Berufsunfähigkeit voraussichtlich verhindert bzw die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt, weil nach den bindenden Feststellungen des LSG allein der Mangel entsprechender Kenntnisse der Ausübung einer zumutbaren Tätigkeit durch den Kläger entgegensteht. Dabei handelt es sich auch um eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation iS des § 1237a Abs 1 RVO, denn unter Erwerbsfähigkeit ist in diesem Zusammenhang die Fähigkeit des Versicherten zur möglichst dauernden Ausübung entweder seines bisherigen Berufes oder einer seiner Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit angemessenen Berufstätigkeit zu verstehen (vgl BSGE 52, 123, 126 = SozR 2200 § 1237a RVO Nr 19).
Entgegen der Ansicht der Beklagten muß sich der Kläger nicht so behandeln lassen, als habe er die theoretischen und praktischen Kenntnisse eines in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildeten und tätig gewesenen Kraftfahrzeugmeisters, die ihn befähigten, die genannten Tätigkeiten nach einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig zu verrichten. Die Annahme einer derartigen Fiktion widerspräche der in Rechtsprechung und Literatur nahezu einhellig vertretenen Auffassung, daß ein Versicherter nur auf Tätigkeiten verwiesen werden kann, für deren Ausübung er tatsächlich die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hat (vgl zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 35; SozR Nr 75 zu § 1246 RVO; GK SGB VI – Meyer, § 43 RdNr 289). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung der Versicherten ist nicht erforderlich. Der Personenkreis, dem der Kläger angehört, wird durch die hier vertretene Auslegung des § 1246 RVO und des § 15 FRG nicht sachwidrig gegenüber anderen Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung begünstigt.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Daher ist dieser Grundsatz nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl etwa BVerfGE 55, 72, 88; 71, 146, 154 f; 75, 382, 393).
Als Vergleichsgruppe kommt hier zunächst die der Versicherten in Betracht, denen Berufsschutz aufgrund der Qualität ihrer im Inland versicherungspflichtig ausgeübten Berufstätigkeit zukommt. Ihnen gegenüber ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der nach dem FRG berechtigten Versicherten nicht zu erkennen. Für beide Gruppen gilt der Grundsatz, daß sie nur auf Tätigkeiten verwiesen werden können, die sie tatsächlich – nicht nur aufgrund fingierter Kenntnisse – ausüben können. Eine Ungleichbehandlung würde sich erst ergeben, wenn man der Auffassung der Beklagten folgen wollte. Aus welchen Gründen die vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten derart begrenzt sind, daß sich keine Verweisungstätigkeiten finden lassen, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Dies kann an der Art der Kenntnisse liegen oder an deren Veralten, aber auch an besonderer Spezialisierung, an personenbezogenen Gründen, wie Leistungsabfall, oder auch an Veränderungen des Arbeitsmarktes. Deshalb kommt es auch bei den im Inland Beschäftigten nicht selten vor, daß die bisherigen Kenntnisse erst nach beruflicher Rehabilitation weiterhin verwertbar sind. Zwar mag es zutreffen, daß inländische Versicherte – hier speziell Kraftfahrzeugmeister – seltener so spezialisiert sein werden, daß sie deshalb nicht verweisbar sind. Dies ist dann aber auch mit dem Vorteil verbunden, bessere Möglichkeiten für die Eingliederung in das Erwerbsleben zu haben. Zum Nachteil gereicht diese Situation erst dann, wenn auf dem Arbeitsmarkt geringe Chancen bestehen, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Insoweit handelt es sich aber um einen Unterschied, der in der je nach Kenntnissen und Fähigkeiten des Versicherten unterschiedlichen Verweisbarkeit angelegt ist. Sofern man hier dennoch einen bedeutsamen Unterschied sieht, ist dieser jedenfalls nicht sehr schwerwiegend und in vollem Umfang durch den Eingliederungsgedanken des § 15 FRG gerechtfertigt. Denn eine sachgerechte Eingliederung ist nur möglich, wenn den Schwierigkeiten der nach dem FRG Berechtigten Rechnung getragen wird, mit ihren bisherigen beruflichen Kenntnissen in der Bundesrepublik Deutschland Fuß zu fassen.
Auch derjenige Versicherte, welcher – wie der Kläger – seinen qualifizierten Berufsschutz aus einer außerhalb des Geltungsbereichs der RVO ausgeübten Berufstätigkeit herleitet, im Gegensatz zu dem Kläger aber bei seiner Übersiedelung in das Bundesgebiet noch nicht aus gesundheitlichen Gründen leistungsgemindert ist, wird nicht in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Zwar muß er sich bei Fortsetzung seiner Berufstätigkeit erst die für die Ausübung seines Berufes im Bundesgebiet erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, etwa durch Einarbeitung auf einem geeigneten Arbeitsplatz, zur Erhaltung des Berufsschutzes verschaffen, jedoch steht ihm während der Zeit der Arbeitsplatzsuche Eingliederungshilfe nach § 62a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zur Verfügung und verbleibt ihm derweil der Berufsschutz mit dem eingeschränkten Verweisungsspektrum. Arbeitet er im Bundesgebiet nicht versicherungspflichtig oder ist er arbeitslos, so verbleibt ihm dieser Berufsschutz ebenfalls. Erst wenn er eine weniger qualifizierte Tätigkeit antritt und sich nicht um die Anpassung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten sowie um eine der bisherigen Qualifikation entsprechende Stelle bemüht, läuft er Gefahr, seinen Berufsschutz zu verlieren. Dies kann er jedoch in zumutbarer Weise durch Maßnahmen der beruflichen Fortbildung (zB gem § 43 Abs 1 Nr 2 AFG) oder durch Einarbeitung auf einem geeigneten Arbeitsplatz verhindern. Versicherte aus der Gruppe des Klägers haben diese Möglichkeit nicht.
Der Senat weicht nicht von der Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 18. Dezember 1990 – 8/5a Rkn 5/87 – (BSGE 68, 87, 91 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 9) ab. Danach ist ein Vertriebener, der die deutsche Sprache nicht beherrscht und deswegen eine sonst mögliche Verweisungstätigkeit nicht auszuüben vermag, nicht berufsunfähig. Die Sprache wird dabei aber ausdrücklich nicht zu den beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten gerechnet (BSGE 68, 87, 92 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 9 S 35).
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen