Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Bremen vom 28. August 1998 und des Sozialgerichts Bremen vom 6. November 1997 und der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1996 aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger mit der ihm nach Art 82 Abs 2 und 3 der Landesverfassung (LV) der Freien Hansestadt Bremen iVm § 5 Abs 1 des Bremischen Abgeordnetengesetzes zustehenden Entschädigung die Hinzuverdienstgrenze nach § 34 Abs 2 und 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) überschreitet und die Beklagte aus diesem Grund den Rentenbewilligungsbescheid aufheben bzw den wirtschaftlichen Wert zu Unrecht erbrachter Rentenleistungen zurückfordern darf.
Der am 10. März 1931 geborene Kläger war bis Dezember 1992 als Angestellter versicherungspflichtig beschäftigt. Ab Januar 1993 war er arbeitslos. Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erkannte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Februar 1994 ab 1. April 1994 ein Recht auf Altersrente für langjährig Versicherte mit einem Wert von monatlich 2.861,88 DM zu. Mit weiterem Bescheid vom 18. November 1994 stellte die Beklagte ab 1. Januar 1995 wegen zusätzlich zu berücksichtigender rentenrechtlicher Zeiten den Wert der bisherigen Altersrente mit nunmehr monatlich 2.959,01 DM neu fest. Ab 1. April 1996 bezieht der Kläger Regelaltersrente (Bescheid vom 4. Juli 1996).
Mit Schreiben vom 21. Juni 1995 teilte der Kläger mit, er sei ab 15. Mai 1995 Mitglied (Abgeordneter) der Bremischen Bürgerschaft, „eines Freizeit- und Halbtagsparlaments”. Nach einer ergänzend vorgelegten Bescheinigung der Verwaltung der Bremischen Bürgerschaft vom 15. August 1995 stand ihm hierfür eine steuerpflichtige Entschädigung gemäß § 5 Abs 1 des Bremischen Abgeordnetengesetzes in Höhe von monatlich 4.229,38 DM zu. Steuerfrei wurden daneben die Amtsausstattungspauschale in Höhe von 727,00 DM sowie zusätzlich auf Antrag Sitzungsgeld, Reisekostenentschädigung und Kostenerstattung gezahlt.
Nach entsprechender Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 26. Februar 1996 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1996) den Bescheid vom 18. November 1994 mit Wirkung ab 1. Juni 1995 auf und forderte für die Zeit vom 1. Juni 1995 bis 29. Februar 1996 überzahlte Rentenbeträge in Höhe von 24.847,33 DM zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: Der Kläger habe Einkommen erzielt, welches in seiner Höhe gemäß § 34 Abs 2 und 3 SGB VI rentenschädlich sei und deshalb kraft Gesetzes zum Wegfall des Rentenanspruches führe. Die Entschädigung als Abgeordneter stelle eine Alimentation aus der Staatskasse als Entgelt für die Inanspruchnahme des Abgeordneten durch sein Mandat dar. Sie sei die Bezahlung für die im Parlament geleistete Arbeit. Daher sei die Abgeordnetentätigkeit wie eine „Beschäftigung gegen Entgelt oder Erwerbstätigkeit” zu behandeln. Unerheblich sei, daß die Tätigkeit eines Abgeordneten sozialversicherungsrechtlich weder eine abhängige Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit darstelle.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 6. November 1997; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Bremen vom 28. August 1998). Die Berufungsentscheidung geht dabei im wesentlichen von folgenden Erwägungen aus: Bei der Entschädigung des Klägers nach § 5 des Bremischen Abgeordnetengesetzes handele es sich zwar weder um Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung noch um Arbeitseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit. Dennoch sei aber über den Wortlaut des § 34 Abs 2 SGB VI hinaus eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die Abgeordnetenentschädigung geboten. Bei der Auslegung des Normzwecks des § 34 Abs 2 SGB VI müsse berücksichtigt werden, daß die Regelung nur eine zeitlich begrenzte Berücksichtigung von Entgelten zur Folge habe. Eine Verringerung des Rentenanspruches aufgrund von Einkommen finde nur bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres statt. Durch die Hinzuverdienstgrenze solle vermieden werden, daß Renten vor Erreichen der regulären Altersgrenze von 65 Jahren in unbegrenzter Höhe an Versicherte gezahlt würden, die durch eine berufliche Tätigkeit noch Einkommen in mehr als geringfügiger Höhe erzielten. Die Abgeordnetenentschädigung stelle ein Entgelt für die im Parlament und anderweitig geleistete Arbeit des Abgeordneten dar. Auch die Wertordnung des Grundgesetzes (GG) lasse im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG eine Berücksichtigung der Abgeordnetenentschädigung im Rahmen der Hinzuverdienstgrenze des § 34 Abs 2 SGB VI geboten erscheinen. Die Gruppe der eine vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmenden Versicherten, die neben dem Rentenbezug eine entgeltliche Beschäftigung oder eine gewinnträchtige Tätigkeit aufnähmen, unterscheide sich nicht wesentlich von Versicherten, die ihre Arbeitskraft in die Ausübung eines politischen Mandats steckten. Beiden Gruppen sei gemeinsam, daß ihre jeweilige Arbeit ein entsprechendes wirtschaftliches Resultat zeige. Das besondere politische Engagement nehme dem Entgelt für die Arbeitsleistung nicht die Vergleichbarkeit mit den anderen Einkünften.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 34 Abs 2 SGB VI. Die vom LSG vorgenommene analoge Anwendung des § 34 Abs 2 SGB VI auf die Abgeordnetenentschädigung sei mangels einer planwidrigen Regelungslücke unzulässig.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Bremen vom 28. August 1998 und des Sozialgerichts Bremen vom 6. November 1997 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1996 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.
1. Der auf „§§ 48, 50 Abs 1” Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützte Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1996, mit dem der Bescheid der Beklagten „vom 18. November 1994” aufgehoben und überzahlte Rentenbeträge für die Zeit vom 1. Juni 1995 bis 29. Februar 1996 zurückgefordert worden sind, ist rechtswidrig; er verletzt den Kläger in seinem Recht auf Altersrente und war daher aufzuheben. Hierfür war zum einen bereits die fehlerhafte Durchführung des Verwaltungsverfahrens maßgebend. Die Beklagte hat nämlich mit dem Bescheid vom 18. November 1994 den „falschen” Bescheid aufgehoben (dazu nachfolgend unter 2.). Darüber hinaus ist – worauf der Senat seine Entscheidung in gleicher Weise stützt – auch der sachliche Anwendungsbereich des § 34 Abs 2 SGB VI nicht eröffnet. Die Abgeordnetenentschädigung des Klägers ist nämlich weder Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung noch Arbeitseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit (dazu unter 3.). Eine den Wortlaut überschreitende analoge Anwendung des § 34 Abs 2 SGB VI auf die Abgeordnetenentschädigung ist mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht zulässig (dazu unter 4.).
2. Die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze iS von § 34 Abs 2 und 3 SGB VI betrifft nicht lediglich die Höhe des monatlichen Zahlbetrages, sondern das zugrundeliegende (Stamm-)Recht auf Rente selbst. Wird demgemäß nach dessen Zuerkennung durch den Rentenversicherungsträger in diesem Sinne „rentenschädliches” Einkommen bezogen, bedarf es einer Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides, um rückwirkend den Rechtsgrund für erbrachte Leistungen entfallen zu lassen und den Weg für ihre Rückforderung zu eröffnen. Die bloße Beseitigung einer zwischenzeitlich isoliert erfolgten wertmäßigen Neubestimmung des Rentenrechts genügt demgegenüber ersichtlich nicht. Hierzu gilt im einzelnen folgendes:
§ 34 SGB VI wurde durch Art 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261) eingeführt und trat gemäß Art 85 Abs 1 RRG 1992 am 1. Januar 1992 in Kraft. Durch das Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S 1824) wurde Abs 2 Satz 1 mit Wirkung zum 1. Januar 1996 neu gefaßt, indem die Formulierung „wird … nur geleistet” durch die Wendung „Anspruch … besteht nur” ersetzt wurde, so daß die Bestimmung in der hier maßgeblichen Fassung (aaO) nunmehr lautet: „Anspruch auf eine Rente wegen Alters besteht vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird”. Zur Begründung dieser Änderung wurde ausgeführt, es solle „entsprechend der derzeitigen Rechtslage” klargestellt werden, „daß – … – die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze unmittelbar den Rentenanspruch berührt und nicht nur die Höhe der Rentenzahlung bestimmt” (Beschlußfassung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 29. November 1995, BT-Drucks 13/3150 S 41). Bereits aus den geschilderten – wenn auch rechtstechnisch unpräzise formulierten – Motiven für die Neufassung des § 34 Abs 2 Satz 1 SGB VI wird deutlich, daß unter „Anspruch” iS dieser Bestimmung – wie auch in § 34 Abs 1 SGB VI – das subjektive (Stamm-)Recht als solches zu verstehen ist (vgl auch Niesel in Kasseler Komm, Stand: Oktober 1996, § 34 SGB VI RdNrn 4 f). Das subjektive (Stamm-)Recht als die rechtliche Wurzel, aus der – regelmäßig wiederkehrend – Einzelansprüche auf konkrete Leistungen erwachsen (vgl dazu Urteil des Senats vom 23. Juni 1994 - 4 RA 70/93 - SozR 3-2600 § 300 Nr 3 S 5), entsteht, sobald die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen als solche vorliegen. Die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze ist Entstehens- und Bestehensvoraussetzung für das subjektive (Stamm-)Recht auf Altersrente für langjährig Versicherte, so daß ein derartiges Recht umgekehrt bereits nicht existent wird oder nachträglich entfällt, wenn die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird (dauerhafte und endgültige rechtshindernde bzw rechtsvernichtende Einwendung). Die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze wirkt sich mithin unmittelbar auf den Bestand des subjektiven Renten(stamm-)rechts aus.
Obwohl damit das Recht auf vorzeitige Altersrente nach § 34 Abs 2 Satz 1 SGB VI („kraft Gesetzes”) – ganz oder teilweise – entfällt, wenn die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird, muß der Rentenversicherungsträger den Bewilligungsbescheid, mit dem das subjektive (Stamm-)Recht auf eine Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres zuerkannt worden ist, nach § 48 SGB X – ganz oder teilweise – aufheben. Auch der Wegfall eines Rechts („Anspruchs”) kraft Gesetzes macht nämlich trotz hiergegen aus dogmatischen Gesichtspunkten möglicherweise zu erhebenden Bedenken die Aufhebung der (eigentlich iS von § 39 Abs 2 SGB X) erledigten Bewilligungsentscheidung nach § 48 Abs 2 Nr 4 SGB X erforderlich (vgl Urteile des Senats vom 20. Februar 1986 - 4a RJ 93/84 - SozSich 1986, 192 = DRV 1986, 638 und vom 3. April 1986 - 4a RJ 81/84 - HV-INFO 1986, 835 = FEVS 37, 128). Das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze in § 34 Abs 2 SGB VI infolge einer Änderung der Einkommensverhältnisse durch „Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit” stellt eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 SGB X dar (vgl BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 37 S 37; Niesel in Kasseler Komm, Stand: März 1996, § 34 SGB VI RdNr 44), der ggf die Rechtsmacht zur Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides verleiht. Demgegenüber deuten die Abs 2 und 3 des § 34 SGB VI nach Wortlaut und Sachzusammenhang in keiner Weise an, ihr sachlicher Anwendungsbereich könne sich auch auf die Regelungsebene des Verwaltungsakts erstrecken. Schon deshalb ist weder von sich insofern selbst vollziehenden gesetzlichen Regelungen noch vom Vorliegen von Spezialnormen gegenüber den §§ 44 ff SGB X auszugehen.
An einem damit erforderlichen actus contrarius zu den im maßgeblichen Bescheid vom 14. Februar 1994 getroffenen Regelungen fehlt es indessen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1996 hat die Beklagte nämlich statt dessen ohne Rechtsgrund allein den weiteren Bescheid vom 18. November 1994 aufgehoben. Dem Kläger war mit dem „Rentenbescheid” vom 14. Februar 1994 bestandskräftig (§ 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) Altersrente für langjährig Versicherte ab 1. April 1994 bewilligt worden; dieser Bescheid enthält vier Verfügungssätze, die jeweils als Verwaltungsakte selbständig in Bindung erwachsen können: Die Entscheidung über die Rentenart, über die Höhe sowie über den Beginn und die Dauer des Anspruchs (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫, zB Urteile des Senats vom 23. Juni 1998 - B 4 RA 2/98 R - zur Veröffentlichung im SozR vorgesehen; vom 9. Juni 1988 - 4/1 RA 57/87 - SozR 2200 § 1255a Nr 19 S 57 und vom 18. Juli 1996 - 4 RA 108/94 - SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 26; BSG SozR 3-1500 § 77 Nr 1 S 5; jeweils mwN). Mit dem weiteren Bescheid vom 18. November 1994 hat die Beklagte wegen zusätzlich rentensteigernd zu berücksichtigender Zeiten zukunftsgerichtet zum 1. Januar 1995 allein ihre Entscheidung über den Wert des Rechts auf Rente ersetzt. Obwohl auch der damalige Bescheid irreführend als „Rentenbescheid” bezeichnet war, knüpft er nämlich hinsichtlich aller sonstigen Regelungen ausdrücklich an die „bisherige” Regelaltersrente für langjährig Versicherte an und führt in der beigefügten Anlage 10 unter der Überschrift „Ergänzende Begründungen und Hinweise” aus:
„Wir haben die Berechnung ihrer Rente überprüft und dabei festgestellt, daß rentenrechtliche Zeiten für die Zeit
vom 12.02.92 bis 25.03.92
hinzugekommen sind. Die Rente wurde deshalb neu berechnet.
Ein Widerspruch ist nur zulässig, soweit diese Neufeststellung zu beanstanden ist. Im übrigen verbleibt es bei der Unanfechtbarkeit des bisherigen Bescheides.”
Die Verfügungssätze des Bewilligungsbescheides vom 14. Februar 1994 über Rentenart, -beginn und -dauer bestehen demgemäß unabhängig von dieser Neufeststellung fort. Deren isolierte Aufhebung im streitgegenständlichen Bescheid vom 26. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1996 könnte demgemäß allenfalls dazu führen, daß die hierdurch nachträglich auf Bezugszeiten bis zum 31. Dezember 1994 begrenzte ursprüngliche Bestimmung der Rentenhöhe mit seinem Ergehen auch wieder darüber hinaus Geltung beansprucht. In jedem Falle ist damit ohne die von der Beklagten unterlassene Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides jeweils stets eine vollständige und verbindliche Gesamtheit von Verfügungssätzen vorhanden, die Bestehen und Zahlbarkeit des subjektiven Rentenrechts umfassend sicherstellt bzw einer Rückforderung auf dieser Grundlage erbrachter Leistungen durchgreifend entgegensteht.
3. Unabhängig hiervon ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zudem auch daraus, daß der sachliche Anwendungsbereich des § 34 Abs 2 SGB VI nicht eröffnet ist. Die Entschädigung, die der Kläger als Mitglied (Abgeordneter) der Bremischen Bürgerschaft erhält, ist kein iS des § 34 Abs 2 SGB VI „rentenschädliches” Arbeitseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit oder Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung. Ebenso scheidet eine analoge Anwendung der genannten Vorschrift aus. Ein Übersteigen der Hinzuverdienstgrenze durch Einkünfte der in Frage stehenden Art ist demgemäß ausgeschlossen.
Nach § 34 Abs 2 Satz 2 bis 5 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (aaO) wird die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit im Monat die in Absatz 3 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 3 im Laufe eines jeden Jahres seit Rentenbeginn außer Betracht bleibt. Dem Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung steht der Bezug von Vorruhestandsgeld gleich. Mehrere Beschäftigungen und selbständige Tätigkeiten werden zusammengerechnet. Nicht als Arbeitsentgelt gilt das Entgelt, das 1. eine Pflegeperson von dem Pflegebedürftigen erhält, wenn es das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld iS des § 37 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) nicht übersteigt, oder 2. ein Behinderter von dem Träger einer in § 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI genannten Einrichtung erhält.
Wie der Senat bereits zu der Vorgängervorschrift des § 25 Abs 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) mehrfach entschieden hat, sind beachtlich, dh dem „Anspruch” auf die vorzeitige Altersrente schädlich, nur wirtschaftliche Betätigungen und Einkünfte hieraus, die a) „sozialrechtlich relevant”, dh ihrer Art nach grundsätzlich – ungeachtet der Bestimmungen über Versicherungsfreiheit oder über die Befreiung von der Versicherungspflicht – „denkbar rentenversicherungspflichtig” sind und umgekehrt b) im Bezug auf das Leistungsverhältnis der Versicherung diejenige altersbedingte Einbuße im Erwerbseinkommen gar nicht erst entstehen lassen, deren Ausgleich die vorzeitige Altersrente bezweckt (Urteile des Senats vom 31. Mai 1989 - 4 RA 22/88 - BSGE 65, 113, 115 = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 123 f und vom 18. Januar 1990 - 4 RA 17/89 - BSGE 66, 150, 151 f und 154 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 1 S 2 f und 5; vgl auch BSGE 53, 242, 244 f = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 86 f; BSG SozR 3-2200 § 1248 Nr 8 S 31 f). Hieran ist auch für den insofern funktions- und inhaltsgleichen (vgl auch Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992 BT-Drucks 11/4124 S 161 f und Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 29. November 1995 aaO) § 34 Abs 2 SGB VI unverändert festzuhalten. Dem Gesetz kann eine Tendenz, der bisherigen Rechtsprechung insoweit die Grundlage zu entziehen, nicht entnommen werden.
Auch § 34 Abs 2 SGB VI begrenzt das Wahlrecht des Versicherten hinsichtlich seines Eintritts in den Ruhestand vor Vollendung des 65. Lebensjahres allein durch die Höhe der dort explizit aufgeführten und zeitlich deckungsgleich mit dem Bezug einer Altersrente erzielten Einkünfte. Insofern besteht kein Anhalt für die Annahme, daß unter dem für einen „Anspruch auf eine Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres” schädlichen „Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit” in § 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI etwas anderes verstanden werden könnte als diejenigen Bezüge, die iS des § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) „Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung” oder iS von § 15 SGB IV „Arbeitseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit” sind; die dortigen Begriffsbestimmungen sind demgemäß auch bei der Anwendung des § 34 Abs 2 SGB VI zugrunde zu legen (vgl so bereits zu § 25 Abs 4 AVG: Urteile des Senats vom 18. Januar 1990 - 4 RA 17/89 - BSGE 66, 150, 152 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 1 S 3 und vom 31. Mai 1989 - 4 RA 22/88 - BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 124 f sowie zu § 1248 Abs 4 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫: BSGE 73, 77, 79 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 9 S 35; BSGE 53, 242, 243 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 85; BSG SozR 2200 § 1248 Nr 41 S 102).
§ 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI hat – wie auch seine Vorgängervorschriften in § 25 Abs 4 Satz 1 AVG bzw § 1248 Abs 4 Satz 1 RVO – nicht etwa das Gesamteinkommen (§ 16 SGB IV) für rentenschädlich erklärt; die Vorschrift beschränkt sich vielmehr bereits ihrem Wortlaut nach auf die dort ausdrücklich aufgeführten Einkommensarten und gibt insofern zu Zweifeln keinen Anlaß. Allein relevant sind demgemäß nur das Arbeitsentgelt aus einer unselbständigen Beschäftigung und der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (vgl BSGE 53, 242, 243 = BSG SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 85; BSGE 73, 77, 79 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 9 S 35). Alle aus anderen Quellen stammenden Einkommen, mögen sie noch so hoch und noch so nachhaltig sein, sind demgegenüber weder begrifflich erfaßt noch ihrer Art nach auch nur theoretisch geeignet, durch eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung ersetzt zu werden; sie vermögen demgemäß auch ihrerseits das Recht des Versicherten auf eine Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres nicht zu beeinträchtigen (vgl in diesem Sinne auch Löns in Kreikebohm, SGB VI, 1997, § 34 RdNr 5; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung – SGB VI – 3. Aufl, Stand: August 1998, § 34 RdNr 18). Dem Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung gleichgestellt ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Fiktion (§ 34 Abs 2 Satz 3 SGB VI) – wie auch bereits in § 25 Abs 4 Satz 6 AVG bzw § 1248 Abs 4 Satz 6 RVO – lediglich der Bezug von Vorruhestandsgeld.
Nur – aber auch immer dann – wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen die im Gesetz genannte Höhe übersteigen, fehlt es im Blick auf deren Funktion innerhalb des Systems der gesetzlichen Alterssicherung an der erforderlichen sachlichen Rechtfertigung für die Gewährung der vorzeitigen Altersrente. Gegenstand der gesetzlichen Rentenversicherung ist wesentlich das durch frühere eigene Beiträge zu diesem System versicherte Erwerbseinkommen. Dessen Beeinträchtigung durch den Versicherungsfall wird entsprechend deren jeweiligem Sicherungsziel durch die zustehende Rente zu Lasten der dann erwerbstätigen Bevölkerung und durch Beiträge aus deren Erwerbseinkommen kompensiert. Die Altersrente – auch die vorzeitige – bezweckt als Vollrente einen umfassenden (§§ 63 Abs 4, 67 Nr 1), als Teilrente (§ 42 Abs 1, 2 SGB VI) einen dem gewählten Bruchteil hiervon entsprechenden Ausgleich der altersbedingten Einbuße der Fähigkeit, die Mittel zur wirtschaftlichen Sicherung durch Arbeit zu erwerben. Das typisierende Regelungskonzept des Gesetzes geht dabei davon für alle Versicherten unwiderlegbar und endgültig davon aus, daß eine Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit mit Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr zugemutet werden kann. Die Versichertengemeinschaft stellt ihnen demgemäß allein aufgrund ihres Alters nach Maßgabe der erworbenen Rentenanwartschaften und in dem von ihnen gewählten Umfang (Voll- oder Teilrente) von der Sorge um den hierdurch erworbenen Lebensunterhalt frei. Demgegenüber können sich auf eine derartige allgemeine gesetzliche Vermutung, ihnen sei allein wegen des erreichten Lebensalters eine Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit nicht mehr zuzumuten, nicht auch diejenigen berufen, die schon vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente in Anspruch nehmen wollen und dürfen. Ihnen ist vielmehr jeweils die individuelle Rechtsmacht eingeräumt worden, zu beurteilen und zu entscheiden, ob – und innerhalb der Wahlmöglichkeiten des § 42 Abs 2 SGB VI inwieweit – sie sich weiterhin eine Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit weiterhin zumuten oder eine durch die Altersrente auszugleichende Einkommenseinbuße hinnehmen wollen.
Dem durch die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente bekundeten Willen, aufgrund einer entsprechenden Selbsteinschätzung der Erwerbsfähigkeit (zumindest teilweise) vorzeitig aber endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheiden und hierfür Rente in Anspruch nehmen zu wollen, widerspräche es indessen, wenn dennoch durch Erwerbstätigkeit – bei Bezug einer Vollrente zudem für den Leistungsbezieher beitragsfrei (§§ 5 Abs 4 Nr 1, 172 Abs 1 Nr 1 SGB VI) – weiterhin schrankenlos gerade zu ersetzendes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt werden könnte. Die insofern wie auch ua zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor der Heranziehung zu offensichtlich zweckverfehlten Leistungen erforderliche Grenzziehung nimmt das Gesetz durch § 34 Abs 3 SGB VI vor.
Die damit allein systemimmanente Funktion der Hinzuverdienstgrenze verbietet gleichzeitig ihre ausdehnende Auslegung. Die Versicherung ist historisch und sachlich von der Zwangsmitgliedschaft aufgrund der Ausübung von Erwerbsarbeit, dem Rechtserwerb aufgrund der Entrichtung von Pflichtbeiträgen aus den Erträgen dieser Erwerbsarbeit und dem Schutz vor dem gesundheits- bzw altersbedingten Wegfall derartigen Erwerbseinkommens geprägt. Es ist nicht erkennbar, inwiefern im Leistungsfall unvermittelt hiervon gänzlich unabhängig erzielte Einkünfte von Belang sein könnten. Das Gesetz hat demgemäß die vorzeitige Altersrente – wie zuvor in § 25 Abs 1 AVG (vgl hierzu bereits Urteil des Senats vom 18. Januar 1990 - 4 RA 17/89 - BSGE 66, 150, 154 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 1 S 5) – auch nicht als vom Einkommen oder gar der Bedürftigkeit des Versicherten abhängige Leistung ausgestaltet und das Recht hierauf etwa von Einkünften abhängig gemacht, die weder für seinen Erwerb bedeutsam waren noch gerade den Sicherungsbedarf im Zusammenhang eigener Erwerbsarbeit tangieren noch wirtschaftlich der aktuellen Finanzierung eines entsprechenden Bedarfs dienen. Keineswegs genügt demgemäß für die Anwendung von § 34 Abs 2 SGB VI die bloße Erzielung von Einkünften im Zusammenhang beliebiger Betätigungen.
Die Tätigkeit eines Landtagsabgeordneten oder Mitglieds einer Bürgerschaft ist im SGB VI nicht als selbständige rentenversicherungspflichtige Tätigkeit erfaßt (vgl § 2) und schon deshalb auch nicht „relevant” iS von § 34 Abs 2 SGB VI. Im übrigen sind die Bezüge aus einer Abgeordnetentätigkeit in einem Landtag oder einer Bürgerschaft, die gerade nicht auf die Erzielung von Einkünften aus entgeltlichen Dienstleistungen gegenüber einzelnen und bestimmten Dritten ausgerichtet sein darf, auch keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit; sie sind vielmehr den sonstigen Einkünften iS von §§ 2 Nr 7, 22 Nr 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zuzuordnen und unterliegen allein aufgrund dieser Spezialregelung der Einkommenssteuer (vgl etwa Kuhlmann in Frotscher, Kommentar zum Einkommenssteuergesetz, Stand: 4/98 § 22 EStG RdNr 41). Die Abgeordnetenentschädigung ist demgemäß auch kein Arbeitseinkommen iS des § 15 Abs 1 SGB IV.
Die Entschädigung, die der Kläger als Mitglied der Bremischen Bürgerschaft erhält, ist auch kein „Arbeitsentgelt” iS des § 14 Abs 1 SGB IV „aus einer” – nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI denkbar rentenversicherungspflichtigen – nicht selbständigen „Beschäftigung”. Der Begriff der Beschäftigung in § 34 Abs 2 SGB VI ist iS der in § 7 SGB IV definierten Beschäftigung zu verstehen (vgl Urteile des Senats vom 18. Januar 1990 - 4 RA 17/89 - BSGE 66, 150, 152 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 1 S 3 und vom 31. Mai 1989 - 4 RA 22/88 - BSGE 65, 113, 116 = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; BSG SozR 2200 § 1248 Nr 41 S 102). Nach der Legaldefinition des § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung jede nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Der Kläger „schuldet” jedoch Dienste weder im Rahmen eines (privatrechtlichen) Arbeitsvertrages noch innerhalb des ihm übertragenen öffentlichen Amtes (vgl BVerfGE 40, 296, 314) aufgrund einer sonstigen Rechtsgrundlage und ist im übrigen aufgrund Status und Aufgabenstellung gerade nicht (persönlich) abhängig, wie dies der Begriff der Beschäftigung fordert.
Die unselbständige Arbeit (Beschäftigung) wird dadurch charakterisiert, daß sie mit dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers ausgeübt wird, daß der Beschäftigte vom Arbeitgeber also persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit äußert sich vornehmlich in der Eingliederung des Beschäftigten in einen Betrieb oder eine Verwaltung und damit in der Fremdbestimmtheit der Arbeit. Sie ist in aller Regel mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers über Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung verbunden (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl Urteil des Senats vom 23. März 1999 - B 4 RA 50/98 R - SGb 1999, 352 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSGE 53, 242, 245 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 87; BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 3 f; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 27; jeweils mwN). Das Weisungsrecht kann jedoch, vornehmlich bei Diensten höherer Art, eingeschränkt und „zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß” verfeinert sein (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 11 S 59; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 27; BSG SozR 2200 § 1248 Nr 41 S 102; jeweils mwN).
Dem Kläger ist als Mitglied der Bremischen Bürgerschaft wesentlich die Mitwirkung im Rahmen der Landesgesetzgebung übertragen (Art 101 Abs 1 Nr 1 LV). Seine Tätigkeit ist damit inhaltlich gerade nicht durch die Umsetzung fremder Vorgaben, sondern vielmehr durch die Teilhabe an der verantwortlichen originären Entwicklung allgemeinverbindlicher Verhaltensanweisungen an Bürger und Verwaltung geprägt. Er übt demgemäß während seiner Tätigkeit als Mitglied (Abgeordneter) der Bremischen Bürgerschaft keine unselbständige Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV aus.
Hierfür spricht auch die Ausgestaltung seines rechtlichen Status. Dieser ergibt sich aus den Feststellungen des LSG zu seiner Tätigkeit als Abgeordneter und der hierzu vom Berufungsgericht herangezogenen Vorschrift des Art 83 der LV der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947 (Gesetzesblatt der Freien Hansestadt Bremen ≪Brem GBl≫ S 251, zuletzt geändert durch Landesgesetz vom 1. Oktober 1996 – Brem GBl S 303) sowie ergänzend aus den Regelungen der LV der Freien Hansestadt Bremen in Art 82, 94, 95 und 140. Zwar enthält die LV der Freien Hansestadt Bremen kein nach § 162 SGG vor dem BSG revisibles Recht. Das BSG kann den Inhalt dieser nicht revisiblen Vorschriften jedoch dann feststellen, wenn es zur Klärung von Vorfragen revisibler Vorschriften, hier des § 34 Abs 2 SGB VI, erforderlich ist und entsprechende Feststellungen der Vorinstanzen, die für das Revisionsgericht bindend wären (§ 163 SGG), fehlen (Urteil des Senats vom 18. Januar 1990 - 4 RA 17/89 - BSGE 66, 150, 155 f = SozR 3-2200 § 1248 Nr 1 S 7; BSGE 78, 34, 37 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 27; BSGE 53, 252, 245 f = SozR 2200 § 1248 Nr 36 S 87; BSG SozR 2200 § 1248 Nr 41 S 102; jeweils mwN).
Der Status eines Mitglieds (Abgeordneten) der Bremischen Bürgerschaft ist durch persönliche Unabhängigkeit gekennzeichnet. Der Abgeordnete ist Vertreter der ganzen bremischen Bevölkerung (Art 83 Abs 1 Satz 1 der LV der Freien Hansestadt Bremen) und hat mithin eine repräsentative Funktion. Er ist ein vom Vertrauen der Wähler berufener Inhaber eines öffentlichen Amtes und Träger des freien Mandats, das er in Unabhängigkeit wahrnimmt; er schuldet in diesem Sinne keine Dienste (vgl BVerfGE 40, 296, 316). Das GG und damit – schon aufgrund der Homogenitätsklausel des Art 28 Abs 1 GG – korrespondierend die LV der Freien Hansestadt Bremen sehen nicht nur davon ab, sondern verbieten es im Gegenteil, irgend jemand in irgendeiner Form einen Rechtsanspruch auf Dienste eines Abgeordneten im Parlament zu gewähren (vgl Seuffert, Sondervotum, BVerfGE 40, 330, 334). Verantwortlich ist der Abgeordnete letztlich allein seinem Gewissen (vgl Art 83 Abs 1 Satz 3 der LV der Freien Hansestadt Bremen) und den Wählern, die über seine Wiederwahl befinden. An Aufträge ist er nicht gebunden (Art 83 Abs 1 Satz 3 der LV der Freien Hansestadt Bremen). Hiermit korrespondieren die Regelungen über Indemnität und Immunität des Abgeordneten in Art 94 und 95 der LV der Freien Hansestadt Bremen sowie sein Schutz gegenüber innerparteilichen Maßnahmen. Eine Disziplinierung des Abgeordneten durch die Partei wegen der Art der Ausübung seines Mandats ist rechtlich ebenso ausgeschlossen wie eine Einschränkung seiner Unabhängigkeit und Freiheit durch Fraktions- oder Parteibeschlüsse. Selbst der Austritt aus der Fraktion oder ein Wechsel der Partei bewirken keinen Mandatsverlust (vgl speziell zum Institut des freien Mandats in der LV der Freien Hansestadt Bremen: Neumann, Die Verfassung der Freien Hansestadt Bremen, 1995, Art 83 RdNrn 1 – 10). Darüber hinaus ist der Abgeordnete in seiner Rechtsstellung als Teil eines Verfassungsorgans (Bürgerschaft), das durch die LV mit eigenen Rechten ausgestattet ist, nach Art 140 der LV der Freien Hansestadt Bremen in Organstreitverfahren vor dem Bremischen Staatsgerichtshof antragsbefugt (vgl Neumann, aaO, Art 140 RdNr 18). Gewährleistet wird das in Art 83 der LV der Freien Hansestadt Bremen postulierte freie Mandat durch das Behinderungsverbot in Art 82 Abs 1 der LV der Freien Hansestadt Bremen und die Zubilligung eines „angemessenen Entgelts” (Art 82 Abs 2 der LV der Freien Hansestadt Bremen).
Diese – aus der Staatskasse zu finanzierende (BVerfGE 40, 296, 314) – Entschädigung ist weder ein „arbeitsrechtliches Entgelt”, mit dem ein Anspruch auf Erfüllung dienstlicher Obliegenheiten verbunden wäre, noch ein „Gehalt im beamtenrechtlichen Sinne”. Ist nämlich der Kläger – wie ausgeführt – als Mitglied der Bremischen Bürgerschaft persönlich weisungsfrei und unabhängig, ist die Ausübung seines Abgeordnetenmandats auch keine Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV (vgl entsprechend zur Tätigkeit eines Bundestagsabgeordneten: BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 3 f). Die hierfür von der Freien Hansestadt Bremen nach Art 82 Abs 2 und 3 der LV der Freien Hansestadt Bremen iVm § 5 Abs 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft (Bremisches Abgeordnetengesetz – Brem AbgG) vom 16. Oktober 1978 (Brem GBl S 209) gezahlte Entschädigung kommt schon deshalb als Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung iS von §§ 7 Abs 1, 14 Abs 1 SGB IV und § 34 Abs 2 SGB VI nicht in Betracht. Allein dadurch, daß Abgeordnete in Anbetracht fundamental gewandelter Verhältnisse anstelle der reinen Entschädigung für einen besonderen, mit dem Mandat verbundenen Aufwand nunmehr eine angemessene Alimentation für sich und ihre Familie erhalten, sind sie weder zu Arbeitnehmern noch zu Beamten geworden (BVerfGE 40, 296, 314, 316). Wie nämlich gerade die Aufnahme entsprechender Regelungen in die jeweilige Verfassung (hier: Art 82 Abs 2 LV) zeigt, gehört auch das Recht auf ein nunmehr für die Tätigkeit des Abgeordneten zu zahlendes „Entgelt” zum materiellen Parlamentsrecht und kann demgemäß ohne Bezug auf die in Freiheit auszuübenden Rechte und Pflichten aus ihrem repräsentativen verfassungsrechtlichen Status nicht richtig verstanden werden (BVerfGE 41, 144, 150). Hierin liegt gleichzeitig der Grund, daß die Abgeordnetentätigkeit des Klägers sozialrechtlich irrelevant ist (vgl hierzu entsprechend zur Betätigung in kommunalrechtlichen Vertretungskörperschaften: BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 11 S 59 mwN); sie begründet weder Versicherungs- noch Beitragspflicht in der Sozialversicherung und damit auch keine Rentenanwartschaften und Rentenansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl hierzu allgemein Giesen, Gesetzliche Rentenversicherung für Abgeordnete? in DVBl 1999, S 291 ff).
4. Entgegen der Ansicht des LSG und der wohl herrschenden Meinung in der Literatur (vgl VerbandsKomm, Stand: Januar 1997, § 34 SGB VI RdNr 8; Niesel in Kasseler Komm, Stand: Oktober 1996, § 34 SGB VI RdNr 14; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung – SGB VI – 3. Aufl, Stand: August 1998, RdNrn 27 f; Klattendorf in Hauck/Haines, SGB VI, Stand: Oktober 1995, K § 34 RdNr 18; aA Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Stand: Januar 1997, § 34 SGB VI Anm 3 b) ist auch eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 34 Abs 2 SGB VI über ihren Wortlaut hinaus auf die Abgeordnetenentschädigung nicht zulässig.
Die Voraussetzungen für eine Analogie, die die Anwendung der Vorschrift des § 34 Abs 2 SGB VI auch auf die Abgeordnetenentschädigung ermöglichen würde, sind vorliegend nicht gegeben. Sie liegen nur dann vor, wenn 1. eine (anfängliche oder nachträgliche) Gesetzeslücke besteht, 2. der nicht geregelte Tatbestand dem gesetzlich festgelegten ähnlich ist und 3. beide Tatbestände wegen ihrer Ähnlichkeit gleich zu bewerten sind (vgl BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 4 f; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 202 ff).
Die Methode der Analogie ist eine verfassungsrechtlich anerkannte Form der richterlichen Rechtsfortbildung (vgl zB BVerfGE 82, 6, 11 ff mwN). Sie ist allerdings von der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur abzugrenzen. Die vom Verfassungsrecht gezogene Grenze verläuft im allgemeinen dort, wo die Gerichte ohne das Vorhandensein einer sich aus Systematik und Sinn des Gesetzes ergebenden Lücke allein unter Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien, die eine konkrete rechtliche Ableitung nicht zulassen, oder aus rechtspolitischen Erwägungen Neuregelungen oder Rechtsinstitute schaffen (BVerfGE 34, 269, 290; 65, 182, 194). Dem Gericht ist es verwehrt, sich unter Verkennung seiner eigenen Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben (BVerfGE 82, 6, 11 ff; 87, 273, 280). Stets darf demgemäß richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie nur dann eingesetzt werden, wenn das Gericht aufgrund einer Betrachtung und Wertung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt (vgl BVerfG FamRZ 1995, 1052, 1054). Eine derartige Lücke ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn eine erwünschte Ausnahmeregelung fehlt oder eine gesetzliche Regelung aus sozial- oder rechtspolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird (vgl BVerfG NJW 1992, 1219; BVerfGE 65, 182, 194). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese – auch im Interesse der Rechtssicherheit für den einzelnen Bürger – nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so ggf im Parlament gar nicht erreichbar war (vgl BVerfG FamRZ 1995, 1052, 1054; BVerfGE 82, 6, 12). Eine Lücke im Gesetz liegt daher nur da vor, wo es unvollständig und damit ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht; es muß sich dabei um eine dem Plan des Gesetzgebers widersprechende, also eine „planwidrige Unvollständigkeit” handeln (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl zB Urteil des Senats vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 67/97 - SozR 3-2600 § 58 Nr 13 S 74 f; BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 4; BSGE 63, 120, 131 = SozR 4100 § 138 Nr 17 S 92; BSGE 25, 150, 151; BSGE 43, 128, 129 = SozR 4100 § 100 Nr 1 S 1). Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie das maßgebliche Regelungskonzept des SGB VI verkennt das Berufungsgericht, das zudem die Tradition der derzeitigen Gesetzeslage und die zu den Vorgängernormen ergangene umfangreiche oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht rezipiert hat. Insbesondere ergibt sich keinesfalls etwa bereits aus der individuell nur zeitlich begrenzten Wirkung einer Rechtsnorm die Befugnis zu ihrer beliebigen Anwendung auch ohne Beachtung des gesetzlich normierten Tatbestandes.
Vorliegend fehlt es bereits an einer Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie geschlossen werden könnte. § 34 Abs 2 SGB VI enthält keine planwidrige Unvollständigkeit. Seine Funktion als Gradmesser für eine ggf anzunehmende Selbstwidersprüchlichkeit der Willensbetätigung des Versicherten einerseits und als betragsmäßige Grenze für die Verpflichtung der Versichertengemeinschaft zur Finanzierung eines Doppeleinkommens aus vorgezogener Altersrente und hierdurch eigentlich zu ersetzendem Arbeitsentgelt bzw -einkommen andererseits ist allein systemimmanent. Demgemäß entspricht dem im vorgegebenen numerus clausus rentenschädlicher Einkünfte zu Tage tretenden Plan des Gesetzes gerade die Nichtberücksichtigung der Abgeordnetenentschädigung und nicht etwa ihre im Ergebnis rentenschädliche Einbeziehung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung. Die vom LSG dennoch vorgenommene analoge Anwendung der Norm auf die Abgeordnetenentschädigung überschreitet mithin die Grenzen einer nur im geschilderten Umfang erlaubten richterlichen Rechtsfortbildung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NJW 2000, 1519 |
NZS 2000, 98 |
SGb 1999, 405 |
SozSi 1999, 343 |
SozSi 2000, 70 |