Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllte Wartezeit

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Versicherungsträger 3x nach dem Zusammenbruch die Weitergewährung der von einem stillgelegten Versicherungsträger 3 x bewilligten Rente übernommen, die Rente aber schon vor Inkrafttreten des FAG SV wirksam entzogen, so liegt eine rechtskräftig festgestellte Leistung, die nach FAG SV § 4 Abs 4 S 3 weiterzugewähren ist, nicht vor. Der Entziehung einer Rente ist es gleichzuerachten, wenn ein Versicherungsträger 3 x in Berlin vor Inkrafttreten des, FAG SV auf Grund der für ihn maßgebenden besonderen Bestimmungen die Weitergewährung der Rente rechtswirksam abgelehnt hat, weil der Antragsteller nach ärztlichem Gutachten nicht mehr als erwerbsunfähig (invalide) angesehen werden konnte; auch in solchen Fällen ist daher die früher gewährte Rente nicht als rechtskräftig festgestellte Leistung im Sinne des FAG SV § 4 Abs 4 anzusehen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Auffassung, eine einmal erfüllte Wartezeit müsse solange als erfüllt gelten, als die Anwartschaft erhalten sei, kann nicht beigetreten werden. Grundsätzlich muß davon ausgegangen werden, daß für den Rentenanspruch die im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls geltenden Vorschriften über die Wartezeit maßgebend sind.

 

Normenkette

SVFAG § 4 Abs. 4 S. 3 Fassung: 1953-08-07; RVO § 1262 Fassung: 1949-06-17, § 1264 Fassung: 1937-12-21

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 17. November 1955 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Die am 28. November 1910 geborene Klägerin hatte auf Grund eines im Jahre 1930 ergangenen Bescheides der früheren Landesversicherungsanstalt (LVA.) Berlin bis zum Zusammenbruch im Jahre 1945 Invalidenrente bezogen. Im Juli 1948 stellte sie bei der Versicherungsanstalt Berlin (VAB.) einen "Rentenantrag für erwerbsunfähige Versicherte", der durch Bescheid vom 15. Oktober 1948 abgelehnt wurde, weil die Klägerin nach ärztlichem Gutachten nicht erwerbsunfähig sei. Der Bescheid enthielt die Belehrung, daß er rechtskräftig werde, wenn nicht innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung beim Beschwerdeausschuß der VAB. Beschwerde eingelegt werde; die Klägerin hat jedoch keinen Rechtsbehelf erhoben. Im März 1953 beantragte sie von neuem die Gewährung der Invalidenrente bei der auf Grund des § 2 des Berliner Rentenversicherungsüberleitungsgesetzes vom 10. Juli 1952 (GVBl. S. 588) errichteten LVA. Berlin, der Beklagten. Die Klägerin gab an, sie sei seit dem 1. Februar 1930 invalide. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 15. April 1953 ab, weil die Klägerin nur 197 Beitragswochen = 45 Beitragsmonate zurückgelegt und die Wartezeit des § 1262 der Reichsversicherungsordnung -RVO- (mindestens 60 Beitragsmonate) nicht erfüllt habe. Der Beschwerdeausschuß der Beklagten wies die Beschwerde der Klägerin am 8. Oktober 1953 zurück: Die Klägerin habe zwar die Wartezeit nach den im Jahre 1930 geltenden Vorschriften erfüllt, nicht aber die bei Eintritt des jetzigen Versicherungsfalles maßgebende Wartezeit (60 Beitragsmonate).

Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Beschwerde beim Sozialversicherungsamt Berlin und machte geltend, ihr Rechtsmittel richte sich gegen alle bisherigen Entscheidungen und Untersuchungen; sie sei nach wie vor erwerbsunfähig, die auch nach 1945 fortgesetzte ärztliche Behandlung habe zu keiner Besserung geführt. Das Sozialgericht Berlin, auf das der Rechtsstreit bei Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage übergegangen war (§ 218 Abs. 5 SGG), wies die Klage durch Urteil vom 1. Februar 1955 ab: Es sei nicht zu prüfen, ob die Klägerin auf Grund der §§ 63, 78 Abs. 4 der Satzung der VAB. Anspruch auf Weiterzahlung der ihr von 1930 bis zum Zusammenbruch im Jahre 1945 gewährten Rente habe, denn der von ihr im Jahre 1948 gestellte Rentenantrag sei rechtskräftig abgelehnt worden. Der im März 1953 erhobene Rentenanspruch sei allein nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, des Berliner Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes und des Berliner Rentenversicherungsüberleitungsgesetzes zu beurteilen. Die Klägerin habe aber die hiernach maßgebende Wartezeit von mindestens 60 Beitragsmonaten nicht erfüllt.

In der Begründung der Berufung gegen dieses Urteil führte die Klägerin aus, der Bescheid der VAB. vom 15. Oktober 1948 sei nur deshalb rechtskräftig geworden, weil ihr Ehemann damals seine Brieftasche verloren habe, in der sich der Bescheid und andere wichtige Papiere befunden hätten, und weil sie sich aus diesem Grunde an den Bescheid nicht mehr erinnert habe. Da die Wartezeit im Jahre 1930 erfüllt gewesen und die Anwartschaft aus den bis dahin entrichteten Beiträgen erhalten sei, stehe ihr die Rente vom Zeitpunkt der Antragstellung an zu.

Das Landessozialgericht (LSG.) hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen: Die Klägerin sei bei einem nicht mehr bestehenden Versicherungsträger versichert gewesen, so daß der von ihr erhobene Leistungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FremdRG) nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu beurteilen sei. Nach § 2 FremdRG seien für die Leistungen grundsätzlich die im Bundesgebiet geltenden Vorschriften der Sozialversicherung unter Berücksichtigung der in den §§ 3 bis 7 vorgesehenen Besonderheiten maßgebend. Eine Rente, die bei dem nach § 7 FremdRG zuständigen Versicherungsträger wegen Invalidität beantragt sei, könne daher grundsätzlich nur gewährt werden, wenn außer Invalidität auch die sonstigen Voraussetzungen des § 1253 Abs. 1 RVO gegeben seien, der Versicherte also die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten habe. Nach § 4 Abs. 4 FremdRG werde zwar ohne Rücksicht auf die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 die Leistung gewährt, die ein Versicherungsträger im Sinne des § 1 Abs. 2 FremdRG nach Reichsrecht bereits rechtskräftig festgestellt habe. Die Klägerin könne sich aber auf die von der früheren LVA. Berlin im Jahre 1930 nach dem damals geltenden Reichsrecht (u.a. §§ 1278, 1279 RVO a.F.) festgestellte Leistung nicht berufen, weil inzwischen der neue Rentenantrag von der VAB. durch Bescheid vom 15. Oktober 1948 unanfechtbar abgelehnt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der durch die Zustellung des Bescheides vom 15. Oktober 1948 in Lauf gesetzten Beschwerdefrist komme schon deswegen nicht in Betracht, weil die Wiedereinsetzung nicht innerhalb der Zweijahresfrist des § 132 Abs. 3 RVO a.F. beantragt worden sei. Die Ablehnung des von der Klägerin auf § 78 der Satzung der VAB. vom 20. September 1946 gestützten Rentenantrages durch den rechtskräftig gewordenen Bescheid vom 15. Oktober 1948 habe die gleiche Wirkung wie eine rechtskräftige Entziehung der im Jahre 1930 bewilligten Rente gehabt. Der im März 1953 gestellte neue Rentenantrag beziehe sich auf einen neuen Versicherungsfall. Da dieser frühestens nach Oktober 1948 eingetreten sei, gelte die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten; diese habe die Klägerin aber nicht erfüllt, selbst wenn man eine vor dem Rentenbescheid des Jahres 1930 liegende ununterbrochene Krankheitszeit von einem Jahr als Ersatzzeit anrechne.

Zur Begründung der Revision macht die Klägerin geltend, die Wartezeit müsse als erfüllt angesehen werden, weil sie vom Jahre 1930 bis zum Zusammenbruch eine Rente wegen Invalidität bezogen habe. Da sie seit 1930 überhaupt nicht mehr erwerbsfähig gewesen sei, habe sie gemäß § 1443 RVO keine weiteren Beiträge zur Invalidenversicherung entrichten können. Selbst, wenn man davon ausgehe, daß sie vorübergehend erwerbsfähig gewesen sei, weil sie gegen den Bescheid der VAB. vom 15. Oktober 1948 keine Beschwerde erhoben habe, so sei die Invalidität zumindest nach Ablauf der einjährigen "Sperrfrist" des § 1635 RVO wieder eingetreten. Auch bei einjähriger Unterbrechung der Invalidität wäre es ihr nicht möglich gewesen, die neue Wartezeit von 60 Beitragsmonaten zu erfüllen. Da die Anwartschaft aus den bis zum Jahre 1930 entrichteten Beiträgen erhalten sei, müsse entsprechend der Grundsätzlichen Entscheidung des Bayerischen Landesversicherungsamts vom 7.5.1953 (Amtsbl. des Bayer. ArbMin. 1953, Teil B, S. 129) davon ausgegangen werden, daß die Wartezeit erfüllt sei. Aus § 4 Abs. 4 FremdRG könne nicht geschlossen werden, daß die einmal nach Reichsrecht festgestellte Leistung noch "laufen" müsse.

II.

Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden. Sie kann jedoch keinen Erfolg haben.

Nach der von der Revision nicht beanstandeten Feststellung des LSG. hat die Klägerin vor Bewilligung der Invalidenrente durch den Bescheid der früheren LVA. Berlin im Jahre 1930 insgesamt nur 197 Beitragwochen zurückgelegt. Da die Klägerin bei der früheren LVA. Berlin, einem nicht mehr bestehenden Versicherungsträger im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 FremdRG vom 7. August 1953 (BGBl. I S. 848) versichert war, ist der von ihr im Jahre 1953 erhobene Rentenanspruch, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes zu beurteilen. Wie das LSG. weiter ohne Rechtsirrtum ausgeführt hat, sind für die Leistungen nach dem Fremdrentengesetz, das nach dem Berliner Gesetz zur Übernahme des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 24. August 1953 (GVBl. für Berlin, S. 837) mit Wirkung vom 1. April 1952 auch in Berlin Anwendung findet, grundsätzlich die im Bundesgebiet geltenden Vorschriften der Sozialversicherung unter Berücksichtigung der in den §§ 3 bis 7 vorgesehenen Besonderheiten maßgebend (§ 2 FremdRG). Die Rente wird nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FremdRG nur auf Antrag gewährt. Sie kann grundsätzlich nur gewährt werden, wenn der Antragsteller die im Bundesgebiet geltenden Vorschriften erfüllt, soweit nicht in den §§ 3 bis 7 Besonderheiten vorgesehen sind.

Nach § 4 Abs. 1 FremdRG werden in den Renteversicherungen die bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 1 Abs. 2 zurückgelegten oder von ihm zu berücksichtigenden Versicherungszeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten) für Wartezeit und Anwartschaft, für die Rentenberechnung und das Recht auf freiwillige Weiterversicherung wie die in den Rentenversicherungen im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet. Die Vorschriften in den Absätzen 1 und 2 des § 4 gelten nach Abs. 4 auch in den Fällen, in denen von einem Versicherungsträger im Sinne des § 1 Abs. 2 bereits eine Leistung rechtskräftig festgestellt worden ist. In diesen Fällen gilt die Anwartschaft als erhalten. Ist die Leistung nach Reichsrecht festgestellt worden, so wird sie ohne Rücksicht auf die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gewährt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 FremdRG). Auf diese Ausnahmevorschrift kann sich die Klägerin aber, wie das LSG. ohne Rechtsirrtum angenommen hat, nicht berufen, weil die im Jahre 1930 von der früheren LVA. Berlin nach Reichsrecht gewährte Rente im Hinblick auf den ablehnenden Bescheid der VAB. vom 15. Oktober 1948 nicht mehr als "rechtskräftig festgestellte Leistung" im Sinne des § 4 Abs. 4 FremdRG angesehen werden kann. Zwar handelt es sich bei dem Bescheid vom 15. Oktober 1948 nicht um einen Bescheid über die Entziehung der Rente im Rechtssinne. Einen solchen Bescheid, der auf die Vorschrift des § 1293 RVO hätte gestützt werden können, hätte grundsätzlich nur derjenige Versicherungsträger erlassen können, der die Rente festgesetzt hatte (§§ 1630, 1633 RVO, vgl. RVA. in AN. 1901, 198; 1913, 554). Dasselbe wird auch für einen Versicherungsträger gelten müssen, der nach dem Zusammenbruch die Zahlung der Rente für einen nicht mehr bestehenden oder stillgelegten Versicherungsträger übernommen hatte (vgl. Kommentar des Verbandes deutscher Rentenversicherungsträger, 5. Aufl. § 1293 RVO, Anm. 7). Eine solche Übernahme der Rente durch die VAB. lag aber nicht vor.

Die frühere LVA. Berlin ist nach dem Zusammenbruch mit Wirkung vom 30. Juni 1945 stillgelegt worden (vgl. Bekanntmachung des Magistrats der Stadt Berlin vom 12. Februar 1946, VOBl. 1946, S. 42). Auf Grund der Anordnung des Magistrats der Stadt Berlin vom 14. Juli 1945 über den Wiederaufbau der Sozialversicherung (VOBl. 1945 S. 64) wurde als einheitlicher Versicherungsträger für die gesamte Sozialversicherung Berlins die Versicherungsanstalt Berlin - VAB. - errichtet (VOBl. 1945 S. 65). Am 15. Oktober 1945 bestimmte der Magistrat der Stadt Berlin auf Grund des Befehls der Alliierten Kommandantur vom 26. September 1945 und der Anordnung des Magistrats vom 14. Juli 1945, daß die Renten der bisherigen Sozialversicherung von der VAB. an arbeitsunfähige, mittellose Personen, die nicht Mitglieder der NSDAP oder ihrer Gliederungen waren, mit bestimmten Einschränkungen auch hinsichtlich ihrer Höhe, vom 1. November 1945 an wieder gewährt würden (VOBl. 1945, S. 134). Es handelte sich hiernach nicht um eine allgemeine Übernahme der Renten der bisherigen Sozialversicherung durch die VAB., sondern um eine Wiedergewährung der Renten unter bestimmten Voraussetzungen. Am 28. März 1946 erging auf Grund der Befehle der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. September 1945 und vom 15. März 1946 sowie der Anordnung des Magistrats der Stadt Berlin vom 14. Juli 1945 "bis zum Erlaß weiterer Anordnungen der Alliierten Kommandantur" eine vorläufige Bestimmung, nach welcher die VAB. die Gewährung der Renten an Erwerbsunfähige vom 1. Mai 1946 an auf Grund der Vorschriften der bisherigen Rentenversicherung - mit gewissen Einschränkungen für noch nicht entnazifizierte Personen - zu übernehmen hatte (VOBl. 1946 S. 119). Nach der auf Grund der Bekanntmachung des Magistrats der Stadt Berlin vom 14. September 1946 (VOBl. 1946 S. 350) erlassenen Satzung der VAB. vom 20. September 1946, deren Bestimmungen über Renten (Siebenter Abschnitt) am 1. Mai 1946 in Kraft getreten sind (§ 78 Abs. 1 der Satzung), blieb die bisher getroffene Regelung über die Weitergewährung bereits festgestellter Renten der früheren Sozialversicherung unberührt (§ 78 Abs. 4 der Satzung). Die Weitergewährung einer bereits festgestellten Rente der früheren Sozialversicherung, die nach § 63 Abs. 1 der Satzung nicht vor dem Ersten des Kalendermonats beginnen konnte, in dem der Rentenantrag gestellt wurde, setzte u.a. voraus, daß der Versicherte, dem nach bisherigem Recht eine Rente bewilligt worden war, erwerbsunfähig war. Der Begriff "Erwerbsunfähigkeit" (§ 51 Abs. 1 der Satzung der VAB.) deckte sich aber inhaltlich mit dem Begriff "Invalidität" im Sinne des § 1254 RVO in der vor Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes geltenden Fassung. Die Voraussetzungen für die Nichtgewährung der Rente durch die VAB. sind somit die gleichen, die für eine Entziehung der Rente maßgebend gewesen wären. Der ablehnende Bescheid der VAB. vom 15. Oktober 1948, den die Klägerin trotz der in ihm enthaltenen Rechtsmittelbelehrung nicht angefochten hat, muß daher seiner Wirkung nach einer Entziehung der Rente gleichgestellt werden. Die VAB. handelte zwar nicht als Rechtsnachfolgerin der stillgelegten früheren LVA. Berlin, sie hat aber auf Grund des Antrags der Klägerin unter Berücksichtigung der Vorschriften ihrer Satzung die Voraussetzungen, die zur Weitergewährung der Rente hätten führen können, geprüft und ist im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu dem Ergebnis gelangt, daß die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Weitergewährung der Rente im Jahre 1948 nicht mehr vorgelegen haben. Die VAB. hat damit, wenn auch in anderer Rechtsform, tatsächlich die Kontrolle des alten Rentenbestandes - im Rahmen der gestellten Anträge auf Wiedergewährung der Rente - übernommen; die Ablehnung der Neugewährung der Rente ist somit der Sache nach einer Entziehung der früher bewilligten Rente gleichzustellen. Da die Klägerin den Bescheid vom 15. Oktober 1948 nicht angefochten hat und, wie das LSG. zutreffend ausgeführt hat, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben sind, kann sich die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs nicht auf die Vorschrift des § 4 Abs. 4 Satz 2 und 3 FremdRG berufen.

Hat ein Versicherungsträger, der nach dem Zusammenbruch die Weitergewährung der von einem stillgelegten Versicherungsträger bewilligten Rente übernommen hatte, die Rente schon vor Inkrafttreten des FremdRG wirksam entzogen, so liegt eine rechtskräftig festgestellte Leistung, die nach § 4 Abs. 4 Satz 3 FremdRG weiterzugewähren ist, nicht vor. Dasselbe muß aber grundsätzlich auch gelten, wenn ein Versicherungsträger, bevor er die von einem stillgelegten Versicherungsträger festgestellte Leistung übernommen hat, auf Grund der für ihn geltenden besonderen Bestimmungen die Voraussetzungen für die Weitergewährung der Leistung geprüft und die Weitergewährung der Rente rechtswirksam abgelehnt hat, weil der Antragsteller nach ärztlichem Gutachten nicht mehr als erwerbsunfähig (invalide) angesehen werden konnte.

Liegt aber eine rechtskräftig festgestellte Leistung im Sinne des § 4 Abs. 4 FremdRG nicht mehr vor, so kommen für den im Jahre 1953 gestellten Rentenantrag nur die allgemeinen Vorschriften der RVO in der damals geltenden Fassung zur Anwendung. Der Klägerin könnte also eine Leistung nur bei Erfüllung der Wartezeit des § 1262 RVO in der Fassung der Vereinfachungsverordnung vom 17. März 1945 (RGBl. I S. 41) gewährt werden.

Der von der Revision vertretenen Auffassung, eine einmal erfüllte Wartezeit müsse solange als erfüllt gelten als die Anwartschaft erhalten sei, kann nicht beigetreten werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Grundsätzlichen Entscheidung des Bayer. Landesversicherungsamtes Nr. 93 (Amtsbl. des Bayer. ArbMin 1953, Teil B, S. 129) zugestimmt werden kann. Diese Entscheidung bezieht sich auf den besonders gelagerten Fall des § 17 Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Januar 1941 (RGBl. I s. 34) bzw. des § 1263a RVO (Fiktion der Erfüllung der Wartezeit bei Versicherten, die "infolge einer Beschädigung bei besonderem Einsatz oder einer Wehrdienstbeschädigung" bzw. "infolge Feindeinwirkung" invalide geworden sind). Mag man auch in Fällen, in denen das Gesetz eine in Wirklichkeit nicht erfüllte Wartezeit aus besonderem Grunde als erfüllt gelten läßt, eine abweichende Auffassung als vertretbar ansehen, so muß doch grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß für den Rentenanspruch die im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles geltenden Vorschriften über die Wartezeit maßgebend sind.

Da nach Fortfall der Invalidität im Jahre 1948 der Versicherungsfall der Invalidität jedenfalls erst nach dem Jahre 1948 erneut eingetreten ist, kommen für den Rentenanspruch der Klägerin nicht mehr die im Jahre 1930 geltenden Vorschriften der §§ 1278, 1279 RVO in der damals geltenden Fassung in Betracht. Vielmehr ist die Wartezeit des § 1262 RVO in der Fassung der Vereinfachungsverordnung vom 17. Mai 1945 maßgebend, die die Klägerin unstreitig nicht erfüllt hat.

Die Revision ist hiernach als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2340710

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