Leitsatz (amtlich)
Bei einer Klage auf Rentengewährung muß das Gericht, sofern es nicht zu einer Klageabweisung gelangt, wenigstens über den Grund des Rentenanspruchs entscheiden; es darf sich nicht darauf beschränken, nur einzelne Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen und im übrigen den Versicherungsträger zur Erteilung eines neuen Bescheides zu verurteilen. Ein solches Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel.
Normenkette
SGG § 54 Fassung: 1953-09-03, § 123 Fassung: 1953-09-03, § 130 Fassung: 1953-09-03, § 131 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. Juni 1956 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die am 3. Mai 1891 geborene Klägerin beantragte im Mai 1953 bei der beklagten Landesversicherungsanstalt die Gewährung der Invalidenrente. Sie gab hierbei an, von 1905 bis 1913 als Hausgehilfin bei verschiedenen Arbeitgebern, von 1914 bis 1916 als Arbeiterin in einer Fabrik in Bad Warmbrunn, von 1916 bis 1918 bei einer Heeresdienststelle in Berlin-Spandau, von 1919 bis 1922 als Hausgehilfin und Arbeiterin in Berlin beschäftigt und von 1922 bis 1930 als ambulante Gewerbetreibende selbständig tätig gewesen zu sein; bis zum Jahre 1922 seien Beiträge zur Invalidenversicherung entrichtet worden. Von 1931 bis 1936 habe sie nicht gearbeitet, weil sie 1931 geheiratet habe. Nach der Scheidung der Ehe (1936) sei sie bis 1945 in Schlesien nicht berufstätig gewesen, sondern habe von der Unterhaltsrente ihres geschiedenen Mannes gelebt. Im Jahre 1945 sei sie als Flüchtling nach Berlin gekommen und habe hier von Sozialunterstützung gelebt. Sie habe insgesamt 17 Quittungskarten "geklebt".
Durch Bescheid vom 17. Juni 1953 lehnte die Beklagte den Antrag ab: Die Anwartschaft aus den angeblich bis zum Jahre 1922 entrichteten Beiträgen sei erloschen, da für die Zeit vom 1. Januar 1924 bis zum 31. März 1945 keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden seien. Die Beschwerde der Klägerin wies der Beschwerdeausschuß der Beklagten am 20. November 1953 zurück und erteilte der Klägerin hierüber am 23. November 1953 einen Bescheid: Es solle nicht bestritten werden, daß bis 1922 Beiträge zur Invalidenversicherung entrichtet seien, es sei aber unwahrscheinlich, daß die Klägerin seit dem Jahre 1922 freiwillige Beiträge entrichtet habe, denn sie habe die in dem Rentenantrag enthaltene Frage, ob sie freiwillige Beiträge entrichtet habe, selbst mit "weiß ich nicht mehr" beantwortet; eine Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen sei jetzt nicht mehr möglich.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin beim Sozialversicherungsamt Berlin Beschwerde. Dieses Rechtsmittel ist nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht Berlin übergegangen. Die Klägerin brachte nunmehr vor, sie habe "an 22 Karten geklebt" und dies auch im Jahre 1945 beim Sozialamt erklärt; während der Zeit ihrer Selbständigkeit von 1922 bis zu ihrer Eheschließung im Jahre 1931 habe sie fortlaufend freiwillige Beiträge entrichtet. Das Sozialgericht wies die Klage durch Urteil vom 24. Oktober 1955 ab: Da die Klägerin nur Beiträge an die nicht mehr bestehenden Landesversicherungsanstalten Schlesien und Berlin entrichtet habe, finde auf sie das Fremd- und Auslandsrentengesetz (FremdRG) vom 7. August 1953 Anwendung. Wenn man die von der Klägerin behaupteten Pflichtversicherungszeiten als glaubhaft gemacht ansehe, sei zwar die Wartezeit erfüllt, die Anwartschaft sei aber nicht erhalten. Die Klägerin habe am 1. Juli 1944 ihren Wohnsitz in Berlin gehabt, weil sie nur evakuiert gewesen sei und nicht die Absicht gehabt habe, ihren langjährigen Wohnsitz in Berlin aufzugeben. Deshalb gelte für sie nicht die Anwartschaftsvorschrift des § 4 Abs. 3 FremdRG, auch die Berechnung der Halbdeckung nach Satz 3 dieser Vorschrift scheide aus. Ob die Anwartschaft aus den alten Beiträgen erhalten sei, könne gemäß § 2 FremdRG allein nach § 4 Abs. 2 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAG) vom 17. Juni 1949 beurteilt werden. Auf Grund der früheren Angaben der Klägerin könne es nicht als glaubhaft angesehen werden, daß sie sich nach Beendigung ihrer versicherungspflichtigen Tätigkeit freiwillig weiterversichert habe. Aus den bis zum Jahre 1922 entrichteten Beiträgen sei die Anwartschaft erloschen, weil nach dem Jahre 1923 kein Beitrag entrichtet worden sei; im übrigen habe die Klägerin auch nach dem Jahre 1949 keine Beiträge mehr entrichtet.
Die Klägerin legte gegen dieses Urteil beim Landessozialgericht Berlin Berufung ein. Im Laufe des Berufungsverfahrens überreichte sie dem Gericht eine am 6. Juni 1939 von der früheren Landesversicherungsanstalt Berlin ausgestellte und am 18. Februar 1941 von der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin aufgerechnete Quittungskarte mit der Nummer 1 vor; diese enthielt 50 Beitragsmarken, die in der Zeit vom 9. Juli 1939 bis 15. Dezember 1940 entrichtet worden sind. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 1956 beantragte die Klägerin, den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 1953, die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 20. November 1953 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 1955 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Berufung: Auch wenn nunmehr Beiträge bis zum 15. Dezember 1940 nachgewiesen seien, sei die Anwartschaft erloschen, weil für das Jahr 1949 und die folgenden Jahre keine Beiträge entrichtet seien. Eine Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen gemäß § 1442 der Reichsversicherungsordnung (RVO) komme nicht in Betracht, weil der Rentenantrag, der als Bereiterklärung für die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge angesehen werden könne, erst im Mai 1953 gestellt worden sei. In diesen Zeitpunkt sei aber die Nachentrichtung nur für das Jahr 1951 und später möglich gewesen, sofern der Versicherungsfall nicht inzwischen eingetreten sei.
Durch Urteil vom 12. Juni 1956 hat das Landessozialgericht die Entscheidungen des Sozialgerichts Berlin und des Beschwerdeausschusses sowie den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin auf ihren Rentenantrag neu zu bescheiden. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, der Anspruch der Klägerin sei nach den Vorschriften des FremdRG zu beurteilen. Der ablehnende Bescheid gehe davon aus, daß für die Klägerin nur bis zum Jahre 1922 Beiträge entrichtet seien. Durch Vorlage der am 6. Juni 1939 ausgestellten Quittungskarte Nr. 1 sei aber nachgewiesen, daß in der Zeit zwischen dem 31. Dezember 1923 und dem 30. November 1948 Beiträge zur Invalidenversicherung entrichtet seien. Der Fall bedürfe nunmehr einer völlig neuen Bearbeitung. Die Beklagte sei offenbar bereit, die nach der Behauptung der Klägerin bis zum Jahre 1922 zurückgelegten Versicherungszeiten anzuerkennen. Die Anwartschaft aus diesen Beiträgen sei bis zum 31. Dezember 1948 erhalten. Der Umstand, daß die im Jahre 1939 von der früheren Landesversicherungsanstalt ausgestellte Quittungskarte die Nummer 1 trage, stehe der Annahme, daß die Klägerin schon früher Beiträge zur Invalidenversicherung entrichtet habe, nicht entgegen; denn die Ausgabestelle habe bei Ausstellung der Karte nach der damaligen Rechtslage davon ausgehen können, daß die Rechte aus früher entrichteten Beiträgen erloschen seien. Aus dem Rentenantrag sei nicht ersichtlich, welche Rente die Klägerin beanspruche; sie habe darüber, ob und seit wann sie invalide sei, keine Angaben gemacht; auch die Beklagte habe in dieser Richtung nichts festgestellt. Unter diesen Umständen sei eine sachliche Entscheidung des Rechtsstreits nicht möglich; die Beklagte müsse vielmehr erst feststellen, ob die Klägerin die Rente wegen Invalidität beanspruche oder ob sie einen Antrag auf Altersrente gestellt habe. Im ersten Falle müsse, auch um die Voraussetzungen der Halbdeckung zu prüfen, festgestellt werden, ob und in welchem Zeitpunkt die Invalidität eingetreten sei, im anderen Falle müsse geprüft werden, ob und inwieweit im Mai 1953 die Nachentrichtung von Beiträgen noch zulässig gewesen sei. Schließlich werde die Beklagte, besonders durch Anfrage bei der Quittungskartenverwaltung der Versicherungsanstalt Berlin noch feststellen müssen, ob die Klägerin etwa noch weitere Beiträge entrichtet habe. Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihr am 25. Juni 1956 zugestellt worden ist, am 17. Juli 1956 Revision eingelegt mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, hilfsweise, unter Aufhebung des Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin zurückzuverweisen. In demselben Schriftsatz macht sie zur Begründung der Revision folgendes geltend: Das angefochtene Urteil leide an einem wesentlichen Mangel, weil über den von der Klägerin erhobenen Leistungsanspruch keine Entscheidung gefällt worden sei. Die angefochtene Entscheidung stelle in Wirklichkeit eine Zurückverweisung der Streitsache an den Versicherungsträger dar, die aber nach §§ 103, 153 SGG unzulässig sei, weil das Berufungsgericht den gesamten Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen habe. Die Vorinstanz irre auch, wenn sie annehme, dem Vorbringen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, welche Rente sie beanspruche. Da die Klägerin keine Angaben über eine etwa bei ihr bestehende Invalidität gemacht, vielmehr nur auf die angeblich von ihr erfüllte lange Wartezeit hingewiesen und sich wiederholt zur Entrichtung freiwilliger Beiträge erboten habe, sei unmißverständlich zum Ausdruck gekommen, daß sie die Altersinvalidenrente beanspruche. Die Voraussetzungen hierfür seien jedoch nicht erfüllt. Die Anwartschaft aus den bis zum 31. Dezember 1948 entrichteten Beiträgen sei zwar, sofern der Versicherungsfall nicht vor dem 1. Januar 1949 eingetreten sei, nach § 25 des Berliner Rentenversicherungs-Überleitungsgesetzes ( RVÜG ) vom 10. Juli 1952 bzw. nach § 4 Abs. 2 SVAG bis zum 31. Dezember 1948 erhalten, sofern nicht der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1949 eingetreten sei. Da der Versicherungsfall des Alters (§ 48 RVÜG ) im Jahre 1951 eingetreten sei, die Klägerin aber zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft für die Jahre 1949 und 1950 keine Beiträge entrichtet habe (§ 1264 RVO), sei die Anwartschaft aus den bis zum Jahre 1940 entrichteten Beiträgen erloschen. Eine Nachentrichtung der fehlenden Beiträge sei bei Stellung des Rentenantrages im Jahre 1953 nach § 1442 RVO nicht mehr möglich gewesen. Auch eine Überprüfung der Anwartschaft nach der Vorschrift des § 1265 RVO (Halbdeckung) könne zu keinem für die Klägerin günstigen Ergebnis führen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, daß ein wesentlicher Mangel des Verfahrens nicht vorliege. Im übrigen sei anzunehmen, daß Invalidität schon geraume Zeit vor Stellung des Antrags und vor Vollendung des 60. Lebensjahres vorgelegen habe; das sei auch in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gekommen.
II
Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden. Sie ist, obgleich sie das Landessozialgericht nicht zugelassen hat, statthaft, weil die Beklagte einen wesentlichen Mangel des Verfahrens mit Erfolg gerügt hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Die Revision wendet sich mit Recht dagegen, daß das Landessozialgericht eine sachliche Entscheidung über den von der Klägerin erhobenen Rentenanspruch unterlassen und die Beklagte verurteilt habe, der Klägerin einen neuen Bescheid zu erteilen, ohne zu der Rechtsfrage Stellung zu nehmen, ob der Klägerin überhaupt ein Anspruch auf Rente zustehe. Die Klägerin hatte, wie sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 1956 und auch aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt, in der letzten mündlichen Verhandlung beantragt, den Bescheid der Beklagten, die Entscheidung des Beschwerdeausschusses und das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen, während die Beklagte die Zurückweisung der Berufung beantragt hatte. Über den von der Klägerin erhobenen Anspruch hätte das Gericht nach § 123 SGG in Verbindung mit §§ 153, 157 SGG eine Entscheidung treffen müssen. Es hätte, wenn es Zweifel daran hatte, ob die Klägerin die Altersrente oder die Rente wegen Invalidität beanspruchte, diese Zweifel selbst klären müssen. Nach der gemäß § 153 Abs. 1 SGG auch für das Berufungsverfahren geltenden Vorschrift des § 106 SGG hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, daß unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Die Auffassung des Vorderrichters, es sei Sache der Beklagten festzustellen, ob die Klägerin die Rente wegen Invalidität beanspruche oder ob sie einen Antrag auf Altersrente gestellt habe, bedeutet eine Verkennung der dem Gericht obliegenden Aufgaben. Der Vorsitzende hat nach § 106 Abs. 2 SGG bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Das Gericht hat ferner nach § 103 SGG die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Es kann sich dieser Verpflichtung nicht dadurch entledigen, daß es dem beklagten Versicherungsträger aufgibt, seinerseits festzustellen, ob und in welchem Zeitpunkt etwa Invalidität eingetreten und ob im Zeitpunkt der Antragstellung die Nachentrichtung von Beiträgen noch zulässig gewesen ist. Wenn das Landessozialgericht es für die Prüfung des von der Klägerin erhobenen Anspruchs für erforderlich hielt, noch Feststellungen darüber zu treffen, ob sich bei der Quittungskartenverwaltung in Berlin-Ost noch weitere Beitragsunterlagen der Klägerin befinden, so hätte es der Klägerin eine entsprechende Auflage machen oder es hätte die Beklagte in Anwendung des § 106 Abs. 2 SGG auffordern können, ihrerseits zur Klärung dieser Frage durch Rückfrage bei der Quittungskartenverwaltung beizutragen. Die Aufhebung des Verwaltungsbescheides und die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines neuen Bescheides über den Rentenantrag nach Klärung der für eine sachliche Entscheidung notwendigen Vorfragen durch den Versicherungsträger stellt im Ergebnis eine Zurückverweisung der Sache an den Versicherungsträger dar. Eine solche Zurückverweisung ist aber nach dem SGG nicht zulässig, sie verstößt gegen allgemeine Verfahrensgrundsätze. Das SGG kennt im Berufungs- und Revisionsverfahren nur eine Zurückverweisung an ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit (§§ 159, 170 SGG). Die früheren Vorschriften der §§ 1690, 1715 RVO, die unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Zurückverweisung der Sache an den Versicherungsträger zuließen, sind nach § 224 Abs. 3 Nr. 1 SGG seit dem 1. Januar 1954 aufgehoben (vgl. BSG. 2 S. 94 [96]).
Auch wenn man die auf Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsaktes und auf Zuerkennung einer Rente gerichtete Klage nicht als eine mit einer Aufhebungsklage verbundene Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG, sondern als zusammengefaßte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG ansehen würde (vgl. hierzu BSG. 5 S. 60 [63]), hätte das Berufungsgericht eine Verpflichtung der Beklagten zum Erlaß eines neuen Bescheides nur aussprechen dürfen, wenn es zugleich über den Anspruch der Klägerin wenigstens dem Grunde nach entschieden hätte. Das Landessozialgericht hat aber die Frage, ob der Anspruch der Klägerin begründet ist, überhaupt nicht entschieden, es hat vielmehr nur zu einzelnen Anspruchsvoraussetzungen Stellung genommen und der Beklagten im übrigen aufgegeben, die weiteren Voraussetzungen des Rentenanspruchs zu prüfen. Das Verfahren des Landessozialgerichts leidet hiernach an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Da die Entscheidung auf diesem Mangel beruht, ist das Urteil aufzuheben (§ 170 Abs. 2 SGG). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch nicht ausreichen. Der Rechtsstreit ist daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Das Landessozialgericht wird zunächst zu klären haben, ob die Klägerin die von ihr im Mai 1953 beantragte Invalidenrente wegen Invalidität begehrt oder ob sie die Altersrente beantragt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß grundsätzlich der von einem Versicherten erhobene Rentenanspruch in jeder Richtung zu prüfen ist, es sei denn, die Rente wird ausdrücklich oder offensichtlich nur aus einem bestimmten Rechtsgrunde beansprucht. Nach den bisherigen Feststellungen sind für die Klägerin Beiträge an nicht mehr bestehende Versicherungsträger im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 FremdRG entrichtet worden, so daß für den geltend gemachten Anspruch die Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden wären. Für die Leistungen nach § 1 FremdRG sind nach § 2 dieses Gesetzes grundsätzlich die im Bundesgebiet geltenden Vorschriften der Sozialversicherung unter Berücksichtigung der in den §§ 3 bis 7 FremdRG vorgesehenen Besonderheiten maßgebend. Deshalb wird das Landessozialgericht zunächst zu prüfen haben, ob die Vorschrift des § 48 Nr. 1 des Berliner RVÜG für die Klägerin überhaupt in Betracht kommt. Wegen der Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 3 FremdRG kann es von Bedeutung sein, wann die Klägerin ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder im Land Berlin genommen hat. War die Klägerin, wie sie in dem Fragebogen über die Beschäftigungszeiten angegeben hat, im Jahre 1945 als Flüchtling nach Berlin gekommen und war der letzte Beitrag für das Jahr 1939 und 1940 entrichtet, so würde die Anwartschaft nach § 4 Abs. 3 Satz 1 FremdRG bis zum 31. Dezember 1948 erhalten sein, sofern nicht der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1949 eingetreten ist. Entsprechendes gilt - auch wenn die Klägerin nicht Flüchtling ist - nach § 4 Abs. 2 SVAG. Hat die Klägerin für die Zeit nach dem 31. Dezember 1948 keine Beiträge entrichtet, so ist zu beachten, daß eine Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nur im Rahmen der §§ 1442 bis 1444 RVO a.F. in Betracht kommen kann. Ist eine wirksame Nachentrichtung von Beiträgen nach diesen Vorschriften nicht mehr zulässig, so könnte der Anspruch auf Rente begründet sein, wenn der Versicherungsfall der Invalidität vor dem 1. Januar 1950 eingetreten wäre (§ 1264 Abs. 3 RVO a.F.). Da die Klägerin die Rente vom Zeitpunkt der Antragstellung an begehrt, ist der Anspruch zunächst unter Berücksichtigung der bis zum Inkrafttreten des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (ArVNG) geltenden Vorschriften zu prüfen. Ist der Anspruch nach diesen Vorschriften nicht begründet, so wird zu prüfen sein, ob die Leistungsvoraussetzungen nach den Vorschriften des ArVNG erfüllt sind. Bei der neuen Prüfung ist auch Art. 2 § 43 ArVNG zu beachten, wonach Versicherungszeiten, die nach dem FremdRG anzurechnen sind, im Rahmen des § 1249 RVO n.F. berücksichtigt werden und Vorschriften über die Erhaltung der Anwartschaft nicht mehr anzuwenden sind. Die Anwendung der Vorschriften des neuen Rechts kommt jedoch erst mit Wirkung vom 1. Januar 1957 an in Betracht.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen