Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger verpflichtet ist, die vom Kläger in der DDR erworbenen Anwartschaften auf eine zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVI) insbesondere ohne Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze gemäß der Anlage 3 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) „anzuerkennen”.
Der 1938 geborene Kläger war vom 16. August 1962 bis 30. Juni 1990 als wissenschaftlicher Assistent, wissenschaftlicher Oberassistent, wissenschaftlicher Mitarbeiter und wissenschaftlicher Abteilungsleiter im Z. … f. … E. … d. A. … d. W. … d. … D. … (nachfolgend: Zentralinstitut) beschäftigt. Mit Urkunde vom 15. April 1965 sagte ihm die Deutsche Versicherungsanstalt eine zusätzliche Altersversorgung nach der Verordnung über die AVI vom 12. Juli 1951 (GBl S 75) – mit Hinweisen auf nachfolgende Rechtsänderungen – mit Wirkung ab 1. März 1965 zu.
In einem sog Überführungsbescheid vom 27. März 1996 stellte die Beklagte in ihrer Funktion als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nrn 1 bis 26 zum AAÜG die Zeiten vom 1. März 1965 bis 30. Juni 1990 – teilweise mit kurzfristigen Unterbrechungen – als nachgewiesene Zeiten in der AVI fest. Für die Jahre 1978 und 1979, 1981, 1983 bis 1987 und 1989 führte sie Arbeitsausfalltage auf, die sie jeweils bestimmten Zeiträumen zum Ende des entsprechenden Jahres zuordnete, da die Arbeitsausfalltage im Sozialversicherungsausweis ohne zeitliche Zuordnung eingetragen waren. Sie wies darauf hin, daß es sich bei diesen Unterbrechungen (Zeiten ohne Beitragsleistung zur Sozialversicherung) um Anrechnungszeiten handele, die durch den Rentenversicherungsträger als solche berücksichtigt würden. Des weiteren führte sie als Zeiten ohne Beitragsleistungen für die Jahre 1970 und 1974 bis 1976 jeweils im einzelnen spezifizierte Zeiträume wegen Krankheits-/Gesundheitsmaßnahmen auf. Insoweit gab sie an, daß nur der zuständige Rentenversicherungsträger darüber entscheiden dürfe, ob diese Zeiten nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) zu berücksichtigen seien.
Ferner übernahm die Beklagte in einer Rubrik „nachgew. Brutto-EG” die vom Zentralinstitut in der Bescheinigung vom 10. Februar 1992 angegebenen jährlichen Bruttoverdienste vom 1. März 1965 bis 30. Juni 1990 in unveränderter Höhe. Diesen stellte sie in der Rubrik „berücksichtigt” niedrigere Entgelte – mit einer Ausnahme – gegenüber. Dabei verdeutlichte die weitere Rubrik „maßg. Anl.” und die dort angegebene Ziffer „3”, daß die niedrigeren Arbeitsentgelte den Werten der Anlage 3 zum AAÜG entsprechen. Abgesehen vom Jahr 1968, in dem der nachgewiesene Bruttoverdienst des Klägers unter dem Wert der Anlage 3 lag, stellte die Beklagte sowohl für das Jahr 1965 – proportional entsprechend der erst ab 1. März 1965 erfolgten Versorgungszusage – als auch für alle Jahre, in denen sie Zeiten ohne Beitragsleistung wegen Krankheits-/Gesundheitsmaßnahmen oder Ausfalltagen aufgeführt hatte, die „berücksichtigten” Arbeitsentgelte noch niedriger fest, weil sie die jährlichen Werte der Anlage 3 unter Berücksichtigung der zeitlichen Unterbrechungen proportional weiter kürzte. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser sich gegen eine Begrenzung seiner tatsächlich erzielten Bruttoentgelte auf die Werte der Anlage 3 zum AAÜG wandte, hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1996).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger einen Entgeltbescheid zu erteilen, der seine in den Jahren 1978, 1979 und 1981 erzielten Bruttoentgelte bis zu den vollen Tabellenwerten der Anlage 3 zum AAÜG als berücksichtigungsfähig ausweist; im übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei – entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (Urteil vom 18. Juli 1996 – 4 RA 7/95 –) – zulässig, weil der Kläger durch die von der Beklagten mit Bindungswirkung für den Rentenversicherungsträger getroffenen Feststellungen unmittelbar in subjektiven Rechten beschwert worden sei. Die Klage sei auch teilweise begründet. Für die Jahre 1978, 1979 und 1981 habe die Beklagte die anteilige Kürzung der Tabellenwerte entsprechend den im Sozialversicherungsausweis pauschal ausgewiesenen Arbeitsausfalltagen nicht vornehmen dürfen, weil nach der Zuordnung gemäß § 252a Abs 2 SGB VI in diesen Jahren nicht mindestens ein Kalendermonat mit Ausfalltagen belegt worden sei. Im übrigen seien die Begrenzung der Entgelte auf die Werte der Anlage 3 zum AAÜG bzw deren anteilige Kürzung nicht zu beanstanden.
Mit seiner (Sprung-)Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Art 2, 3, 14, 19 Abs 4, 20 Grundgesetz (GG) sowie der Art 6 und 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention ≪EMRK≫) und Art 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK. Er trägt vor, die Rechtsprechung habe § 8 AAÜG, auf den die Beklagte den sog Überführungsbescheid stütze, in einer Weise ausgelegt, die das Rechtsstaatsprinzip verletze, und zwar den Bestimmtheitsgrundsatz und den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes. Das Urteil des BSG vom 18. Juli 1996 (4 RA 7/95), in dem die den Kläger belastenden Regelungen (Begrenzung auf Arbeitsentgelte entsprechend den Werten der Anlage 3 zum AAÜG bzw deren anteilige Kürzung bei Vorliegen von Arbeitsausfalltagen) als unverbindlich und hierauf bezogenen Klagen grundsätzlich als unzulässig angesehen worden seien, mache den Bescheid der Beklagten zu einem Nichtbescheid. Diese Rechtsprechung erschwere es ihm, sich gegen die Entscheidung der Beklagten, die vom Rentenversicherungsträger als verbindlich bei einer zukünftigen Rentenberechnung angesehen würde, auf dem Rechtsweg zur Wehr zu setzen. Bei einer derartigen Auslegung der Norm sei die Rechtsweggarantie verletzt und im übrigen sei für den Adressaten der Sinn der Vorschriften nicht mehr erfaßbar, so daß sie nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entspreche.
Darüber hinaus beinhalteten die Regelungen des AAÜG, die sowohl im Rahmen des Entgeltbescheides als auch eines zukünftigen Rentenbewilligungsbescheides zu beachten seien, im Widerspruch zum Titel des Gesetzes keine Überführung von Ansprüchen aus Zusatzversorgungssystemen der DDR in die Rentenversicherung der Bundesrepublik. Der Kläger habe in der DDR Ansprüche bzw Anwartschaften sowohl in der Sozialpflichtversicherung (1. Säule der Altersversorgung) als auch in der Zusatzrentenversorgung der AVI (2. Säule der Alterssicherung) erworben. Durch die sog Systementscheidung, nämlich durch die Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik, und durch die nur begrenzte Berücksichtigung der in der DDR erzielten Verdienste würden nur Ansprüche bzw Anwartschaften aus der 1. Säule anerkannt. Auf der Basis des angefochtenen Bescheides würde er eine nur geringfügig differierende Einheitsrente erhalten, die ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebensleistungen allen Bürgern aus der früheren DDR zugestanden würde. Im Ergebnis seien seine in der DDR in der AVI erworbenen Ansprüche und Anwartschaften nicht überführt, sondern ersatzlos „liquidiert” worden. Dieser Eingriff diskriminiere ihn zum einen im Vergleich zu Bürgern der alten Bundesländer, die durch Ansprüche bzw Anwartschaften aus der 2. Säule gesichert seien, und verletze zum anderen seine bereits in der DDR eigentumsgeschützten Rechtspositionen, die als solche auch grundgesetzlich geschützt seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 1996 insoweit aufzuheben, als es seine Anträge abgewiesen hat, und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. März 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1996 zu verpflichten, ihm einen Bescheid zu erteilen, in dem seine Anwartschaften auf Ansprüche auf zusätzliche Altersversorgung in dem Umfang anerkannt werden, wie sie in der früheren DDR rechtmäßig erworben wurden, insbesondere ohne die Begrenzung, die derzeit gemäß Anlage 3 zum AAÜG erfolgt,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Anwartschaften auf Ansprüche auf eine Rente aus der zusätzlichen Altersversorgung, die seine gesetzliche Rente zu einer Gesamtversorgung vervollständigen, kontinuierlich und dauerhaft sowie an die neuen wirtschaftlichen Bedingungen angepaßt gegenüber der Beklagten weiterbestehen,
nochmals hilfsweise,
die grundsätzlichen Rechtsfragen dieses Rechtsstreites wegen Verfassungswidrigkeit des Entgeltbescheides sowie der zugrundeliegenden Regelungen des § 6 Abs 1 AAÜG und der derzeitigen Handhabung der Systementscheidung, die das Versorgungsunrecht, dh die ersatzlose Liquidierung aller in der DDR rechtmäßig erworbenen Gesamtversorgungsanwartschaften bzw -ansprüche bewirkt, gemäß Art 100 Abs 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 18. Juli 1996 – 4 RA 7/95 –, vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 80/95 – und vom 5. Dezember 1996 – 4 RA 84/95 –).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist in erster Linie das vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgte Begehren, die Beklagte zu verpflichten, in Abänderung des Bescheides vom 27. März 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1996 seine in der AVI erworbenen Anwartschaften, insbesondere ohne sich angeblich aus der Anlage 3 zum AAÜG ergebende Begrenzungen, „anzuerkennen”. Ferner begehrt er hilfsweise die Feststellung, daß seine Anwartschaften, wie er sie in der AVI erworben hat, unverändert und dynamisierbar gegenüber der Beklagten fortbestehen. Der weiter hilfsweise gestellte Antrag, wegen Verfassungswidrigkeit der hier einschlägigen Normen das Verfahren nach Art 100 GG durchzuführen, stellt keinen Sachantrag im prozessualen Sinne dar, da der Senat eine derartige Prüfung ohnehin von Amts wegen vorzunehmen hat. Die mit dem Haupt- und Hilfsantrag verfolgten Begehren konnten keinen Erfolg haben, weil die Klagen insoweit unzulässig bzw teilweise unbegründet sind.
A. Zur Durchsetzung seines „Hauptbegehrens” hat der Kläger gegen die im Bescheid vom 27. März 1996 enthaltenen feststellenden Verwaltungsakte für die Jahre 1965 bis 1990 – in zulässiger objektiver Klagehäufung (§ 56 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) – verbundene Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen erhoben. Die gegen die Beklagte gerichteten Verpflichtungsklagen, für den genannten Gesamtzeitraum – verkürzt ausgedrückt – die vorgetragenen günstigeren Feststellungen zu treffen, sind unzulässig (dazu unter 1.). Die damit verbundenen Anfechtungsklagen, die auf die Aufhebung von Feststellungen der Beklagten gerichtet sind, sind zulässig, aber unbegründet (dazu unter 2.).
1. Die Verpflichtungsklagen sind unzulässig. Hierbei kann dahinstehen, ob diese Rechtsschutzform (vgl § 54 Abs 1 Satz 1 Regelung 3 SGG) schon deshalb von vornherein nicht gegeben war, weil die Beklagte in dem von Amts wegen eingeleiteten Verwaltungsverfahren mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. März 1996 keinen Antrag des Klägers abgelehnt oder eine begehrte Regelung unterlassen hat (vgl dazu Urteil des erkennenden Senats vom 18. Juli 1996 – 4 RA 7/95 –, SozR 3-8570 § 8 AAÜG Nr 2, S 7); denn möglicherweise läßt sich seine Widerspruchsbegründung als Antrag auf Erlaß des nunmehr mit dem Hauptantrag begehrten Verwaltungsaktes interpretieren. In jedem Fall sind die Verpflichtungsklagen unzulässig, weil der Kläger zu einer solchen Klage nicht befugt ist (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG; vgl insoweit auch in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit § 42 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung). Seinem Vorbringen läßt sich in keiner Weise auch nur die Möglichkeit entnehmen, er könne einen gegen den beklagten Versorgungsträger gerichteten Anspruch auf Erlaß des begehrten Verwaltungsaktes haben.
a) Worauf der mit der Verpflichtungsklage gestellte Antrag letztlich zielen soll, ergibt sich nicht eindeutig aus seinem Wortlaut. Soweit der Kläger begehrt, die Beklagte zu verpflichten, seine in der DDR in der AVI erworbenen Anwartschaften in einem Bescheid „anzuerkennen” (gemeint ist wohl festzustellen), könnte dies den Eindruck erwecken, er begehre – wie auch in dem hilfsweise gestellten Sachantrag – die Feststellung von nach DDR-Recht erworbenen Rechtspositionen. Dies würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, ein in der DDR bestehendes Zusatzversorgungssystem als weiterbestehend zu behandeln und dort evtl erworbene Rechtspositionen festzuschreiben. Hierfür bietet das geltende Recht keine Rechtsgrundlage.
Wie der Senat in stRspr zur sog Systementscheidung dargelegt hat (vgl Urteil vom 27. Januar 1993 – 4 RA 40/92 –, BSGE 72, 50, 67 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; zuletzt Urteil vom 31. Juli 1997 – 4 RA 35/97 –, BSGE 81, 1, 3 ff = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 14), werden die in der DDR erworbenen Rechte, Ansprüche und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung sowie aus Zusatz- und Sonderversorgungen auf Renten wegen Alters, Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit oder wegen Todes ab 1. Januar 1992 durch die entsprechenden Rechte, Ansprüche und Anwartschaften nach dem SGB VI ersetzt (gesetzliche Novation; vgl dazu Urteil des Senats vom 27. Januar 1993, BSGE 72, 56). Auf versorgungsrechtliche Sachverhalte der vorliegenden Art findet damit ab 1. Januar 1992 das SGB VI Anwendung, soweit das als Art 3 Renten-Überleitungsgesetz in Kraft getretene AAÜG als spezielles, das Überführungsprogramm des Einigungsvertrages modifiziert fortführendes Gesetz keine abweichenden Regelungen enthält. Wenn der Kläger daher geltend macht, das Bundesrecht müsse ausgleichende Regelungen enthalten, die seine in der AVI der DDR erworbenen Ansprüche – unverändert – festschreiben, beruft er sich nicht auf geltendes Bundesrecht, sondern er macht einen sog Anspruch auf Gesetzgebung geltend, für den der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeiten nicht eröffnet ist (vgl Urteil des Senats vom 27. Januar 1993, BSGE 72, 52 f; Urteil vom 31. Juli 1997, BSGE 81, 12).
b) Soweit der Hinweis des Klägers in dem Verpflichtungsantrag, seine in der DDR erworbenen Anwartschaften seien „insbesondere ohne die Begrenzung, die derzeit gemäß Anlage 3 zum AAÜG erfolgt”, festzustellen, als eine Begrenzung auf Feststellungen nach dem geltenden Bundesrecht zu interpretieren ist, ist die Verpflichtungsklage gleichfalls unzulässig. Denn aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht einmal die Möglichkeit, er könne nach Bundesrecht einen gegen den beklagten Versorgungsträger gerichteten Anspruch auf Erlaß des begehrten Verwaltungsaktes haben. Als Rechtsgrundlage für sein Begehren können allein die Regelungen in den §§ 5 bis 8 AAÜG herangezogen werden.
Nach der stRspr des Senats hat der Versorgungsträger (hier: die Beklagte) gemäß § 8 Abs 1 AAÜG in einem dem Rentenfeststellungsverfahren vorgelagerten, dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs 5 SGB VI ähnlichen Verfahren einzelne Daten verbindlich festzustellen, die für die spätere Feststellung des Wertes der SGB VI-Rente oder -Anwartschaften von Bedeutung sein können. Dies sind die Daten über
- die Zeiten der sog Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem,
- die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze in Betracht kommt (vgl §§ 6 und 7 AAÜG),
- die Summe der Arbeitsausfalltage, soweit diese nicht in einem Sozialversicherungsausweis eingetragen sind (§ 8 Abs 1 Satz 3 AAÜG) sowie
- die Höhe des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, soweit es in der vom Versorgungssystem erfaßten Beschäftigung oder Tätigkeit erzielt worden ist (vgl hierzu zuletzt Urteil des Senats vom 23. Juni 1998 – B 4 RA 61/97 R –).
Zu Feststellungen über andere Anspruchselemente rentenversicherungsrechtlicher Leistungen oder zu Feststellungen hinsichtlich der Höhe und des Wertes der solchen Leistungen zugrundeliegenden (novierten) Ansprüche und Anwartschaften ist der Versorgungsträger weder verpflichtet noch befugt. Die nach § 8 Abs 1 AAÜG allein in Betracht kommenden Feststellungsansprüche hat die Beklagte bereits erfüllt bzw ist deren teilweise Nichterfüllung vom Kläger nicht zum Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits gemacht worden.
Soweit die Beklagte die für den Kläger nach der dreistufigen Typik der §§ 6 und 7 AAÜG (vgl dazu Urteil des Senats vom 27. Januar 1993, BSGE 72, 62 ff) maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen festgestellt hat (hier Zugehörigkeit zur Gruppe des § 6 Abs 1 AAÜG), hat der Kläger keine abweichenden – im übrigen dann auch nur ungünstigeren – Feststellungen begehrt. Des weiteren macht der Kläger nicht geltend, daß die Beklagte eine bestimmte Summe der Arbeitsausfalltage festzustellen habe (er wird jedenfalls nicht vom Wortlaut des § 8 Abs 1 Satz 3 AAÜG erfaßt; die Arbeitsausfalltage sind insoweit in seinem Sozialversicherungsausweis bereits eingetragen; er bestreitet auch nicht die Richtigkeit der Daten in diesem Ausweis).
Soweit der Kläger eine Feststellung seiner während der Zugehörigkeit zur AVI erzielten Verdienste ohne „Begrenzung” auf die Werte der Anlage 3 zum AAÜG begehrt, ist die Beklagte diesem Verlangen schon nachgekommen, indem sie in der Rubrik „nachgew. Brutto-EG” die in der Bescheinigung des Zentralinstituts ausgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte in unveränderter Höhe übernommen hat. Die Richtigkeit dieser Feststellungen hat der Kläger nicht beanstandet bzw die Feststellung noch höherer Entgelte nicht beantragt. Soweit er sich gegen die von der Beklagten in weiteren Rubriken des Bescheides vorgenommenen Mitteilungen wehrt, ist dies nicht Gegenstand der Verpflichtungs-, sondern der Anfechtungsklage (siehe dazu unter 2.).
c) Des weiteren läßt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen, daß er die Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zur AVI begehrt. So hat er nicht den von der Beklagten gewählten Beginn der Zugehörigkeit ab 1. März 1965 beanstandet, woraus sich im übrigen zwangsläufig die einzige im angefochtenen Bescheid in der Rubrik der nachgewiesenen Entgelte vorhandene Abweichung des festgestellten Arbeitsentgeltes von der Bescheinigung des Zentralinstituts ergibt (Kürzung des für das Jahr 1965 für zwölf Monate bescheinigten Entgelts auf zehn Monate).
d) Ebensowenig hat der Kläger beanstandet, daß die Beklagte für die Jahre 1970, 1974, 1975, 1976, 1983 und 1984 nicht durchgehend für das jeweilige Jahr, dh vom 1. Januar bis 31. Dezember, eine Zugehörigkeit festgestellt hat, sondern – unter Berücksichtigung von Zeiten ohne Beitragsleistungen – nur mit den entsprechenden zeitlichen Unterbrechungen. Zwar darf die Beklagte innerhalb der ihr nach § 8 AAÜG übertragenen Kompetenzen die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten nicht auf „Pflichtbeitragszeiten” beschränken, jedoch hat der Kläger die insoweit getroffenen Feststellungen nicht beanstandet bzw die Feststellung weitergehender Zugehörigkeitszeiten nicht beantragt. Damit darf der Senat nicht darauf eingehen, warum die Beklagte in den genannten Jahren jeweils eine von Januar bis Dezember durchgehende Zugehörigkeitszeit hätte feststellen müssen.
2. Soweit der Kläger die Mitteilungen über das „berücksichtigungsfähige” Arbeitsentgelt nach (zeitanteiligen) Werten der Anlage 3 zum AAÜG angefochten hat, sind diese Anfechtungsklagen zulässig (§ 54 Abs 1 Satz 1 Regelung 1 SGG), insbesondere ist die Klagebefugnis zu bejahen. Zwar verletzten die angefochtenen Verwaltungsakte den Kläger insoweit nicht in eigenen Rechten, als die Feststellungen des Versorgungsträgers den Rentenversicherungsträger nicht binden (dazu unten). Dies ist § 8 Abs 3 iVm Abs 1 Satz 1 und Satz 3 AAÜG jedoch nicht ohne nähere Auslegung zu entnehmen. Die Rechtsfrage, ob derartige Angaben des Versorgungsträgers Bindungswirkung gegenüber dem Versicherten und/oder dem Rentenversicherungsträger entfalten, wurde erst mit Urteil des Senats vom 18. Juli 1996 (aaO) revisionsgerichtlich beantwortet und eine solche Bindungswirkung verneint (nunmehr stRspr des Senats, vgl ua Urteile vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 80/95 – sowie vom 5. Dezember 1996 – 4 RA 84/95 und 4 RA 94/95 –). Da im Zeitpunkt der Klageerhebung am 6. August 1996 dem Kläger die genannten Entscheidungen des Senats noch nicht bekannt gewesen sein konnten, konnte er insoweit zu jenem Zeitpunkt noch von einer Klärungsbedürftigkeit der Fragen ausgehen, ob und in welchem Umfang Angaben des Versorgungsträgers Bindungswirkung haben. Zu jenem Zeitpunkt mußte ihm daher im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 2 GG) die Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte für das vorliegende Verfahren zugestanden werden.
Die Anfechtungsklagen sind jedoch nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsakte verletzen den Kläger nicht in seinem Recht auf (richtige) Feststellung versorgungsspezifischer Daten iS des § 8 Abs 3 iVm Abs 1 und 2 AAÜG. Es liegt nicht in der Kompetenz der Beklagten, Feststellungen zu (anteiligen) Werten der Anlage 3 zum AAÜG zu treffen (ebensowenig wie zu – pauschalen – Anrechnungszeiten, deren Feststellungen der Kläger jedoch nicht beanstandet hat).
Gemäß § 8 Abs 5 Satz 2 AAÜG erstreckt sich die gesetzlich beschränkte Bindungswirkung des Bescheides nach § 8 Abs 3 AAÜG gegenüber dem Rentenversicherungsträger nur auf die Feststellung der versorgungsspezifischen Daten. Demgegenüber hat der Rentenversicherungsträger eine evtl „Begrenzung” des kalenderjährlich erzielten Arbeitsentgeltes auf die (anteiligen) Werte der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze – deren Maßgeblichkeit für die Rentenberechnung das Gesetz selbst anderweitig bestimmt hat (vgl Urteil des Senats vom 18. Juli 1996, aaO, S 12) – in eigener Kompetenz vorzunehmen (gleiches gilt für die Berechnung, zeitliche Zuordnung und Bewertung sog pauschaler Anrechnungszeiten iS des § 252a Abs 2 SGB VI). Insoweit entfalten Angaben des Versorgungsträgers, die über dessen (Feststellungs-)Kompetenz nach § 8 Abs 3 iVm Abs 1 und 2 AAÜG hinausgehen, keine Bindungs- oder auch nur Tatbestandswirkung. Der Kläger ist daher durch die kompetenzwidrigen und überflüssigen „Mitteilungen” (so § 8 Abs 2 und 3 AAÜG) der Beklagten insoweit nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt.
Die Kompetenzregelungen des § 8 AAÜG und die darauf resultierende – begrenzte – Überprüfbarkeit von Entscheidungen der Beklagten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, verletzt den Kläger nicht in Grundrechten. Der rechtsstaatliche Bestimmtheitsgrundsatz (Art 20 Abs 3 GG) ist nicht verletzt, weil insbesondere im Hinblick auf die genannte stRspr des Senates eindeutig feststeht, welche Feststellungen der Versorgungsträger im Rahmen seiner Kompetenz nach § 8 AAÜG zu treffen hat. Auch der Anspruch auf effektiven und damit auch möglichst raschen Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG, Art 6 Abs 1 Satz 1 EMRK, wobei dahinstehen kann, ob die letztgenannte Norm in sozialgerichtlichen Verfahren überhaupt Beachtung findet) wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Kläger seine verfassungsrechtlichen Bedenken, zB gegen die in § 6 Abs 1 AAÜG angesprochene „Begrenzung” der Arbeitsentgelte auf die Werte der Anlage 3 zum AAÜG, erst dann zur gerichtlichen Prüfung stellen kann, wenn der Rentenversicherungsträger in zulässiger Weise durch abschließenden Verwaltungsakt darüber entschieden hat, wie hoch der Anspruch auf eine nach dem individuellen Versicherungsverlauf berechnete Rente nach dem SGB VI ist (vgl hierzu Urteil des Senats vom 18. Juli 1996, aaO, S 12). Der Kläger verkennt insoweit das Wesen eines Vormerkungsverfahrens, wie es gerade auch für das Feststellungsverfahren nach § 8 AAÜG typisch ist. In diesen Verfahren geht es lediglich um die Feststellungen von bestimmten Daten, die später einmal für die Rentenberechnung von Bedeutung sein können. Ihre rentenrechtliche Bewertung hat zwangsläufig erst bei Eintritt des Leistungsfalles nach den dann für das Leistungsrecht geltenden Vorschriften zu erfolgen.
Schließlich wird der Kläger durch die angefochtenen Festsetzungen weder in seiner Eigentumsgarantie (Art 14 Abs 1 GG, Art 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK) noch in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art 3 Abs 1 GG, Art 14 EMRK) beeinträchtigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit wiederum auf seine Ausführungen in dem Urteil vom 18. Juli 1996 (aaO, S 10 f). Neue, in der genannten Rechtsprechung des Senats noch nicht berücksichtigte Argumente hat der Kläger nicht vorgetragen.
B. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag die Feststellung begehrt, daß seine in der AVI der DDR erworbenen Anwartschaften kontinuierlich, dauerhaft und dynamisierbar gegenüber der Beklagten weiterbestünden, ist die Klage unzulässig. Aus den Darlegungen unter A.1. ergibt sich, daß der Kläger insoweit einen Anspruch auf Gesetzgebung geltend macht, für den der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben ist.
C. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Revision des Klägers gegen das angefochtene Urteil des SG keinen Erfolg haben konnte, soweit seine Klage abgewiesen worden ist. Soweit das SG die Beklagte verpflichtet hat, die vom Kläger in den Jahren 1978, 1979 und 1981 erzielten Bruttoarbeitsentgelte bis zu den vollen Tabellenwerten der Anlage 3 zum AAÜG als berücksichtigungsfähig festzustellen, ist der Rentenversicherungsträger – wenn der Versorgungsträger den entsprechenden Ausführungsbescheid erläßt – bei Eintritt des Leistungsfalls nicht an diese Feststellungen des Versorgungsträgers gebunden. Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175622 |
ZAP-Ost 1998, 620 |