Orientierungssatz
Befreiung von der Beitragspflicht nach § 14 Abs 2 GAL:
1. Eine Befreiung nach § 14 Abs 2 S 1 Buchst a GAL von der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse ist nur bei "gleichzeitiger Rentenversicherungspflicht" zulässig (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85). Der landwirtschaftliche Unternehmer muß daher "zur Zeit der Antragstellung - in der Rentenversicherung - versicherungspflichtig" beschäftigt oder tätig sein (vgl BSG vom 10.7.1986 - 11a RLw 4/85 = SozR 5850 § 14 Nr 10).
2. "Versicherungspflichtig" beschäftigt oder tätig iS von § 14 Abs 2 S 1 Buchst a Halbs 2 GAL ist nur, wer nach Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten eine in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit verrichtet.
Normenkette
GAL § 14 Abs. 2 S. 1 Buchst. a Fassung: 1980-07-09
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 03.02.1988; Aktenzeichen L 8 Lw 3/87) |
SG Detmold (Entscheidung vom 25.03.1987; Aktenzeichen S 8 Lw 21/86) |
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger auch für die Zeit vom 1. Februar 1982 bis zum 31. Dezember 1985 von der Beitragspflicht nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) zu befreien ist.
Der Kläger, im Hauptberuf Architekt und technischer Abteilungsleiter, übernahm ab 1. Februar 1982 das landwirtschaftliche Unternehmen seiner Eltern und zahlte seither Beiträge an die beklagte Westfälische landwirtschaftliche Alterskasse (WlAK; Heranziehungsbescheid vom 22. Juni 1982). Zu diesem Zeitpunkt hatte er für mehr als sechzig Kalendermonate Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung entrichtet. Bis zum 31. Dezember 1985 blieb er in seinem Hauptberuf angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt. Ab 1. Januar 1986 wurde er Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und antragsgemäß von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung befreit.
Unter dem 7. April 1986 beantragte er bei der Beklagten, ihn nach § 14 Abs 2 GAL von der Beitragspflicht zu befreien. Durch die streitigen Bescheide vom 6. August 1986 und vom 8. Oktober 1986, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1986, gab die Beklagte dem Antrag nach § 14 Abs 2 Buchst c) GAL mit Wirkung vom 1. Januar 1986 statt und bewilligte die Erstattung der nach dem 31. Dezember 1985 gezahlten Beiträge, weil der Kläger seither einer berufsständischen Versorgungseinrichtung angehöre. Die Befreiung und Beitragserstattung schon ab 1. Februar 1982 lehnte sie ab, weil der Kläger zur Zeit der Antragstellung nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.
Das Sozialgericht Detmold hat im Urteil vom 25. März 1987 der Klage auf Befreiung von der Beitragspflicht nach dem GAL auch für die Zeit vom 1. Februar 1982 bis zum 31. Dezember 1985 stattgegeben. Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung der Beklagten im Urteil vom 3.Februar 1988 zurückgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe zur Zeit der Antragstellung eine versicherungspflichtige Beschäftigung iS von § 14 Abs 2 Buchst a) GAL ausgeübt. Dem stehe nicht entgegen, daß Pflichtbeiträge allein zur berufsbezogenen Versorgungseinrichtung abgeführt worden seien. Mit dem Erfordernis einer versicherungspflichtigen Beschäftigung noch im Zeitpunkt der Antragstellung bezwecke § 14 Abs 2 Buchst a) GAL, eine möglichst ausreichende Versorgung des landwirtschaftlichen Unternehmers zu gewährleisten. Dem genüge die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsbezogenen Versorgungseinrichtung, wenn sie - wie im Falle des Klägers - in beitrags- und leistungsrechtlicher Hinsicht der gesetzlichen Rentenversicherung entspreche. Die Befreiungstatbestände des § 14 Abs 2 Buchstaben a) bis c) GAL schlössen einander nicht aus.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 14 Abs 2 Buchst a) GAL. Sie trägt vor, die Befreiungstatbestände dieser Vorschrift seien alternativ gefaßt, wiesen jeweils geschlossene Tatbestände auf und seien als Ausnahmeregelungen von der grundsätzlichen Beitragspflicht in der Alterskasse eng auszulegen und nicht analogiefähig. Durch die Stellung des Antrags, der materiell-rechtliche Voraussetzung einer Beitragsbefreiung sei, habe der Kläger frei darüber entscheiden können, nach welchem der Befreiungstatbestände er von der Beitragspflicht habe befreit werden wollen. Eine Gesetzeslücke liege nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 1988 sowie des Sozialgerichts Detmold vom 25. März 1987 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 6. August 1986 sowie vom 8. Oktober 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 1986 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Berufungsgerichts für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie hat es zu Recht abgelehnt, den Kläger auch für die Zeit vom 1. Februar 1982 bis zum 31. Dezember 1985 von der Beitragspflicht nach dem GAL zu befreien.
Nach § 14 Abs 2 GAL idF durch Art 1 Nr 18 des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung und Ergänzung sozialer Maßnahmen in der Landwirtschaft (Zweites Agrarsoziales Ergänzungsgesetz - 2. ASEG) vom 9. Juli 1980 (BGBl I S 905) sind landwirtschaftliche Unternehmer auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien, wenn
a) sie vor der Antragstellung mindestens 60 Kalendermonate versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung waren und zur Zeit der Antragstellung versicherungspflichtig beschäftigt sind oder b) sie als selbständige Handwerker in der Handwerksrolle eingetragen sind oder c) eine der in § 6 Abs 1 Nr 1, 3 bis 6, § 7 Abs 1 und 2 oder § 8 AVG genannten Voraussetzungen erfüllen.
Nach Satz 2 aaO tritt die Beitragsbefreiung mit Beginn des Monats ein, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, im Falle des Satzes 1 Buchst a) mit Beginn des Monats, in dem der landwirtschaftliche Unternehmer 60 Kalendermonate versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, frühestens mit Beginn der Beitragspflicht nach diesem Gesetz. Die Beitragsbefreiung ist unwiderruflich. Der Befreite scheidet damit endgültig aus der landwirtschaftlichen Alterskasse aus (§ 14 Abs 2 Satz 2 und 3 GAL).
Zutreffend hat das LSG erkannt, daß der Kläger schon ab 1. Februar 1982 von der Beitragspflicht bei der Beklagten nur zu befreien ist, wenn die Voraussetzungen des § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a) und Satz 2 Halbs 2 GAL erfüllt sind. Keiner Darlegung bedarf, daß Abs 2 Satz 1 Buchst b) aaO nicht anwendbar ist. Ferner konnte der Kläger nach Abs 2 Satz 1 Buchst c) und Satz 2 Halbs 1 aaO in Verbindung mit § 7 Abs 2 AVG - Zugehörigkeit zu einem öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungssystem einer Berufsgruppe - frühestens ab 1. Januar 1986 befreit werden, weil erst seitdem die Voraussetzungen hierfür durch die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen erfüllt waren.
Einer Befreiung nach Buchst a) aaO ab 1. Februar 1982 steht nicht entgegen, daß sie erst im April 1986 beantragt wurde. Zwar ist der Antrag mit Blick auf die Entstehung des Befreiungsanspruches "materiell-rechtlich bedeutsam" (so BSG SozR 5850 § 14 Nr 6 S 10). Er gehört jedoch nicht zu den für den Beginn der Befreiung erheblichen "Voraussetzungen" im Sinne von § 14 Abs 2 Satz 2 GAL (BSG aaO Nr 1 S 2).
Da der Kläger bei Beginn der Beitragspflicht nach dem GAL im Februar 1982 mehr als "60 Kalendermonate versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung" beschäftigt war (Satz 1 Buchst a) Halbs 1, Satz 2 Halbs 2 aaO), hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob er auch "zur Zeit der Antragstellung versicherungspflichtig beschäftigt" (Satz 1 Buchst a) Halb s2 aaO) war. Das war er aber nicht.
Das BSG (SozR 5850 § 14 Nr 10 S 13 f) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG - Beschluß des 1. Senats vom 31. Mai 1988 - 1 BvL 22/85 - S 19) haben bereits klargestellt, daß § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a) GAL eine Befreiung von der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse nur bei "gleichzeitiger Rentenversicherungspflicht" (so BVerfG aaO), also nur dann zuläßt, wenn der landwirtschaftliche Unternehmer "zur Zeit der Antragstellung - in der Rentenversicherung - versicherungspflichtig" (so BSG aaO) beschäftigt oder tätig ist. Daran hält der erkennende Senat fest.
Es kann offenbleiben, ob nicht schon der Wortlaut des Gesetzes der vom Berufungsgericht gewählten Auslegung widerspricht. Das liegt nahe, weil der in Satz 1 Buchst a) Halbs 2 aaO gebrauchte Ausdruck "versicherungspflichtig" kaum anders als in dessen Halbs 1 und in Satz 2 Halbs 2 zu verstehen ist; dort ist er näher bestimmt als "versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung". Vor allem aber schließen Zweck und Systematik des § 14 Abs 2 GAL das von den Vorinstanzen gefundene Ergebnis aus.
Landwirtschaftlichen Unternehmern, die daneben noch einen anderen Beruf ausüben, in erster Linie also Nebenerwerbslandwirten, soll der Austritt aus der Solidargemeinschaft der in der Altershilfe für Landwirte Versicherten ermöglicht werden, wenn sie aufgrund ihrer außerlandwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit zugleich auch noch einem weiteren sozialen Sicherungssystem angehören, das ihnen eine Absicherung für den Fall der Invalidität, des Alters und des Todes gewährleistet, die nach Art und Umfang dem GAL zumindest gleichwertig ist. § 14 Abs 2 GAL gibt ihnen dazu das Recht, sich einer aus Gründen der sozialen Sicherung nicht zwingend erforderlichen (ggf Doppel-) Belastung mit Beiträgen zu entledigen und eine Doppelversorgung zu beenden. Grundvoraussetzung dieses - als Befreiung von der Beitragspflicht ausgestalteten - Austrittsrechts ist daher, daß im Zeitpunkt seiner Ausübung eine andere, außerlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, welche die Zugehörigkeit zu einem der drei durch § 14 Abs 2 Satz 1 GAL als dem GAL gleichwertig anerkannten sozialen Sicherungssysteme vermittelt: Dies ist a) die gesetzliche Rentenversicherung - Angestelltenversicherung, Arbeiterrentenversicherung, knappschaftliche Rentenversicherung - (nach Erfüllung der Wartezeit für die Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente sowie für das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres); b) die Handwerkerversicherung nach dem Handwerkerversicherungsgesetz (HwVG), das nach § 1 Abs 1 Satz 1 HwVG grundsätzlich alle selbständigen, in der Handwerksrolle eingetragenen Handwerker in die Rentenversicherung der Arbeiter einordnet; c) eine öffentlich-rechtliche soziale Sicherung außerhalb des Anwendungsbereiches des Sozialgesetzbuches (§ 6 Abs 1 Nr 1, 3 bis 6, §§ 7, 8 AVG). Nur dann hält § 14 Abs 2 GAL für gewährleistet, daß keine Sicherungslücke entsteht und die Versichertengemeinschaft in der landwirtschaftlichen Alterskasse nicht ohne Grund, sondern wegen der tätigkeitsbedingten Zugehörigkeit zu einem anderen Schutzsystem verlassen wird. "Versicherungspflichtig" beschäftigt oder tätig im Sinne von § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a) Halbs 2 GAL ist also nur, wer nach Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten eine in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit verrichtet.
Der Kläger war "zur Zeit der Antragstellung" im April 1986 nicht mehr rentenversicherungspflichtig beschäftigt, sondern - auf seinen Antrag - schon seit dem 1. Januar 1986 von der Angestelltenversicherungspflicht, nicht nur - wie das LSG anzunehmen scheint - von der Beitragspflicht befreit. Seine Beschäftigung als Architekt und technischer Abteilungsleiter vermittelte ihm also nicht den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a aaO), sondern den eines Berufsgruppen- Sicherungssystems im Sinne von § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst c) aaO iVm § 7 Abs 2 AVG. Sie allein berechtigte ihn, aus der landwirtschaftlichen Alterskasse endgültig auszuscheiden.
Rechtlich unerheblich ist, ob der Kläger eine Befreiung von der Beitragspflicht schon ab 1. Februar 1982 hätte beanspruchen können, wenn er den Befreiungsantrag vor dem 1. Januar 1986 gestellt hätte. Denn den Zeitpunkt der Antragstellung hat der Kläger - worauf die Beklagte richtig hinweist - frei gewählt. Er hat auch bis Ende 1985 nebeneinander sowohl den Schutz durch die BfA als auch durch die Beklagte genossen, obwohl auf die Befreiungsmöglichkeit bereits mit dem Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 22. Juni 1982 hingewiesen worden ist. Keiner Darlegung bedarf, daß § 14 Abs 2 Satz 1 GAL im Blick auf Fälle der vorliegenden Art keine planwidrige Lücke aufweist.
Nach alledem hat die Revision der Beklagten im Sinne der Abänderung der vorinstanzlichen Urteile und der Abweisung der Klage Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen