Orientierungssatz
Beitragszuschuß nach dem SVBEG - Gesetzeslücke - Willkürverbot - Beihilfen - Gemeinsamer Markt:
1. § 1 SVBEG enthält im Blick auf von der Beitragspflicht nach dem GAL befreite Landwirte keine unbewußt planwidrige, durch eine Analogie ausfüllbare Gesetzeslücke.
2. Zur Vereinbarkeit der Nichteinbeziehung von der Beitragspflicht bei der Alterskasse befreiter, im übrigen aber in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung beitragspflichtig versicherter Landwirte von der Entlastung nach dem SVBEG mit dem Willkürverbot des Art 3 Abs 1 GG.
3. Zur Vereinbarkeit des SVBEG mit dem Beihilfenverbot des Art 92 Abs 1 EWGVtr.
Normenkette
SVBEG § 1 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1986-07-21; GAL § 37; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; EWGVtr Art. 92 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 14.08.1987; Aktenzeichen S 14 Lw 2669/86) |
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger ein Zuschuß nach dem Gesetz zur Entlastung landwirtschaftlicher Unternehmer von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz - SVBEG) vom 21. Juli 1986 (BGBl I S 1070) zu zahlen ist.
Der Kläger, landwirtschaftlicher Unternehmer, ist seit Oktober 1957 wegen einer sog. befreienden Lebensversicherung antragsgemäß von der Beitragspflicht bei der beklagten landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) befreit (Bescheid vom 6. November 1958), jedoch weiterhin beitragspflichtig in der Krankenversicherung der Landwirte und in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versichert. Seinen Antrag vom 18. Juli 1986 auf Gewährung eines Beitragszuschusses nach dem SVBEG lehnte die Beklagte mit dem streitigen Bescheid vom 15. September 1986 ab, weil der Kläger nicht zu dem nach § 1 Abs 1 Nr 3 SVBEG berechtigten Personenkreis gehöre, da er nicht nach § 14 Abs 1 Buchst a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL idF durch Art 1 Nr 15 des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes - 3. ASEG - vom 20. Dezember 1985, BGBl I S 2475) beitragspflichtig sei.
Die Klage auf Gewährung eines Zuschusses von 1.000,- DM für das Jahr 1986 hat das Sozialgericht Karlsruhe (SG) abgewiesen (Urteil vom 14. August 1987). Es hat ausgeführt, anspruchsberechtigt sei der landwirtschaftliche Unternehmer, der neben anderen "hier nicht streitigen" Voraussetzungen nach § 14 Abs 1 Buchst a GAL beitragspflichtig sei. Das SVBEG sei nicht planwidrig unvollständig. Es verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Die Einbeziehung der nicht in der Krankenversicherung der Landwirte beitragspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer in die Entlastung nach dem SVBEG beruhe auf Gründen des Schutzes des privaten Versicherungsgewerbes (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht NJW 1977, 1099).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der - durch Beschluß des SG zugelassenen - Sprungrevision. Er trägt vor, "unbestritten" sei, "daß die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 3 Buchst a bis c SVBEG erfüllt" seien. Durch Ausfüllung einer vom Gesetzgeber versehentlich nicht geregelten Gesetzeslücke sei er in den anspruchsberechtigten Personenkreis einzubeziehen, obwohl er nicht der Beitragspflicht nach dem GAL unterliege. Das Gesetz bezwecke die Entlastung der Unternehmer von kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben von den Beiträgen zur sozialen Sicherung, beschränke die Entlastung aber nicht auf die Beiträge zur gesetzlichen landwirtschaftlichen Sozialversicherung, sondern beziehe auch Beiträge zu privaten Versicherungen ein. Nach § 2 Abs 2 SVBEG erhielten nämlich landwirtschaftliche Unternehmer, die gemäß §§ 4, 4a oder 94 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte - KVLG - vom 10. August 1972, BGBl I S 1433) von der Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung befreit worden sind, die Beitragsentlastung in voller Höhe, während Landwirte wie der Kläger, deren Unternehmen die Wirtschaftswertgrenze von 40.000,- DM übersteigen und deren außerlandwirtschaftliches Einkommen 1/7 der Bezugsgröße nicht überschreitet, trotz Beitragspflicht zur Krankenversicherung der Landwirte und zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung keinen Beitragszuschuß erhielten, wenn sie wegen einer sog. befreienden -privaten- Lebensversicherung von der Beitragspflicht zur LAK befreit worden sind. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergebe sich, daß diese planwidrige Gesetzeslücke im Gesetzgebungsverfahren übersehen worden sei. Sie sei durch eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs 1 Nr 3 iVm § 2 Abs 2 Halbs 2 SVBEG auf Fälle der vorliegenden Art zu schließen. Ginge man hingegen davon aus, der Gesetzgeber habe den Personenkreis, dem der Kläger angehört, bewußt und gewollt von der Entlastung ausgeschlossen, so liege ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG vor. Ein sachlich einleuchtender Grund, die von der Beitragspflicht zur LAK wegen einer privaten Lebensversicherung befreiten Unternehmer von der Entlastung auszuschließen, hingegen die aus demselben Grund von der Beitragspflicht zur Krankenversicherung der Landwirte befreiten Unternehmer in voller Höhe zu entlasten, sei nicht auffindbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. August 1987 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. September 1986 zu verurteilen, ihm die Entlastung gemäß § 2 Abs 1 Nr 3 SVBEG in Höhe von 1.000,- DM für das Jahr 1986 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.August 1987 zurückzuweisen.
Sie meint, es liege weder eine Gesetzeslücke noch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Nach § 1 Abs 1 Nr 3 SVBEG sei Grundvoraussetzung für den Entlastungsanspruch die Beitragspflicht nach § 14 Abs 1 Buchst a GAL. § 2 SVBEG, der ausschließlich die Höhe der Entlastung regele, lasse keine Schlüsse auf die in § 1 SVBEG aufgestellten Voraussetzungen des Anspruches zu. Willkür liege nicht vor. Die Befreiung von der Mitgliedschaft in der Alterskasse wegen einer privaten Lebensversicherung sei mit der Befreiung von der Krankenversicherungspflicht wegen einer privaten Krankenversicherung nicht vergleichbar. Die landwirtschaftliche Altershilfe sei eine "sektorspezifische" Kernmaterie der landwirtschaftlichen Sozialversicherung mit eigenständiger Ausgestaltung des Leistungs- und des Beitragsbereichs. Hier wirkten sich die existenziellen, strukturwandelbedingten Probleme für den Berufsstand des Landwirts viel stärker aus als in der Krankenversicherung. So stünden den immer weniger werdenden beitragszahlenden aktiven Landwirten immer mehr Altersgeld erhaltende Landwirte im Ruhestand gegenüber. Diesen Unterschieden habe der Gesetzgeber Rechnung tragen wollen. Der Versichertenkreis in den drei landwirtschaftlichen Versicherungssystemen sei unterschiedlich groß. Der in der landwirtschaftlichen Altershilfe versicherte Personenkreis zahle nahezu immer auch Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung und stimme zugleich bei abstrakter Betrachtung mit dem Kreis der in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung Versicherten überein. Davon habe der Gesetzgeber bei der Abgrenzung der nach dem SVBEG anspruchsberechtigten Personen ausgehen dürfen. Im übrigen bestehe, wenn sich jemand freiwillig von der Beitragspflicht in der Altershilfe habe befreien lassen, kein Bedürfnis, ihn bei späteren Entlastungsleistungen zu berücksichtigen. Eine Anknüpfung der Entlastung an die jeweilige Zugehörigkeit zu den Einzelsystemen hätte demgegenüber für die notwendige Reform der agrarsozialen Sicherungssysteme kaum rückgängig zu machende Vorentscheidungen getroffen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung der Streitsache an das Sozialgericht (SG) auch begründet.
Die streitige Entlastung von den Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung stünde dem Kläger - wie das SG nicht verkannt hat - nur zu, wenn er zu dem nach § 1 Abs 1 SVBEG berechtigten Personenkreis gehörte. Danach erhalten landwirtschaftliche Unternehmer die Entlastung, wenn sie 1.
die Voraussetzungen für einen Zuschuß zum Beitrag nach § 3c Abs 1 bis 5 und 7 GAL erfüllen,
2.
die Voraussetzungen für einen Zuschuß zum Beitrag nach § 1 der GAL-Beitragszuschußverordnung vom 21. Mai 1986 (BGBl I S 750) erfüllen oder
3.
nach § 14 Abs 1 Buchst a GAL beitragspflichtig sind und a)
der Wirtschaftswert des Unternehmens 40.000,- DM überschreitet,
b) das Einkommen 1/7 der Bezugsgröße nicht überschreitet und c) das Einkommen einschließlich des Arbeitseinkommens aus der
Land- und Forstwirtschaft im Kalenderjahr vor der Antragstellung das 1,2fache der Bezugsgröße nicht überschritten hat.
Nach § 1 Abs 1 Satz 2 SVBEG sind für den Wirtschaftswert und das Einkommen nach Satz 1 Nr 3 aaO § 3c Abs 1, 2 und 4 GAL entsprechend anzuwenden. Gemäß § 2 Abs 1 Nr 3 SVBEG beträgt die Entlastung vorbehaltlich des Abs 2 für ein volles Jahr bei den Berechtigten nach § 1 Abs 1 Nr 3 aaO 1.000,-- Deutsche Mark. Nach Abs 2 erhalten Berechtigte, die nicht nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG versichert sind, die Entlastung in Höhe der Hälfte der in Abs 1 genannten Beträge; diese Verminderung gilt nicht, wenn der Berechtigte auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit ist.
Entlastungsberechtigt ist der Kläger - wie das SG zutreffend erkannt hat - schon deswegen nicht, weil er wegen der Befreiung von der Beitragspflicht bei der LAK weder die Voraussetzungen für einen Zuschuß zum Beitrag nach § 3c GAL noch diejenigen für einen Zuschuß zum Beitrag nach § 1 der GAL-Beitragszuschußverordnung und auch nicht diejenigen des § 1 Abs 1 Nr 3 SVBEG erfüllt. Ein Zuschuß zum Beitrag nach § 3c GAL ist - unter weiteren Voraussetzungen - nämlich nur zu gewähren, wenn der landwirtschaftliche Unternehmer nach § 14 GAL beitragspflichtig ist. Desgleichen erhalten nach § 1 Abs 1 der GAL-Beitragszuschußverordnung - auch hier unter weiteren Voraussetzungen - nur solche landwirtschaftlichen Unternehmer einen Zuschuß zum Beitrag, die nach § 14 GAL beitragspflichtig sind. Da die Beitragsbefreiung im Bescheid vom 6. November 1958 unwiderruflich und der Kläger damit endgültig aus der landwirtschaftlichen Alterskasse ausgeschieden ist (§ 5 Abs 3 SVBEG iVm § 14 Abs 2 Satz 3 GAL), gehört er dem nach § 1 SVBEG entlastungsberechtigten Personenkreis nicht an.
Entgegen der Ansicht des Klägers enthält § 1 SVBEG im Blick auf den berechtigten Personenkreis keine unbewußt planwidrige Regelungslücke, die durch eine Analogie zu schließen wäre. Den Materialien des Gesetzes ist vielmehr zu entnehmen, daß der Gesetzgeber in § 1 aaO den "Kreis der Berechtigten sowie die Begrenzung der Gewährung der Entlastung" regeln wollte und dabei der Auffassung war, eine "Beschränkung auf diejenigen Landwirte, die in der Altershilfe beitragspflichtig sind", sei "im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzes geboten" (BT-Drucks 10/5463 S 4 f; so auch schon BR-Drucks 231/86 S 9). Die Rechtfertigung der Entlastung ist im Gesetzgebungsverfahren nur in der Belastung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Beiträgen zur gesamten landwirtschaftlichen Sozialversicherung gesehen worden. Deshalb wurde an die Beitragspflicht zur Altershilfe angeknüpft und die Entlastung in voller Höhe grundsätzlich allein bei einer Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte und in der Krankenversicherung für Landwirte vorgesehen (BR-Drucks 231/86 aaO; BT-Drucks 10/5463 aaO). Demgemäß sieht das Gesetz keine Leistung für landwirtschaftliche Unternehmer vor, die sich von der Beitragspflicht bei der LAK haben befreien lassen. Auch die Begründung der Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Alterskassen (§ 7 Abs 1 SVBEG) und die Anordnung der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des GAL (§ 5 Abs 23 SVBEG) weisen darauf hin, daß die Begrenzung der Entlastung auf nach dem GAL beitragspflichtige Unternehmer dem Plan des Gesetzes entspricht. Dies unterstreicht außerdem der Zusammenhang der mit Wirkung vom 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Regelungen über die Minderung der Belastung landwirtschaftlicher Unternehmen mit Sozialabgaben. Durch das 3. ASEG sollte dem die Vollerwerbsbetriebe bedrückenden Anstieg der Beitragsbelastung für die Altershilfe für Landwirte entgegengewirkt werden. Seine Ursachen wurden in der Steigerung der Leistungsaufwendungen, den Kürzungen der Bundeszuschüsse und in dem Rückgang der Zahl der Beitragszahler gesehen, der "neben dem Strukturwandel auch zu einem wesentlichen Teil auf der immer deutlicher erkennbaren Neigung der Nebenerwerbslandwirte beruhe", sich "wegen der Sozialabgabenbelastung von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreien zu lassen" (BR-Drucks 173/85 S 29; BT-Drucks 10/3483 S 13). Die von der Beitragspflicht nach dem GAL befreiten Landwirte sind also vom Gesetzgeber nicht übersehen worden. Hilfe wurde in erster Linie für die Kleinbetriebe und die mittelgroßen Unternehmen für notwendig erachtet. Deswegen räumt § 3c GAL landwirtschaftlichen Unternehmern einen Rechtsanspruch auf einen nach § 4b GAL abgestuften Beitragszuschuß ein, wenn die aus dem außerlandwirtschaftlichen Einkommen und einem Wirtschaftswert von 30.000,- DM zu berechnende Wirtschaftskraft des Betriebes den in § 3c Abs 3 GAL genannten Grenzwert nicht überschreitet. Ergänzend wird nach der aufgrund § 3 Abs 8 GAL erlassenen GAL-Beitragszuschußverordnung ein Beitragszuschuß gewährt, wenn zwar der Grenzwert nach § 3c Abs 3 GAL überschritten ist, der Wirtschaftswert aber nicht mehr als 40.000,- DM beträgt und das außerlandwirtschaftliche Einkommen 1/7 der Bezugsgröße des laufenden Kalenderjahres nicht überschreitet (kritisch zum Regelungskonzept des 3. ASEG: Hagedorn, ZSR 1985, 253, 265; derselbe, SF 1984, 212; von Maydell, SdL 1988, 6, 11; jeweils mwN). Auf diesen Regelungen baut die Beitragsentlastung nach dem SVBEG auf. Um eine schnell wirksame, rasch umsetzbare und effektive Entlastung der Landwirte für die Zeit bis zu einer endgültigen Reform der agrarsozialen Sicherung zu erreichen, hat der Gesetzgeber an die Vorgaben des GAL angeknüpft, da "eine dauerhafte Lösung durch eine Neuausrichtung der agrarsozialen Sicherungssysteme ... eingehende Beratungen über einen längeren Zeitraum erfordere" und "somit kurzfristig nicht umgesetzt werden" könne (BR-Drucks 231/86 S 1; BT-Drucks 10/5463 S 1; vgl Breuer, SdL 1986, 229, 231; Giese, Die Beiträge 1986, 225, 231). Der Gesetzgeber hat somit für die Zuteilungskriterien nach dem SVBEG bewußt an die Regelungen des 3. ASEG angeknüpft, erklärtermaßen auch zur schnellen Umsetzung des Gesetzes, weil die "notwendigen Unterlagen und Kataster ... nur bei den Alterskassen vorhanden oder von ihnen kurzfristig zu beschaffen" waren (BR-Drucks 231/86 S 17; BT-Drucks 10/5463 S 7). Demnach enthält § 1 SVBEG im Blick auf von der Beitragspflicht nach dem GAL befreite Landwirte keine unbewußt planwidrige, durch eine Analogie ausfüllbare Gesetzeslücke.
Dennoch ist der Rechtsstreit noch nicht zur Spruchreife gediehen, weil das SG - von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht - zu Umständen, die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein können, keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen hat. Es ist im sozialgerichtlichen Verfahren Aufgabe der Tatsacheninstanzen, die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlichen Tatsachen festzustellen. Daher ist die Revision in der Regel auch dann iS von § 170 Abs 2 Satz 2 SGG begründet, wenn eine weitere Sachaufklärung notwendig ist, um feststellen zu können, ob das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) einzuholen ist (Art 100 des Grundgesetzes - GG; Art 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - EWGV). In beiden Fällen hat das Revisionsgericht nämlich zu prüfen, ob es für die Entscheidung in der konkreten Rechtssache auf die Vereinbarkeit der anzuwendenden Rechtsnorm mit dem GG bzw mit den Bestimmungen des EWGV ankommt (vgl BSGE 37, 104, 107 f = SozR 1500 § 170 Nr 1). Reichen hierzu aber die festgestellten Tatsachen nicht aus, und kommt eine Vorlage an den EuGH oder das BVerfG ernsthaft in Betracht, hat das Revisionsgericht die verfassungs- bzw europarechtlichen Fragen erst zu beantworten, wenn geklärt ist, ob dies für die Entscheidung des Rechtsstreits überhaupt von Belang ist.
Das Vorbringen des Revisionsklägers enthält gewichtige Argumente, die gegen die Vereinbarkeit der Nichteinbeziehung von der Beitragspflicht bei der Alterskasse befreiter, im übrigen aber in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung beitragspflichtig versicherter Landwirte von der Entlastung nach dem SVBEG mit dem Willkürverbot des Art 3 Abs 1 GG sprechen. Bedenken bestehen insbesondere, ob ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund (vgl BVerfGE 1, 14, 52; 61, 138, 147) vorliegt, einerseits die nach §§ 4, 94 KVLG wegen einer bestehenden privaten Krankenversicherung auf Antrag von der Versicherungspflicht iS von § 2 KVLG befreiten Landwirte zu entlasten, andererseits aber die wegen einer privaten Lebensversicherung iS von § 37 GAL von der Beitragspflicht bei der LAK befreiten Unternehmer nicht in die Entlastung einzubeziehen, wenn jeweils Beitragspflicht zu den anderen Zweigen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung besteht. Aus dem Sachgrund des SVBEG, die Belastung landwirtschaftlicher Betriebe mit Beiträgen "zur gesamten landwirtschaftlichen Sozialversicherung" zu vermindern, rechtfertigt sich diese unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte nicht. Sehr zweifelhaft ist auch, ob die beabsichtigte "schnelle Umsetzung des Gesetzes" eine typisierende Regelung erlaubt, die von zwei im Blick auf den Gesetzeszweck vergleichbaren Fallgruppen nur eine berücksichtigt. Denn für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist ua auch wesentlich, ob die durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (BVerfGE 63, 119, 128). Schwierigkeiten für den Gesetzgeber, die nach §§ 4, 94 KVLG und die nach § 37 GAL befreiten Landwirte gleich zu behandeln, sind aber nicht ersichtlich. Der Entscheidungserheblichkeit dieser verfassungsrechtlichen Bedenken stünde schließlich nicht entgegen, daß das BVerfG sich wegen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers uU gehindert sehen könnte, die den von der Versicherungspflicht nach dem KVLG befreiten Landwirten zuteil gewordene Begünstigung auf den vom Kläger repräsentierten Personenkreis zu erstrecken. Denn das BVerfG kann ua feststellen, daß die Nichtberücksichtigung der iS von § 37 GAL Befreiten verfassungswidrig ist (BVerfGE 8, 28, 36 ff; 15, 121, 125; 18, 288, 301 f; 29, 283, 303).
Darüber hinaus bestehen ganz erhebliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit des SVBEG mit dem Beihilfenverbot des Art 92 Abs 1 EWGV. In dem - den Beteiligten abschriftlich zugeleiteten - Schreiben der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 10. Juli 1986 an den Bundesminister des Auswärtigen heißt es, bei dem SVBEG handele es sich nach Ansicht der Kommission um eine "Beihilfe iS von Art 92 Abs 1 EWGV", also um eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Maßnahme. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum vertreten (von Maydell, Möglichkeiten der Weiterentwicklung des landwirtschaftlichen Sozialrechts unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen, in: Schriftenreihe des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Heft 352 S 1, 370 ff, 378 ff mwN; derselbe, SdL 1988, 6, 17). Auch wenn die Kommission im oben genannten Schreiben mitgeteilt hat, sie habe beschlossen, "diese Beihilfe insofern nicht zu beanstanden, als es sich um eine Übergangsmaßnahme handelt, die eine im Laufe des Jahres 1987 wirksam werdende Änderung des gegenwärtigen Systems erlaube", bestehen zumindest Zweifel, wie Art 92 Abs 1 EWG im Blick auf das SVBEG auszulegen und wie die Gültigkeit und der Inhalt des oben genannten Schreibens der Kommission zu beurteilen sind (Art 177 Abs 1 Buchst a und b EWGV). Diese Fragen sind erheblich, weil der Bundesgesetzgeber kaum zu einer dem EWGV widersprechenden Ergänzung des SVBEG verpflichtet sein kann. Nach dem derzeitigem Verfahrensstand ist mithin nicht auszuschließen, daß im Blick auf § 1 SVBEG Entscheidungen des BVerfG und/oder des EuGH einzuholen sind. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen durch das SG kann derzeit aber nicht beurteilt werden, ob es bei den Einkommensverhältnissen des Klägers und dem Wirtschaftswert seines landwirtschaftlichen Unternehmens hierauf überhaupt ankommt. Dies ergibt sich aus folgendem:
Ungeachtet der denkbar verfassungswidrigen Voraussetzung der Beitragspflicht bei der LAK könnte der Kläger entlastungsberechtigt iS von § 1 Abs 1 Nr 3 SVBEG nur dann sein, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt wären. Das richtet sich danach, welches (außerlandwirtschaftliche und landwirtschaftliche) Einkommen er erzielt hat und welcher Wirtschaftswert seinem landwirtschaftlichen Unternehmen zukommt. Dabei sind maßgebend für das Kalenderjahr der Entlastung die am 30. November des vergangenen Jahres bestehenden betrieblichen Verhältnisse, hier also die des Jahres 1985 (§ 1 Abs 1 Satz 2 SVBEG iVm § 3c Abs 1 und 4, § 1 Abs 5 GAL). Das SG hat keine Feststellungen über das Einkommen des Klägers und über den Wirtschaftswert seines Unternehmens im Jahre 1985 getroffen. Im Tatbestand seines Urteils hat es lediglich mitgeteilt, der Kläger habe angegeben, sein Betrieb habe einen Wirtschaftswert von mehr als 40.000,- DM und sein Gewinn liege unter der angegebenen Höchstgrenze; er habe den Einheitswertbescheid vom 5. Juni 1973 mit dem Einheitswert von 31.900,- DM und den Einkommenssteuerbescheid für 1984 vorgelegt. In den Entscheidungsgründen hat es dazu nur ausgeführt, "andere Voraussetzungen" des § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SVBEG seien hier "nicht streitig". Es bedarf hier keiner Erörterung, ob und ggf in welchem Umfang das BSG unbestrittene Tatsachen verwerten darf (vgl dazu BSG SozR 1500 § 163 Nr 1 mwN). Denn das SG hat nicht einmal mitgeteilt, welche Tatsachen es als unstreitig erachtet hat. Die Angaben im Tatbestand seines Urteils reichen zur Feststellung der entscheidungserheblichen Umstände jedenfalls nicht aus. Welches Einkommen aus land- oder forstwirtschaftlicher Tätigkeit oder aus einer außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit der Kläger im Jahre 1985 erzielt hat, ergibt sich aus ihnen nicht. Zur Feststellung des Wirtschaftswertes des Unternehmens des Klägers im Jahre 1985 reicht die Bezugnahme auf den Einheitswertbescheid vom 5. Juni 1973 u.a. deswegen nicht aus, weil Feststellungen darüber fehlen, ob das land- und forstwirtschaftliche Vermögen des Klägers bis in das Jahr 1985 unverändert geblieben sind oder ob Berichtigungen im Sinne des § 1 Abs 5 GAL durch die Beklagte erforderlich sind. Außerdem weist der Einheitswertbescheid einen Wirtschaftswert der Landwirtschaft in Höhe von 17.648,- DM, nicht von 31.900,- DM aus.
Die zur Prüfung des Anspruchs des Klägers aus § 1 Abs 1 SVBEG noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen wird das SG nunmehr zu treffen und auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen