Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Anerkennung. Anmeldung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Bedingungssatz in BVG § 19 Abs 1 S 2 Halbs 1 idF des 1. NOG mußte zugleich im zeitlichen Sinn verstanden werden, das Wort "wenn" also im Sinn von "sobald". Wurde der ursächliche Zusammenhang erst "während" der Heilbehandlung anerkannt, so waren die Aufwendungen der Krankenkasse nach BVG § 19 Abs 1 S 2 Halbs 2 aF "frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruches" zu ersetzen. Diese Rechtsfolge trat ebenfalls ein, wenn der Zusammenhang - wie hier - erst nach der Heilbehandlung anerkannt wurde (vergleiche BSG 1965-08-26 9 RV 734/62 = SozR Nr 2 zu § 19 BVG).
2. Die - besondere - Anmeldung mußte sich auf Ansprüche wegen der speziellen Krankheit oder sonstiger Gesundheitsstörung, die zu der von der Krankenkasse finanzierten Heilbehandlung geführt hat, beziehen.
Normenkette
BVG § 19 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 Fassung: 1960-06-27; BVG § 19 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Dezember 1972 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin fordert vom Beklagten den Ersatz von Krankengeld, das sie an den bei ihr versicherten Johann K (K.) in der Zeit vom 18. Oktober bis zum 31. Dezember 1962 in Höhe von 910,72 DM gezahlt hat.
K. bezieht als Schwerbeschädigter seit 1943 eine Beschädigtenrente; u. a. ist eine Lähmung im Gebiet des linken Schien- und Wadenbeinnerven bei ihm als Schädigungsfolge anerkannt (Ergänzungsbescheid vom 7. Februar 1957). 1959 zog er sich bei einem Arbeitsunfall eine 20 cm lange Wunde am linken Schienbein zu. Vom 18. Oktober 1962 bis zum 2. Juli 1963 war er wegen eines "Narbengeschwüres am linken Unterschenkel" arbeitsunfähig; er bezog Krankengeld von der Klägerin. Für den gesamten Krankengeldbetrag forderte die Klägerin vom Beklagten im Kostennachweis vom 15. Februar 1964 für das 4. Quartal 1963 Ersatz nach § 19 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das Versorgungsamt (VersorgA) lehnte 1964 wiederholt den Ersatz ab, weil das behandelte Leiden eine Folge des Arbeitsunfalles sei. Nachdem die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) ebenfalls einen Ersatz abgelehnt hatte, teilt das VersorgA der Klägerin im Schreiben vom 27. Oktober 1965 mit: Übereinstimmend mit dem von der BG gehörten Arzt sei die Wehrdienstbeschädigung als überwiegende Teilursache der Arbeitsunfähigkeit anzusehen; daher werde das Ablehnungsschreiben vom 30. November 1964 insoweit aufgehoben, als für die Zeit vom 1. Januar bis 2. Juli 1963 das Krankengeld zu ersetzen sei; die für die Zeit vom 18. Oktober bis 31. Dezember 1962 gezahlten Kassenleistungen würden dagegen wegen Verjährung nicht erstattet. Nachdem die Klägerin im November 1965 und im Februar 1966 erfolglos den abgelehnten Restbetrag vom Landesversorgungsamt (LVersorgA) verlangt hatte, erhob sie am 16. März 1966 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg. Das SG wies die Klage ab (Urteil vom 12. Dezember 1967). Das Landessozialgericht (LSG), das die Bundesrepublik Deutschland beigeladen hat, hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 18. Dezember 1972); es hat die Revision zugelassen: Zwar sei der Ersatzanspruch nach § 19 BVG a. F. begründet, weil der Beklagte die behandelte Krankheit als Folge der Wehrdienstschädigung anerkannt habe, was auch zurückwirke, und außerdem die allgemeine Anmeldung des Versorgungsanspruches für den Beginn des Ersatzanspruches genüge, während die Anmeldung der auf Kosten der Krankenkasse behandelten mittelbaren Spätfolge nicht maßgebend sei. Der Anspruch auf Ersatz der bis zum 31. Dezember 1962 entstandenen Kosten sei aber zur Zeit der Klageerhebung, auf die es mangels einer Stundungsabrede der Beteiligten (§ 202 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) und eines Anerkenntnisses (§ 208 BGB) ankomme, nach § 21 Abs. 2 BVG verjährt gewesen. Die zweijährige Verjährungsfrist habe am 1. Januar 1963 begonnen, nämlich mit dem Ende des Jahres der Heilbehandlung, während die im gleichen Sinn wie für § 19 BVG zu verstehende Anerkennung des Versorgungsanspruches schlechthin (vor 1962) für den Verjährungsbeginn unerheblich gewesen sei. Der Beklagte habe die Verjährungseinrede nicht gegen Treu und Glauben und nicht in unzulässiger Rechtsausübung erhoben. Bis er 1965 seine Zahlungspflicht dem Grunde nach anerkannt habe, sei die medizinische Sachlage ungeklärt gewesen. Die Klägerin habe das Risiko der Durchsetzbarkeit ihres Anspruches zu tragen.
Die Klägerin rügt mit der Revision eine unrichtige Anwendung des § 21 Abs. 2 BVG durch das LSG. Die Auffassung des Berufungsgerichtes führe dazu, daß ein Erstattungsanspruch bereits verjährt sei, obgleich nicht feststehe, daß er überhaupt existiere. Die Krankenkassen müßten dann in allen Fällen vorsorglich klagen, weil die Versorgungsämter grundsätzlich nicht auf die Einrede der Verjährung verzichteten. Mit der nach § 21 Abs. 2 BVG für den Beginn der Verjährung maßgebenden "Anerkennung des Versorgungsanspruches" sei der konkretisierte, die Spätfolge betreffende Versorgungsanspruch gemeint. Damit vereinbar sei es, bei der Anwendung des § 19 Abs. 1 BVG mit dem LSG vom Versorgungsanspruch schlechthin auszugehen; denn die Verjährung setze einen Ersatzanspruch voraus. Der Beklagte sei nicht befugt gewesen, die Einrede der Verjährung zu erheben. Nachdem er 1964 erklärt habe, die Arbeitsunfähigkeit sei eine Folge des Unfalles, habe die Klägerin eine Befriedigung ihres Anspruches durch die BG erwarten können; sie hätte daher nicht für die Unterbrechung der Verjährung sorgen müssen. Das spätere Verhalten des Beklagten habe zu jener Ablehnung im Widerspruch gestanden und sei daher nach Treu und Glauben unzulässig.
Die Klägerin beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 910,72 DM an die Klägerin zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) als Vertreter der Beigeladenen hat von einer Äußerung abgesehen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist in der Sache nicht erfolgreich. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergeben zwar eine Gesetzesverletzung. Aber die Zurückweisung der Berufung der Klägerin stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 170 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Ob die Klägerin vom Beklagten ihre Aufwendungen für den Beschädigten K., der bei ihr versichert ist, nach § 19 BVG ersetzt verlangen kann, bestimmt sich nach dem Recht, das 1962 während der zu ersetzenden Krankengeldzahlungen galt (BSG, BKK 1971, 301; BSG 16, 151; 32, 166, 167; 35, 60 f; für die Verjährung: BSG 32, 21, 23); das war § 19 BVG i. d. F. des am 1. Juni 1960 in Kraft getretenen Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453). Nach dieser Bestimmung besteht entgegen der Ansicht des LSG der von der Klägerin geltend gemachte Ersatzanspruch nicht. Damit erübrigt sich eine Entscheidung nach § 21 BVG, auf der die Urteile des SG und des LSG beruhen; ein nicht entstandener Anspruch kann nicht verjähren.
Die Klägerin war 1962 nicht nur nach dem BVG verpflichtet, an K. einen Einkommensausgleich als Teil der Heilbehandlung (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 17 BVG a. F.) zu zahlen, und zwar wegen einer Arbeitsunfähigkeit infolge einer Schädigungsfolge (§ 10 Abs. 1 und 6, nicht nach § 10 Abs. 2 BVG a. F.), sondern hatte auch Krankengeld als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 182 Reichsversicherungsordnung - RVO -) zu gewähren. Wegen dieser doppelten Leistungspflicht kam es für den Anspruch der Klägerin nicht auf einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Grundsatz an, nach dem ein nicht letztlich zuständiger Leistungsträger von einem zuständigen zu entschädigen ist. Vielmehr richtet sich der Ausgleich ausschließlich nach der Spezialvorschrift des § 19 BVG, die seit 1950 wiederholt zugunsten der Krankenkassen verbessert worden ist. Die Klägerin kann einen Ersatz für die Krankengeldzahlungen im Jahre 1962 nach § 19 Abs. 1 und 3 BVG a. F. deshalb nicht verlangen, weil die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG a. F. nicht gegeben waren.
Der Bedingungssatz in § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVG a. F., daß der Ersatz gewährt wird, wenn der Zusammenhang zwischen einer kriegsbedingten Schädigung im Sinne des § 1 BVG und der Krankheit, die die Heilbehandlung bedingte, anerkannt ist, mußte zugleich im zeitlichen Sinn verstanden werden, das Wort "wenn" also im Sinn von "sobald". Der Beklagte hatte den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Narbengeschwür und der Kriegsbeschädigung in der Zeit vor oder während der Krankengeldzahlung des Jahres 1962 nicht "anerkannt". Er anerkannte den Zusammenhang im Hinblick auf einen Ersatzanspruch erst nachträglich mit Schreiben vom 27. Oktober 1965, indem er die Wehrdienstbeschädigung als überwiegende Teilursache der Arbeitsunfähigkeit beurteilte und sich aufgrund dessen zum Ersatz des Krankengeldes für die Zeit ab 1. Januar 1963 bereit erklärte. Wurde der ursächliche Zusammenhang erst "während" der Heilbehandlung anerkannt, so waren die Aufwendungen der Krankenkasse nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BVG a. F. "frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruches" zu ersetzen. Diese Rechtsfolge trat ebenfalls ein, wenn der Zusammenhang - wie hier - erst nach der Heilbehandlung anerkannt wurde (BSG SozR Nr. 2 zu § 19 BVG). Der umstrittene Ersatzanspruch der Klägerin ist jedoch deshalb ausgeschlossen, weil der Versorgungsanspruch in diesem Sinn nicht vor oder spätestens während der Arbeitsunfähigkeit (18.10.1962 bis 2.7.1963) des K., sondern erst 7 Monate danach angemeldet wurde. Diese Anmeldung mußte sich auf Ansprüche wegen der speziellen Krankheit oder sonstigen Gesundheitsstörung, die zu der von der Krankenkasse finanzierten, nach § 19 BVG a. F. letztlich von der Versorgungsverwaltung zu tragenden Heilbehandlung einschließlich Krankengeldzahlung geführt hat, beziehen, wie der erkennende Senat bereits im Urteil vom 26. November 1968 (SozR Nr. 7 zu § 19 BVG = SGb 1969, 301 mit Anmerkung) entschieden hat (anderer Ansicht BMA, BVBl 1958, 152 ohne Begründung). Schon der äußere und sachliche Zusammenhang der Sätze 1 und 2 in § 19 Abs. 1 BVG sprach für diese Auslegung. Sie war außerdem aus praktischen Gründen geboten. Die Anerkennung des ursächlichen Zusammenhanges als Voraussetzung für einen Ersatzanspruch mußte sich naturgemäß auf gerade die Schädigungsfolge beziehen, für die die zu ersetzenden Aufwendungen erforderlich waren. Ohne einen entsprechenden Antrag wird grundsätzlich kein Versorgungsanspruch anerkannt (§ 1 Abs. 1, §§ 60 bis 61 BVG a. F.). Ein Fall, in dem eine früher angemeldete Schädigungsfolge die Heilbehandlung bedingte (BSG 34, 289; 35, 60 f), ist hier nicht gegeben. Der Versorgungsantrag, der sich auf die vor dem Auftreten des Narbengeschwüres am linken Unterschenkel vorhandenen Gesundheitsstörungen bezog, konnte noch nicht auf die später entstandene mittelbare Schädigungsfolge gerichtet gewesen sein; denn mit ihm werden nur Leistungen für vorhandene Gesundheitsstörungen geltend gemacht. Obgleich der Ersatzanspruch nach § 19 BVG nicht streng vom Heilbehandlungsanspruch des Beschädigten abhängig ist und der Heilbehandlungsanspruch nicht unbedingt zeitlich mindestens von der Anmeldung abhängt (§ 10 Abs. 5 und 6 BVG a. F.), mußte doch auch wegen des Verhältnisses zwischen Krankenkasse und Träger der Versorgungsverwaltung ein besonderer, auf das behandelte Leiden bezogener Versorgungsantrag verlangt werden. Erst diese Anmeldung ermöglichte dem VersorgA die zeitgerechte Prüfung, ob eine noch nicht als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung, die den Ersatz von Leistungen der Krankenkasse erfordern könnte, mit einer kriegsbedingten Schädigung im Sinn des § 1 BVG, u. U. - wie hier - mit einer anerkannten Schädigungsfolge im ursächlichen Zusammenhang steht. Wenn der Senat in dem Urteil vom 26. August 1965 (SozR Nr. 2 zu § 19 BVG) die Anmeldung auch auf "Spätfolgen" bezogen hat, so hat es sich nicht um eine tragende Begründung dieser Entscheidung, die einen anders gelagerten Fall betroffen hat, gehandelt.
Die Klägerin kann einen Ersatzanspruch auch nicht aus einem abstrakten Schuldversprechen im Sinn des § 780 BGB oder aus einem konstitutiven Anerkenntnis im Sinn des § 781 BGB, das unabhängig von der materiellen Rechtslage eine selbständige Verpflichtung geschaffen hätte, herleiten.
Die Revision der Klägerin muß nach alledem als im Ergebnis unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen