Leitsatz (amtlich)
Ein Ersatzanspruch der KK gegen die Versorgungsverwaltung nach BVG § 19 Abs 1 S 2 idF des 6. ÄndG besteht auch dann, wenn der Zusammenhang der Krankheit zur Zeit der Heilbehandlung auf Grund einer "Anmeldung des Versorgungsanspruchs" nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften - wenn auch ohne Rentengewährung - anerkannt war (Anschluß an BSG 1972-10-12 10 RV 486/71 = BSGE 34, 289 - zu Leitsatz Nr 3).
Die Versorgungsverwaltung kann die Einrede der Verjährung eines Ersatzanspruchs der KK nach BVG § 21 Abs 2 idF des 6. ÄndG (und des 1. NOG) nicht mehr wirksam geltend machen, wenn sie in Kenntnis der eingetretenen oder vielleicht eingetretenen Verjährung auf die Einrede verzichtet hat.
Leitsatz (redaktionell)
Voraussetzungen und Verjährung des Kostenersatzes nach BVG § 19:
1. Zu den nach BVG § 19 Abs 1 zu ersetzenden Aufwendungen für Krankenhauspflege gehören auch die Kosten einer zur Klärung für Krankenhauspflege gehören auch die Kosten einer zur Klärung des Krankenbildes eingeleiteten stationären Beobachtung des des Beschädigten.
Die Verjährung nach BVG § 21 Abs 2 wird durch die Anmeldung des Anspruchs auf Kostenersatz beim Versorgungsamt nicht unterbrochen.
2. BVG § 85 erfaßt sämtliche Versorgungsberechtigten, auch wenn sie keine Rente bezogen haben; er gilt unverändert fort.
3. Der Ersatzanspruch der KK nach BVG § 19 ist, wenn der Zusammenhang der Krankheit mit einer Schädigung erst während oder nach Beendigung der Heilbehandlung anerkannt wird, frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruchs an gegeben.
Der KK sind auch die Kosten eines wegen der anerkannten Folgen der Schädigung notwendigen Krankenhausaufenthalts zur Beobachtung gemäß BVG § 19 vom Versorgungsamt zu erstatten.
Ist das Schädigungsleiden bereits vor dem Inkrafttreten des BVG anerkannt worden, so ist diese Anerkennung auch für den Ersatzanspruch nach BVG § 19 rechtsverbindlich ohne Rücksicht darauf, ob aufgrund der anerkannten Folgen der Schädigung eine Rente zuerkannt oder ob lediglich ein Anspruch auf Heilbehandlung anerkannt worden ist.
Die Verjährung des Ersatzanspruchs nach BVG § 19 wird durch die Anmeldung des Ersatzanspruches beim Versorgungsamt nicht unterbrochen. (BVG § 21 Abs 2). Hat das Versorgungsamt auf die Einrede der Verjährung verzichtet, so darf es nicht nachträglich wieder die Einrede der Verjährung geltend machen und sich damit zu seiner früheren Erklärung in Widerspruch setzen.
Normenkette
BVG § 19 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1957-07-01, § 21 Abs. 2 Fassung: 1957-07-01, Abs. 2 Fassung: 1960-06-27, § 85 Fassung: 1950-12-20; BGB §§ 222, 225
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. August 1971 wird zurückgewiesen. |
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. |
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Erstattung eines Betrages von DM 111,88, den sie für den bei ihr früher krankenversicherten, inzwischen verstorbenen Kriegsbeschädigten Anton S (S.) anläßlich einer stationären Beobachtung am 1. und 2. Juni 1959 in der knappschaftlichen Untersuchungsstelle D zur Klärung des Krankheitsbildes aufgebracht hat. Bei S. war mit Bescheid vom 20. Juli 1950 "Magen- und Darmkatarrh als Ruhrfolge" ohne rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) anerkannt. Auf den Antrag des S. vom 3. Juni 1959 anerkannte das Versorgungsamt (VersorgA) D mit Bescheid vom 31. Oktober 1959 nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) "Geschwür am Magenausgang" als Schädigungsfolge, gewährte ab 1. Juni 1959 Rente nach einer MdE von 30 v. H. und in Ausführung eines Vergleichs vor dem Sozialgericht - SG - (Bescheid vom 29. Juni 1961) ab 1. Juni 1960 unter Neufassung der Schädigungsfolge "Magenresektion nach Billroth II - frischer Zustand -" eine solche nach einer MdE von 40 v. H.. S. hatte im Frühjahr 1959 wegen seiner Magenbeschwerden eine Badekur durchgeführt; er befand sich anschließend in ambulanter Behandlung bei Dr. P, der ihn in die Knappschaftsuntersuchungsstelle einwies.
Am 21. November 1961 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß sie seit November 1955 dem S. wiederholt gesetzliche Krankenhilfe gewährt habe und vorsorglich Ersatzanspruch für die entstandenen Heilbehandlungskosten anmelde, um der Einrede der Verjährung vorzubeugen. Mit dem Kostennachweis für das Quartal II/62 machte die Klägerin mit dem Hauptbeleg Nr. 373 u. a. auch die erstattungsfähigen Kosten für die stationäre Beobachtung des S. am 1. und 2. Juni 1959 in Höhe von 111,88 DM geltend. Während das VersorgA für die anläßlich der Arbeitsunfähigkeit des S. in der Zeit vom 6. April bis 2. Juni 1959 entstandenen sonstigen Kosten Ersatz leistete, lehnte es die Erstattung des Betrages von DM 111,88 mit der Begründung ab, der Versorgungsantrag sei von S. erst am 3. Juni 1959 gestellt worden; deshalb könnten Kosten vor diesem Zeitpunkt nicht ersetzt werden. Nach weiterem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten teilte das VersorgA der Klägerin am 16. August 1963 mit, der Ersatzanspruch werde nunmehr anerkannt. Es fügte diesem Schreiben einen "Vermerk" vom 5. August 1963 bei, in dem es eingehend die Voraussetzungen des Anspruches auf Heilbehandlung und des Ersatzanspruches - unter Bezug auf den Erlaß des Arbeits- und Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalen - II B 3 - 4120(6/63) - vom 19. Februar 1963 - erörterte und bejahte sowie zur Frage der Verjährung Stellung nahm mit dem Ergebnis, daß auf die Einrede der Verjährung "im Hinblick auf diesen Erlaß und auf die geänderte Rechtsauffassung des § 21 Abs. 2 BVG verzichtet werden" müsse. Am 20. Juli 1964 lehnte aber das VersorgA die Kostenerstattung mit der Begründung ab, bei der stationären Behandlung habe es sich um eine vertrauensärztliche Untersuchung zur Klärung der Arbeitseinsatzfähigkeit gehandelt, ein überwiegender ursächlicher Zusammenhang mit den als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen bestehe nicht. Daraufhin erhob die Klägerin im Juli 1965 Klage mit der Begründung, eine stationäre Beobachtung im Rahmen einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen "Krankfeierzeit" gehöre begrifflich zur Krankenhausbehandlung. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Das SG verurteilte den Beklagten antragsgemäß, weil die Krankenhausbeobachtung zur Heilbehandlung gehöre (Urteil vom 4. Oktober 1967). Die an sich Ende Dezember 1963 endende Verjährung sei durch das Schreiben des Beklagten vom 16. August 1963, mit dem er den Ersatzanspruch anerkannt habe, unterbrochen worden. Das SG ließ die Berufung zu. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung des Beklagten am 18. August 1971 zurück. Es führte aus: Nach § 19 Abs. 1 BVG werde den Krankenkassen für ihre Aufwendungen Ersatz geleistet, wenn der Zusammenhang einer Krankheit mit einer Schädigung anerkannt sei. An dem Charakter der zweitägigen stationären Untersuchung als Heilbehandlung könne kein Zweifel bestehen. Die Heilbehandlung habe den Zweck, die Gesundheitsstörung oder die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder wesentlich zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhindern oder körperliche Beschwerden zu beheben. Die Einweisung des S. sei zur Klärung des Krankheitsbildes erfolgt und nicht, wie die Beklagte annehme, zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit im Rahmen einer vertrauensärztlichen Untersuchung. Die rechtliche Charakterisierung einer Maßnahme könne nicht von deren Ergebnis - hier: ein krankhafter Befund sei nicht mehr vorhanden - abhängen. Eine Untersuchung mit dem Ergebnis, eine Gesundheitsstörung liege nicht mehr vor, sei in gleichem Maß Teil der "Heilbehandlung" wie eine Untersuchung, die zur Erkennung einer Krankheit führe. Der Heilbehandlungsanspruch sei nicht erst mit dem Bescheid vom 31. Oktober 1959 entstanden; denn bereits mit dem Bescheid nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 vom 20.7.1950 sei die Schädigungsfolge - mit der Folge des Anspruchs auf Heilbehandlung - anerkannt worden, hieran sei der Beklagte nach § 85 BVG gebunden gewesen. Die Einrede der Verjährung des Erstattungsanspruchs greife nicht durch. Zwar habe die ausdrückliche Anerkennung des Erstattungsanspruches im August 1963 nicht eine möglicherweise bereits eingetretene Verjährung beseitigt, jedoch habe sich der Beklagte damit in jedem Falle des Rechts begeben, die Einrede der Verjährung geltend zu machen und deshalb die Ersatzleistung zu verweigern. Der Beklagte verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn er zunächst einen streitigen Anspruch anerkenne und die Klägerin dadurch veranlasse, von einer Klageerhebung abzusehen, sich dann später aber auf Verjährung berufe. Auch im öffentlichen Recht sei die Verjährung nicht stets von Amts wegen zu berücksichtigen, vielmehr sei im Einzelfall darauf abzustellen, ob das öffentliche Interesse eine Berücksichtigung von Amts wegen erfordere. Im vorliegenden Falle ständen sich die Beteiligten wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters ihrer Beziehungen gleichrangig gegenüber. Deshalb sei kein Grund ersichtlich, der einer Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts entgegenstehen könnte. Das bedeute, daß die Verjährung nach § 21 Abs. 2 BVG nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede zu berücksichtigen sei, weshalb auf diese Einrede auch rechtswirksam verzichtet werden könne.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung der §§ 10, 19, 60 BVG, §§ 208, 222, 242 BGB. Er ist der Ansicht, maßgebend für den Ersatz von Heilbehandlungsmaßnahmen sei der Zeitpunkt, in dem die Aufwendungen gemacht worden seien, und nicht der Zeitpunkt der Anmeldung des Ersatzanspruches. Es sei schon fraglich, ob die Krankenhausbeobachtung im vorliegenden Fall eine Heilbehandlungsmaßnahme darstelle; aber auch wenn man dies bejahe, sei der Ersatzanspruch frühestens mit der Anmeldung des Versorgungsanspruches (3. Juni 1959) entstanden. Daran ändere auch die Anerkennung von "Magen- und Darmkatarrh als Ruhrfolge" im Bescheid vom 20.7.1950 nichts, weil diese nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 und nicht nach dem BVG erfolgt sei. Die nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangenen Bescheide seien - mit Ausnahme der Bindungswirkung nach § 85 BVG - hinfällig geworden. Die Übergangsvorschrift des § 86 BVG sei nur auf Versorgungsbezüge (Renten) anzuwenden. Der in § 19 BVG genannte Heilbehandlungsanspruch könne ab 1. Oktober 1950 nur auf einem Antrag (Anmeldung) beruhen. Ein solcher Antrag sei von S. erst am 3. Juni 1959 gestellt worden; deshalb könnten die vor diesem Zeitpunkt entstandenen Heilbehandlungskosten nicht ersetzt werden. Die Verjährung des Anspruches habe spätestens am 31. Dezember 1959 begonnen und am 31. Dezember 1961 geendet. Die vorsorgliche Anmeldung des Ersatzanspruches mit dem Schreiben der Klägerin vom 21. November 1961 habe die Verjährung nicht nach § 209 BGB unterbrochen. Da die Verjährungsfrist damals bereits abgelaufen gewesen sei, habe auch das Schreiben des Beklagten vom 16. August 1963 nicht mehr zu einer "Unterbrechung" führen können; es liege auch kein sog. "tatsächliches" Anerkenntnis i. S. von § 208 BGB und kein "vertragsmäßiges Anerkenntnis" (Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis) i. S. von § 222 BGB vor; an einer rechtzeitigen Klageerhebung habe dieses Schreiben die Klägerin nicht hindern können, weil damals die Verjährung bereits eingetreten gewesen sei. Als Verzicht auf die Einrede der Verjährung könne das Schreiben vom 16. August 1963 ebenfalls nicht gewertet werden, weil nicht festgestellt sei, daß das VersorgA sich damals der Verjährung "bewußt gewesen sei". Aus der dem Schreiben vom 16. August 1963 vom VersorgA beigegebenen Verfügung vom 5. August 1963 ergebe sich, daß der Beklagte der irrigen Auffassung gewesen sei, die Ersatzforderung sei noch nicht verjährt; da das LSG diese Verfügung nicht erwähnt habe, werde vorsorglich ein Verstoß gegen die §§ 103, 128 SGG gerügt.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Urteile die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt aus, die stationäre Beobachtung sei zur Klärung des Krankheitsbildes erfolgt. Der Ersatzanspruch sei nicht erst ab 3. Juni 1959 (neuer Antrag), sondern ab Anmeldung des Versorgungsanspruchs gerechtfertigt. Wenn bereits nach früheren Vorschriften ein Antrag gestellt (der Anspruch angemeldet) worden sei, dann sei dieser maßgeblich. Im übrigen habe der Beklagte entgegen seiner nunmehrigen Auffassung die seit 1955 entstandenen Kosten - mit Ausnahme der stationären Beobachtung - erstattet. Nach dem in der Verfügung vom 5. August 1963 in Bezug genommenen Rundschreiben des Arbeits- und Sozialministers für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 1963 sei damals die Auffassung vertreten worden, daß die Krankenkasse auf Grund der Anerkennung nach früherem Recht damit rechnen durfte, das Kostenrisiko für die Kriegsbeschädigung sei damit endgültig auf die Versorgungsverwaltung übergegangen. Nach dieser im Zeitpunkt der Heilbehandlungsgewährung (1959) auch von der Rechtsprechung und dem Beklagten vertretenen Ansicht würde die spätere Ablehnung der Ersatzforderung einen groben Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben darstellen. Da die Heilbehandlung 1959 durchgeführt worden sei, habe eine Verjährung des Ersatzanspruches frühestens mit Ablauf des Jahres 1961 eintreten können. Der Beklagte habe damals selbst die Auffassung vertreten, daß die Anmeldung des Ersatzanspruches im November 1961 genügt habe, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern. Deshalb habe kein Anlaß zur Klageerhebung bestanden. Im übrigen sei unbestritten, daß auch ein nach Ablauf der Verjährungsfrist erklärter Verzicht auf die Einrede der Verjährung gültig sei.
II
Die Revision des Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1; 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet.
Streitig ist die Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin einen Betrag von DM 111,88, den sie für den Krankenhausaufenthalt des bei ihr damals versicherten S. am 1. und 2. Juni 1959 aufgebracht hat, zu ersetzen. Die Vorinstanzen haben dies im Ergebnis zutreffend bejaht.
Der Klägerin, die nicht nur nach dem BVG verpflichtet war, S. Heilbehandlung zu gewähren, wird nach § 19 Abs. 1 BVG idF des 6. Änderungsgesetzes (6. ÄndG) vom 1. Juli 1957 (BGBl I 661) - abgesehen von Fristvorschriften gleichlautend idF des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) - von der Versorgungsverwaltung Ersatz der Aufwendungen für Heilbehandlung gewährt, wenn der Zusammenhang der Krankheit mit einer Schädigung anerkannt ist; wird dieser Zusammenhang erst während der Heilbehandlung anerkannt, so wird der Ersatz frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruches an, jedoch nicht für eine vor Inkrafttreten des BVG liegende Zeit geleistet. Diese gesetzliche Regelung entspricht der Vorschrift des § 60 Abs. 3 BVG (6. ÄndG), nach der die Heilbehandlung (§§ 10 bis 24) mit dem Tage beginnt, an dem die Bedingungen für ihre Gewährung erfüllt sind, frühestens mit dem Tage der Anmeldung des Anspruches. Der Anspruch auf Kostenersatz entsteht zwar erst mit der Anerkennung, jedoch rückwirkend auf den Tag der Anmeldung (vgl. Urt. des Bundessozialgerichts - BSG - v. 2.2.71 - 8 RV 617/69 -). Hieran ändert sich nichts, wenn die Krankheit erst nach Durchführung des Heilverfahrens als Schädigungsfolge anerkannt wurde (SozR Nr. 2 zu § 19 BVG).
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1. |
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Der Ersatzanspruch der Klägerin hängt damit zunächst davon ab, ob die Krankenhausbeobachtung am 1. und 2. Juni 1959 als "Heilbehandlung" anzusehen ist. Dies ist in Übereinstimmung mit dem LSG zu bejahen. Nach § 10 Abs. 2 BVG aF wird Heilbehandlung gewährt, wenn dadurch eine Verschlimmerung der durch die Schädigung verursachten Leiden verhütet oder beseitigt wird. Das LSG hat festgestellt, S. sei von Dr. P nach dessen ausdrücklicher Mitteilung "zur Klärung des Krankheitsbildes" in die Knappschaftsuntersuchungsstelle eingewiesen worden. Diese Feststellung ist für das BSG bindend (§ 163 SGG); der Beklagte hat insoweit keine substantiierten Verfahrensrügen (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG) geltend gemacht. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Beklagte wohl kaum die Subsumtion der Krankenhausbeobachtung unter den Begriff der "Heilbehandlung" in Frage stellen würde, wenn die Beobachtung zu (weiteren) Behandlungsmaßnahmen geführt hätte; daß dies hier nicht der Fall gewesen ist, weil S. - der damals nach Durchführung einer ihm gewährten Kur weiterhin über Beschwerden klagte - nach der Beobachtung als "arbeitsfähig" angesehen worden ist, kann an der rechtlichen Würdigung nichts ändern. Bestätigt wird diese Auffassung auch durch die Urteile des Senats BSG 20, 118 ff und SozR Nr. 3 zu § 20 BVG, wonach "entstandene Kosten" i. S. dieser Vorschrift auch Kosten und damit Aufwendungen für vertrauensärztliche Untersuchungen und Stellungnahmen sind. |
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2. |
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Die danach als Heilbehandlung zu wertende Krankenhausbeobachtung ist S. auch für "anerkannte" Folgen einer Schädigung gewährt worden (§ 19 Abs. 1 Satz 2 aF, § 10 Abs. 2 BVG). S. hat sich mit Schreiben vom 31. Mai 1959 - eingegangen beim VersorgA Duisburg am 3. Juni 1959 - an das VersorgA mit der Bitte um Nachuntersuchung wegen einer Verschlimmerung seines "Kriegsleidens" gewandt. Das VersorgA hat dieses Schreiben als Antrag auf Versorgung nach dem BVG gewertet und ihm nach § 60 Abs. 1 BVG aF mit Wirkung ab 1. Juni 1959 entsprochen, weil nach dieser Vorschrift die "Beschädigtenrente" - nach dem BVG - frühestens mit dem Monat beginnt, in dem der Anspruch angemeldet worden ist. Diese "Anmeldung" bedeutete dasselbe wie der "Antrag" nach § 1 Abs. 1 BVG (in allen Fassungen) als materiell-rechtliche Voraussetzung des Versorgungsanspruchs, mit dem zugleich auch das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt wird (BSG 2, 290, 294); in den Fassungen des § 60 Abs. 1 BVG seit dem 1. NOG ist nunmehr von dem "Antragsmonat" die Rede. |
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3. |
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Der Beklagte kann die Erfüllung des Ersatzanspruchs der Klägerin für die Heilbehandlung am 1. und 2. Juni 1959 nicht mit der Begründung ablehnen, S. habe zugleich mit dem Versorgungsantrag auch den Anspruch auf Heilbehandlung erst am 3. Juni 1959 gestellt (angemeldet), der "Tag" der Anmeldung des Heilbehandlungsanspruchs, der für den (frühesten) Beginn der Heilbehandlung nach § 60 Abs. 3 BVG aF und damit auch für den frühesten Beginn des Zeitraumes der Ersatzleistung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG aF maßgebend ist, sei erst der 3. Juni 1959 gewesen. |
Die "Anmeldung" des Heilbehandlungsanspruchs muß nicht mit der "Anmeldung" (dem Antrag) auf Versorgung nach § 1 BVG zusammenfallen. Die unterschiedlichen Vorschriften über den Beginn der Leistungen nach § 60 Abs. 1 und Abs. 3 BVG aF für "anerkannte" Schädigungsfolgen waren deshalb sinnvoll, weil zur Zeit eines dem Rentenantrag etwa vorhergehenden Heilbehandlungsantrages die Voraussetzungen der Heilbehandlung - anerkannte Schädigungsfolgen - und damit auch die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs des Trägers der Krankenversicherung von der Versorgungsverwaltung nicht beurteilt werden konnten. Am 1. und 2. Juni 1959 war jedoch bei S. bereits auf Grund seines Versorgungsantrags vom Dezember 1949 durch den Bescheid der damals zuständigen Landesversicherungsanstalt vom 20. Juli 1950 als Schädigungsleiden "Magen- und Darmkatarrh als Ruhrfolge" anerkannt worden, und zwar - wenngleich die Rentenberechtigung verneint worden ist - mit "Anspruch auf Krankenhilfe", falls S. infolge seiner "anerkannten Gesundheitsschädigung heilbehandlungsbedürftig" werde. Diese Anerkennung ist, wie der 10. Senat des BSG in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 12. Oktober 1972 - 10 RV 486/71 - zutreffend ausgeführt hat, mit dem Inkrafttreten des BVG nicht völlig untergegangen. Eine Umanerkennung nach § 86 BVG ist zwar nicht erfolgt, weil S. auf Grund der früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften keine Versorgungsbezüge zu zahlen waren, die der "Umanerkennung" fähig gewesen wären. § 85 BVG bestimmt jedoch: "Soweit nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Ereignis i. S. des § 1 BVG entschieden wurde, ist die Entscheidung auch nach diesem Gesetz rechtsverbindlich"; diese Vorschrift erfaßt sämtliche Versorgungsberechtigten, auch wenn sie keine Rente bezogen haben, und § 85 BVG gilt unverändert fort. Dabei handelt es sich um eine Ausnahme von der Regel, daß die früheren Entscheidungen über "Versorgungsansprüche" mit dem Außerkrafttreten der älteren Versorgungsgesetze hinfällig geworden sind (BSG 4, 21, 23; 5, 34, 39). Diese Ausnahme gilt zwar dann nicht, wenn die früher anerkannte Schädigungsfolge überhaupt nicht mehr vorhanden ist (SozR Nr. 5 zu § 85 BVG). Diese "Ausnahme von der Ausnahme" ist aber hier nicht gegeben. Denn nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war die im Jahre 1959 zur Arbeitsunfähigkeit des S. führende Krankheit - wie sich insbesondere auch aus den Bescheiden nach dem BVG vom 31. Oktober 1959 und 29. Juni 1961 ergibt - mit der früher anerkannten Gesundheitsstörung bzw. deren Folge identisch. Bestand aber aufgrund des früheren Bescheides noch eine Rechtsposition des S., die im Streitfalle von entscheidender Bedeutung - "rechtsverbindlich" - i. S. von § 85 BVG werden konnte, dann durfte er nicht so behandelt werden wie ein Beschädigter, der erstmals und ohne vorherige Anerkennung eines Leidens als Schädigungsfolge einen Heilbehandlungsanspruch nach dem BVG angemeldet hat. Mit dieser Rechtsauffassung befindet sich der Senat auch in Übereinstimmung mit den Erlassen des Bundesministers für Arbeit (BMA) vom 22. Dezember 1950 (BVBl 1951, 44) und vom 20. April 1951 (BVBl 1951, 218), die allerdings nur für die "Anlaufzeit" des BVG als Übergangsregelung gedacht waren und spätestens mit dem Rundschreiben des BMA vom 22. August 1956 (BVBl 1956, 163) ergänzt durch das Rundschreiben vom 17. Oktober 1956 (BVBl 1956, 192) zunächst außer Kraft gesetzt worden sind; damals wurde bestimmt, daß Leistungen nach dem BVG im allgemeinen nur dann erfolgen könnten, wenn ein Bescheid nach diesem Gesetz erteilt sei, nicht aber "aufgrund von Bescheiden aus früheren Versorgungsgesetzen". Offenbar in Erkenntnis der Unbilligkeit dieser Regelung ist jedoch dann in dem Rundschreiben vom 13. November 1962 (BVBl 1962, 140) wieder bestimmt worden, der Kostenersatz an die Krankenkasse solle davon abhängig sein, daß "eine entsprechende Anerkennung nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften vorgelegen hat und der Zusammenhang der Krankheit mit einer Schädigung nachträglich anerkannt worden ist". Mit dieser Weisung hat der BMA der Anerkennung nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften wieder die nach § 85 BVG fortwirkende Bedeutung eingeräumt. Auf diese Auffassung, der der Senat aus - den oben dargelegten - Erwägungen zustimmt, dürfte auch der Erlaß des Arb. und Soz. Min. Nordrhein-Westfalens vom 19.2.1963, auf den sich der Beklagte bei Anerkennung des Erstattungsanspruchs bezogen hat, zurückzuführen sein.
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4. |
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Sind damit aber die Voraussetzungen des Ersatzanspruches der Klägerin nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG aF für die Heilbehandlung am 1. und 2. Juni 1959 an sich gegeben, so bleibt weiter zu prüfen, ob die Einrede der Verjährung, die der Beklagte auf die von der Klägerin im Jahre 1965 erhobene Klage hin geltend gemacht hat, durchgreift. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 BVG in den beiden hier in Betracht kommenden Fassungen des 6. ÄndG und des 1. NOG verjährten Ersatzansprüche, die auf der Vorschrift des § 19 beruhen, in zwei Jahren. Die Verjährung begann nach der Fassung des 6. ÄndG frühestens mit der Anerkennung des Versorgungsanspruches (31. Oktober 1959), nach der Fassung des 1. NOG grundsätzlich mit Ablauf des Jahres, in dem die Heilbehandlung durchgeführt wurde (31. Dezember 1959), frühestens mit der Anerkennung des Versorgungsanspruches. Die Verjährung ist damit im vorliegenden Fall spätestens mit dem Ende des Jahres 1961 eingetreten; sie ist auch nicht durch das Schreiben der Klägerin vom 21. November 1961, mit dem der Ersatzanspruch bei der Versorgungsverwaltung angemeldet worden ist, unterbrochen worden (BSG 32, 21, 23 f). |
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5. |
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Zu prüfen ist damit lediglich noch, ob der Beklagte im gerichtlichen Verfahren - 1965 - die Einrede der Verjährung hat geltend machen dürfen, obwohl er in seinem Schreiben vom 16. August 1963 an die Klägerin deren gesamten bis 1955 zurückgehenden Ersatzanspruch uneingeschränkt anerkannt und in der diesem Schreiben beigefügten "Verfügung" vom 5. August 1963 auf die Einrede der Verjährung, die nach § 21 Abs. 2 idF des 6. ÄndG bereits am 31. Oktober 1961 eingetreten sein konnte, ausdrücklich im Hinblick auf die Fassung des 1. NOG und die nach damaliger Rechtsauffassung rechtserhebliche schriftliche Anmeldung des Ersatzanspruchs im November 1961 verzichtet hatte. Diese Erklärungen haben zwar, wovon auch das LSG ausgegangen ist, die bereits eingetretene Verjährung, die nach dem oben zitierten Urteil des BSG vom 14. Oktober 1970 (BSG 32, 21, 23 f) durch die Anmeldung des Ersatzanspruchs im November 1961 nicht unterbrochen worden ist, nicht beseitigen können; in ihnen ist auch nicht ein "vertragsmäßiges" Anerkenntnis i. S. von § 222 Abs. 2 BGB zu erblicken, weil eine Willenseinigung der Beteiligten dahin, daß damit eine abstrakte, d. h. vom Schuldgrund unabhängige Verpflichtung begründet werden sollte, nicht zustande gekommen ist. Der Beklagte hat aber in den Mitteilungen vom August 1963 gegenüber der Klägerin auf die Einrede der Verjährung ausdrücklich verzichtet. Ein solcher Verzicht ist auch nach eingetretener Verjährung einseitig möglich und er verstößt nicht gegen § 225 BGB, sofern der Schuldner Kenntnis davon gehabt hat, die Verjährung sei eingetreten oder doch vielleicht eingetreten (vgl. Palandt, Komm. zum BGB, 30. Aufl., Anm. 1 zu § 222 BGB und Soergel-Siebert, Komm. zum BGB, Stand Frühj. 1967, Anm. 3 S. 977). Ein solcher Sachverhalt hat hier aber nach dem Schreiben des Beklagten vom 16. August 1963 in Verbindung mit der Verfügung vom 5. August 1963 vorgelegen. Denn der Beklagte hat in der genannten Verfügung erkennen lassen, daß er die Möglichkeit der Verjährung in Betracht gezogen hat, auf die ihm bekannte Möglichkeit der Einrede der Verjährung aber "im Hinblick auf die geänderte Rechtsauffassung zu § 21 Abs. 2 BVG" verzichtet. Dieser Verzicht ist auch rechtswirksam. Wie das BSG wiederholt (vgl. BSG 6, 283, 288; SozR Nr. 9 zu § 242 BGB) entschieden hat, muß die Verjährung von Amts wegen in der Rentenversicherung nur bei der Anforderung von Beitragsrückständen durch den Versicherungsträger beachtet werden, nicht aber dann, wenn der Versicherte Leistungsansprüche geltend macht und die Einrede vom Versicherungsträger nicht erhoben wurde; in diesen Fällen stehen sich Versicherungsträger und Versicherter in einem Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüber, der Versicherungsträger "darf" nichts fordern, was verjährt ist, er "darf" aber leisten, auch wenn er die Einrede der Verjährung geltend machen könnte. Im vorliegenden Fall dagegen macht die Klägerin als Gläubigerin ihre zwar dem öffentlichen Recht angehörende vermögensrechtliche Forderung auf Kostenersatz i. S. von § 19 BVG gegenüber dem Beklagten als ihr gleichgeordnetem Schuldner geltend (BSG 32, 21, 22). In solchen Fällen sind die Verjährungsvorschriften des BGB analog anzuwenden, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt (BSG 8, 218, 221; 19, 88, 90; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl. 1966, 1. Bd. S. 167 ff). Damit bestehen aber keine Bedenken, auf die Rechtsauffassung zur Verjährung nach den Vorschriften des BGB auch insoweit zurückzugreifen, als ungeachtet § 225 BGB der Schuldner in Kenntnis der eingetretenen Verjährung darauf verzichten darf, diese Einrede geltend zu machen (vgl. Palandt, Komm. zum BGB, 30. Aufl., Anm. 1 zu § 222). Dies ist hier mit dem Schreiben vom 16. August in Verbindung mit der Verfügung vom 5. August 1963 geschehen. Der Beklagte darf nicht nachträglich trotzdem wieder die Einrede der Verjährung geltend machen und sich damit zu seinen früheren Erklärungen in Widerspruch setzen. Dieser Rechtsauffassung des erkennenden Senats steht nicht das Urteil des 8. Senats des BSG vom 2. Februar 1971 - 8 RV 617/69 - entgegen, das einen zwischen denselben Beteiligten streitigen Ersatzanspruch nach § 19 BVG betroffen hat und in dem ausgeführt ist, daß dann, wenn beide Beteiligte juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, "der Beklagte keine Leistungen gewähren darf, die nicht durch Gesetz begründet sind, die Klägerin nicht Leistungen entgegennehmen darf, die ihr nicht kraft Gesetzes zustehen", und es deshalb für bedeutungslos gehalten worden ist, daß der Beklagte einen kraft Gesetzes nicht bestehenden Anspruch "anerkannt" hatte; denn jene Ausführungen betreffen insoweit nicht einen Anspruch, der - wie hier - kraft Gesetzes bestanden hat, dessen Erfüllung zwar wegen der Verjährung hätte verweigert werden dürfen, der aber dadurch "anerkannt" worden ist, daß der Beklagte ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat. |
Das Urteil des LSG erweist sich damit im Ergebnis als zutreffend. Die Revision des Beklagten ist damit unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen