Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 06.06.1980) |
SG Duisburg (Urteil vom 23.10.1979) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 1980 und des Sozialgerichts Duisburg vom 23. Oktober 1979 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob von dem Konkursverwalter Verzugszinsen für die Zeit nach Konkurseröffnung aus der zu den Masseforderungen zählenden rückständigen Winterbau-Umlage verlangt werden können.
Als am 13. September 1976 das Konkursverfahren eröffnet wurde, war die Winterbau-Umlage einschließlich einer Verwaltungskostenpauschale für die Monate April bis August 1976 rückständig. Über diese Forderung und ihre Qualität als Masseforderung sowie über eine etwaige Zinsforderung bis Oktober 1976 wird nicht gestritten. Mit Bescheid vom 27. Juni 1978 (Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1978) verlangte die Beklagte von dem Konkursverwalter Verzugszinsen für die Zeit von November 1976 bis Mai 1978 in Höhe von 17.603,70 DM.
Der klagende Konkursverwalter meint, die Zinsforderung sei keine Masseforderung und könne somit nach § 63 Nr 1 der Konkursordnung (KO) nicht in Konkursverfahren geltend gemacht werden. Im übrigen sei auch keine solche Zinsforderung entstanden, weil er berechtigterweise die Begleichung der Hauptforderung zunächst verweigert habe.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 23. Oktober 1979). Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der beklagten Bundesanstalt für Arbeit zurückgewiesen (Urteil vom 6. Juni 1980).
Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt: Daß die nach Konkurseröffnung entstandenen Zinsforderungen keine Masseschulden seien, ergebe sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes (§ 28 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung -RVO- und seit 1. Juli 1977 § 59 Abs 1 Nr 3 Buchstabe e KO), der nur von Rückständen vor Konkurseröffnung spreche. Dafür, daß dieser Wortlaut maßgebend sei, könne auch angeführt werden, daß Masseschulden im Interesse der Gleichbehandlung möglichst aller Gläubiger nicht mehr privilegiert werden sollten, als sich dies ausdrücklich aus dem Gesetz ergebe. Gewiß teilten grundsätzlich die Zinsen das Schicksal der Hauptforderung. Daher seien die Zinsen aus bevorrechtigten Forderungen ebenfalls bevorrechtigt. Für Masseforderungen gelte dies aber nur, wenn es sich um Masseforderungen im üblichen Sinne handele, die also nach Konkurseröffnung entstehen. Da die Zinsforderung nicht als Masseforderung im Konkursverfahren geltend gemacht werden könne, brauche nicht entschieden zu werden, ob eine Zinsforderung im Laufe des Konkursverfahrens überhaupt entstanden sei.
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 28 Abs 3 RVO, 59 Abs 1 Nr 3 Buchstabe e und 63 Nr 1 KO.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 1980 und des SG Duisburg vom 23. Oktober 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben, weil sie unzutreffend Verzugszinsen für die Zeit nach Konkurseröffnung wegen einer Masseschuld aus der Zeit vor Konkurseröffnung nicht als Masseschulden ansehen.
Wie der 12. Senat des Bundessozialgerichts – BSG – (SozR 4230 § 3 Nr 1) bereits entschieden hat, gehören zu den Rückständen, die nach § 28 Abs 3 RVO in der bis zum 17. Juli 1974 geltenden Fassung das Konkursvorrecht des § 61 Nr 1 KO aF genossen, neben der Winterbau-Umlage und der Pauschale nach § 186a Abs 2 Satz 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) auch die durch die Säumnis entstandenen Nebenkosten wie Säumniszuschläge und Verzugszinsen (§ 379a Abs 1 und 2 RVO aF) sowie die Kosten für Mahnungen. Das folgt aus der Verweisung in § 3 Abs 2 der Winterbau-UmlageVO vom 13. Juli 1972 (BGBl I 1201) auf § 179 Satz 1 des AFG, wo wiederum wegen der Beitreibung rückständiger Beiträge auf § 28 RVO aF verwiesen war. Mit der Neufassung des § 28 Abs 3 RVO durch das Konkursausfallgeldgesetz (Art 2 § 4) ist eine Änderung der Rechtslage nur insoweit eingetreten, als Rückstände für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung nunmehr Masseschulden wurden. Der Begriff der Rückstände hat sich dadurch inhaltlich jedoch nicht geändert (vgl dazu die eingehende Begründung des 2. Senats in BSGE 49, 276 ff). Der erkennende Senat schließt sich nach eigener Prüfung der Auffassung des 2. Senats (aaO) an. Insbesondere die erneute Änderung des § 28 RVO und der §§ 59 und 61 KO durch das Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften – SGB 4 (Art 2 § 1 Nr 1a; § 10 Nr 1 und 2) stellte klar, welche Ansprüche der Sozialversicherungsträger im Konkurs Masseschulden und bevorrechtigte Konkursforderungen sind. § 28 Abs 3 RVO wurde gestrichen, dem § 59 Abs 1 Nr 3 KO ein Buchstabe e und dem § 61 Abs 1 Nr 1 KO ebenfalls ein Buchstabe e angefügt. Hier sind jetzt ausdrücklich Säumniszuschläge und Umlagen genannt. Materiell-rechtlich hat sich hiermit ebenfalls nichts geändert. Es sollte lediglich das materielle Konkursrecht, soweit es die Ansprüche der Sozialversicherungsträger betrifft, systematisch richtiger aus der RVO in die KO übernommen werden (vgl die Begründung zum Regierungsentwurf in BR-Drucks 300/75 zu Art II § 1 – S. 39 – und Art II § 10 – S. 41 –). Daß neben den Säumniszuschlägen Verzugszinsen nicht erwähnt sind, hat seinen Grund in der Streichung des § 397a RVO, an dessen Stelle § 24 SGB 4 getreten ist, der nur noch Säumniszuschläge kennt.
Die Einführung der Insolvenzversicherung (§§ 141a bis m AFG) rechtfertigt es ebenfalls nicht, die vom Gesetzgeber ausdrücklich zu Masseschulden erklärten Ansprüche der Versicherungsträger dahin unterschiedlich zu behandeln, daß einzelne Rückstände nicht das Privileg der Masseschulden genießen, sondern, wie der Kläger meint, „Supervorrechte” sind. Es muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben, welche Qualität er einzelnen Forderungen im Konkursfall verleiht. Es würde dem jetzt in § 59 Abs 1 Nr 3 Buchstabe e KO deutlich zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen widersprechen, wollte man etwa die Winterbau-Umlage oder die Säumniszuschläge nicht zu den Masseschulden rechnen. Im übrigen treffen die Ausführungen des 2. Senats (aaO, 280 bis 283) in Bezug auf die Beitragsrückstände zur gesetzlichen Unfallversicherung im System der §§ 59 und 61 KO ebenso für die übrigen in § 59 Abs 1 Nr 3 Buchstabe e KO genannten Ansprüche zu. Es widerspricht nicht zwingend der Systematik des Konkursverfahrens, wenn das Gesetz auch alle Ansprüche der Sozialversicherungsträger gleichrangig mit denen der Arbeitnehmer konkurrieren läßt.
Masseschulden sind nicht nur die bis zur Eröffnung des Konkurses angefallenen Verzugszinsen nach § 397a Abs 2 RVO aF (jetzt Säumniszuschlage nach § 24 Abs 2 SGB 4), sondern auch solche, die erst für Zeiten danach wegen rückständiger Beiträge oder Umlagen aus den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung angefallen sind. § 28 Abs 3 RVO idF des Konkursausfallgeldgesetzes spricht zwar von Rückständen für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens oder vor dem Ableben des Gemeinschuldners. Hinsichtlich der Nebenforderungen, also vor allem der Verzugszinsen, wird dadurch aber nur die Hauptforderung zeitlich begrenzt. Deutlicher kommt das in der Fassung des § 59 KO durch das SGB 4 zum Ausdruck: „Masseschulden sind: … 3. wegen der Rückstände für die letzten sechs Monate … die Ansprüche … e) der Träger der Sozialversicherung … einschließlich Säumniszuschläge und auf Umlagen”.
Durch die Eröffnung des Konkurses werden die Ansprüche der Gläubiger des Gemeinschuldners insoweit beeinträchtigt, als sie nur in der Reihenfolge und mit den Quoten der Konkursordnung berichtigt werden. War der Gemeinschuldner im Verzug, so wird dieser mit der Konkurseröffnung nicht beseitigt. Auch während des Konkursverfahrens können Verzugszinsen anfallen (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 9. Aufl 1979, § 63 Anm 2). § 62 Nr 3 KO setzt die bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelaufenen Zinsen an derselben Stelle wie die Kapitalforderung an. Nach § 63 Nr 1 KO können dagegen im Konkursverfahren die seit dem Eröffnungsverfahren laufenden Zinsen nicht geltend gemacht werden. Das betrifft aber nur Zinsen von Konkursforderungen, nicht aber auch von Masseansprüchen (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, aaO). Die von Kilger in: Böhle/Stamschräder, Konkursordnung, 13. Aufl 1981 zu § 63 Anm 2 vertretene Auffassung, Zinsen für Masseschulden im Sinne von § 59 Abs 1 Nr 3 KO seien ebenfalls nicht im Konkurs geltend zu machen, beruht auf seiner Auffassung, die Ansprüche der Arbeitnehmer und der Sozialversicherungsträger seien ihrem rechtlichen Charakter nach Konkursforderungen und lediglich im Rang des § 59 Abs 1 Nr 3 KO zu befriedigen (aaO, § 3 Anm 1b). Wie oben ausgeführt, teilt der erkennende Senat in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG diese Auffassung aber nicht. Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber einen Unterschied zwischen sogenannten „echten” Masseschulden (in der Zeit nach Konkurseröffnung entstandene Forderungen gegen den Konkursverwalter) und „sonstigen” Masseschulden (in der Zeit vor Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner entstandene Lohn- und Umlage-Forderungen) nicht gemacht hat. Gerade bei einer solchen Unterscheidung wäre es nämlich notwendig gewesen, etwa den Ausschluß der nach Konkurseröffnung entstandenen Verzugszinsen von der Aufwertung zu Masseschulden deutlich zum Ausdruck zu bringen, wenn dies gewollt gewesen wäre. Denn es ist die Eigenart der Masseschuld, daß bei ihr – im Gegensatz zur Konkursforderung – Zinsen aus der Zeit nach Konkurseröffnung keiner Einschränkung im Konkurs unterworfen sind.
Die hier streitigen Verzugszinsen sind nach alledem von der Beklagten zutreffend als Masseschulden mit den angefochtenen Bescheiden gegen den Kläger als Konkursverwalter geltend gemacht worden (vgl das Urteil des 8a Senats vom 30. Oktober 1980 – 8a RU 96/79 – SozR 2200 § 28 Nr 4 = ZJP 1981, 39).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen