Beteiligte
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Juli 1998 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen wegen Arbeitslosigkeit ab 1. September 1997.
Der im Jahre 1955 geborene Kläger war seit 1986 als katholischer Geistlicher (Pfarrer) in der Diözese E. tätig. Am 5. Februar 1992 schlossen das Ordinariat der Diözese E. und die Prälatur Santo Domingo de los Colorados, Ecuador, unter Beteiligung der Koordinationsstelle Fidei Donum der deutschen Bischofskonferenz und mit Einverständnis des Klägers Einsatzvereinbarungen über dessen weiteren Pastoraleinsatz. Der Kläger wurde mit Wirkung ab 1. August 1992 für die Dauer von fünf Jahren vom Bistum E. für die Seelsorge in Ecuador freigestellt. Während des Pastoraleinsatzes übernahm die Diözese E. nach der Entscheidung des LSG die Kosten für die Hin- und Rückreise, die „Sozialleistungen” und einen „gewissen monatlichen Unterhaltszuschuß” (zuletzt 3.000,00 DM monatlich) nach Art einer „freiwilligen Spende”. Die „Inkardination” sei durch den Außeneinsatz unberührt geblieben; die Jahre des Außeneinsatzes zählten dienstrechtlich wie Jahre der Arbeit in der eigenen Diözese. Der ecuadorianische Bischof habe den Kläger seinen eigenen Diözesanpriestern in allen Rechten und Pflichten gleichgestellt. Der Kläger habe in den Einsatzvereinbarungen die geistliche Leitung, die Jurisdiktion und die allgemeinen pastoralen Richtlinien der Prälatur und des zuständigen Bischofs in Ecuador anerkannt, der nunmehr allein über den pastoralen Einsatz verfüge. Ferner habe sich der Kläger in den Einsatzvereinbarungen verpflichtet, mittels Briefen, Vorträgen und Artikeln zum kirchlichen und missionarischen Bewußtsein seiner Heimatdiözese beizutragen.
Nachdem der Kläger nicht mehr bereit war, die zölibatäre Lebensweise einzuhalten, wurde er nach einem Gespräch in E. am 28. Januar 1997 durch den dortigen Bischof mit sofortiger Wirkung vom priesterlichen Dienst suspendiert. Am 25. Februar 1997 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosenhilfe (Alhi). Die Beklagte lehnte die Leistungsbewilligung ab, weil der Kläger während seiner Tätigkeit in Ecuador nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis iS des § 134 Abs 2 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) tätig gewesen sei (Bescheid vom 1. April 1997; Widerspruchsbescheid vom 30. April 1997). Die Klage zum Sozialgericht (SG) blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 9. Juli 1997).
Das Landessozialgericht (LSG) hat, nachdem der Kläger die Verurteilung zur Zahlung von Alhi auf die Zeit ab 1. September 1997 beschränkt und die Beklagte aufgrund der Ermittlungen des LSG die Bedürftigkeit des Klägers ab diesem Zeitpunkt bejaht hatte, die Beklagte durch Urteil vom 21. Juli 1998 unter „Aufhebung” der entgegenstehenden Bescheide der Beklagten und des Gerichtsbescheides des SG verurteilt, dem Kläger ab 1. September 1997 Alhi zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anwendung deutschen Sozialrechts sei nicht allein im Hinblick auf die Entsendung des Klägers ins Ausland ausgeschlossen, da der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses weiterhin im Geltungsbereich des AFG gelegen habe. Obwohl der Kläger mit Wirkung vom 1. August 1992 für fünf Jahre von seiner Dienstverpflichtung für das Bistum E. zwecks Seelsorge in Lateinamerika freigestellt worden sei, sei gleichwohl die in Ecuador verrichtete Tätigkeit eine Beschäftigung für den inländischen Dienstherrn geblieben. Der Kläger habe sich nicht von seiner Diözese im Geltungsbereich des AFG gelöst und sei ferner nicht vollständig in die Organisation eines anderen Hoheitsträgers eingegliedert worden. Der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Gestaltungsmerkmale seines Dienstes in Südamerika habe „der Natur der Sache nach” formal dem Weisungsrecht des Bischofs in Ecuador zugewiesen werden müssen, ohne daß das inländische Dienstverhältnis mit dem Bistum E. in den Hintergrund getreten wäre. Daß der inländische Dienstherr sich auch weiterhin die Aufsicht über die Arbeit und die Berufsentwicklung des Klägers vorbehalten habe, zeige sich eindrucksvoll darin, daß der deutsche Bischof, obwohl die Abordnung noch angedauert habe, den Kläger wegen Aufgabe des Zölibats nach E. bestellt und ihn schließlich vom Dienst suspendiert habe. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn die volle Verantwortung über das Schicksal und den Arbeitsplatz des Klägers tatsächlich dem Bistum in Ecuador übertragen gewesen wäre.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision einen Verstoß gegen § 134 Abs 2 Nr 1 AFG und § 4 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach § 134 Abs 2 Nr 1 AFG stünden Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses einer Beschäftigung iS des § 134 Abs 1 Nr 4b AFG nur gleich, wenn es sich um Dienststellen bei einem inländischen Hoheitsträger handele. Der Kläger sei von seinem inländischen Dienstherrn, dem Bistum E., beurlaubt gewesen. Die Gleichstellung des § 134 Abs 2 Nr 1 AFG erfasse nicht Zeiten langfristiger Beurlaubung. Der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) habe bereits entschieden, daß nur Zeiten Berücksichtigung finden könnten, in denen ein Dienstverhältnis weiterbestehe, das durch eine Dienstleistungspflicht begründet werde. Auch seien die Voraussetzungen für eine Entsendung iS des § 4 Abs 1 SGB IV (iVm § 173a AFG) zu Unrecht angenommen worden. Grundvoraussetzung einer Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV sei ein Beschäftigungsverhältnis, dessen Schwerpunkt im Inland bleibe, obwohl die Arbeit für begrenzte Zeit im Ausland ausgeübt werde. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen habe der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses hier eindeutig in Ecuador gelegen. Der Kläger sei in allen Rechten und Pflichten den Priestern in Santo Domingo de los Colorados gleichgestellt und der dortigen Prälatur unterstellt gewesen. Er habe seine Dienste gerade nicht für seine Heimatdiözese, sondern für seine Einsatzdiözese geleistet. Folglich habe auch die Diözese in Ecuador grundsätzlich die Verpflichtung gehabt, die Dienstleistungen des Klägers zu vergüten. Die Diözese E. habe den Auslandseinsatz lediglich in Form einer freiwilligen Spende unterstützt. Mithin habe zur Heimatdiözese lediglich ein Rumpfdienstverhältnis bestanden, dessen gegenseitige Pflichten lediglich als Nebenpflichten anzusehen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Juli 1998 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 9. Juli 1997 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils. Die Beklagte verkenne die Besonderheiten der Art und Weise der Diensterbringung eines katholischen Geistlichen. Dieser übe die Seelsorge im Auftrage der einheitlichen, weltumspannenden katholischen Kirchenorganisation aus. Es gehöre zum Wesen der Seelsorge innerhalb der katholischen Kirche, daß diese in einem stark hierarchisch strukturierten System ausgeübt werde, in welches der Seelsorger in vielfältiger Weise eingebunden werde. Dies ändere jedoch nichts daran, daß der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses im Inland verblieben sei.
II
Auf die Revision der Beklagten ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Senat nicht in der Lage, abschließend darüber zu entscheiden, ob dem Kläger ab 1. September 1997 ein Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit gegen die Beklagte zusteht.
Dem Kläger könnte bereits ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) zustehen, wenn die Tätigkeit des Klägers als Priester in Ecuador eine beitragspflichtige Beschäftigung iS des § 168 AFG (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung der Fördervoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 - BGBl I 2044 - erhalten hat) darstellte. Dann müßten aber die Voraussetzungen einer Ausstrahlung nach § 4 SGB IV vorliegen (zur entsprechenden Anwendung dieser Norm im Rahmen der Entsendung innerhalb eines Dienstverhältnisses gemäß § 134 Abs 2 Nr 1 AFG vgl weiter unten). Das LSG hat insoweit nicht festgestellt, ob bei dem Kläger Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung nach § 169 AFG iVm § 6 Abs 1 Nrn 2, 4, 5 oder 7 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) bestanden hat, insbesondere ob er als Geistlicher der katholischen Kirche nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge hatte (§ 6 Abs 1 Nr 4 SGB V).
Unterstellt man indes – was hier naheliegt – Beitragsfreiheit des Klägers iS des § 169 AFG iVm § 6 Abs 1 Nr 4 SGB V, so könnte dem Kläger ausschließlich ein Anspruch auf Alhi nach § 134 Abs 1 AFG iVm § 134 Abs 2 Nr 1 AFG (idF, die § 134 AFG durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997 - BGBl I 594 - erhalten hat) zustehen. Die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG – Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit, Arbeitslosmeldung und Stellung eines Antrags auf Alhi – lagen nach den Feststellungen des LSG ab 1. September 1997 vor. Der Kläger hätte auch – seine Beitragsfreiheit als katholischer Geistlicher iS des § 6 Abs 1 Nr 4 SGB V unterstellt – keinen Anspruch auf Alg, da er dann die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nicht erfüllt gehabt hätte (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Allerdings wären die Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG – bei unterstellter Beitragsfreiheit der Tätigkeit des Klägers – nicht unmittelbar erfüllt, weil er weder mindestens 150 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden noch eine Zeit zurückgelegt hätte, die gemäß §§ 107 bis 109 AFG zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen kann; die Voraussetzungen dieser Bestimmung könnten nur dann erfüllt sein, wenn die Beschäftigung des Klägers in Ecuador nach § 134 Abs 2 Nr 1 AFG einer Beschäftigung iS des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG gleichgestellt wäre. Zu dieser Gleichstellung, zu der weiteren Voraussetzung der Bedürftigkeit (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG) und auch zu den Voraussetzungen der Erfüllung der Vorfrist hat das LSG keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
Nach § 134 Abs 2 Nr 1 AFG (vgl seit 1. Januar 1998 § 191 Abs 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – ≪SGB III≫) stehen einer beitragspflichtigen Beschäftigung iS des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG gleich: Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, insbesondere als Beamter, Richter, Berufssoldat und Soldat auf Zeit. Wäre der Kläger als Geistlicher der katholischen Kirche nach § 169 AFG iVm § 6 Abs 1 Nr 4 SGB V beitragsfrei gewesen, dann wäre sein (inländisches) Dienstverhältnis auch als öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis iS von § 134 Abs 2 Nr 1 AFG zu qualifizieren, und zwar ungeachtet dessen, daß dort beispielhaft („insbesondere”) nur die Dienstverhältnisse der Beamten, Richter und Soldaten genannt sind. Eine derartige Auslegung des § 134 Abs 2 Nr 1 AFG ergibt sich aus Entstehungsgeschichte und Zweck dieser Regelung und ihrem systematischen Zusammenhang mit den Regelungen über die Beitragsfreiheit (zur Entstehungsgeschichte bereits umfassend BSG SozR 4100 § 134 Nr 29, S 81 f).
§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG setzte idF vor Änderung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) nur eine 70tägige entlohnte Beschäftigung in der Rahmenfrist voraus, eine Beschäftigung also, die nicht beitragspflichtig zu sein brauchte. Das seit 1. Januar 1982 geltende AFKG hat diesen erleichterten Zugang zum Anspruch auf originäre Alhi jedoch beseitigt. Erforderlich ist seitdem eine längere Beschäftigung von 150 Kalendertagen, die der Beitragspflicht unterliegt oder einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt ist. Der Regierungsentwurf eines AFKG (BT-Drucks 369/81, S 45) hatte zunächst sogar vorgesehen, daß Alhi nur noch im Anschluß an einen vorangegangenen Bezug von Alg zustehen sollte. Dabei wäre das Recht auf Alhi aufgrund anderer Tatbestände (gleichgestellter Zeiten, die nicht bereits für das Alg anwartschaftsbegründend sind) sogar ganz entfallen und die originäre Alhi gänzlich beseitigt worden. Dieser vom Bundestag bereits beschlossene Wegfall der sog originären Alhi wurde jedoch in begrenztem Umfang rückgängig gemacht. Der Kreis der Berechtigten wurde eingeschränkt. Die bisher in den §§ 1 bis 5 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung iVm § 134 Abs 3 AFG aF enthaltenen Gleichstellungstatbestände wurden nur noch teilweise in das Gesetz aufgenommen, ua der Gleichstellungstatbestand eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, insbesondere der Beamten, Richter, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit (vgl: BSG aaO und BR-Drucks 492/81, S 8 f; BR-Drucks 567/81, S 6). Die Einbeziehung dieser Personengruppen bzw ihre Gleichstellung mit den beitragspflichtig Beschäftigten ist im Hinblick darauf gerechtfertigt, daß sie wie Arbeitnehmer in einem auf die Leistung von abhängigen Diensten ausgerichteten Rechtsverhältnis – also einem Beschäftigungsverhältnis – stehen, ihre Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung aber aufgrund von Sonderregelungen (§ 169 AFG iVm § 6 Abs 1 Nrn 2, 4, 5 oder 7 SGB V) entfällt, die an die Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung anknüpfen. Ihnen sollte im Hinblick auf ihre Vergleichbarkeit mit Arbeitnehmern, die der Beitragspflicht unterliegen, der Schutz durch die Gewährung von Alhi erhalten werden (grundlegend hierzu BSG SozR 4100 § 134 Nr 38, S 115). Dieser Schutzzweck trifft auch für die Geistlichen der als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannten Religionsgesellschaften zu, deren Tätigkeit ihrer Art nach ebenfalls auf die Leistung von Diensten ausgerichtet ist und die unter den Voraussetzungen des § 169 AFG iVm § 6 Abs 1 Nr 4 SGB V beitragsfrei sind. Deshalb kann hier auch dahinstehen, daß der Kläger als katholischer Geistlicher staatskirchenrechtlich in einem Klerikerdienstverhältnis zu der katholischen Kirche als öffentlich-rechtlicher Körperschaft gemäß Art 140 Grundgesetz iVm Art 137 Abs 5 Weimarer Reichsverfassung stand (hierzu Paul Kirchhof, Die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd I, herausgegeben von Listl und Pirson, 2. Aufl 1994, S 671), weil sich die Einbeziehung der Dienstverhältnisse dieser Personen in den Schutzbereich des § 134 Abs 2 Nr 1 AFG bereits aus dem systematischen Zusammenhang mit den Regelungen der Beitragsfreiheit ihrer ansonsten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ergibt.
Aus dem vorgenannten systematischen Zusammenhang und dem Zweck des § 134 Abs 2 Nr 1 AFG folgt zugleich, daß ein in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis Beschäftigter, der aufgrund von Sonderregelungen beitragsfrei ist, im Rahmen des § 134 Abs 2 Nr 1 AFG für die Alhi einem entsprechenden Arbeitnehmer in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nur gleichgestellt werden soll (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 14 S 53). Demzufolge müssen auch die zu § 4 SGB IV entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung finden bzw die Voraussetzungen einer Ausstrahlung vorliegen, wenn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses iS von § 134 Abs 2 Nr 1 AFG die Tätigkeit im Ausland verrichtet wird.
Der Kläger war hier in Ecuador tätig, wobei aber weiterhin eine (im einzelnen noch festzustellende und rechtlich zu qualifizierende) Beziehung zu dem bisherigen Arbeitgeber fortbestand. Hätte der Kläger bei seiner bisher in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Tätigkeit zu dem Kreis der beitragspflichtig Beschäftigten gehört, so hätte die Beschäftigung auch während der Zeit in Ecuador der Beitragspflicht nur unterlegen, wenn kraft Ausstrahlung nach § 4 SGB IV die bundesdeutschen Vorschriften weiterhin zur Anwendung gekommen wären. § 4 SGB IV setzt voraus, daß der Versicherte aufgrund eines im Geltungsbereich des SGB bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt und die Entsendung aufgrund der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl zuletzt Urteil vom 10. August 1999 - B 2 U 30/98 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, und Urteil vom 1. Juli 1999 - B 12 KR 2/99 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSGE 79, 214, 217 ff = SozR 3-2400 § 5 Nr 2; BSGE 71, 227 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4) setzt dies voraus, daß während der Auslandstätigkeit rechtliche Bindungen zum entsendenden Unternehmen bestehen bleiben und daß der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses weiterhin beim inländischen Unternehmen liegt. Dieser Schwerpunkt liegt regelmäßig bei dem „Betrieb”, bei dem – über die Arbeitsleistung hinaus – wesentliche Elemente des Beschäftigungsverhältnisses erfüllt werden. Dabei sind einerseits die Eingliederung des Beschäftigten in diesen „Betrieb” und andererseits die Zahlung des Arbeitsentgelts entscheidend (BSG aaO). Eingliederung in einen Betrieb bedeutet, daß die Arbeit für diesen Betrieb erbracht und die Arbeitsleistung diesem Betrieb wirtschaftlich zugerechnet wird.
Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Dienstverhältnisses kann im Rahmen des § 134 Abs 2 Nr 1 AFG eine Tätigkeit im Ausland mithin als Zeit eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses angesehen werden, wenn die Entsendung ins Ausland von vornherein zeitlich begrenzt war und wenn während der Tätigkeit im Ausland weiterhin ein „aktives” Dienstverhältnis zum inländischen Dienstherrn fortbestanden hat, das nur bei hinreichender Intensität der tatsächlichen und rechtlichen Bindungen zu diesem angenommen werden kann. Insoweit kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller der Entsendung zugrundeliegenden rechtlichen Beziehungen (Inhalt der Einsatzvereinbarungen, Bedeutung der Inkardination) und auch der tatsächlichen Ausgestaltung des Auslandseinsatzes an. Die Annahme des LSG, der Schwerpunkt der tatsächlichen und rechtlichen Merkmale des Dienstverhältnisses des Klägers habe bei der Diözese in E. gelegen, mag im Ergebnis richtig sein; jedoch genügen die der erforderlichen Gesamtschau zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen nicht für eine abschließende Entscheidung.
Die Zeit der Tätigkeit des Klägers in Ecuador war nach den Feststellungen des LSG von vornherein auf fünf Jahre befristet. Sein Auslandseinsatz hat nach den vom LSG in Bezug genommenen Einsatzvereinbarungen die Inkardination, dh die kirchenrechtliche Eingliederung in die Diözese E. als geistlichem Heimatverband, nicht berührt (vgl hierzu Schwendenwein in Handbuch des katholischen Kirchenrechts, herausgegeben von Listl/Müller/Schmitz, 1983, S 200). Allerdings hat das LSG nicht näher dargelegt, was die Inkardination im einzelnen bedeutet, insbesondere welche rechtlichen Konsequenzen sich aus dem Fortbestand der Inkardination in der Heimatdiözese für das Dienstverhältnis in Ecuador im einzelnen ergeben.
Insoweit kann hier offenbleiben, ob der Senat den Inhalt des Amtsrechts der katholischen Kirche, das im wesentlichen im Codex Juris Canonici enthalten ist (vgl hierzu Pirson, Das Dienstrecht der Geistlichen und Kirchenbeamten, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd II, herausgegeben von Listl und Pirson, 2. Aufl 1995, S 851 ff), selbst feststellen könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist das Recht der Religionsgemeinschaften jedenfalls grundsätzlich nicht revisibel (vgl BVerwGE 38, 264 und BVerwGE 19, 252; Redeker/von Oertzen, VwGO, 11. Aufl 1994, RdNr 3 zu § 137; zustimmend auch Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, RdNr 6 zu § 162), so daß der Senat entsprechende Feststellungen zum kanonischen Recht jedenfalls nicht selbst treffen muß. Das LSG wird dies ggf nachzuholen und unter Einbeziehung der Einsatzvereinbarungen im einzelnen zu klären haben, wie sich die fortbestehende Inkardination im Inland auf den Außeneinsatz des Klägers ausgewirkt hat und von welcher Intensität die tatsächlichen und rechtlichen Bindungen zur Heimatdiözese waren. Das LSG ist insoweit davon ausgegangen, daß die rechtliche und tatsächliche Gestaltung des pastoralen Dienstes des Klägers in Ecuador im wesentlichen dem Weisungsrecht des dortigen Bischofs unterlegen habe, und hat insoweit den Schwerpunkt – wenn auch nur formal – in Ecuador gesehen. Es hat seine Annahme, daß trotz dieser formalen Einordnung des Klägers in den kirchlichen Dienst in Ecuador der Schwerpunkt seines Dienstverhältnisses aufgrund der fortbestehenden Inkardination in der Diözese E. gelegen habe, im wesentlichen darauf gestützt, daß die Disziplinargewalt hinsichtlich der Entlassung des Klägers aus dem kirchlichen Dienst beim Bischof in E. verblieben sei. Dies ist zwar ein taugliches Kriterium für die Beurteilung der Frage, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses lag. Das LSG wird aber eine weitere Abwägung unter Berücksichtigung der zur Entsendung beitragspflichtiger Arbeitnehmer allgemein entwickelten Kriterien vorzunehmen haben.
Vor allem wird das LSG zu prüfen haben, von wem das Arbeitsentgelt bzw die Dienstbezüge für die Tätigkeit in Ecuador gezahlt worden sind. Insbesondere wird zu ermitteln sein, ob die von der inländischen Diözese geleistete „freiwillige Spende” von 3.000,00 DM monatlich das (einzige oder eigentliche) Arbeitsentgelt war, mit dem der Kläger seinen Lebensunterhalt in Ecuador bestritten hat, insbesondere ob ihm dieser Betrag von seinem bisherigen Dienstherrn als Entgelt unmittelbar überwiesen bzw ausgezahlt worden ist oder ob er lediglich als Unterstützung der Diözese in Ecuador gedacht war und an diese überwiesen worden ist, die ihrerseits dem Kläger ein Gehalt gezahlt hat (ggf in welcher Höhe). Auch ist zu klären, ob der Kläger – neben dem genannten Betrag – weitere Mittel von der Kirche in Ecuador erhalten hat (ggf auch in Form von Naturalien), und insbesondere, ob nach den Einsatzvereinbarungen die Alimentierung des Klägers zu den Verpflichtungen der Diözese E. oder der zuständigen Prälatur in Ecuador gehörte. Weiterhin ist zu klären, ob und von welchem dieser beiden Dienstherren welche weiteren Sozialleistungen (zB Beihilfen im Krankheitsfall oder bei Unfällen) erbracht worden sind. So könnte ggf zu ermitteln sein, ob die Beihilfestelle der Heimatdiözese auch während seines Einsatzes in Ecuador Leistungen erbracht hat und ob der Kläger im Falle der Dienstunfähigkeit (zB bei einem Dienstunfall in Ecuador) Ansprüche gegen seine Heimatdiözese gehabt hätte, ferner, ob und wie die Zeit seines Einsatzes in Ecuador bezüglich etwaiger Pensionsansprüche, seines Dienstalters usw berücksichtigt worden ist. Maßgeblich ist insoweit, wie dies die Diözese verstanden und/oder gehandhabt hat.
Außerdem wird im einzelnen zu ermitteln sein, inwieweit der Kläger in den kirchlichen Dienst am Einsatzort eingegliedert war und inwieweit die Eingliederung bzw dienstliche Unterordnung unter die Aufsichts- und Weisungsrechte der Heimatdiözese erhalten geblieben ist. Dabei kann eine Vielzahl einzelner Kriterien eine Rolle spielen, etwa ob sich der inländische Dienstherr auch weiterhin die Aufsicht über die Arbeit und die Berufsentwicklung des Klägers vorbehalten hatte und ob bzw in welchem Maße der Kläger regelmäßigen Kontrollen hinsichtlich seines Auslandseinsatzes (Berichtspflicht uä) unterlag. Weiterhin könnte beachtlich sein, ob der Kläger von seiner Heimatdiözese jederzeit hätte zurückberufen werden können oder ob insoweit ein Widerspruchsrecht des Bischofs in Ecuador bestand.
Schließlich wird das LSG für den Fall, daß es sämtliche anderen Voraussetzungen eines Alhi-Anspruchs für gegeben erachtet, noch zu klären haben, inwieweit der Kläger innerhalb der Vorfrist des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG mindestens 150 Kalendertage in einer (beitragspflichtigen oder gleichgestellten) Beschäftigung gestanden hat. Nach § 134 Abs 1 Satz 3 AFG (eingefügt durch das Gesetz zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe vom 24. Juni 1996, BGBl I 878) verlängert sich die Vorfrist um Zeiten, in denen der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind, nur deshalb keinen Anspruch auf Alhi hatte, weil er nicht bedürftig war (Nr 1). Wäre Bedürftigkeit beim Kläger – wovon das LSG ohne nähere Feststellungen ausgegangen ist – erst ab 1. September 1997 eingetreten, wäre die Vorfrist des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG nur dann erfüllt, wenn der Kläger in der Zeit vom 1. September 1996 bis 31. August 1997 150 Kalendertage in einem „öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis” gestanden hätte. Hierbei wird das LSG uU zu prüfen haben, ob der 28. Januar 1997 mitzählt. Ggf wären auch die Voraussetzungen der erweiterten Vorfrist des § 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 AFG erfüllt, wenn der Kläger in der Zeit vom 25. Februar 1997 bis 31. August 1997 bei Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi (außer der Bedürftigkeit) wenigstens einen Tag lang nicht bedürftig gewesen wäre. Hierzu wird das LSG nähere Feststellungen zu treffen haben.
Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Ausgangs des Revisionsverfahrens abschließend zu entscheiden haben (§ 193 SGG).
Fundstellen
AuA 1999, 461 |
NZS 2000, 203 |
SGb 1999, 558 |
SozSi 1999, 412 |