Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Schlechtwettergeld. Antrag auf Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen

 

Leitsatz (redaktionell)

Kann ein Arbeitgeber wegen fehlender Geschäftsfähigkeit den Antrag auf Schlechtwettergeld (SWG) nicht innerhalb der Ausschlußfrist stellen, so ist der Lauf der Ausschlußfrist möglicherweise - in entsprechender Anwendung des BGB § 206 - gehemmt. Selbst wenn eine solche entsprechende Anwendung geboten wäre, erlischt der Anspruch auf SWG jedenfalls dann, wenn der Antrag auf SWG nach Beseitigung des Hindernisses (hier: Bestellung eines Pflegers) nicht innerhalb der dann von diesem Zeitpunkt an laufenden Ausschlußfrist beim ArbA gestellt worden ist.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Antragsfrist nach AFG § 79 Abs 2 S 2 handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist, gegen deren Versäumung - anders als bei Verfahrensfristen - eine Nachsicht, etwa in Form der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, nicht möglich ist. Auf diese materiell-rechtliche Ausschlußfrist sind die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Hemmung der Verjährung nicht entsprechend anwendbar.

2. Zur Frage, in welcher Frist der Pfleger eines Geschäftsunfähigen den Antrag auf Schlechtwettergeld noch rechtzeitig stellt.

 

Normenkette

AFG § 79 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1969-12-22; AVAVG § 143l Abs. 2; WinterbauAnO § 17 Fassung: 1972-07-04; BGB § 206 Fassung: 1896-08-18; SGG § 67

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 26.05.1977; Aktenzeichen L 9 Al 29/76)

SG München (Entscheidung vom 05.11.1975; Aktenzeichen S 34 Al 382/74)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 1977 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Schlechtwettergeld (SWG) und die Erstattung von Aufwendungen für Krankenversicherungsbeiträge von SWG-Beziehern.

Der Kläger war Inhaber eines Baggerbetriebes mit einem Arbeitnehmer. Er zeigte in den Schlechtwetterperioden 1969/1970 und 1970/1971 in der Zeit vom 26. November 1969 bis 20. März 1970 und vom 23. Dezember 1970 bis 26. März 1971 witterungsbedingte Arbeitsausfälle an. Seit Ende 1969 leidet der Kläger an einer cerebral-organischen Erkrankung, die ihn nach gutachtlicher ärztlicher Stellungnahme seit Anfang des Jahres 1970 hindert, seine geschäftlichen Angelegenheiten wahrzunehmen. Daraufhin ordnete das Amtsgericht Ebersberg nach § 1910 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine sich auf die vermögensrechtlichen Angelegenheiten des Klägers erstreckende Pflegschaft an und bestellte am 9. Mai 1973 die Taxi-Unternehmerin H V zur Pflegerin. Die Pflegerin beantragte am 28. November 1973 durch Einreichung der entsprechenden Abrechnungslisten beim Arbeitsamt das dem Kläger für die von ihm angezeigten Arbeitsausfälle in den Schlechtwetterperioden 1969/70 und 1970/71 zustehende SWG und die entsprechende Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen.

Die Beklagte lehnte die Erstattung des SWG und der anteilsmäßig zustehenden Beiträge zur Krankenversicherung mit der Begründung ab, daß der Kläger die Ausschlußfristen nach § 79 Abs 2 und § 163 Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) idF vom 22. Dezember 1969 versäumt habe (Bescheid vom 1. Februar 1974; Widerspruchsbescheid vom 30. August 1974).

Durch Urteil vom 5. November 1975 hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger das begehrte SWG und die Aufwendungen für die Krankenversicherungsbeiträge in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 26. Mai 1977 die Entscheidung des SG aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe zwar die Frist des § 79 Abs 2 AFG zur Beantragung der von ihm erhobenen Ansprüche versäumt; diese Frist sei für die Schlechtwetterzeit 1969/70 mit Ablauf des 31. Mai 1970 und für die Schlechtwetterzeit 1970/71 mit Ablauf des 31. Mai 1971 zu Ende gegangen. Innerhalb dieser Fristen habe der Kläger einen SWG-Antrag nicht gestellt. Der Kläger sei allerdings in dieser Zeit geschäftsunfähig und gesetzlich nicht vertreten gewesen. Infolgedessen sei der Kläger vor der Bestellung seiner Pflegerin von Rechts wegen nicht in der Lage gewesen, die Anträge nach § 79 Abs 2 AFG wirksam zu stellen. Trotz des Charakters der Frist des § 79 Abs 2 AFG als einer Ausschlußfrist müßten in einem solchen Falle die Vorschriften des § 206 Abs 1 BGB über die Hemmung der Verjährung im Falle der beschränkten Geschäftsfähigkeit entsprechende Anwendung finden. Daraus ergebe sich jedoch für den Kläger keine günstigere Rechtslage. Nach § 206 Abs 2 BGB bestehe zwar grundsätzlich eine Frist von sechs Monaten zur Nachholung der versäumten Rechtshandlung, die mit dem Tag der Beendigung des Mangels in der Geschäftsfähigkeit beginne. Nach § 206 Abs 1 Satz 2 BGB müßten hierbei jedoch auch kürzere Verjährungsfristen beachtet werden. Im Falle des Anspruchs auf SWG und auf Erstattung anteiliger Krankenversicherungsbeiträge betrage die Frist lediglich zwei Monate (§ 79 Abs 2 Satz 2 AFG). Diese Frist sei auch bei Anwendung des § 206 Abs 1 BGB im vorliegenden Falle am 9. Juli 1973 abgelaufen. Auf deren Ablauf habe es keinen Einfluß, ob der Berechtigte Kenntnis von dem ihm zustehenden Recht gehabt habe. Die Frist habe daher auch nicht etwa erst im September 1973 zu laufen begonnen, als die Pflegerin durch ihre Vorsprache im Arbeitsamt von der Pflicht zur Antragstellung erfahren habe, wie sie vorgetragen habe. Ebensowenig sei es von Bedeutung, ob sie zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf SWG gestellt habe oder ob die Beklagte zu diesem Zeitpunkt ihre Bemühungen um die Feststellung der Ansprüche auf SWG unterstützt habe oder nicht.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 79 Abs 2 und § 163 Abs 2 AFG. Er trägt hierzu im wesentlichen vor: Das LSG sei zwar zu Recht vom Bestehen einer materiell-rechtlichen Ausschlußfrist für den Antrag auf SWG und auf anteilige Erstattung der Aufwendungen für Krankenversicherungsbeiträge von SWG-Beziehern ausgegangen, ebenso von der entsprechenden Anwendung des § 206 BGB in Fällen der vorliegenden Art. Es habe jedoch zu Unrecht nicht geprüft, ob die Fristversäumung nicht deshalb unschädlich gewesen sei, weil die Voraussetzungen für die Gewährung von SWG bzw für die Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung zweifelsfrei gegeben gewesen seien. Der Große Senat des Bundessozialgerichts - BSG - (BSGE 14, 246, 250) habe bereits entschieden, daß sich die Verwaltung auf eine Fristversäumnis auch in Bezug auf eine Ausschlußfrist nicht berufen könne, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen zweifelsfrei erfüllt seien. So sei es hier. Im übrigen werde bereits am Wortlaut des § 79 Abs 2 AFG deutlich, daß die Regelung dieser Antragsfrist nicht streng zu handhaben sei. Der Antrag sei zwar innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Monaten nach dem Ende der Schlechtwetterzeit zu stellen. Durch § 79 Abs 2 Satz 3 AFG werde jedoch auf § 79 Abs 1 Satz 2 AFG verwiesen. Danach könne die Betriebsvertretung die Anzeige nach § 75 Abs 1 Nr 3 AFG erstatten, wenn diese nicht unverzüglich vom Arbeitgeber erstattet worden ist. Das bedeute, daß auch hinsichtlich der Antragsfrist die Betriebsvertretung den Antrag stellen könne, wenn der Arbeitgeber ihn nicht rechtzeitig gestellt habe, mithin also noch nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 79 Abs 2 Satz 2 AFG.

Der Kläger verweist ferner auf die Rechtsprechung des BSG in BSGE 19, 176, wonach das Erlöschen des Anspruchs vom Gesetzgeber nur gewollt sein könne in den Fällen, in denen der Berechtigte die Möglichkeit gehabt habe, von seinem Recht Gebrauch zu machen. Der Kläger habe diese Möglichkeit nicht gehabt, auch nicht zu der Zeit, als er unter Pflegschaft gestanden habe. Es müsse auch beachtet werden, daß die Pflegerin, die den rechtzeitigen Antrag versäumt habe, im Baugeschäft nicht bewandert gewesen sei. Außerdem sei es nicht verständlich, warum sich der Angestellte des Arbeitsamtes bei der Vorsprache der Pflegerin im September 1973 geweigert habe, dieser die Schlechtwetteranzeigen des Klägers zur Verfügung zu stellen; dadurch sei diese gezwungen gewesen, die Schlechtwetteranzeigen in mühseliger Kleinarbeit selbst festzustellen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 1977 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. November 1975 zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 1977 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Bayerische Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis für zutreffend und weist ergänzend auf die Rechtsprechung des BSG hin, wonach es gegen die Versäumung der Ausschlußfrist des § 143 l Abs 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) weder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebe noch die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Hemmung der Verjährung nach den §§ 202 ff BGB entsprechend anwendbar seien. Entgegen der Auffassung des LSG sei deshalb in Fällen der vorliegenden Art auch die Regelung des § 206 BGB nicht, und zwar auch nicht entsprechend, anwendbar. Die Antragsfristen für die geltend gemachten Ansprüche seien demgemäß nicht erst am 9. Juli 1973, sondern für die Schlechtwetterzeit 1969/70 bereits am 1. Juni 1970 und für die Schlechtwetterzeit 1970/71 am 1. Juni 1971 abgelaufen.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf SWG und Erstattung von Aufwendungen für Krankenversicherungsbeiträge nicht berechtigt sind.

Die Ansprüche des Klägers richten sich nach den Vorschriften des AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) idF des 1. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 22. Dezember 1969 (BGBl I 2360); denn es handelt sich um Leistungsansprüche aus den Schlechtwetterzeitperioden 1969/70 und 1970/71 (§ 74 Abs 1 Satz 1 AFG). Es kann offen bleiben, ob die übrigen Voraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche auf SWG (§§ 74 ff AFG) und auf Erstattung der Aufwendungen für Krankenversicherungsbeiträge (§ 163 AFG) gegeben sind. Die Gewährung dieser Leistung wurde jedenfalls vom Kläger nicht rechtzeitig beantragt.

Nach § 79 Abs 2 AFG in der oa Fassung ist der Antrag auf Gewährung von SWG innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Monaten nach dem Ende der Schlechtwetterzeit beim zuständigen Arbeitsamt zu stellen. Dasselbe gilt für den Antrag auf Erstattung der Aufwendungen des Arbeitgebers für seinen Anteil an den Krankenversicherungsbeiträgen für SWG-Bezieher (§ 163 Abs 2 Satz 2 AFG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei diesen Anträgen um (rechtsgestaltende) Willenserklärungen, die innerhalb der dafür vorgesehenen Fristen beim zuständigen Arbeitsamt eingehen müssen, um den Bestand des Anspruchs zu gewährleisten (BSG SozR 4100 § 72 Nrn 2 und 3 mwN).

Für die Ansprüche des Klägers aus der Schlechtwetterzeit vom 1. November 1969 bis 31. März 1970 endete die Ausschlußfrist zur Antragstellung mit Ablauf des 31. Mai 1970, für die Ansprüche aus der Schlechtwetterzeit vom 1. November 1970 bis 31. März 1971 mit Ablauf des 31. Mai 1971 (§ 74 Abs 1 Satz 1 iVm § 79 Abs 2 Satz 2 AFG). Der Kläger hat nach den bindenden Feststellungen (§ 163 AFG) des LSG - und wie es im übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist - innerhalb dieser Fristen die erforderlichen Anträge nicht gestellt.

Die fehlenden rechtzeitigen Anträge des Klägers werden durch den von seiner Pflegerin am 28. November 1973 im Wege der Einreichung der entsprechenden Abrechnungslisten gestellten Antrag auf Gewährung der in Rede stehenden Leistungen nicht ersetzt; denn dieser Antrag ist verspätet und deshalb ohne rechtliche Wirkung. Bei der Antragsfrist nach § 79 Abs 2 Satz 2 AFG handelt es sich nämlich, wie das LSG entsprechend der bereits erwähnten ständigen Rechtsprechung des BSG zutreffend entschieden hat, um eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist, gegen deren Versäumung - anders als bei Verfahrensfristen - eine Nachsicht, etwa in Form der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) nicht möglich ist (BSG aaO).

Bezüglich der Ausschlußfristen für Anträge auf SWG hat der Senat zu der insoweit gleichartigen Rechtslage nach § 143 l Abs 2 AVAVG bereits dieselbe Rechtsauffassung vertreten und darüber hinaus angenommen, daß hinsichtlich der dort geregelten materiell-rechtlichen Ausschlußfrist auch die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Hemmung der Verjährung (§§ 202 ff BGB) nicht entsprechend anwendbar sind (vgl BSGE 22, 257, 258; SozR AVAVG § 143 l Nr 3). Der Senat hat allerdings in diesen Entscheidungen bereits auf die Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 19. Juni 1963 (BSGE 19, 173) Bezug genommen, in der die entsprechende Anwendung des § 206 BGB - Hemmung der Verjährung bei nicht voll Geschäftsfähigen - auch bei Ausschlußfristen in besonderen Ausnahmefällen für zulässig gehalten wurde (so auch die Entscheidung des 3. Senats vom 22. Juni 1966, BSGE 25, 76, 77). Im gleichen Sinne hat auch der 4. Senat des BSG entschieden (vgl BSGE 34, 22, 24; 36, 267, wenngleich mit dem Hinweis, daß es auf dem Gebiet der Sozialversicherung keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts gebe, daß der Lauf einer Frist immer (iSd § 206 BGB) gehemmt sei, sobald sie die Belange eines Geschäftsunfähigen ohne gesetzlichen Vertreter berühre - anders: Haueisen in NJW 1967, 235 -.

Der erkennende Senat hatte in seinen vorgenannten Entscheidungen (BSGE 22, 250, 258; SozR AVAVG § 143 l Nr 3)nach den zugrundeliegenden Sachverhalten keine Veranlassung, sich zu der Frage einer entsprechenden Anwendung des § 206 BGB im Falle der Versäumung der Frist für den Antrag auf SWG durch einen gesetzlich nicht vertretenen Geschäftsunfähigen näher zu äußern. Er neigt heute allerdings dazu, die oa Rechtsprechung des 3. und 4. Senats des BSG in derartigen Fällen für beachtlich zu halten. Jedoch bedarf es hierzu auch im vorliegenden Falle keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn hier die Frist nach § 79 Abs 2 Satz 2 AFG in entsprechender Anwendung des § 206 BGB durch die festgestellte Geschäftsunfähigkeit des Klägers in der Zeit bis zur Bestellung der Pflegerin gehemmt gewesen sein sollte, läge gleichwohl ein rechtzeitiger Antrag auf die begehrten Leistungen nicht vor.

Der Kläger hat nämlich (durch seine Pflegerin) nicht binnen zweier Monate nach Ablauf der etwa anzunehmenden Fristablaufhemmung einen Antrag nach § 79 Abs 2 Satz 2 AFG gestellt. Nach § 206 Abs 1 Satz 1 BGB wird zwar die laufende Verjährungsfrist um sechs Monate über den Zeitpunkt hinausgeschoben, in dem - ua - der Mangel der gesetzlichen Vertretung aufhört. Nach § 206 Abs 1 Satz 2 BGB tritt jedoch eine im konkreten Fall zeitlich kürzere Verjährungsfrist an die Stelle der sechs Monate nach Satz 1. Auch diese Regelung wäre bei entsprechender Anwendung des § 206 BGB auf die Ausschlußfrist des § 79 Abs 2 Satz 2 AFG beachtlich (vgl BSGE 19, 173, 177).

Maßgeblich wäre hier die Frist des § 79 Abs 2 Satz 2 AFG von zwei Monaten. Sie ist vom Gesetz nach Beginn und Ende zeitlich genau festgelegt. Der Maßgeblichkeit dieses Zeitraumes steht es nicht entgegen, daß der Antragsberechtigte den SWG-Antrag uU schon vor Beginn dieser Frist wirksam stellen könnte (vgl BSG vom 30. Mai 1978 - 7/12 RAr 100/76 - zum Antrag auf Kurzarbeitergeld, für den entsprechende Fristregelungen gelten). § 206 Abs 1 Satz 2 BGB spricht nämlich ausdrücklich nur von dem Zeitraum derjenigen Verjährungsfrist, die kürzer als sechs Monate ist. Es kann damit nur der Zeitraum der im konkreten Fall von Rechts wegen geltenden (kürzeren) Verjährungsfrist gemeint sein; denn auch nach bürgerlichem Recht ist ein Anspruchsinhaber nicht gehindert, seinen Anspruch bereits vor Beginn der Verjährungsfrist geltend zu machen (vgl zB den Verjährungsbeginn nach § 201 BGB).

Im Falle des Klägers war der Mangel seiner Vertretung iS von § 206 Abs 1 Satz 1 BGB mit der Bestellung seiner Pflegerin am 9. Mai 1973 beseitigt. Er hätte demnach zur Wahrung seiner Rechte durch seine Pflegerin jedenfalls bis zum 9. Juli 1973 (§ 188 Abs 2 BGB) den Antrag nach § 79 Abs 2 Satz 2 AFG stellen müssen. Das war nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall. Infolgedessen stehen dem Kläger die erhobenen Ansprüche wegen Versäumung der Frist des § 79 Abs 2 Satz 2 AFG auch dann nicht zu, wenn man die Regelung des § 206 Abs 1 BGB hier für entsprechend anwendbar halten wollte.

Der Kläger muß sich das Verhalten seiner Pflegerin zurechnen lassen (§§ 1915, 1793, 278 Satz 1 BGB), wie diese andererseits die Rechte und Pflichten des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin in der Weise zu beachten hat, wie sie in der Person des Klägers bestehen. Da sich der Kläger, wäre er geschäftsfähig gewesen, gegenüber dem Ablauf der Ausschlußfrist des § 79 Abs 2 Satz 2 AFG nicht hätte darauf berufen können, er sei wegen unzureichender Unterlagen nicht in der Lage, die Frist zu wahren, gilt für die Pflegerin nichts anderes. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß zur wirksamen Stellung eines Antrags auf SWG nicht die Benutzung der Vordrucke (Abrechnungslisten) der Beklagten erforderlich ist (vgl § 17 der Winterbau-Anordnung vom 4. Juli 1972 - ANBA S 511 -; s. auch BSG vom 30. Mai 1978 - 7/12 RAr 100/76 -; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, Anm 13 zu § 72 und Anm 5 zu § 88). Die Pflegerin hätte deshalb auch ohne deren Besitz den SWG-Antrag zur Rechtswahrung formlos stellen können. Auch dies ist jedoch bis zum 9. Juli 1973 nicht geschehen. Bei dieser Rechtslage ist es nicht mehr entscheidend, ob die Pflegerin bei der von ihr angegebenen Vorsprache im Arbeitsamt im September 1973 etwa einen Antrag auf die begehrten Leistungen gestellt oder dies nur mit Rücksicht auf das von ihr behauptete Verhalten der Angestellten im Arbeitsamt unterlassen hat, denn dies wäre ebenso erst nach Ablauf der allenfalls beachtlichen Frist nach § 206 Abs 1 Satz 2 BGB iVm § 79 Abs 2 Satz 2 AFG geschehen, wie bei dem schriftlichen Antrag vom 28. November 1973.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß in seinem Falle die Ausschlußfrist deswegen nicht zu beachten sei, weil die Voraussetzungen für die Gewährung der von ihm begehrten Leistungen iS der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG (Beschluß vom 9. Juni 1961 - BSGE 14, 246 ff) vorliegen würden. Abgesehen davon, daß nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hiervon im vorliegenden Falle nicht ausgegangen werden kann, da die Beklagte hiernach eine Prüfung der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen überhaupt noch nicht vorgenommen hat, hat der Senat bereits am 17. Februar 1965 entschieden, daß die Grundsätze, die der Große Senat über das Außerachtlassen von Ausschlußfristen zu § 58 Abs 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aF entwickelt hat, im Bereich der SWG-Regelung und für Ausschlußfristen nach § 143 l Abs 2 AVAVG nicht anzuwenden sind (BSGE 22, 257, 258). Dies gilt auch für die Ausschlußfrist nach § 79 Abs 2 Satz 2 AFG, denn sie enthält weder formal noch inhaltlich eine andere Regelung als § 143 l Abs 2 AVAVG.

Schließlich gibt der Hinweis des Klägers auf § 79 Abs 2 Satz 3 AFG keinen Anlaß, vom Grundsatz der absoluten Wirkung der Ausschlußfrist nach Satz 2 dieser Vorschrift abzugehen. Die Regelung des § 79 Abs 2 Satz 3 AFG, wonach Abs 1 Satz 2 entsprechend gilt, besagt lediglich, daß neben dem Arbeitgeber auch die Betriebsvertretung berechtigt ist, den Antrag auf SWG zu stellen. Dadurch wird jedoch keine Verlängerung der Frist des § 79 Abs 2 Satz 2 AFG bewirkt. Der Kläger hat selber zutreffend darauf hingewiesen, daß die Anzeige nach § 79 Abs 1 AFG iVm § 75 Abs 1 Nr 3 AFG ein Ereignis ist, das in einem fest bestimmten Zeitpunkt stattzufinden hat. Die Anzeige ist unverzüglich zu erstatten; deswegen ist es sinngerecht, wenn das Gesetz die Betriebsvertretung zur Erstattung der Anzeige berechtigt, sofern der Arbeitgeber diesen Zeitpunkt tatenlos verstreichen läßt. Eine derartige Regelung trifft jedoch § 79 Abs 2 Satz 2 AFG für den SWG- Antrag nicht. Dort ist vielmehr die Berechtigung zur Antragstellung innerhalb einer bestimmten Frist vorgesehen. Sofern der Arbeitgeber diese Frist versäumt hat, kann sie auch durch die Betriebsvertretung nicht nachgeholt werden. § 79 Abs 2 Satz 3 AFG besagt lediglich, daß die Betriebsvertretung den Antrag nach Satz 2 anstelle des Arbeitgebers stellen kann; dies muß aber ebenfalls in der Frist des § 79 Abs 2 Satz 2 AFG geschehen. Die Übereinstimmung dieser Auslegung mit der Absicht des Gesetzgebers ergibt sich schon daraus, daß § 79 Abs 2 AFG - damit auch sein Satz 3 - der zuvor geltenden entsprechenden Vorschrift des § 143 l Abs 2 AVAVG nachgebildet sein sollte (vgl BT-Drs V/2291, Begr. zu § 73). § 143 l Abs 2 Satz 3 AVAVG enthielt jedoch (lediglich) die Bestimmung, daß die Betriebsvertretung zur Antragstellung berechtigt ist. Damit stimmt übrigens inzwischen das geltende Recht auch im Wortlaut überein; denn in § 88 Abs 2 Satz 2 AFG idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 19. Mai 1972 (BGBl I 791) heißt es ausdrücklich, daß den Antrag auch die Betriebsvertretung stellen kann.

Da sonach das LSG die Klage zu Recht abgewiesen hat, muß auch der Revision des Klägers der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654297

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